Beiträge vom Oktober, 2011

POST AUS LITAUEN / HÖMMA!

Montag, 31. Oktober 2011 18:31

lit09

Hömma Mahler!

Dat sind Schmerzen, sach ich Dir! Also ich sitz da beie Kapelle im Walde und lausche die litauische Tanzmucke und da iss der lange Kerl am den Kopp in seine Hände stützen und weint bittere Tränen innen Waldboden. Und ich denk, dat da eine Tröstung angesacht iss und dann erzählt er vonnem Ausscheiden von seine Basketball – Team, wo ett doch der Nationalsport iss inne litauische Gegend und dann wird der Wodka ausse Tasche gepackt und ich klage vonne instabile Form vom BVB und schon iss datt reinste Orgienpaket ausgepackt. Ne, watt iss dat für ein Zeugs, dieser Wodka! Aber fürren Klagegesang von Sportsfreund zu Sportsfreund isset dat ideale Getränk. Und dann kriechse beie Sauferei tiefgefrorenen Fisch und Schweinebacke und Gurke als Beilage und fürre Stabilisierung vonne Magenwände serviert. Nee, sach ich nur, da iss der mitteleuropäische Magen nich für gebaut. Getz wird nur noch frische Luft inne Eingeweide gesaucht, sach ich mal so. Verzeihung wegen die Verspätung vonne Post noch (Montach iss nich Samstach) und getz geht et wieder inne Dünenlandschaft. Der Wind, der über dat Haff braust, iss lau. Musse aufpassen!

Laß jucken und herzlich Ihren Lütten Stan, woll!

Thema: Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN IV

Sonntag, 30. Oktober 2011 8:59

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No hoggd der Mahler also dert, wo selle hogge, die dert emmer hogged. Die Sonne strahlt mit jedem Tag, den er im Schwabenländle verbringt, wärmer und so esch es eh besser, wemmer sich nahhoggd und net rumhuddeled. Und er hoggd aka sitzt nun vor einer alten Gastwirtschaft in der Ecke Tübingens, wo einst die sogenannten Gogen wohnten, die Unterstädler, die Bauern, die Winzer, die Rauhen. Der Frühling im Herbst hält die Fenster der Lokalität offen und Archibald Mahler kann hören, wie sie hinter seinem Rücken angeschmeltzte Maultäschle verzehren, Käßspätzle, Wurstsalat mit Schwarzwurst, Schupfnudle mit Kraut, Spätzle mit Linsen und Saitenwürschtle und manches Viertel wird dazu geschlotzt und die Gesprächsfetzen in diesem, gern etwas zu lautem, wie durch Nebenhöhlen und entzündet klingende Gaumen gepreßten Dialekt, lassen den Bären schmunzeln. So  klang es dieses Frühjahr auch unten im Heckerland! Die Brüder der Heckerländer, die aber so gerne doch ganz anders wären. Pustekuchen! Jeder dritte Satz auch hier enthält Regeln, Hinweise, Zurechtweisungen, Organisationprinzipien für den bösen Alltag, Abgrenzungen aller Colour. Es scheint dem Bären, daß so die von der schnöden Welt befreiten geistigen Bergbesteigungen der Tübinger Denkgespenster eine unfreiwillige Erdung erfahren. „Denk Du nur, großer Geist! Wann der Trottoir gefegt und wie die Mülltonne gefüllt wird, des entscheidet immer noch mir.“ Aber irgendwie paßt das alles zusammen, das Hehre und das Profane, findet der Bär. Ätherisches Denken und kräftiges Essen, wirre Thesen und saubere Gehsteige. Gute Stadt! Nun muß der Bär nach Hause. Noch mal will er den Neckar sehen, den Turm des Friederich und denkt: „Wenn so ein Stocherkahn nun käm vorbei, und ich fragte den Stocherer, ob er ein Stück des Weges mich in Richtung Heimat? Oder einfach hin und her? Die Sonne scheint so schön.“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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Postscriptum: Und als der Stocherkahn am Turm vorüberglitt, öffnete sich ein Fenster und wirren Blickes, aber gut gelaunt, sprach das Gespenst namens Friederich zum Bären: „Das noch nimmt mit. Ich schenke es Dir. Denn bald auch ich im Winterschlaf! Für immer!“

HÄLFTE DES LEBENS

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

(F. Hölderlin)

Thema: Musentempel, Unterwegs mit Herrn Albert | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN III

Samstag, 29. Oktober 2011 5:42

tueb07

Mein Herz ist wie die dunkle Nacht,

wenn alle Wipfel rauschen;

da steigt der Mond in voller Pracht

aus Wolken sacht -

und sieh, der Wald verstummt in tiefem Lauschen.


Wenn ihr Freunde vergeßt,

wenn ihr den Künstler höhnt

und den tieferen Fleiß klein und gemein versteht,

Gott vergibt es. Doch stört nur

nie den Frieden der Liebenden!

(Friederich Hölderlin)

„Oh, Friederich! Oh, Hölderlin! Oh, Turmpoet und Kreisedreher! Oh, Leidenssänger, Abgrundschauer! Oh, Geistesbär und Weltverzweifler auch! Verzeih mir, daß ich Platz nahm auf Deinem Grabmal. Es ist des Bären Art zu ehren Deine Geisteskraft! Verzeih!“ Das spricht Archibald Mahler vor sich hin. Mantra! Man weiß ja nie in dieser Geisterstadt. Sonst schicken sie Gespenster, die Dich peinigen, bis daß der Schlaf Dich flieht. Doch nicht nur das Grabmal des Poeten befindet sich hier auf den Alten Stadtfriedhof. Der Bär steht auf, wandelt und schaut und flugs fällt ihn der Schwindel an. Dieser Humus emaniert Geistesatem. Schau hin, kleiner Bär! Da liegen sie die Professoren der Religionswissenschaft, der Botanik, der Philosophie, der Kunstgeschichte, der Chirurgie. Da ruhen sie, die Universitätskanzler, die Oberbürgermeister, die Theologen, die königlichen Kammerherren, die Universitätsmusikdirektoren. Dort gedenkt man der Dichter, der Sprachgelehrten, der Universitätsbibliothekaren, der Schriftsteller, der Kunsthistoriker, es findet sich sogar ein Kanzler dieser Republik, sein ärgster Gegner nur wenig Meter entfernt versenkt im Tübinger Boden, dort rechts ein Missionar aus Indien und links der Gründer des Schwäbischen Alpenvereins. Ach ungezählt die Musiker, die Oberlandesgerichtspräsidenten, die Komponisten, die Kaufleute und Professoren der Philologie und Geographie und ungekannter Wissenschaften. Und den Bären überfällt der Schwindel, sein Haupt zur Seite sich neigt, es verrutscht der Dichterkranz und eine Sehnsucht erwacht in seinem Herzen und er ruft: „Oh Ihr Götter all, und Musen Ihr, Potzrembel auch noch mal und Weia! Gebt einen Menschen mir, der mit den eig’nen Händen ein Werk erschaffen, das man mit seinem Auge sehen und mit der Tatze fühlend kann berühren. Einen Kachelofenbaumeister zum Beispiel, jetzt da der Winter an der Türe kratzt oder einfach einen Lokomotivführer, weil, wer verreist, die Heimkehr auch gesichert wissen mag. Gebt Menschen mir der Hand und nicht des Hirns. Es schwindelt mir, ob all der Geisteskraft. Habt Mitleid mit dem Bären, Götter Ihr und höret: die Einfachheit, sie schafft!“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN II

Freitag, 28. Oktober 2011 14:43

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Schwäbische Nacht. Archibald allein und zwei Äpfel. Vom selbem Stamme gefallen? Brüder? Wer weiß. Tief unten in den Eingeweiden des mittelalterlichen Hauses am Neckar, in dem Herr Mahler logiert, ein kleiner Musentempel. Herr Ernst Albert schaut gerade Probe, Probe eines Werkes aus der eigenen Feder aka Tastatur. Der Geisterstadt angemessen, ein Stück Theater voller Gespenster. Abwesender Vater, der präsenter nie war als er noch anwesend, verwaltende Mutter, Söhne auf Glatteis, viel zu viel Geld und der Abgrund wartet mit offenen Armen. Kompliziert? Muß man sich wohl selber anschauen. In Archibald Mahlers Kammer tanzen die anderen Gespenster. Die Melanchtons, Keplers, Hölderline, Schellings, Hegels, Schwabs, Hauffen, Mörikes, Sahls, Maiers, Jense, Bloche und und und. Die ehrwürdigen Mauern der von den Kriegen kaum berührten und unzerstörten Stadt sind durchdrungen von Worten, Gedanken, Axiomen und dem großen Zweifel an der Welt. Die feine Nase des Bären kann sich gar nicht satt riechen an soviel Denkwut. Vor Äonen gereimte Alexandriner und Jamben zischen durch die Nebelnachtluft und Archibald Mahler, heute Schauer der gedachten Welten, ist es gar bärig wohl in seiner Pelzhaut. Ein Ringelreihen dreht sich vor seinen staunenden Augen. Das Gestern tanzt mit dem Heute und das Morgen singt dazu ein wunderbares Lied und alles ist eins und nichts und doch ein nicht endendes Poem. Das Reimherz schlägt jauchzend in des Bären Brust und – „Licht, Luft, Atem!“ – er reißt das Fenster auf, einen Zweig des die Hauswand empor rankenden Efeus desgleichen reißt er ab und flicht sich, da’s kein anderer tut, den lang ersehnten, eig’nen Dichterkranz und schwindelnd ob der eben rauschhaft schnell erstiegenen, ätherisch pochend lichten Höhe, ruft einen Wunsch er fordernd in die Zimmernacht. „Gebt Musen mir, ein Denkmal mein und laßt mich dort, so wie ich puste Löwensamen, die Reime, die mein Hirn gebiert in stürmend drängend ewig’ Herzensnot, verstreuen in die hehre Schwabenluft. Passant, nicht eile! Gedenk des Bären, der hier thront!“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN I

Donnerstag, 27. Oktober 2011 12:20

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Im heiligsten der Stürme

Falle zusammen meine Kernerwand

Und herrlicher und freier walle

Mein Geist ins unbekannte Land

(Inschrift auf dem Grabstein Hölderlins)

Wo war Archibald Mahler stehen geblieben, bevor der ehrenwerte Herr Ernst Albert ihn gen Tübingen karriolte? Herbst. Blätter. Das farbenfrohe Sterben. Das bunte und sanfte Hinübergleiten. Kann man es schöner ausdrücken als oben festgehalten? Jedoch: muß man nun, um diese Worte zu finden, mehr als die Hälfte seines Lebens in einem Turmzimmer im Kreise herumlaufen, umtanzt und gepeinigt von Dämonen, Mythen und germanischer Geschichte oder bleibt einem nichts anderes übrig als in einem Turmzimmer unendliche Kreise zu ziehen, nachdem man diese Worte zu Papier gebracht hat? Wurschtbrot! Hühner: Eier. Eier: Hühner. Archibald Mahler hat Platz genommen auf der Neckarinsel, in seinem Rücken die altehrwürdige Geister- und Geistesstadt. Ernst Albert erzählt, wie er vor nun zwanzig Jahren einige Jahre hier ver- und gearbeitet hatte und daß ihn heute angesichts der Erinnerung, daß es damals seine Entscheidung gewesen war, den Ort zu verlassen, eine seltsame Traurigkeit befällt. Nun ja, im Herbst tanzen die Geister besonders gern durch die Herzen der Aufrechtgeher. Und während der Herr Ernst Albert so sinnt, dreht sich der Mahler um und denkt: „Einmal möchte ich in einem der alten Häuser dort wohnen und hinabschauen auf den Neckar, die Stocherkähne an mir vorbeigleiten lassen, dabei Hölderlins Runden zählen und des Nachts mit den Geistesgeistern vom nahen Tübinger Stift einen Schoppen Württemberger leeren.“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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LETZTE FRAGE / VORLETZTE ANTWORT 1

Mittwoch, 26. Oktober 2011 7:44

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Die neue Aufgabe! Rechtzeitig am milden Dienstagabend hatte er den Schlüssel übernommen. Die Dame mittleren Alters vom letzten Mittwoch querte die Straße und entrauschte klickernden Schritts. Archibald Mahler hielt einen Schlüssel in der Hand und einen etwas nachlässig gefalteten Papierzettel in der Tatze. Letzte aka erste Anweisungen. Entfaltung des Zettels und Belesung desselben. „Bester Herr Mahler! Jeden Mittwoch erlaube ich mir nun Ihnen eine der vielen Fragen, die mir seit Jahren vor die Füße gespült werden, zu überreichen, in der Hoffnung die Frage von Ihnen beantwortet zu wissen. Mit Gruß: Die Bühne!“ Archibald Mahler blieb verwirrt. Der Musentempel auf der anderen Seite der Straße sah auch nicht viel gescheiter aus. Fand der Bär. Sieh an, die Dame mittleren Alters vom letzten Mittwoch querte die Straße ein zweites Mal, nun aber in der umgekehrten Richtung, stand also vor dem Bären, wippte auf und ab wie eine Elster und sprach. „Sie verzeihen mir, Herr Mahler. Ich stelle mich vor: Bühne mein Name, Bühne Elvira und wir bleiben somit präzise. Hier die Frage! Aber lesen Sie selbst! Nehmen Sie den zweiten Zettel. Ist dies nicht ein schöner Herbst? Huch, jetzt aber schnell! Tschühüß!“ Die Dame mittleren Alters vom letzten Mittwoch, die inzwischen Elvira Bühne hieß, querte die Straße ein drittes Mal und entrauschte, weiterhin klickernden Schritts. Noch ein Zettel. Entfaltung Zwo und Belesung. Archibald Mahler fiel es schwer, nicht auf den herbstlichen Boden zu fallen wie ein trunkenes Blatt. Dies war die Frage:

„Werde ich angerufen, wenn die Welt untergeht?“

Wer nur, wer nur, kann eine solche Frage stellen? Na ja, wahrscheinlich ein Aufrechtgeher, bestimmt kein Blatt im Herbst. Der Bär ging also in sich, blickte zum Himmel und wieder zurück, griff den Schlüssel und wollte sich in die Arbeitsräume der Dame mittleren Alters namens Elvira Bühne begeben, um seine Aufgabe zu erfüllen, als die feste Hand des ehrenwerten Herrn Ernst Albert ihn am Nacken packte und zack. Auf nach Tübingen! Aber die Frage? Nächsten Mittwoch! Aber wo und was ist Tübingen?

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ONE AND ONE AND ONE IS THREE, ABER MAN BLEIBT EIN BÄR IST MAN EIN BÄR

Dienstag, 25. Oktober 2011 15:15

herbst03

Und wenn man verschmölze mit dem Blattwerk, eins würde mit dem Baum, eins würde mit dem Selbst seiner selbst, das in einem Baum sitzt, wenn man sein pelziges Bärenego ausschaltete und hingegeben dem Fluß des Werdens und Vergehens, seinen Pöter in die wärmende Sonne oder in den knarzenden Frost hielte, nicht klagte, atmete, ein und aus auch mal und nichts erwartend sehen würde, was da geschieht? Würden dann nicht all diese Häute, Mauern, Kriterien, Axiome, Bewertungen, Noten und Erwartungen, Erwartungen, Erwartungen, welche jeglicher Kreatur den Zugang zu den Erkenntnissen versemmeln und ungezähltes, sinnfreies Leid in die Adern und zerknirschten Synapsen schießen, sich auflösen, davon schwimmen im Gleichmaß lapidaren Da- und Mitseins, ranglistenfrei, ohne Vorfahrtsschilder und Verbotstafeln und ohne Angst? Denn wer hat schon jemals von der Angst des Blattes vor dem Aufprall auf herbstlichem Acker gelesen? Eben! So denkt Archibald Mahler, der heute morgen beschlossen hatte, ein Stück Baum zu sein. Das Blattwerk, welches ihn umgibt, scheint sich nicht daran zu stören. Das freut den Bär, aber er zeigt es nicht. Blättern machen so etwas auch nicht. Dann pustet der Wind in den Baum. Das Laub tanzt. Der Bär? Nicht daß man jetzt Archibald Mahler des Übergewichts bezichtigen könnte – das verbittet er sich hiermit in aller Deutlichkeit – aber da tanzt nichts. Der Wind bemerkt dies und legt an Stärke zu. Ein wenig wackelt es daraufhin. Dem Wind reicht dies nicht und er nennt sich nun Sturm. Dem Bären wird schummrig und er hält sich fest. Die Blätter fangen an zu kichern und lassen sich eins nach dem anderen elegant zu Boden gleiten. Potzrembel aber auch! Man ist dann doch, was man ist. Und wenn ein Bär zu Boden knallt, müßte am Ende doch wieder die hochgeschätzte Frau Eva Pelagia als Krankenschwester herhalten. Soviel zum Thema Bärenverschmelze. Noch Fragen? Weia! Die Fragen! Dem Bären fällt ein, daß er eine neue Aufgabe übernommen hat. Jeden Mittwoch? Jeden Mittwoch! Auf! „Tschüß, ihr Blätter! Toll seid ihr!“ „Tschüß, Bär. Vielleicht klappt es ja mit der Wiedergeburt, so als Blatt!“ „Ja, lüg ich denn? Seit wann können Blätter sprechen?“ „Schon lange! Hau ab, Mahler, Du hast zu tun!“

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DER HERBST IST EIN VERWIRRENDER GRABSTEIN, MEINT HERR MAHLER

Montag, 24. Oktober 2011 11:00

herbst02

Und wie die Sonne strahlt nach kalter Nacht. Und so das Blattwerk allüberall. Der Frost hat nächtens die Feuchtigkeit in den Adern der Blätter gefrieren lassen, so müssen sie ablassen von der Photosynthese, ihr Rückgrat ist gebrochen, mit letzter Kraft hält sich das Blatt am Ast und leuchtet und spielt mit Farben und dem sinnenden Bären ist, als sei er Zeuge eines massenhaften Todeskampfes und es ist schön, es ist berauschend und es ist seine Lieblingszeit im Jahr. Gestorben wird, daß es nur so eine Pracht ist. Archibald Mahler denkt nach, muß nachdenken, weil er verwirrt ist. Fiele er jetzt vom Baume wie eines der trudelnden Blätter und folgte ihm in die ewigen Jagdgründe, was stünde auf seinem Grabstein? Konfusion? Konfusion! Verwirrung? Verwirrung! Ja, Verwirrung wäre seine Grabinschrift. Wie kann man sich nur so freuen am Dahinscheiden? Wie kann man nur das eigene Dahinscheiden so farbenfroh feiern? Weil man weiß, man kommt wieder? Weiß der Baum von dieser Tatsache? Das einzelne Blatt? Im Flug? Beim Trudeln? So wird es wohl sein. Und da fällt dem Mahler ein, was wohl der Grund seiner Winterschlaferei sein könnte. Er will den leeren Ast einfach nicht sehen, den kahlen Baum, der in die schneegeschwängerte Luft ragt und friert und frieren läßt das empfindsame Herz des Bären vom Brandplatz. Und auch weil er nicht öffentlich weinen mag ob der gräuslichen Entstellung der Wälder, verkriecht er sich in einer Höhle und schläft seinen Kummer einfach weg. Genau! Und kommt wieder! Und der Hunger, der gute alte Herbsthunger, der kommt auch wieder. In Archibald Mahlers Gedärmen rumpelt es. Doch der warme Pöter hängt faul im Baum. Bei zweistelligen Temperaturen sich Winterspeck anfressen? Zu anstrengend. Aber? Ja, natürlich ein Aber. Aber auch das andere Aber! Mal schauen, wer gewinnt! In des Bären Inneren liefern sich Faulheit und Pelz auf der einen, Pflicht und Magen auf der anderen Seite, ein intensives Gefecht. Lassen wir die Äpfel und die Nüsse noch ein wenig reifen. Keine Bewegung im Baum. Sogar der Wind schläft heute.

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POST AUS LITAUEN / TANZBAR!

Samstag, 22. Oktober 2011 11:07

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Lieber Herr Mahler!

Heute war ich in Schwarzort. So hieß der Ort früher. Hinter dem Ort erhebt sich der Hexenberg. Das ist eine alte Düne, die mit den dunkelsten Tannen und Kiefern der ganzen Nehrung bewachsen ist. Deshalb nannte man den Ort Schwarzort. Und weil ganz früherer keine Bäume auf der Düne standen, konnte man sehr weit aufs Meer schauen und zur Mittsommernacht kamen deshalb hier die Aufrechtgeher zusammen, um zu feiern und viel zu tanzen. Musikanten, Kapellen, Chöre, Tänzer. Alle waren da. Aber auch die Hexen und sogar der Teufel. Erzählt man sich so. Der Teufel habe sich hier regelmäßig mit den Hexen getroffen und gewürfelt. Um verdammte Seelen. Weia, wie Sie gerne bemerken! Dann habe ich diese Musikkapelle im Wald getroffen. Sie war aus ganz alten Bäumen geschnitzt. Dann traute ich meinen Ohren nicht. Die Kapelle spielte zum Tanz auf und ich habe es richtig gehört und bei mir hat sich alles gedreht. Und das hält immer noch an. Es grüßt mit Karussell im Kopp:

Herzlichst Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski

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SPRICH MIT DEM WIND, WENN SICH DIE BLÄTTER FÄRBEN!

Freitag, 21. Oktober 2011 11:43

herbst01

Also saß Archibald Mahler wieder in den Wäldern, dort wo er sein Jahr begonnen hatte. Die Blätter, welche damals bestenfalls eine Knospe, machten sich bereit zum Sterben und färbten sich von den Rändern her ein. Das mochte der Bär außerordentlich: der farbenfrohe Tod. Wenn schon, dann so. Alles an Rot -, Gelb-, Ocker- und Grüntönen (diese verblassend), was die Palette des Freiherrn Gottfried von Herbst zu bieten hat, prangt in der noch recht milden Luft. Rauschen und Wispern. Der Narr im Baum. Und der Wind, der die kalte Luft ins Land schaufeln wird, spricht zum Bären. Er fragt ihn, wo er denn gewesen sei, das ganze Jahr über. Und Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz im zweiten Weltenschaujahr, antwortet, daß er hier gewesen sei, aber auch dort und meistens irgendwo dazwischen. Und ob er, der Bär denn Pläne habe, für den Winter, gar ein Neues Jahr, fragt ihn der Wind weiter. Dazu könne er noch gar nichts sagen, antwortet der Bär, er habe ja noch nicht mal ein Fettpolster für den Winter und weder Apfel, Nuß, noch Mandelkern in die noch auszusuchende Winterschlafhöhle geschleppt. Woraufhin der Wind zwei Stärken an Intensität zulegt und so seine Temperatur um gefühlte fünf Grad absenkt. Dies ist seine Art den Zeigefinger auszustrecken. Archibald Mahler und das ihn umgebende Laub zittern um die Wette. Aber was das nächste Jahr angehe und die Pläne, spricht er trotz blauer Lippe, da wolle und könne er nichts planen, da er von der Schönheit des Laubes gänzlich erfüllt sei und dies zu betrachten und zu loben, sei für heute Aufgabe genug. Woraufhin der Wind die Backen bläht und kräftig am Laube zerrt. Einiges an Blattwerk fällt und tanzt zu Boden. Er, der gute Herr Mahler, solle an die Kraniche denken und sich ein wenig eilen, bemerkt der Wind, bald seien sie hinfort, die bunten Augen- und Seelenerfreuer. Und er schürzt sein wehendes Hemd, um zum nahegelegenen See zu entrauschen. „Gewiß. Morgen, morgen ganz bestimmt! Diesen goldenen Monat noch einfach dasitzen und staunen. Hab ein Einsehen, lieber Wind!“ So bittet der Bär aus tiefstem Bärenherzen. Und der Wind macht noch einmal kehrt und bläst die Wolken fort. Die Herbstsonne wärmt des Bären Fell.

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