Beitrags-Archiv für die Kategory 'Praha'

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 10

Freitag, 16. November 2012 21:14

praha_schneemann

„Mahler, wer bitte ist das linker Hand meiner?“

„Budnikowski, rechts meines Pöters ist es arschkalt!“

„Das Ding ähnelt mir!“

„Kann ich leider nichts dafür!“

„Blödbär!“

„Das Ding ist weiser!“

„Weißer wollten Sie sagen!“

„Weia! Rechtsprechfehler! Verzeihung!“

„Und Sie machen jetzt ernst?“

„Faktoren, Budnikowski, Faktoren! Der Sturm der letzten Nacht! Das ganze gefallene Laubzeugs, welches uns umgibt!“

„Lorbeerkränze sind es nicht. Das sehe ich wohl!“

„Ich spüre Ihre Widerworte, bevor Sie von Ihnen auch nur angedacht!“

„Das Jahr ist länger als Ihr kurzer Mut!“

„Es sind meine Gene, die mich ausbremsen!“

„Die Grenzen und Datumslinien variieren von Kult zu Religion zu Nation und wieder zurück, mein Herr.“

„Muß ich mein Bedürfnis diskutieren?“

„Wenn ich Ihnen ein Schlaflied singe, kommen Sie mit mir noch kurz runter an die Moldau?“

„Budnikowski, ich bewundere Ihre Ausdauer!“

„Mahler! Ich wäre gerne mal wieder so weiß wie ein Schneemann!“

„Der Schneemann kommt nicht mit an die Moldau!“

„In Ordnung. Kompromiß?“

„Los jetzt!“

(Minuten später. Quasi um die Ecke: am Ufer der Moldau.)

„Budnikowski?“

„Ja?“

„Sehr schön hier!“

„Gell!“

„Budnikowski!“

„Ja?“

„Sie tricksen mich nicht aus!“

„Warum?“

„Her mit den Gute – Nacht – Lied!“

„Bitte!“

„Hase!“

„Bär!“

„Was noch?“

„Schlafen Sie gut!“

„Budnikowski?“

„Sieh einer an!“

„Nur eine kurze Anmerkung! Der Herr Kafka hatte auch so einen Hut auf dem Kopf wie der Sänger des Gute – Nacht – Lieds!“

„Beruhigt Sie das?“

„Vielleicht!“

praha_moldau1

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 9

Mittwoch, 14. November 2012 15:59

praha_tv

„Und, Mahler? Müde?“

„Becherovka ist ein geiles Zeugs! Und der Bildschirm ist schwarz!“

„Springt der noch einmal an dieses Jahr?“

„Kaum, Budnikowski! Die letzte Reisetasche ist gepackt“

„Ich kann Sie verstehen. Erstmalig fällt mich auch so ein Bedürfnis nache gediegene Winterpooferei an, hömma!“

„Sie haben aber auch Meilen gemacht dieses Jahr!“

„Kannse laut verlautbaren. Mittelhessische Waldgebiete. Von Kibris nach Stanbul. Auffe Flucht vorre Obrigkeiten hinein innet Heckerland. Kur und Frieden innem philosophischen Forst. Besser auf gen Polska! (erst ma spoatlich, dann privat.) Un letztlich: Such dem Franz sein Grab in Praha, auch wennet schneien tut.“

„Kompliment! Sehr weise von Ihnen, daß Sie länger in Polen nachklappten!“

„Kannse laut sagen. Die zweite Heckerlandreise iss so an meinen sensiblen Löffels vorbeigerauscht wie die Meistaschaft an die Blauen!“

„Seien Sie dankbar. Unmutige Selbstverliebte allenthalben und nachtragende Schlaueier. Braucht man nicht.“

„Fehlt da nicht wenigstens ein ‚m’?“

„Budnikowski, da fehlt nix.“

„Mahler, grinsen Sie!“

„Wie bitte?“

„Grinsen! Man möchte unseren Abschied aus dem Jahre Zwozwöllef aufs digitale Bild bannen!“

„Kann ich bitte so gucken wie immer?“

„Wie Sie wünschen!“

„Wer hält uns da eigentlich digital fest?“

Die beste Aufrechtgeherin der Welt, lieber Mahler! Gehen wir?“

„Wir können nicht, verehrter Budnikowski!“

„Warum?“

„Wir warten auf Dvorak!“

„Aber der ist doch auch schon lange…“

„Pst! So etwas stirbt nicht!

„Mahler! Magie! Mystische Prager Magie!“

„Widmen Sie bitte Ihre langen Löffel dem Herrn Dvorak!“

„Da, der Bildschirm lebt!“

„Eine Dame eben ist erschienen!“

„Nein, die Zahl! Rechts oben in der Bildschirmecke!“

„Sieh einer an! Das nächste Jahr klopft an!“

„Magie eben, Herr Mahler!“

„Zufall doch, Herr von Lippstadt – Budnikowski!“

„Bär!“

„Hase!“

praha_spiegel

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 8

Montag, 12. November 2012 20:31

praha_hotel1

„Also, Mahler, so geht das nicht!“

„Was wollen Sie denn noch, Budnikowski? Wir sitzen in einem Hotelzimmer und ich bin jetzt müde, schrecklich müde gemacht vom vergangenen Jahr! Halten Sie also bitte den Rand!“

„Aber die verdammte Heizung funktioniert nicht richtig und draußen ist Frost!“

„Schlafen Sie und die Wärme kommt!“

„Wir wollten doch noch, Mahler! Haben Sie es vergessen?“

„Ach, lassen Sie, Budnikowski. Noch jemand, der sich über Kafka und die schrecklichen Väter und Väterväter und Verfolger verspritzt. Brauchen wir das? Verhängnis und Düsterei? Lassen Sie uns tanzen! Schauen Sie in die Minibar!“

„Zwei kleine Flaschen namens Becherovka!“

„Her damit! Na zdravi, alter Löffler!“

„Hau wech, Bär!“

„Das reicht mir aber nicht!“

„Sieh einer an! Wollten Sie nicht schon im Schlafe, Herr Mahler?“

„Da ist ein Telefon! Sie sind dran! Zimmerservice!“

„Große Flasche Becherovka?“

„Große Flasche Becherovka!“

„Hallo Zimmerservice! Große Flasche Becherovka auf das ungeheizte Zimmer!“

(Wenig Zeit vergangen. Flasche da. Hirne schwanken rum in Praha und auch die Gedanken cognac.)

„Einundvierzig ist jung für das Grab, Mahler! Oder?“

„Es soll auch solche geben, die wären froh über diese Anzahl von Jahren.“

„Die einen sagen, die Welt habe nur auf sie gewartet!“

„Die anderen denken!“

„Wie?“

„So war es nicht gemeint, Budnikowski. Andere denken, die Welt ist nur als Widerspruch zur Seele eines Menschen möglich.“

„Das leidende Individuum obsolet?“

„Wenn der Körper blutet, nicht!“

„Seele als Chimäre oder das Licht kommt sowieso von oben?“

„Gerade kommt es von unten, Budnikowski!“

„Heißer Pöter. Das Ende des Tages ist nah, Mahler!“

„Treiben wir uns noch ein bisserl mitternächtlich rum!“

„Verstehe! Alt werden mit Spaß, Scheiße aussehen und weiterrollen!“

„Genau! Hat der Herr Kafka was verpaßt! Gab es halt noch keinen Rock’n’roll damals!“

„Mahler! Ich krieg Kopfweh!“

“Sonst hätten wir ihn nicht!”

“Wen?”

“Den Schädel!”

“Verstehe! Tanzen wir?”

“Tanzen wir!”

praha_becherovka

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 7

Sonntag, 11. November 2012 18:05

praha_grab_fk2

„Da wären wir also, Budnikowski!“

„Gut, daß wir uns umgedreht haben! Können Sie die Inschrift entziffern, Mahler?“

„Nein!“

„Aber Sie sind doch weit gereist!“

„Hebräisch ist die Inschrift, das erkenne ich noch!“

„Spricht der Reiseführer?“

„Da spricht er, der Depp!“

„Was spricht er da, Mahler?“

„Er spricht die Inschrift lautet folgendermaßen:

‚Dr. Franz Kafka, 1883 – 1924, Dienstag, Beginn des Monats Siwan 5684. Der obengenannte, prachtvolle, unvermählte Mann, unser Lehrer und Meister Anschel, seligen Andenkens, ist der Sohn des hochverehrten R. Henoch Kafka, sein Licht möge leuchten. Der Name seiner Mutter ist Jettl. Seine Seele möge eingebunden sein im Bund des Lebens.’

Das steht da und die Namen der Eltern.“

„Mahler, glauben Sie, der Herr K. würde diese Inschrift, hätte man ihn gefragt, gut heißen?“

„Budnikowski, selbst meine sehr spärliche Kenntnis der Texte des Herrn K. lassen mich das stark bezweifeln. Ich glaube, wenn des Nachts die Untoten bewaffnet mit Hammer und Meisel und Farbtöpfen zwischen den Gräbern korrigierend wandelten, am nächsten Morgen wäre so mancher Grabstein ein leeres Stück Stein.“

„Tja, wie sagt man es der Nachwelt?“

„Ich hab mal was gelesen, das gefiel mir sehr!“

„Wohl an!“

„Dun nit kriesche! Ich han et üvverstande. Han kein Sorge mih un kein Ping.

Loot mich dröm in stelle Stunde, su manches Mol noch bei üch sin.

Wat ich gedonn en mingem Levve, han ich jedonn für üch.

Wat ich jekunnt, han ich jejovve, als Dank bliet einig unger üch!“

„Das ist Kölsch!“

„Ja, sehen Sie nicht das heutige Datum? Müde bin ich, überfällig, Schnee liegt neben meinem Pöter, die Wintergeister wollen mich holen, um mich zur Ruh zu betten und keine Höhle weit und breit, nur Gruft und Urne und Tafeln des Gedenkens.“

„Mahler auf, suchen wir eine Bleibe!“

„Beheizt bitte! Und mit Minibar!“

„Bildschirm?“

„Sicher dat. Und nun vom Grabe des F. K. ein dreifaches Alaaf hinaus in die Welt: Praha Alaaf, Budnikowski Alaaf un..“

„..Mahler Alaaf!“

(Man verläßt den hehren und bedenkenswerten Ort, am Hauptausgang wartet – unterirdisch und dies seit vielen Jahren, bester Herr Dumont – die Metro A. Verschwörungstheoretiker könnten nun vermuten und ähnlich dem Herrn Franz K., der eine Art von Generalvertreter dieser Gattung. Aber darüber wollen die Herren M. und B. erst sprechen, wenn sie im beheizten Raume. Darf man in Praha schwarzfahren? Und – gesetzt den Fall – sie fassen einen?)

praha_grab_fk3

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 6

Samstag, 10. November 2012 23:38

praha_metro

Zu zweit als blinde Passagiere in einer Plastiktüte, zwischen den Knien eines Aufrechtgehers, tief unten in den Eingeweiden von Praha, in der Metroröhre, Fahrt geradeaus und nichts ist gewiß, denn das Aufrechtgeherpaar, das den Transport  der Herren Mahler und Budnikowski zum Grabe des Herrn F. K. bewerkstelligen sollte, es hat vor der Reise in die Goldene Stadt wohl den selben Reiseführer erstanden wie unsere blinden Passagiere, die sich schon längst getroffen haben, jedoch sich woanders getroffen haben sollten, was eigentlich Wurst und Pelle ist, aber manchmal ist man Perfektionist und Korinthenkacker und der Geist des Herrn Poet schwebt verwirrend über den Köpfen der Besucher und die Vinohradska ist eine sehr, sehr lange Straße. Man entsteige der Metro Linie A in Jiriho z Podébrad, da ist dieser kleine Plan auf der Seite 243 des Reiseführers und eine Ziffer ‘19′ und ein Pfeil weist nach rechts die Vinohradska runter. Diese Strasse ist sehr, sehr lang. Das hatten wir schon. Die Sonne scheint und freundliche Passanten sind auskunftfreudig und der englischen Sprache mächtig. Jetzt ein paar Stationen Strassenbahn noch und da wäre ein Friedhof. Es ist nicht der gesuchte. Jan Palach liegt hier. Immerhin. Totenranking? Totenranking! Budnikowski reicht es nun, er springt aus der schwankenden Plastiktüte, der Mahler hinterher. Man geht die Vinohradska entlang. Die Vinohradska ist sehr, aber das hätten wir schon erwähnt. Da steht ein Hotel. Kettski Amerikanski. Budnikowski fasst seinen Mut zusammen.

„Ich frage da jetzt nach.“

Es dauert, doch dann kommt er zurück, grinsend mit einem handbemalten Zettel in der Pfote.

“Es gibt gebildete Rezeptionskräfte in Praha. Neben dem einen Friedhof wäre noch ein Friedhof und direkt hinter der Mauer dort, aber der Eingang wäre noch mal rechts und dann links.”

Man geht, findet eine Pforte. Ist dies nun endlich der richtige Friedhof? Weia! Der Zettel wird studiert.

„Da, Mahler, sehen Sie die Tafel an der Friedhofsmauer. Max Brod!“

„Ich glaube, wir sind nah dran!“

„Dann drehen wir uns mal um.“

„Später. Jetzt muß ich erst Mal ruhen!“

„Mache ich mit!“

„Was wollen wir hören?“

„Hat der Herr F. K. eigentlich auch etwas zum Thema öffentliche Verkehrsmittel geschrieben?“

„Wahrscheinlich!“

„Warum?“

„Weil man nicht immer ankommt!“

„Aber gelegentlich?“

„Gelegentlich!“

praha_grab_fk1

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 5

Freitag, 9. November 2012 15:59

praha_vyserad2

Der Blick schweifelt weit über Dächer und hinab ins Tal und gelassen, kalter Wind läßt die Moldau glänzen, graublaue Wolkenfetzen dramatisieren einen herbstlich frühen, zeitumgestellten Sonnenuntergang, Praha übersichtlich und erfreulich leise zu Füßen, sechshundert und mehr Künstler, auf welche die Tschechennation sehr stolz, ruhen sich aus und zerfallen vor den ehrfürchtigen Angesichtern zu ewigem Staub, die Glocken der Kirche Petr a Pavel geben ein weiteres Stückchen aus Smetanas symphonischen Gedicht „Meine Heimat“, Kafkas Grab ist fern und aus dem Sinn und die Herren Mahler und Budnikowski fühlen sich blendend. Es treten zwei Amerikaner an sie heran und fragen, whether it is allowed to take some photographs of the teddy – bear and his compagnion and, by the way, they would like to mention, that they consider it an great idea to take those two funny guys all around the world. Doch, ach Mahler und Budnikowski, man begebe sich besser nicht in die Hände von Menschen aus Amerika. Fragen Sie den armen Karl Roßmann! Und so manche Tschechenmaid, die hüllenlos den Herren der WWWelt zum Gebrauch! Schneller als einem lieb, ist man vernetzt im fremden Gewerbe. Weia, sind wir das? Ein Aufrechtgeherpaar steht an den jäh hinabstürzenden Mauern des Výsehrad, umarmt sich und genießt. Man spricht vom nächsten Ziel, dem Grabe des Herrn K. Der Mann hält eine Plastiktüte in seiner Hand. Mahler hat eine Idee. Budnikowski sagt:

„Sind Sie wahnsinnig, Mahler? Das können wir doch nicht machen!“

„Und ob wir das machen können. Auf, Hase!“

„Oh, heikler Todesmut!“

„Wo so fleißig gestorben wird, gerne!“

praha_vyserad1

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 4

Mittwoch, 7. November 2012 22:34

praha_moldau2

„Sehen Sie Budnikowski, die Sonne ist rausgekommen!“

„Ich bin doch nicht blind, Mahler!“

„Nur weil Sie immer zweifeln, wenn ich sage, gleich kommt die Sonne raus!“

„Manchmal spekulieren Sie eben auch, lieber Mahler!“

„Tatsächlich?“

„Eigentlich spekulieren Sie immer, was das Wetter betrifft.“

„Budnikowski, halten Sie sich zurück, ich könnte schon lange im Winterschlaf weilen!“

„Quatsch! 11.11. um elf Uhr elf ist Totlinie! Und wo ist jetzt das Grab?“

„Wenn Sie sich mit mir verabreden wollen am Grab eines weltbekannten Schreibers, warum soll ich, wenige Tage ante Winterschlaf, dies geflissentlich wissen, Sie Hase?“

„Keine Beleidigung, bitte!“

„Klopfen Sie mir bitte nicht auf dem Hirn rum, Budnikowski!“

„Dann denken Sie halt mal!“

„Der Reiseführer schweigt mich in unpräziser Wurstigkeit an. In dieser Stadt gibt es zu viele Friedhöfe!“

„Na, dann wird hier ordentlich gestorben worden sein. Hören Sie dieses Lied?“

„Ich höre Kirchenglocken!“

„Die Kirchenglocken spielen dieses Lied, Mahler!“

„Budnikowski, jetzt haben Sie Recht! Können Sie die Tonquelle orten?“

„Die Moldau!“

„Ich dachte, das ist der Namen dieses wunderschönen Flusses hier!“

Smetana! Vlatava!

„Kenne ich nicht!“

„Ist auch schon tot!“

„Noch ein Grab, Budnikowski? Wo?“

„Výsehrad! Da oben!“

„Die Moldau fließt den Berg hinauf?“

„Das Lied heißt so und die Glocken da oben spielen es! Dvorák liegt da auch.“

„Na dann! Hoch auf den Hügel!“

„Genau! Die Sonne scheint ja noch, Mahler!“

„Budnikowski, wenn wir oben sind, auf dem Hügel mit dem klingenden Namen, gibt es einen auf die Hasenlöffel!“

„Das sehen wir dann!“

Das Lied ist aber wirklich ein Löffelwurm!“

„Wie meinen?“

„Ein Ohrwurm, Herr Budnikowski!“

„Die Moldau ist wunderschön! Und so viele Schwäne!”

praha_moldau3

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 3

Dienstag, 6. November 2012 19:56

praha_denkm_fk1

„Wo sind wir denn jetzt gelandet, Mahler?“

„Ich glaube, das Haus rechter Hand heißt Spanische Synagoge.“

„Sehr beeindruckend, meine ich aber nicht! Diese seltsame Bauchhöhle, in der wir sitzen!“

„Gerade eben hat es noch gegraupelt, Budnikowski und so fanden wir Unterschlupf im Bauch des kopflosen Kafkaträgers.“

„Wie meinen?“

„Na dieses Denkmal für den Herrn Franz K.!“

„Und wo ist der Kafka?“

„Schauen Sie nach oben!“

„Ha, da hockt er ja! Im Nacken eines Kopflosen. Er selber etwa?”

„Eher nicht. So ein bildhaftes Wesen vielleicht!“

„Meinen Sie, das ist so eine Vatermetapher?“

„Mag sein? Mit dem hat er es ja lang und ausdauernd gehabt!“

„Da sagen Sie was. Ich zitiere den Anfang seines ‚Brief an den Vater’: Liebster Vater, Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir. Ich wußte Dir, wie gewöhnlich, nichts zu antworten, zum Teil eben aus der Furcht, die ich vor Dir habe, zum Teil deshalb, weil zur Begründung dieser Furcht zu viele Einzelheiten gehören, als daß ich sie im Reden halbwegs zusammenhalten könnte. Und wenn ich hier versuche, Dir schriftlich zu antworten, so wird es doch nur sehr unvollständig sein, weil auch im Schreiben die Furcht und ihre Folgen mich Dir gegenüber behindern und weil die Größe des Stoffs über mein Gedächtnis und meinen Verstand weit hinausgeht…und so weiter noch über 100 Briefseiten.“

“Das können Sie auswendig?”

“Jeder trägt Päckchen und Pakete!”

„Weia! Und was hat der Vater dazu gesagt?“

„Nichts, der Brief wurde nie abgeschickt!“

„Doof!“

„Aber typisch, der Herr K. wollte sowieso alles, was er geschrieben hat in täglicher und nächtlicher Selbstquälerei, verbrennen oder in die Moldau schmeißen lassen nach seinem frühen Tode. Aber, bester Mahler, ein Freund rettete zwar nicht sein Leben, aber seine Worte und die Unsterblichkeit!“

„Wollen Sie auf etwas hinaus, Budnikowski?“

„Nein, keineswegs, bester Freund!“

„Und wo ist nun das Grab, wo wir verabredet sind?“

„Mahler, wir sprechen doch schon!“

„Ich will jetzt dieses Grab sehen, Potzrembel und Waldfee!“

„Gemach, sehen Sie da oben, der Finger des Herrn K. weist in eine Richtung!“

„Budnikowski, meinen Sie, dies ist der Fingerzeig in Sachen eigenes Grab?“

„Möglich!“

„Na dann los! Die Sonne kommt raus!“

praha_denkm_fk2

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 2

Montag, 5. November 2012 14:55

praha_juedf_alt1

Es gibt Orte auf dieser Welt, da versteinert man in Ehrfurcht, schweigt, als habe einem der Rebbe Lowy den Zauberzettel unter der Zunge weggezogen. Die zwei Reisenden hatten die Pinkassynagoge besichtigt. Die Namen und Todestage von 77 297 geschlachteten Juden hatte man dort von Hand an die Wände des alten Gebetshauses gemalt. Von Hand. Vacláv Bostík und Jirí John gebührt der Dank dafür. Siebenundsiebzigtausendzweihundertsiebenundneunzig Namen von Hand an die Wände des alten Gebetshauses geschrieben. Da tut Schweigen gut. Vielen Aufrechtgehern, die die Ruhestätte besuchen, scheint es schwer zu fallen, das Schweigen. Mahler legt einen Zettel auf das Grab des Golemschöpfers Jehuda Lowy (Löw) ben Bezalel. Auf den Zettel hat Mahler ein Zitat von Egon – Erwin Kisch notiert: “Du weißt doch, daß ich ein direkter Nachkomme des weisen Rabbi Löw bin, der aus Lehm den Golem modelliert hat und ihm, wenn den Juden Unrecht droht, befahl: Erhebe Dich und gehe! So einen Golem würden wir brauchen, wenn die Nazis auf uns losgehen werden. Ich würde ihm auch befehlen: Erhebe Dich und geh, die Feinde rücken auf mein Prag zu!” Manchmal gibt es welche, die ahnen nicht nur, was geschehen wird, sie wissen. Doch als der Golem einmal losmarschierte? Weia! Mahler springt ein Gedicht an. Er flüstert es in Budnikowskis Ohr.

Der Golem

Prag, das alte sagenreiche,

Barg schon viele Menschenweisheit,

Barg schon viele Menschentorheit,

Auch den hohen Rabbi Löw.

Rabbi Löw war sehr zu Hause

In den Künsten, Wissenschaften,

Und besonders in der schwarzen,

In der schweren Kabbala.

So erschuf er einen Golem,

Einen holzgeschnitzten Menschen,

Tat belebend in den Mund ihm

Einen Zauberspruch: den Schem.

Unverdrossen, als sein Diener,

Muß der Golem fegen, kochen,

Kinder wiegen, Fenster putzen,

Stiefel wichsen und so fort.

Nur am Sabbath darf er rasten;

Nahm ihm dann der hohe Rabbi

Aus dem Mund den Zauberzettel,

Stand er stockstill augenblicks.

Einmal hat er es vergessen,

Einmal, was ist da geschehen:

Rasend wurde, dwatsch der Golem,

Ein Berserker ward der Kerl.

Bäume reißt er aus der Erde,

Häuser wuppt er in die Wolken,

Schleudert Menschen in die Lüfte,

Stülpt den Hradschin auf den Kopf.

Schon im Anzug war der Sabbath,

Alle Arbeit muß nun ruhen.

Alles flüchtet, brüllt und zetert

Nach dem hohen Rabbi Löw.

Der erscheint; packt eben, eben

Noch den Tollhans am Schlafittchen,

Ist mit ihm bald oben, unten,

Bald auf Bergen, bald im Tal:

Wie ein Bändiger, der dem Pferde,

Das sich bäumt und wirft und schüttelt,

Einen Kappzaum legen möchte,

Und nun mit ihm tanzen muß.

Hopsa, hopsa, was für Sprünge!

Aber endlich glückts, er würgt ihn,

Zerrt den Schem ihm aus den Zähnen -

Und zerschmettert liegt der Kerl.

Nicht noch einmal hat der Rabbi

Einen Golem sich geschnitzelt,

Jede Lust war ihm vergangen:

Allzu klug ist manchmal dumm.

(Detlev v. Liliencron)

Budnikowski hat zugehört und sich einen Witz zum Thema Löw, Golem und Pöhlerei verkniffen, weist dann aber daraufhin, daß der Herr Kafka hier nicht begraben liegt. Mahler nickt. Genug geschwiegen.

praha_juedf_alt2

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein Ausflug in eine Stadt. Anfangs schneit es, ein Grab wird gesucht und später gefunden 1

Samstag, 3. November 2012 16:08

praha_reisefhr

Da wäre man also. Draußen Graupel, Schneeregen und Horden von Menschen, die einem bunten Regenschirm hinterher laufen, den jemand in die Luft streckt. Das Aufrechtgeherwesen mit dem Schirm in der Hand spricht englisch, italienisch, russisch, französisch und deutsch, aber auch japanisch. Die Wesen, welche dem Schirmwesen hinterher tapern, sprechen alle Sprachen gleichzeitig und übereinander. Archibald Mahler sitzt im Café eines Museums. Gerade hat das „Sterbeglöcklein der Astronomischen Uhr geschlagen. Dann defilieren die zwölf Apostel, nachdenklich auf die Menschenmenge hinabblickend, an den zwei schmalen Fenstern vorbei. Schließlich kräht der Hahn, worauf abschließend der Stundenschlag ertönt.“ So steht das alles im Reiseführer, welcher vor Mahlers Pranke liegt, auf dem Tisch eines Cafes in einem Museum zu Prag. Gut, daß es da steht, sehen kann man es kaum, zu viel Schirme. Doch dies ist nicht, was den Mahler beschäftigt! Sondern wie und wo, bitte, geht es zum Grabe des Herrn Kafka, jetzt wo das Sterbeglöcklein ihn daran erinnert und dortselbst der Herr von Lippstadt – Budnikowski auf den Bären wartet? „Am jüdischen Friedhof, Herr Mahler!“ You name it, hare! Aber welcher denn nun? Mahler nestelt den dem Reiseführer beigefügten Stadtplan auseinander. Feuchtkalte Fremde ist schon anstrengend, aber das Auseinanderfalten eines Stadtplans und dann auch noch die Orientierung finden? Weia! Zu viel Gewusel da draußen. Aber da, hopp die Flosse, gleich ums Eck, Josefov, drei Gehminuten: der Jüdische Friedhof! „Prosim zaplatit!“ Echt preiswert hier alles. Archibald Mahler läuft los. Zweimal links, dann rechts, wieder links und wer sitzt denn da?

„Hömma, endlich Mahlerchen, dat glaub ich nicht. Kannse dat begreifen tun? Anne Außenmauer vonnen jüdischen Friedhof zu Praha? ‘Für immer Westfalenstadion’!“

„Ihr Herr Kafka ist also ein Balltreter der verehrten Borussia?“

„Quatsch, Bär. Dat iss wohl noch ausse Rosický – Zeiten über geblieben!“

„Sie überfordern mich, Budnikowski!“

„Dat kannse auch nich verstehen tun, Mahlerken. Dat iss Historie!“

„Ich vermute hinter diesen Mauern historisiert es entschieden sinnvoller! Können wir?“

„Die tun ihre Türen erst um 9 Uhr öffnen tun!“

„Budnikowski! Es ist 9 Uhr!“

„Ett iss 8! Winterzeit! Hasse wat verpennt!“

„Heißt das, wir müssen nun noch eine Stunde lang über Pöhlerei sprechen?“

„Wenn Sie dat gerne möchten tun!“

„Ach, Winterzeit nun und ich immer noch nicht im Schlafe!“

„2002 also, sach ich mal, der lange Koller und der kleine Zauberzwerg Rosický – dat war noch lange vorrem Kloppo–Hype – mit Odonkor, Ricken, Oliseh, Reina, Amoroso und alle auffem Weg inne Finanzkrise, dabei Jungkehl un Altkohler, Fistelwörns un dann Dede auf Ewerthon…! Mahler? Schlafen Sie?“

praha_bvb

Thema: Praha | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth