Beiträge vom September, 2017

Tales and tellings between lechts und rinks / six

Freitag, 29. September 2017 21:51

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chapter six: the end of our elaborate plans, the end

In jenem Moment nach dem großen Plan, wenn Vorsatz und Mut nur noch ein magenkranker Schatten, da unter den Füßen der Boden flieht, stehend an der Kante, dort wo es bricht, in jenem Moment, meist ist es dann zu spät und der Schwindel fasst nach dir. Meist träumt man solchen Moment, doch gelegentlich ist es ein klarer und gewollter Blick am Tag, der die Tiefe sucht.

Da die zwei Gefährten nach wild durchträumter Nacht auf einer harten Kirchenbank zu Morwenstow erwacht, sich dankbar von den tanzenden Nachtmaren verabschiedet hatten, drängte Duke Rabbit aka The Hare who never wore spectacles gen Klippe und harter Kante. Sir Teddingtons noch von tiefer Müdigkeit geäußerte Warnungen schlug er in den über Nacht eingeschlafenen Wind. So schritt man hinaus, blauer Himmel wölbte sich und entzückte die Herzen, um hinab zu spähen in der Hoffnung die nächtliche See habe Verwertbares an Land geworfen. Der Gang der Reisenden war rasch und voller Gewißheit, jedoch nur wenige Meter galt es noch zu überwinden, zwei, drei hurtige Schritte auf den Pfad zu setzen, um zu sehen, daß die Welt auf den Kopf gestellt.

“Mahler, man hat meine Füße in den Boden genagelt!”

“Wie meinen?”

“Ich kann mich nicht mehr bewegen! Weder rück noch vor!”

“Haben Sie nach unten geblickt, Budnikowski?”

“Das befürchte ich!”

“So stirbt ein ausgefeilter Plan!”

“Hatte ich je einen?”

“Wollte man nicht die Hinterlassenschaften der Gestrandeten versilbern?”

“Wir wollten aber auch retten, helfen, Gutes tun!”

“Und nun?”

“Ich bin es nicht gewohnt in den Abgrund zu blicken!”

“Macht keiner gern! Schadet jedoch nicht! Bewegung ist weiterhin von Nöten!”

“Vorwärts???”

“Alles besser als der bleierne Stillstand!”

(…)

Etwas bis sehr viel später finden wir die Beiden sicher, sonnig, wohl, verwirrt noch und vereint an einem der schönsten Ecken der Küste Cornwalls. Im Gedärm des Duke Rabbit weiterhin ein Kettenkarussel, Sir Teddington soweit in der Lage sein Selbst zur Seite zu schieben und dem Gefährten Trost und Tröster zu sein. Über der glitzerden See jedoch harren geduldig die Fragen.

“Budnikowski, wie kamen wir hierher!”

“Mahler, was geschah in den letzten Stunden?”

“Tagen?”

“Jahren!”

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Thema: Tales and Tellings | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Tales and tellings between lechts und rinks / five

Donnerstag, 21. September 2017 16:36

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chapter five: all i have to do is dream and work

Ist Sommer friert es den Kirchgänger. Im Winter ist auch nicht wärmer. Gott, Dienst und Heizung sind ein einziger Widerspruch. So schläft der Willige zumindest nicht ein, wenn der Reverend spricht. Tedding und Rabbit (keine Titel zu Füßen des Gekreuzigten!) betraten (Untertreibung!), waren gestürzt in den Betraum, drei tiefe Atemzüge, die Schwaden wirken, ein zweifelnder Blick, Taumeln, Staunen und der Schlaf, welcher den Entkommenen winkt, nahm sie in seine Arme. Dann nichts mehr was gewiß. Da lag dieses Buch. Unter dem Union Jack (Flagge im Tempel?), mind you, unzählige alte Schinken lagen da Rum und Whiskey. Warum darf man Schriftwerke Schinken nennen? Kann man Buchstaben oder Gedanken essen? Sollte man? Wohnt dem Bein der Sau ein notiernotwendiger Gedanke inne? Die Schwaden wärmten. Und der Schlaf war keiner, sondern ein nächtlicher Tanz. Alles ganz einfach. Es ist die Gleichzeitigkeit. Die Erinnerungen wandern von hinten nach vorn. Der Bär streichelte die alten Schinkenseiten. Dazu muß man nicht die englische Sprache beherrschen müssen. Er war froh und das mochte er, auch an sich selbst. Was für ein Aufrechtgeher, der Reverend, der aufrechte Greifvogler. Tut seine Pflicht und vernachlässigt sie. Glaubt und fällt ab vom Herrn und lebt noch eine weitere Runde. Trägt schwarze Socken und bunten Wams. Nachdem er die angeschwemmten Leichname den steilen Pfad hinaufgeschleppt hat, liegt er seinem jungen Weibe zur Seite, und eilt – das vierte Kind vermeidend – in seine Denkhöhle (Was eine Architektur!), schmaucht die Kräuter des fernen Osten, blickt dabei gen Sonnenuntergang, um sich zu vergessen und zu vermessen, daran erinnernd, wer er wäre, könnte er ein Anderer sein. Den zwei lesenden Gefährten fällt der alte Pelz vom Leib, ihre Augen fahren Kettenkarussell und so, geschätzter Leser, sehen Sie hier ausnahmsweise kein Abbild der zwei Genossen. Man mag den Rausch nicht so gerne dem Blick der Nüchternen preisgeben, auch wenn der Rausch eigentlich Menschenrecht und sogar von Sinn.

„Budnikowski, sind wir von Sinnen?“

„Ach, Tedding Mahler, sinnvoll ist es! Tanzen Sie mit?“

„Bei mir ringelrei(h)ern eben nur die Innereien!“

„Aber sehen Sie doch! Die Geretteten! Diejenigen, die einst auf Fahrt! Dann gegen Klippen geworfen! Heute Nacht danken sie dem Reverend und verlassen ihre Betten!“

„Hase, das sind Gräber!“

„Diese Bruchbuden der versenkten Erinnerung kann man jederzeit verlassen!“

„Geben Sie mir die Hand!“

„Tanzen wir?“

Und so tanzten und träumten und tanzträumten Sir Archibald Teddington of Raginton und Duke Joe Rabbit upon Castlepool (Alle Titel im Namen der Ekstase wieder zugelassen!) zu Ehren des Ihnen bis heuer gänzlich unbekannten Reverend Hawker und wie die vom Vicar des Westens ehrenvoll Bestatteten ihnen unter die Arme griffen und sie im wilden Reigen durch die mittlerweile angewärmte Kirchenluft wirbelten, da meinten die zwei Reisenden zu erkennen, daß die Götzen, welche ständig nach vorne hetzen, gerne durch die Geister ersetzt werden dürften, die Freude daran haben gen rückwärts zu reisen. Wer Du gestern warst, magst Du erahnen. Morgen? Gute Nacht erstmal. Dann schliefen die Gefährten ein. Und träumten von der unsichtbaren Würde des nahenden Tod.

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Thema: Tales and Tellings | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Tales and tellings between lechts und rinks / four

Dienstag, 19. September 2017 17:45

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chapter four: the wind cries gimme me shelter

Zuerst war da kein Sommer, später kam auch noch der Herbst dazu. Ein wütiger (oder spielte er nur?) Nordwest jagte die Klippen vor Morwenstow auf und ab, verbiß sich in den Kanten, fraß Geröll, Sand, entwurzelte Gräser, verwelkte Blumen und geknicktes Gestrüpp und spuckte das ganze Zeugs hinunter auf den schmalen, meist gefluteten Strand. Die unwirtlich tanzende Luft sang und pfiff in höchsten Tönen und wilde Crescendi trafen auf aufgestellte Lauscher. Kein Geländer streckte sich dem rudernden Arm des Wanderers entgegen, unter seinem unsicheren Tritt schoß der Regen über die in die Klippen getretenen oder gehauenen Stufen und sobald der flachatmende Blick sich vom dunstigen Horizont löste und mutig gen Tiefe strieff, trat ihn unerbittlicher Schwindel in die Magengrube.

Sir Tedding und Duke Rabbit hatten Zuflucht gesucht hinter dem schützenden Rücken der Pfarrkirche von Morwenstow. Der Regen hatte aufgehört und der Unermüdliche wurde vom Dach des Gotteshauses über die Köpfe der Gefährten ins Inland gelenkt. Kein Grund den Weltuntergang zu beschwören, gewiß, vor allem angesichts der Jagden die unerbittliche Windhosen zur Zeit in anderen Gegenden feiern, aber gestatten wir den Reisenden ob ihrer Größe und Ungeschützheit ein gewisses Maß an Übervorsichtigkeiten. Aber kaum da den Zweien ein Gefühl des Davongekommenseins über den durchpusteten Pelz glitt, griff neuer Schreck nach den bummernden Herzen. OH! Sehet nur diesen Totenacker.

„Mahler, mir ist flau!“

„Weia! Budnikowski, ich fürchte wir sind hier nicht alleine!“

„Gespenster?“

„Na ja! Wanderseelen. Ewiges Strandgut! Klippenhänger! Seelenfänger!“

„Denke mir, daß mancher Segler da unten gegen die Küste donnerte und die Balken sich bogen und der Rumpf zerknirschte!“

„Bei diesem Wind- und Wellengewüte kein Wunder. Da liegt wohl einiges rum noch auf dem Meeresgrund!“

„Meinen Sie, da gibt es was zu holen? Ich meine, wir sind nun schon länger unterwegs und irgendwann müssen auch Einnahmen an Land gekarrt werden.“

„Duke Rabbit, der einäugige Strandpirat?“

„Schlag ein, Old Buckinghamshire!“

„Klappen Sie Ihre imaginäre Augenklappe hoch, mein teurer Gefährte!“

„Bär und Kupferstecher, da geht noch was! Wer sucht, der findet, auch wenn es windet! Bei allen gottverlassenen Klabautermännern!“

Und kaum war dies letzte Wort in den Wind gefallen, hob da an ein Gemurmel, Gewisper, Geächze und Gestöhne zwischen den verwitterten Grabsteinen, daß Mark und Bein sich am liebsten in die nächste wärmende Brühe gestürzt hätten. Selten hat man zwei behaarte Agnostiker, schlotternd vor gewaltiger Kälte, so geschwind das Innere einer Kirche aufsuchen sehen. OH! Betäubende Schwaden.

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Tales and tellings between lechts und rinks/three

Donnerstag, 14. September 2017 16:04

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chapter three: fear and loathing in heddons mouth

Nun saßen die Herren Sir Archibald Teddington of Ragemouth und Duke Joe Rabbit upon Castlepool schweigend und dies seit bald zwei Wochen. Es gäbe einiges zu besprechen und aufs Maul gefallen sind die beiden wahrlich nicht. Doch angesichts der tobenden Natur übten sie sich in Verzicht und schwiegen und froren und wurden feuchter als naß, um zu trocknen und der Sonne den Pelz entgegen zu strecken und dachten und sangen auch beizeiten und des Lebens froh und doch in wilder Sorge, ein  jeder Tag jagte alle vier Jahreszeiten ans Gestade, die See kam und ging in ewigem Gleichklang, der Himmel beschäftigt vom Wolkengejage spannte sich, verdunkelte, sternlichterte und keiner wagte den ersten Satz zu sprechen. Die Herzen sanken manchmal wie ein taumelndes Lot auf den Grund hinab, um gleich darauf mit den Großen Silbermöwen auf den Klippenwinden rauf und runter zu surfen. Der Hunger war ein gewaltiger und als diese eine erschreckende Wolke dräute, endete des Hasen Schweigegeduld.

„Mensch, Mahler. Das Meer ist aber sehr ungehalten!“

„Dem ist es zu warm!“

„Und ich habe fürchterlichen Hunger!“

„Das ist ja das Problem!“

„Daß man Hunger hat?“

„Daß alle meinen fürchterlichen Hunger haben zu müssen! Erinnern Sie sich noch, damals in Ihrer Pöhlerzeit, an diesen Dösbaddel von Opelfahrer mit der Gier, die nie enden dürfe?“

„Was hat das mit der See zu tun?“

„Nun, wenn der noch halbwegs vernunftbegabte Aufrechtgeher sich nicht darüber aufregt mit welcher Gedankenflachheit solch Zeugs in den Orkus hinausposaunt wird, übernimmt das eben die See!“

„Ach Sie und der Weltuntergang!“

„Budnikowski, im Gegensatz zum Aufrechtgeher ist die See sehr vernünftig und wehrt sich, wenn nötig!“

„Oder ist es vielleicht doch was Göttliches, was da rumtobt? Also so Offenbarung des Johannes oder ähnlich?“

„Quatsch, die Götter haben doch auch längst Merkel gewählt!“

„Sie springen ja mental rum wie ein Hase auf Koks!“

„Tja, Jahre an Ihrer Seite prägen. Blödsinn an die Seite. Zynismus soll nicht an die Stelle der Sorge treten. Wir sollte uns etwas vom Ufer entfernen und höhere Gefilde aufsuchen, sonst wird das nichts mit den Geschichten, die wir noch vorhaben zu erzählen!“

„Eine praktische Frage nur: und unser Lebensunterhalt hier auf der Insel? Wie wird das bewerkstelligt? Gibt es da Pläne?“

„Nun eine Anregung gäbe es! Lernen von den Altvorderen!“

„Phantastisch! Laß uns darauf schütteln die Hände!“

„Splendid! Wonderful!“

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Thema: Tales and Tellings | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth