Beitrags-Archiv für die Kategory 'Wastelands'

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / 3ZEHN

Freitag, 30. September 2011 18:47

moral13

Dann kommt alles auf einmal! Frau Sommer zum fünften Mal zurück. Kopfdruck und heißes Fell. Die Aufrechtgeher mit den Schaufeln und ihr neuer Bagger. Und der ehrenwerte Herr Ernst Albert. Erstere von oben und allen Seiten, von rechts das Arbeitskommando und der Abgeordnete der Musentempel von links, ganz ohne Kanzlerinmehrheit. Entschuldigung, denkt der Bär. Kopfdruck. Es entspinnt sich ein Gespräch von Aufrechtgeher zu Kreatur oder umgekehrt.

„Hallo Bär!“

„Tach Chef!“

„Das war knapp!“

„Ich weiß! Aber die Wut!“

„Teuer wäre es geworden!“

„Es wird auch so teuer. Sehen Sie die Bagger?“

„Gewiß! Aber das ist eine andere Rechnung!“

„Hätten Sie mich auslösen müssen?“

„Wollen, lieber Freund Mahler. Kaution, Kaution! Und die Schlagzeilen? `Wutbär flutet trockengelegten Schwanenteich.` Fast noch schlimmer.“

„Aber mich kennt doch keiner!“

„Da täusch Dich mal nicht, Bärchen. Unsere Verbindung hat sich rumgesprochen!“

„Aber Sie sind doch oft auch…ääh…dings!“

„Wie?“

„Ja, so richtig wütichbärig!“

„Ich doch nicht. In mir atmet das Lamm!“

„Man soll seinen Lieblingsbären nicht verkackeiern, lieber Herr Ernst Albert! Was machen die Schaufelträger jetzt eigentlich mit dem ganzen Schlamm?“

„Was wir Aufrechtgeher immer machen, wenn es stinkt!“

„Und das wäre?“

„Blöd glotzen, wichtig schweigen, erhaben erstarren! Rumröslern! Schlaulahmen!“

„Weia! Und jetzt!“

„Vielleicht mal wieder nach Hause!“

„Was ist das?“

„Musentempel?“

„Ich komme mit. Zuhause Bilder schauen! Hat was!“

„Los jetzt!“

„Ich muß noch mal kurz mit dem Bagger reden!“

„Des Bären Willen sei sein Himmelreich!“

„Bis gleich! Baggerbuss!“

„Guck an! Post aus Litauen!“

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / ZWÖLF

Mittwoch, 28. September 2011 23:14

moral12

Wenn der Damm bricht? Wenn der Damm bricht! Wenn der Damm bricht, brechen alle Dämme. Was brach bevor der Damm bricht? Was war hinter dem Damm? Was drückt auf dem Damm? Wer hat den Damm gebaut? Wußte der Dammbauer, was da drücken wird? Kann wer das wissen? Wer läßt regnen? Wie schnell läuft etwas voll? Wann drückt es so richtig auf den Damm? Was soll ein Damm? Warum ein Damm, wenn das Rinnsal gelassen bleibt in seinem Bett? Laufen lassen ist besser? Wieviel Zulauf braucht der Teich? Fragen. Archibald Mahler interessieren diese Fragen nicht. Er sitzt auf dem Rad. Er dreht am Rad? Quatsch! Er könnte am Rad drehen. Und dann brächen Dämme. Und? Der Haderer streckt die Faust in den Himmel und handelt. Tat tut not! Geduld ist für Koalitionswähler und Wutverweigerer! Ventil reicht nicht! Der Damm muß weg! Dann läuft es. Erst läuft es voll und dann läuft es über! Menetekel! Mahnmal! Denkmal! Denk mal drüber nach! Die Rückkehr der Flut! Und die Enten und Schwäne haben wieder Wasser unter dem Kiel. Archibald Mahler ein Terrorist? Ein Flutengel? Dieses dicke von Herbstsonnen gewärmte Rad unter seinem jugendlich revolutionären Pöter ruft nach des Bären Wutherz. „Flute den Schlamm!“ Dinge geschehen und ein wütiges Herz beklagt und beschimpft die Veränderung und will zurück und weil es nicht geht – das Zurück – haut es das Jetzt zu Brei und dann? Darf man einen trocken gelegten Teich fluten? Über was man so alles nachdenken kann! Aber die erstaunten Gesichter der Aufrechtgeher, dann und morgen? Welche Freude auch. Wirklich? Aufwachen kann manchmal recht doof sein. Ach! Die kurze Lust am Untergang! Ein paar Eimer Met trinken? Archibald Mahler, frisch gewählter Kassenwart der Aktionsgruppe „Moral und Geduld“, bedenkt den Kontostand, welchen er seit kurzem zu verwalten hat. Was wenn der frisch geflutete Teich wieder abgepumpt werden muß? Flieh, schneller Fuß, flieh? Was, wenn man einen fliehenden Bären faßt? Wer zahlt? Kaution? Wer kann das bezahlen? Wird Ernst Albert enttäuscht sein? Eva Pelagia weinen? Staatsanwaltschaft? Gitter? Presse? Weia! Aber den dummköpfigen Aufrechtgehern ihre unbeackerten Problemteiche mal richtig vollaufen lassen! Wär schon schön! Und nun? Von rechts ein Geräusch! Von links Schritte und Rufen! Von rechts rollen Bagger heran! Von links? Der ehrenwerte Herr Ernst Albert. Wenn der Damm bricht!

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / ELF

Sonntag, 25. September 2011 21:21

moral11

Zuerst wird der Schwanenteich genommen, dann die Kleine Häßliche Stadt! Wie bitte? Es geht um den lange angekündigten Plan. Damit etwas geschieht. Irgendwas geschieht und nicht nur untätige Stiefel und Schaufeln im Morast stecken und stehen und Lippen sich bewegen. Die Tat, der starke Arm, der will, der Griff hinein ins Trübe, der Sand im Getriebe, das Hehre! Auf das man sich wehre! Jawoll! Archibald Mahler sitzt nun schon seit Tagen und Wochen am Rande des Schlammloches im Herzen der Kleine Häßlichen Stadt, sitzt also seit Tagen und Wochen am Rande eines Schlammloches im Herzen dieser Welt – denn behaupte einer irgendwo sei irgend etwas anders solange der Aufrechtgeher an den Rädchen der Geschichte dreht oder eben dieses nicht tut – und der Schlamm rottet vor sich hin und her und wieder zurück. Was war das? Dieses eine Wort? Drehen? Genau! Drehen. Da ist dieser etwas zu groß geratene Wasserhahn. Archibald Mahler nimmt Platz. Wenn er ihn nun drehen würde? Aufdreht? Und es ergießt sich so einiges in den stinkenden Schlamm? Wenn der Hahnen offen, bevor der Hahn kräht? Eine vom Bären angezettelte Flut? Der Teich kehrt zurück ins nicht gemachte Bett und morgen glotzen die empörten Augen der Aufrechtgeher und die Schwäne bleiben trotzdem tot? Die Zeit nicht zurückgedreht, lediglich das große Ventil aufgedreht? Archibald Mahler wundert sich, aber er hat keinen Spiegel in den er blicken kann. Der Teich ist leer. Was würde er sehen, wäre der Teich wieder voll? Den Wutbürger im Bären? Den Wutbären im Bürger Archibald Mahler? Gewiß, der Bär fühlt sich heute bürgerlich. Des Bürgerbären Recht auf einen ordentlichen Teich ergießt sich in des Bären Pflicht zur Wut. Ein kräftiges „Potzrembel die Waldfee!“ sei hiermit all den duldsam Schweigenden entgegen geschmissen. Der Bär kratzt sich am Pöter und denkt nach. Vielleicht kann ihm der ehrenwerte Herr Ernst Albert etwas Geld leihen. Der Bär braucht einen Rechtsanwalt, denn er hat einen Plan. Sein Pöter sagt ihm, daß der Große Hahnen unter ihm bereit ist. Das Herz eines Wutbären kennt keine Zweifel. Wem das zweite Bein entrissen und dann wieder angenäht wurde, der kennt den Schmerz. Heraus beim ersten Schrei, der Wutbär ist dabei! Die Revolte ist eine einsame Angelegenheit. Schwanenteich 21! Archibald Mahler reckt seine rechte Tatzenfaust in den milden Herbstabendhimmel. Man wird siegen! Heute ist die Nacht. Diese eine, eine Nacht, denn manche ahnen, bevor andere wissen. Ja! Zuerst wird der Schwanenteich genommen, dann die Kleine Häßliche Stadt!

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / ZEHN

Mittwoch, 21. September 2011 23:00

moral10

Heute ist Archibald Mahler benommen und verwirrt. Warum? Weil er das Lied hören möchte? Weil es morgens kalt ist, mittags warm und abends wieder kalt ist? Weil die Aufrechtgeher an jeder Ecke Tafel und Schilder aufstellen? Weil das eine Schild vor der anderen Tafel warnt und diese auf ein drittes Schild hinweist, welches die vierte Tafel aufhebt außer zwischen achtzehn und neunzehn Uhr, aber dies nur am Samstag, doch nicht wenn der Samstag ein ungerader Tag ist? Und weil bei Vollmond gar keine Tafel gültig ist, außer wenn der Papst kommt? Weil er nicht weiß, was das überhaupt ist: ein Papst und ob man das essen kann, ohne daß einem Bären schlecht wird? Weil der Winterschlaf schon wieder vor der Türe rumlungert? Weil der Schlamm ihn immer noch anglotzt und kein Bagger kommt? Oder bringt der Papst den Bagger mit? Aber wenn es den Papst gar nicht gibt oder man nicht weiß was das ist oder soll, dann bleibt der Schlamm für immerhier liegen und stinkt? Ist das vielleicht der Sinn eines Papstes: den Schlamm für immer liegen zu lassen und für immer entschuldigt zu sein, weil der Papst vergessen hat die Bagger zu schicken? Und an was glauben die Aufrechtgeher so? Oder ob man das überhaupt muß? Das Glauben an etwas? Und die Schilder und Tafeln? Wer schreibt da was drauf? Und die, die da was draufschreiben, glauben die dran? Oder malt der Papst die Schilder? Aber wenn es den doch gar nicht gibt, wer besucht dann dieses Land und warum spielen alle verrückt und geben Geld aus für den Besuch eines Phantoms? Geld mit dem man eigentlich Bagger kaufen könnte, um den ganzen Schlamm wegzubaggern? Und an was glaubt eigentlich Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz? Und selbst wenn Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, das wüßte, ginge das überhaupt jemanden etwas an? Gibt es einen Papst für Bären? Und kommt der aus Kamschatka? Oder aus Wyoming? Was jetzt und warum? Archibald Mahler beschließt  zu beichten. Er ist heute einfach nur benommen und verwirrt, weil er dieses Lied noch mal hören will. Und morgen – fest versprochen – macht er einen Plan. Wegen dem Schlamm. Ähem: wegen des Schlammes! Oder?

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / NEUN

Dienstag, 20. September 2011 22:01

moral09

Archibald Mahler schaut auf. Da drüben steht was. Da steht was, auf dem was steht. Was steht da? Tafel. Schild. Plakat. Was steht drauf? Es steht drauf, daß hier, also jenseits der Tafel, des Schildes, des Plakats, die Kleine Häßliche Stadt baue. Kann eine Stadt etwas bauen? Man erbaut sie, gewiß, aber sie, die Stadt als Baumeisterin ihrer selbst, ihres Selbst? Und das, obwohl hier draußen gar nichts geschieht? Nichts zu bemerken ist außer dem morgendlichen Wabern des Frühherbstnebels? Kalt ist es zudem auch noch. Pöterkalt! Dieses stört  Herrn Archibald Mahler, mittelhessischer Baudezernent in spe und designitas, jedoch heute ausnahmsweise nicht. Wie unlängst erwähnt: die Kälte mildert den Hirnschmerz und fördert das Gedenke. Aber diese Paradoxien der Aufrechtgeher. Weia und Jeminus! „Hier baut die Stadt!“? Blödblöd. Wie baut eine Stadt? Oder wer baut überhaupt und was? Nicht einmal mehr die zwei quatschenden Schaufelhalter stehen am Ufer des Schlammlochs. Nachdenken also. Von vorne. Archibald Mahler schaut auf. Da drüben steht was. Da steht was, auf dem was steht. Was steht da? Tafel. Schild. Plakat. Was verkündet man? Absichten? Hoffnungen? Vor was warnt man? Erwartungen? Rechnungen, die noch zu begleichen sind? Was geschieht? Nichts und Nebel! Warten und Wüsten! Archibald Mahler blickt hinunter ins Loch. Man hatte geschaufelt. Dort steckte der versunkene Bagger. Man hatte ihn befreit. Zurück blieb das Loch. Und Absichtserklärungen. „Ganz sicher. Gewiß. Hundertprozentig.“ Oder besser noch: „Hundertpro!“ Für einen Bären eigentlich ein Grund den Pöter von der Sitzgelegenheit zu schälen und weiterzuwandern. Denn dort wo der Aufrechtgeher Ankündigungen in die erwartungsfrohe Luft hält, wartet ein Bär doch nur auf Godot und verkühlt sich dabei den Pöter. Sonst? Schön hier. Kastanien fallen. Schlammkruste bricht. Frösche springen nicht mehr. Zu kalt. Gelegentlich steht eine Ente am Ufer. Sie schaut. Sie schnattert. Sie begreift nicht. Archibald Mahler denkt darüber nach eine Tafel zu mahlern. (Vorsicht! Wg. Niveau! Gruß vom Säzzer!) Was könnte auf der Tafel stehen?

„Die Stadt, die hier das Bauen versucht und es bald mal tun täten möchte wollen wird, bittet alle Enten und Variationen von Enten um Nachsicht!“

Na ja! Besser keinen Plan. Denkt der Bär. Godot kassiert die Absicht ohnehin. Aber was ist mit der Vorbereitung auf den Winterschlaf?

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / ACHT

Sonntag, 18. September 2011 15:08

moral08

„Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, darum daß er an demselben geruht hatte von allen seinen Werken.“ Oder wie man einstens rief: „Sonntags gehört mein Hirn mir!“ Pustekuchen und Potzrembel die Waldfee! Archibald Mahler fand die Ruh’ nicht zur Ruh! Ja, Freunde des Betrachtens: die Kastanie ist es. Noch und wieder! Der Schmerz und die Dumpfheit sind verflogen, doch es bleiben die Fragen. Man erkundigt sich beim Bären, woher die Kastanie, wann die Kastanie, mit welcher Wucht die Kastanie, ob sie denn selbstständig oder geworfen, beschleunigt oder ihr unschuldiger Flug ans Hirn des Bären abgelenkt wurde von fremder Macht, ob der Bär gar simuliere und Lustlosigkeit am Denken ihn diese Kastanie gar freudig begrüßen ließ, er sich im Leide einrichte und so willkommenen Rückzug feiere, ob denn die Ärzteschaft geschaut und bewertet und befunden und vielleicht nicht doch besser es wäre, wenn er anvertraut einem Spital und dann das Gewissen noch, das eigene, schlecht gestimmt ob des verpaßten Tuns und letztlich auch, ob er denn nun gefasst, ob es ihn gäbe – nun wen? -  nun ja den Schuldigen, den Kastanientäter und würden denn nun die Warnschilder endlich aufgestellt. Man bezahle schließlich Steuergelder. Auf jeden Fall die Stirn der Fragesteller ernst gefurcht und Archibald Mahler sorgt sich also mit, emphatiert mit dem Mitleide ob seines Leidens und verfaßt eine kurze Pressemitteilung.

„Also: Doppelpunkt: Wie die Woche letzten Montag begann und die Kastanie des Abends fiel mit Wucht auf meinen Schädel, hat es weh getan. Sehr weh. Jetzt ist es vorbei. Die Kastanie kam von oben. Das weiß ich. Genauer von hinten und oben. Warum? Fragen Sie die Kastanie. Was ich weiß: die Luft stank nach Adrenalin an jenem Montagabend. Ich hatte kurzfristig die Warnungen meiner für ihre Empfindlichkeit durchaus bekannten Nase in den Wind geschlagen. Dem Wind war das egal, er pustete und dann fiel die Kastanie und ich kurz um. Aber ich habe mir noch keinen Helm gekauft. Vielleicht leihe ich mir morgen einen Schirm. Die sind ja zur Zeit in Mode und versprechen Errettungen aller Art. Jetzt muß ich aber wieder denken. Oder erst mal hinschauen. Vielen Dank den Nachfragern, aber vom Weh zu reden ist einem Bären Pein!“

Archibald Mahler schaut nach oben. Ein wenig zwanghaft, gewiß! Der Wind weht. Äste schwanken, Früchte blicken sehnsüchtig gen Boden. Gravitation rules ok! Ein bißchen fühlt der Bär sich heute noch wie ein Erdmännchen auf Wachposten. Alles Gute käme von oben, wird gesagt. Archibald zweifelt! Vielleicht sollten die Götter doch an den Tischen der Erdbewohner Platz nehmen und was oben ist, bleibe oben. Regentropfen fallen. Kühle Luft beißt in des Bären Pelz. Das gefällt ihm. Den zwei Aufrechtgehern mit den Schaufeln, die auf der anderen Seite des Schlammloches vor sich hinquatschen, offenbar nicht. Weg sind sie. Sie hinterlassen die mitgebrachten Warntafeln. Archibald Mahler kneift die Augen zusammen. Was vermelden die Warntafeln? Nee? Nicht wirklich? Aber lustig ist es schon, was da steht. Archibald Mahler nimmt drei Kastanien vom Erdboden auf und beginnt zu jonglieren. Ganz langsam. Ganz vorsichtig. Wenn eine runterfällt, gibt er sich selber ein Schälchen Met aus. Versprochen! Uff! Cheerio!

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / SIEBEN

Donnerstag, 15. September 2011 12:39

moral07

Die Kontümplation geht weiter! Was ist denn nun Causa oder Ursprungsort größerer Erschütterung? Das Innere? Das Äußere? Archibald Mahler kann ein kleines Liedchen davon pfeifen, wie eine intensive Denksitzung zu fundamentaler Erschütterung führen kann. Doch worüber wird gedacht? Eingelagertes? Frisch auf einen Eingestürztes? Das Übliche an Resten und Unverarbeiteten? Ein vorbeihuschender Radfahrer? Und was ist mit der Kastanie? Archibald Mahler befühlt ganz vorsichtig die Beule, welche die vor wenigen Tagen auf seinen Schädel gekrachte Kastanie hinterlassen hat! Eine Beule! Aha, das Äußere? Und in den Innereien? Ein schwammiges Unwohlsein in der Magengegend, ein Schwanken beim Fassen der Gedanken und hinter der Hirnschale dumpfdödeliger, leichter Druck. Die Herbstluft ist klar und kühl und mildert. Doch man sollte den Kopf nicht allzu schnell drehen, weder nach rechts, noch nach links. Ach ja, die Ausgewogenheit. Archibald Mahler, angehender Schlammb-Experte, verfällt kurz mal in Panik. Variante B, der Ausgewogenheit wegen:

„Hast Du das gehört? Unfaßbar! Das so etwas überhaupt möglich ist! Das hätte man doch verhindern müssen. Ich hab es doch gewußt! Ich hab es immer schon gewußt! Diese Wahnsinnigen! Die setzen doch alles aufs Spiel? Sind Deutsche unter den Opfer? Was ist mein Geld denn jetzt noch wert? Um jeden Scheiß kümmern die sich, aber ihre eigenen Bürger schützen? Bin ich denn der Zahlmeister? Hol die Kinder vom Spielplatz, schmeiß die Gurken in den Müll, wasch das Auto und stell es ins Schlafzimmer! Wir müssen das Bier abkochen, bevor wir es trinken. Und was ist mit unserem Herbsturlaub? Außerdem finde ich, daß es jetzt endlich an der Zeit ist diese ganzen Kastanienbäume ein für alle mal zu fällen. Wer braucht eigentlich Kastanien? Siehste! Diese Frage kann Dir wieder niemand beantworten! Aber Tempolimits einführen. Um die Freiheit war es in diesem Land auch schon besser bestellt. Ist Dir auch schon so schlecht? Gell! Seit zwei Tagen, seitdem man es weiß? Obwohl ich allergiegestestet jogge. Da kann man mal sehen. Vorsicht! Nicht so tief einatmen. Dann steigt der Innendruck. Weißt Du was, ich habe ja jetzt eine Erdmännchenkolonie in meinem Garten. Die passen auf. Da können die Scheißkastanien runterfallen, wie sie wollen. Ich werde gewarnt, wenn was von oben kommt. Und was das wieder kostet. Aber das schreib ich ab von der Steuer. Wenn ich nächstes Jahr überhaupt noch!“

Uff! Das war ja was. Ausgewogenheit ist auch nur eine mentale Bausünde. Denkt sich der Bär. Was machen eigentlich die Aufrechtgeher und ihre Schaufeln? Sieh an, man stellt Warntafeln auf. Welche Gefahren sind es denn heute, die da draußen lauern? Outside the head? Inside the head? Laßt mich erstmal allein!

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / SECHS

Dienstag, 13. September 2011 22:33

moral06

Immer noch am Rande des Hegeltümpels. Vom Weltgeist nichts Neues. Vielleicht das brachiale Gewitter zum Gedenken am letzten Sonntag? Nein! Nicht Neues mehr. Der ganze alte Schmodder also wieder ordentlich angefeuchtet. Die Aufrechtgeher mit den Schaufeln stehen bis an die Knie im Schlamm und bewegen weder sich noch ihre Schaufeln. Selbstredend (sic!) bewegen sich die Lippen. Unentwegt. Archibald Mahler ist gestern eine Kastanie auf den Kopf gefallen. Das kommt vom konzentrierten Zuschauen und dem Warten auf den Bagger. Wegen der Kastanie, die recht wuchtig den Bärenschädel durchgerüttelt hatte, sind Mahlers Synapsen heute eher philipp. Quatsch: lahm. Aber denken will er trotzdem heute. Rastender Denkkasten rostet. Ach: anstrengend. Ihm fällt kein Kommentar ein zur Tümpellage. Er entscheidet sich eine Aufrechtgehervariante zu wählen. Im Angebot: Angang A (Verdrängung) oder Weg B (Panik). Archibald sagt A.:

„Also mich stört es nicht wirklich! Ja, was soll man da machen? Da steckst Du nicht drin! Wird sich schon wer drum kümmern! Hallo? Auf mich hört doch sowieso keiner! Kann doch keiner wissen, daß das so schnell geht! Ich mein, gestern war noch überhaupt nicht zu sehen! Und wenn, was hab ich damit zu tun! Außerdem hab ich einen wahnsinnigen Durst! Wann spielt der BVB? Man muß ja nicht immer hingucken. Dann mischt man sich ein und ruckzuck hast Du Ärger am Hals. Schuster bleib bei Deinen Leisten! Denen da oben sind wir doch sowieso wurscht. Ich hab zuhause genug Theater. Hab gar keine Zeit mich aufzuregen. Ist auch nicht gut fürs Herz. Hey, was geht heute noch? Einfach mal chillen, ok? Immer der Streß. Da war ich noch gar nicht geboren. Hallo? Ich mach doch nicht den Job von anderen! Wer zahlt mir das? Wär ja noch schöner, der Dreck von anderen. Kannste eh nix machen! Denk ich mal! Reg Dich ab! Also mich stört es nicht wirklich!“

Nee? Nicht wirklich! Morgen will es Herr Mahler mal mit B versuchen. Ausgewogenheit muß ja sein. Oder?

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / FÜNF

Sonntag, 11. September 2011 16:23

moral05

Heute ist Sonntag. Schwülwarm. Sommernachhall fast schon wütend und grell. Schweres Gewitter. Heute ist nicht irgendein Sonntag. Sagen die Aufrechtgeher. Manche Aufrechtgeher. Archibald Mahler, Bär vom Hegeltümpel, ist nachdenklich. Er spürt, heut’ ist er nicht so allein beim Denken. Die Aufrechtgeher denken heute auch, nach denken sie und gedenken tun sie. Manche Aufrechtgeher. Sie gedenken, weil ein besonderer Tag, der damals vor zehn Jahren. Die Welt verändert sei mit diesem Tag. Falsch! Denkt der Bär! Natürlich nicht das Nachgedenken, wenn es sich nicht in der gräßlich eitlen, verständlich dummen, aber leider opferverhöhnenden Frage „Wo war ICH damals?“ erschöpft. J. F. Kennedy ist tot, das dritte Tor war keines, die britische Prinzessin blieb im Tunnel stecken und Woodstock im Schlamm. Alle Aufrechtgeher waren einstens dabei und Kevin mal wieder allein zu Hause. Weia und nochmals: falsch! Es gibt ein paar Protagonisten und übrig bleiben ganz viele Statisten. So ist das. Zurück zum besonderen Tag. Archibald Mahler denkt noch mal nach. Die Welt hat sich verändert? Das geht doch gar nicht. Weil sie ist, wie sie ist, geschieht, was geschieht. Wenn man keine Zeit oder Lust hat hinzuschauen, kann man doch nicht behaupten, da wäre etwas vom Himmel gefallen. Oder? Ohnmacht gärt, Wut gärt, Wahnsinn gärt. Leise vor sich hin. Gelegentlich blubbern Vorzeichen an die Oberfläche. Wie der Schlamm, auf den der Bär blickt. War nicht zu sehen, aber immer da. Manche Aufrechtgeher wußten es, manche Aufrechtgeher sprachen davon, der Rest mußte leider shoppen gehen oder einfach nur versuchen zu überleben und solang man selber nicht im Schlamm steckt ist das mit dem Hinschauen oder gar Zuhören eine etwas komplexere Angelegenheit. „Mein Gott! Was für ein Gewitter!“ Denkt sich der Bär. Und dann denkt er, daß, wäre er jetzt ein Aufrechtgeher, er darüber nachdenken müßte, warum dieses Gewitter so heftig ist. Weil Tag und Nacht die Lichter brennen? Weil die Kassen, die nicht klingeln, suizidgefährdet sind? Weil die eine Welt und das eine Denken nur das Denken einiger und nicht das der einen Welt ist? Wie geht es eigentlich Herrn Busch? „Wir werden sie finden. Und wir werden sie bestrafen!“ Weia! Sie pusten sich gegenseitig in die Luft – Auge um Auge, Zahn um Zahn, Kassenbrille um Kassenbrille, Gebiß um Gebiß, Gebetsbuch um Gebetsbuch – und dann legen sie Teddybären auf die Gedenkstätten ihrer Toten. Archibald Mahler beschließt sich niemals als Opfergabe mißbrauchen zu lassen. Man hat ja noch was vor! Heute ist Sonntag. Heute stinkt der Schlamm. Heute wird gestorben. Heute ist weiterhin ein guter Tag. Für den Bären am Hegeltümpel. Glück gehabt!

Thema: De re publica, Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / VIER

Freitag, 9. September 2011 17:24

moral04

„Die Ampel war rot. Die zwei Aufrechtgeher trugen nicht nur Schaufeln in ihren Händen, sie sprachen während sie gingen, rauchten, aßen mit Wurst belegte Brötchen, sprachen in Mobilfunkgeräte, lasen die BILD – Zeitung, lachten über einen dreckigen Zweibeinerwitz über Aufrechtgeherinnen ohne großes I und griffen sich gelegentlich im Rahmen einer korrigierenden Maßnahme in den Schritt. Da kann man nicht sehen, wenn eine Ampel rotes Licht strahlt. Muß man es sehen? Muß man das Licht sehen? Die kleine Straße lag frei und leer vor sich hin, kein fahrendes Ding in Sicht der zwei Schaufelträger und warum sollten sie dann? Das Gehen durch Städte, Orte und über Wege und Straßen kostet soviel Zeit, Zeit in der man gehend sprechen, rauchen, Wurstbrote kauen, BILD – Zeitung lesen, lachen und überhaupt machen kann und den Schritt sortieren. Es ist ein freies Land und es gibt keinen Grund am Rande eines Zebrastreifens eine öffentliche Gelassenheitsvorführung hinzulegen. Wer meditiert, verliert. Ein Bürger wehrt sich gegen Bevormundung. Dies ist die Pflicht. Einsicht in die Notwendigkeit ist ab heute: keinerlei Notwendigkeiten mehr zuzulassen. In der Not zählt es im wesentlichen wendig zu sein. Harhar! Das Haltbarkeitsdatum der Wurst auf den Mobilfunkbrötchen wird bald abgelaufen sein. Ebenso der Gag des eben erzählten Witzes und auch der Schritt wird altern. Ein Kind folgte den Schaufelmännern. Es schob einen Rollator vor sich her. Mama hatte dem Kind gestern erzählt, daß man vorsorgen müsse. Für das Alter. Und auch so. Die Welt sei schlecht. Und daß man keine Zeit vertrödeln solle. Als Kind mit einer zukünftigen Zukunft mit Zukunft schon gar nicht. Die Welt sei hart. Sagte die Mama. Das Kind schwitzte. Blickte auf. Da vorne gingen zwei Aufrechtgeher über die Strasse. „Ich auch!“ Das Kind rannte los. Ein Rad des Rollators klemmte. Das Kind stolperte. Und dann bog da doch noch ein Fahrgerät um die Ecke. Soll es halt aufpassen! Das blöde Kind! Haben wir früher doch auch gekonnt!“

Archibald Mahler war eingenickt. Gestern war es kalt gewesen. Heute wieder feuchter und warmer Wind aus dem Süden. Kreislaufhopping. Blöd! Seltsame Träume aber auch. Vielleicht sollte er den Teich wieder umbenennen. In „G.W.F. Hegel – Tümpel“? Vielleicht. Da vorne stehen die zwei Aufrechtgeher im Schlamm. Schaufel rechts. Schaufel links. Nichts bewegt sich. Doch. Die Lippen der Aufrechtgeher. Man sollte, könnte, würde dann. Wenn der Schlamm getrocknet. Der Bär winkt ihnen zu. Irgendwo heult die Sirene eines Krankenwagens. Einer der Schaufelträger erzählt noch einen Witz ein. Junge, Junge! Da fällt Archibald Mahler, hic et nunc Bär am Hegeltümpel, ein neuer Traum in den Schoß. Mein Gott, ist das ein alter Traum.

Thema: Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth