Beiträge vom 28. Dezember 2013

Ein Monat belanglos’ Geschwätz / Twelfth Nite

Samstag, 28. Dezember 2013 18:08

gone

Budnikowski war sich nicht mehr sicher, ob er eingeschlafen war, weil Mahler nicht mehr redete oder ob Mahler eingeschlafen war und Budnikowski deshalb auf dem Sofa Platz genommen hatte, um noch einen letzten Jahresrückblick zu lesen, zu betrachten oder gar zu verfassen? Nein, so etwas tut man nicht! Nein! Und nochmals nein! Mahler wiederum ist sich sowieso nie sicher, wo ein Traum endet und warum. Wer schneller einschläft, wacht schneller auf! Das ist nicht immer lustig, wenn sogar der Winterschlaf eines Bären von der senilen Bettflucht attackiert wird und eine nachtwache Wut das Hirn und den Leib attackiert. Budnikowski war bis vor gar nicht langer Zeit kein Anhänger des Winterschlafes gewesen, doch heute Abend oder gestern mittag oder morgen früh war ihm, als wäre er in einen unfaßbaren Tiefschlaf versunken und mutmaßte derweil, nicht mehr auf dieser Welt zu sein. Aber wo war Mahler und wer spricht gerade mit Budnikowski? Solange Mahler mit ihm spricht, ist er dieser Welt habhaft, der Kuno Budnikowski. Dies war ihm Gewißheit. Bis heuer. Dem Archibald Mahler wiederum ist plötzliche Abwesenheit kein Fremdwort. Er liebt es ohne Ankündigung seinen Hut vom Kleiderständer zu nehmen. „Entschuldigung, leider kann ich heute nicht bei Dir sein. So ist es.“ Budnikowski begreift, daß man sich für Tatsachen nicht zu entschuldigen braucht. Das Wort leider kann man streichen. Wenn die Titanic untergehen will, muß sie nicht den Eisberg um Erlaubnis fragen. Mahler schläft unruhig. Sein einst abbes und wieder angenähtes Bein zuckt und löst sich vom restlichen Körper und beginnt zu tanzen. Alleine. Die aufgerissenen Nähte bummern offen und schauen dem tanzenden Glied zu. Welchen Tanz tanzt ein einsames Bein? Mahler schlägt in seinem Traumtagebuch nach. Einen solchen Traum hatte er noch nie notiert. Potzrembel! Er hatte noch nie einen Traum in seinem Traumtagebuch notiert. „Das ist dumm von Dir!“ Mahler war, als spräche Budnikowski zu ihm. Aber schläft der nicht? Budnikowski wirft sich von der einen Seite auf die andere. Mahler schnarcht verstimmt. Alle Insomnia braucht Ruhe an ihrer fiebrigen Seite. Dann verhakeln sich zwei Pfoten ineinander. Der Schlaf wird leichter. Man verläßt ein Jahr vor der Zeit. Budnikowski ist sich nicht sicher, ob Mahler schon eingeschlafen ist. Vor dem Schrei des Schmetterlings. Keine Musik mehr. Atmen noch. Und weiter. Und weg. Mahler war sich nicht mehr sicher, ob er eingeschlafen war, weil Budnikowski nicht mehr redete oder ob Budnikowski eingeschlafen war und Herr Mahler deshalb auf dem Sofa Platz genommen hatte…

Thema: Archibalds Geschichte | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth