Anleihen. Ansinnen. Anleid(t)ungen. Elf.

2018_21

„Weiß des Tages. Schwarz der Nacht. Weiß des Tages.“

„Herr Mahler!“

„Ja?“

„Das Meer lag in der tiefen Nacht in einem schweren ruhigen Atem, in einer Stille wie vor der Geburt, während das herausgestoßene, abbrechende Todesatmen eines Menschen den Tag erwartete, das Licht weit hinter dem Meer, das wie ein jahrtausendealter Stein unter den Sternen schlief.“

„So beginnt das Buch, lieber Budnikowski!“

Zeit, die es nicht gibt, kann man leicht vergessen. Quatsch. Wie soll man vergessen, was es gar nicht gibt? Und wie soll das überhaupt gehen: die Zeit vergessen? Erinnerung existiert und Morgen nicht. Jetzt hier und jetzt ist schon wieder vorbei, findet statt und segnet das Zeitliche innert Nichtzeit. Das heißt das Jetzt ist vom Zeitlichen befreit. Davor und danach wird Zeit nicht benötigt und jetzt gibt es sie nicht. Existiert Zeit also nur, wenn man an sie denkt? Und warum denken dann die meisten, sie hätten keine Zeit? Weil sie nicht denken? Dies erschien den zwei Reisenden durchaus logisch. Zumindest hier, angesichts der See, dachten sie, wie sie überhaupt viel dachten mit unverstelltem Blick auf die verehrte See, die heute so ruhig an Land schwappte und sich unmerklich zurückzog, freundlich zurückkehrte und und. Und es war wieder dunkel, und wieder hell, man saß wieder (oder noch) am Strand und noch mal nannte man ein Jetzt „achtuhrfünfunddreissig“, doch was war mit der Inselbahn? Kein Tuten, Pfeifen, Rattern. Warum? Auf der Insel schreibt die See die Fahrpläne. Also blieben die Reisenden erstmal sitzen.

„Herr Budnikowski!“

„Ja?“

„Das Meer lag in der tiefen Nacht in einem schweren ruhigen Atem, in einer Stille wie vor der Geburt, während das herausgestoßene, abbrechende Todesatmen eines Menschen den Tag erwartete, das Licht weit hinter dem Meer, das wie ein jahrtausendealter Stein unter den Sternen schlief.“

„So endet das Buch, lieber Mahler!“

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(text / fotos: christian lugerth)

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Freitag, 30. März 2018 20:23
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