Beitrags-Archiv für die Kategory 'Klebebilder'

Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 050

Freitag, 25. Dezember 2020 18:29

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„Der war aber lustig, der Brite!“

„Seltsamer Humor, jedoch sehr angenehm.“

„Schnell weg war er aber wieder, lieber Mahler!“

„Und ich bin jetzt wieder wach, als klopfte der Lenz an die Pforten meiner Wahrnehmung.“

„Was tun?“

„Lieber Budnikowski, schauen wir dem Ehrenwerten und der Wunderbaren beim Geschenke auspacken zu. Da freuen die sich!“

„Und beim Essen?“

„Das auch!“

„Bald soll es ja schneien!“

„Bis dahin werden wir wieder eingeschlafen sein!“

„Haben Sie eigentlich noch etwas Hunger, Mahler? Ich irgendwie schon.“

„Sehen Sie die Teller mit den Keksen und anderen Süßigkeiten da drüben. Die sollen nur ins Bett und dann!“

„Das dürfen wir doch nicht!“

„Mundraub, Budnikowski! Mundraub! Notlage!“

„Na dann! Mahler! Ich krieg den Stollen!“

…..

weihnacht20_1c

…..

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 049

Donnerstag, 17. Dezember 2020 17:29

G_Schrank_090

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Schade, schade, zu spät

(Ludwig van Beethoven angeblich auf dem Sterbebett)

Oder doch eher so?

Getz isset zo spöt

Wat ene Driss

Herrjott

Su bin ech bei Dir

Wat willste auch maache

…..

Alles war bereit. Ruhe war eingekehrt. Die Heizung tat ihre Wirkung. Augen fielen zu. Das Gedenke wurde runtergefahren, die Verdauung aufs das Nötigste reduziert, die Lichter gedimmt und ein Gute Nacht Lied war zur Feier des Tages angestimmt. Aber: plötzliche Unruhe. Vor dem Fenster, dem vor Tagen erwähnten, heute zweistellige Temperaturen. Sonnenschein und Lenzesahnung. Nichts neues, da in den letzten Jahren das Fest der Geburt des Erlösers meist im T – Shirt und grillend begangen wurde. Dennoch: man gewöhnt sich langsamer als man möchten täte und vor allem tun könnte. Und es war zudem verdächtig still da draußen. Der Stecker mal wieder gezogen, löckend gegen die Unvernunft. Drinnen aber: Der Ehrenwerte Ernst Albert und die noch vieltausendmal Ehrenwertere Göttliche Pelagia saßen in der Küche und hörten Musik. Laut. Sehr laut. Zwei Platten. Hin und her. Abwechselnd. Zwei ältere Herren raspelten Lieder in die Nacht. Mal der eine. Dann der andere. Nuschel nuschel. One two three four. Pianoklimpern und vor sich hin humpelnder Bass. Dann wieder hart geschnittene Gitarrenriffs. Mäandernde Worteberge hier. Eingängigkeit da. Kennedy wird erschossen. Plattenwechsel. Man schreibt einen Brief. Plattenwechsel. Der falsche Prophet. Plattenwechsel. Geister. Tausende Fragen suchen tut der eine nun. Die Antworten suchen der andere dann. Irgendwann war die Ruhe wieder eingekehrt. Aber an Schlaf nicht mehr zu denken. Haben Sie Nachbarn? Also dann.

…..

„Budnikowski! Gewonnen! Ätsch!“

„Mahler! War ja klar! Aber nur in der Kritikerwertung!“

„Sind das nicht die Kompetenten?“

„Denkste, Bär. Der Leser will den Boss!“

„Autoritätsgläubiges Pack!“

„Sie übertreiben maßlos! Schlechte Wortwahl! Und außerdem meine ich es anders!“

„Dann sagen Sie es bitte so wie Sie es meinen. Ist man Gedankenleser?“

„Die welche Musik hören wollen, wenn sie Musik hören und nicht Bücher lesen wollen beim Musik hören, haben sich für den springenden Stein entschieden. Basta!“

„Die welche Musik hören müssen, weil sie dürfen, sehen den Zimmermann vorne, weil der letztlich auch das Haus der intelligenten Musik errichtet hat. Pasta!“

„Darf ich Sie mal zitieren, Mahler?“

„Immer und gerne!“

„Weia! Und Schulz!“

„Verstehe ich nicht!“

„Sie vergallopieren sich und bevor ich da hinterher hopple: Meine Oma hat immer gesagt, vor dem Einschlafen soll man sich nicht streiten!“

„Meine auch!“

„Also?“

„Von Budnikowski lernen, heißt … Ähem …  Gut. Ich halte mal den Schnabel, den ich nicht habe. Hören wir nochmal das Gute Nacht Lied!“

„Gerade noch die Kurve gekriegt, lieber Mahler! Und dann hören wir das! Die Single des Jahres!

…..

So kehrte die Ruhe ein. Ludwig, Robert und der springende Stein tanzten unsere zwei Gefährten in den verdienten Winterschlaf. Und natürlich die Glimmertwins.

…..

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Thema: Klebebilder, Robert Zimmermann | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / XXXX

Freitag, 4. Dezember 2020 16:20

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Die Schildkrökröte

-

Ich bin nun tausend Jahre alt

Und werde täglich älter;

Der Gotenkönig Theobald

Erzog mich im Behälter.

-

Seitdem ist mancherlei gescheh‘n,

Doch weiß ich nichts davon;

Zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn

Ein Kaufmann zu Heilbronn.

-

Ich kenne nicht des Todes Bild

Und nicht des Sterbens Nöte:

Ich bin die Schild ich bin die Schild

Ich bin die Schild krö kröte.

-

(Christian Morgenstern)

…..

Nun wollen wir nicht übertreiben. Tausend Jahre und so. Aber: tausendmal jetzt schon seit dem unschuldigen ersten Blick, den Archibald – damals noch ohne Nachnamen und anderweitige Titel – aus dem Fenster auf die Kleine Häßliche Stadt in Mittelhessen und die dahinter verborgene Welt geworfen hatte, tausendmal hat er sich nun und zunehmend mit dem Gefährten und Nachdenkkompagnon Budnikowski – ehemals Fieberthermometerhalter – geäußert. Auf diesen Seiten. Man trennte sich, fand wieder zusammen, regte sich auf, drehte im Kreis, feierte die Mittelmäßigkeit, den Schwachsinn, überließ sich der Wut, auch der milden Betrachtung. Ohne Plan und Holterdipolter rein ins Blaue.

…..

„Glückwunsch, Mahler!“

„Glückwunsch, Budnikowski!“

„Ich hätte beinahe dieses Lied gesungen!“

„Wenn Sie müssen! Ist das jetzt ein Heiratsantrag?“

„Pustekuchen mit Möhrenbrei!“

„Wissen Sie, was mich nachdenken läßt?“

„Na ja, die Welt der Aufrechtgeher!“

„Auch. Aber ich fing an zu schauen auf die Welt an einem Aschermittwoch!“

„Verstehe und dieses Jahr ist wie ein nicht enden wollender Aschermittwoch?“

„Man mag es meinen. Sie dürfen sich das erste Jubiläumslied wünschen!“

„Bitte schön!“

„Das war lustig!“

„Und Sie?“

„Das dauert aber etwas länger!“

„Und so lange machen wir Pause, Mahler?“

„Mindestens, Budnikowski!“

“Aber, Herr Mahler. Entschuldigung. Die Kundschaft!”

“Punktum und Schluß und ich bin müde. Ich bestehe auf Winterschlaf. Und außerden kann der Ehrenwerte Herr Ernst Albert auch mal was tun, wenn er nichts zu tun hat.”

“Sie haben recht. Und müde bin ich im übrigen auch. Nach diesem Jahr.”

“Dann Gute Nacht und bis zum Frühjahr! Ohne!”

“Und dann die nächsten Tausend?”

“Meine Pfote drauf!”

…..

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 048

Donnerstag, 3. Dezember 2020 18:40

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Und bald gehört die Stadt

den Stimmen unbekannter

Sterne.

(Wolfgang Hilbig)

…..

„Alles wird gut“, säuselte einst eine Ansagerin in die Kameras des Bilderschauapparats in diesem eitlen, selbstverliebten Jahrzehnt, welches man die Neunziger nannte. Daß dieses Jahrzehnt unter der hoffnungsfroh gestarteten Ägide des am Zaun des Kanzleramtsrüttlers mit der makabren Pointe Hartz Vier endete, nun: der Humor dieses Jahrzehnts war eh gewöhnungsbedürftig. (Entschuldigung. Einwurf. Was soll das jetzt hier werden? Gruß Der Säzzer). Verzeihung, wir arbeiten schon auf einer anderen Baustelle. Davon später mehr. Also: um was geht es gerade? Genau: „Alles wird gut!“ Genau zwei: „Alles wurde gut!“ Dieser Hohlweg war ein langer, auf dem Mahler und Budnikowski in Richtung Stadt und Heizung und Abendbrot und überhaupt hinwanderten und der Pudding in den Oberschenkeln begann schon zu vibrieren und die Kälte kroch in die Knochen und die Hirne leerten sich wie das Konto eines selbstständigen Künstlers (Hallo! Disziplin!! Gell!!! Der Säzzer), egal, jedenfalls waren die Gefährten müde und die Hoffnung vor Einbruch der schon heftig hereingebrochenen Dämmerung rechtzeitig irgendwo anzukommen und Heizung und Nahrung … Ach! Und da stand er dann, grinste und öffnete seine Umhängetasche. So schnell hatte man den Mahler und den Budnikowski noch nie eine Mittragegelegenheit annehmen sehen.

…..

„Also das mit den Kerzen wäre jetzt nicht nötig gewesen!“

„Mahler, vielleicht sollten wir dem Ehrenwerten Ernst Albert sagen, daß man den Heizkörper auch ein bisserl runterdrehen kann. Mein Pöter brennt!“

„Bei mir wird es heiß am Obertatzenhalter!“

„Aber das wollten wir doch!“

„Budnikowski! Was man verließ, vermisst man schneller!“

„Die Kälte?“

„Oder die gemeinsame Einsamkeit!“

„Mahler! Da. Das Monstrum! Das Buchstabenmonstrum!“

„Weia! Erinnerung fällt mich an!“

„Genau. Sie fielen!“

„Und dann fiel mich etwas an! Also, auf mich. Ich befürchte, ich gebe es zu, mit inzwischen überheiztem Pöter, eine kommende Aufgabe liegt da vor unserem müden Aug’!“

„Das Monstrum?“

„Lasen Sie unsere Überschriften?“

„Es kleben die Bilder in meinen Gedanken?“

„Und ich pack sie dann in den Schrank!“

„Mahler? Darf ich Sie zitieren!“

„Auf, Budnikowski, auf!“

„Weia!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 047

Mittwoch, 2. Dezember 2020 13:47

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Ich wage zu behaupten:

Nahezu alles Wissen,

das nicht Wissen um uns

selbst ist, ist umsonst.

(Imre Kertesz)

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Dann rauschte er vorbei der Vorortzug. Hinter den beschlagenen Scheiben maskierte Novembergesichter. Die Augen noch stumpfer als sonst in ein leeres Jahr blickend. Mahler hatte gewunken, der Lokführer tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn. Budnikowski hielt sich an seinem bärigen Gefährten fest. Der Wind eines vorbeirauschenden Zuges hatte schon weit stabilere Genossen unter die Räder geweht. Da aber die Sonne eben den milchigen Hochnebel durchdrang, blieben die Zwei noch sitzen am Rande der Gleise, die durch die zerfallenden Ränder der Kleinen Häßlichen Stadt führten. Das gab ihnen die Gelegenheit ihre Enttäuschung hinter sich sonnendem Antlitz zu verbergen. Ein Hobo mag man sein in Liedern oder vielleicht in Dokumentationen, die im Bilderschauapparat laufen. Den hungrigen Mahler erfasste eine zutiefst kleinbürgerliche Sehnsucht.

…..

„Meister Budnikowski. Drei Worte nur: Sofa. Heizung. Bilder schauen mit leerem Hirn.“

„Werter Mahler. Drei Worte auch von mir: Ich bin dabei!“

„Das heißt?“

„Sehen Sie den Weg entlang der Gleise? Da im struppigen Gebüsch?“

„Fußmarsch? Weia! Das wird eine Tageswanderung! Ohne Proviant!“

„Und wahrscheinlich kommt die Nacht dazu!“

„Nicht zu vergessen der Sprung ins Unterholz und die dort verplemperte Zeit, sollten uns diese kläffenden, unablässig kotenden Vierbeiner begegnen.“

„Hilft nix, Mahler. Je früher ein erster Schritt, so näher das Ziel. Oder so ähnlich!“

„Wer die Sohle nicht rollt, der verzichtet auf Gold!“

„Besser auf Schusters Rappen tappen als auf leere Schienen grienen!“

„Wo gewandert wird, da krähen Hähne!“

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Wir blenden uns mal aus, bevor wir uns hier auf Totes – Meer – Niveau runterdichten. Die Gefährten wagten den Aufbruch und dichteten eine ganze Weile – das beschleunigt den Schritt – wunderbar sinnfrei vor sich hin. Dann durchschnitt der Mahler, Bär vom Brandplatz, das weiße Band des Unsinns. Der Hase spürte die NEUE ERNSTHAFTIGKEIT, die an seiner Seite Richtung Innenstadt wanderte, wankte, tänzelte und schritt. Folgendes sprach er nun zum Bären.

…..

„Also, daß ich mich an Ihnen festhalten konnte und so der Wind, der vorbeirasende, von mir Abstand nahm. Danke!“

„Da nich für! Wie man oben bei den Fischbrötchen sagt.“

„Das war toll!“

„Ja, Budnikowski. Jung waren wir da auch nicht mehr, aber jünger!“

„Und jetzt, Mahler, kehren wir wieder mal heim.“

„Vielleicht kommt man uns ja entgegen!“

„Man weiß das nie!“

„Mir fällt ein Gedicht ein.“

„Wollen Sie es aufsagen?“

„Es riecht aber verdächtig nach dem Ehrenwerten Ernst Albert!“

„Her damit!“

…..

Und so marschierte man emsig weiter, in die Oberschenkel schoß so langsam der Pudding der Ermüdung, die Sonne verhochnebelte sich rapide und die Nacht klopfte ans Fenster. TOITOITOI den Wanderern. Und hier noch das Gedicht.

…..

als sie noch jung waren die winde

war ich verworren

und blind und taub

für ihren gesang

jetzt wenn ich das land durchstreife

und nicht mehr weiß

wo ich bin

und nichts mehr wissen will

in meinem herzen

denk ich an die winde

die alt geworden sind

(wolfgang hilbig)

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 046

Samstag, 28. November 2020 16:12

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„Gib dem Kaninchen noch eine Möhre!“

(Berti Vogts)

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Man war zwar auf dem Teppich geblieben, aber an Schlaf war nicht zu denken hinter den geborstenen Fenstern in diesem einst ehrenwerten und durchaus erhaltenswerten Haus am Rande der Kleinen Häßlichen Stadt in Mittelhessen. Die Nächte sind inzwischen empfindlich kühl. Kurzfristig stand der Vorschlag des Bären im kalten Gemäuer, man könne sich ja in den Teppich einrollen um so etwas wärmer zu liegen. Damit war dem Hasen aber nicht zu kommen. Hören wir rein.

…..

„Auf keinen Fall. Ich bin doch kein Rollbraten. Und dann schlafen wir ein und irgendwelche Gangster finden uns und denken wir sind die Leichen, die sie vergessen haben zu entsorgen und – zack die Karotte – landen wir auf der Müllkippe.“

„Herr Budnikowski, übertreiben Sie da nicht etwas?“

„Mahler! Akzeptieren Sie meine Befürchtungen. Eine wichtige Prämisse bei Gesprächen aller Art in diesen Tagen voller aufploppender Traumata!“

„Mach ich doch gerne. Zumal Sie das richtig sehen. Nicht die Zeitläufte erzeugen die Traumata, den sprießenden Wahnsinn und das orientierungslose Hin und her, das alles wird lediglich freigelegt und so, zugegeben, unangenehm sichtbar.“

„Nichtsdestotrotz plädiere ich entschieden dafür ein anderes Gebäude auf diesem Gelände zu entern. Hinter Fenstern ist mir entschieden wohler.“

…..

Man begab sich auf die Suche. Draußen war es hell, aber kalt. Jedoch die Gebäude, die noch halbwegs bewohnbar aussahen, sie waren fest verschlossen.

…..

„Budnikowski?“

„Mahler! Ich habe Hunger!“

„Ich auch! Und wissen Sie was?“

„Ich höre!“

„Mir fällt auch nichts mehr zum Denken ein!“

„Wegen leerem Ranzen, Herr Mahler?“

„Auch, aber ebenso generell. Man dreht sich im Kreis. Und wir waren hier schon mal und jetzt müssen wir weiter.“

„Kommt der jetzt uns holen? Der … Dings!“

„Na ja!“

„Müssen wir wohl selbst! Oder was denken Sie?“

„Wissen Sie was ein Hobo ist?“

„Hatten wir das nicht schon mal versucht?“

Ich erinnere mich, Budnikowski. Und dann war da keine Lokomotive!“

„Mahler! Da vorne geht die Schranke runter und das Licht blinkt!“

„Na dann mal hurtig!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 045

Donnerstag, 26. November 2020 15:25

G_Schrank_080…..

The blizzard, the blizzard of the world has crossed the threshold

And it’s overturned the order of the soul

(Leonard Cohen)

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„Wollen wir es mal da drin versuchen?“

„Was denn, Mahler?“

„Na ja. Zur Ruhe kommen.“

„Hinter zerbrochenen Fenstern?“

„Man muß den Zustand der Welt akzeptieren. Wir reparieren da nüscht mehr!“

„Tolle Aussichten, Defätistenbär!“

„Budnikowski, vielleicht ist da drinnen noch ein Schrank, ein Bett, Pappkartons. Sehen wir uns mal die alten Sachen an. Kann man alles noch gebrauchen. Die Zukunft verspricht noch einiges an Zuforderungen und Anmutungen. Oder so.“

„Ein ganzes Leben lang mit Maske, Sie Wahnsinniger?“

„Dies sowieso. Wovon Sie sprechen ist der Mund – Nasen – Schutz. Der wird irgendwann wieder überflüssig werden, auch wenn es dauert. Die Maske ist das was darunter ist. Lebenslang.“

„Hä?“

„Jeder trägt sich hinter einer Maske durch das Leben, sonst könnte er gar nicht überleben, denn würde er tatsächlich so aussehen, wie er denkt oder sich fühlt oder er gar tagtäglich zeigen müsste, was er von dem, was ihn umgibt, wirklich hält, man hätte ihn schnell in Einrichtungen der gesellschaftlichen Fürsorglichkeit eingesperrt. Die Maske, defensiv angewendet, dient also dem Überleben im Dschungel namens Zivilisation.“

„Aber es gibt doch auch die eindeutige Falschheit in so vielen Gesichtern!“

„Diese Masken würde ich dann Fratzen nennen, also bewußt aufgezogene Masken, Offensivmasken quasi, um andere zu übervorteilen oder zu erschrecken oder zu manipulieren!“

„Tja und manchmal sehen die ja hyperfreundlich aus, diese Art von Masken!“

„Das sind eben die schlimmsten Fratzen! Schimpansen grinsen, bevor sie angreifen!”

„Gut. Ich eben überfordert. Zurück in den Tag und seine banalen Anforderungen. Sie wollen da wirklich den Winterschlaf halten, in dieser Bruchbude und ich soll mitpoofen?“

„Wo denken Sie hin, Sie Sorgenlöffel! Es wird gleich regnen! Unterschlupf!“

„Ha! Woher wissen Sie das? Kein Wölkchen den Himmel trübt!“

„Erstens spüren dies meine Knochen und zweitens bin ich der Denkbär eines Mannes, der am Bodensee aufgewachsen ist und da weiß man das eben, wie das Wetter so wird!“

„Ha zum zweiten. Das erste Mal seit Wochen, daß Sie wieder Gutes über den Ehrenwerten äußern!“

„Jetzt bleiben Sie mal auf dem Teppich!“

„Genau das schlage ich vor. Rollen wir wenigstens einen Teppich unter unsere Sitzbacken, wenn wir da drinnen weiterdenken wollen. Trockner Kopp und warmer Pöter gebührt sogar dem Schwerenöter.

“Goethe?”

“Nein! Budnikowski! Ran an die Auslegeware!”

„Machen wir! Ähem?“

„Auf!“

„Na ja!“

„Ja was ist denn los, Herr Bär!“

„Ich glaube, der holt uns bald heim!“

„Wie? Machen Sie mal halblang. Der Sensenmann?“

„Nee. Uns doch nicht. Der … na ja … Dings halt. Der weiß doch, wo wir sind. Immer!“

„Wir werden sehen. Jetzt packen Sie mal mit an und ich will das Lied von vorgestern nochmal hören.“

„Aber in einer anderen Fassung!“

„Genehmigt! Zuuuuugleich!“

„Budnikowski?“

„Was ist denn? Der Teppich ist schwer!“

„Mir ist noch was eingefallen! Wegen Masken und so!“

„Los!“

„Hat der Zimmermann mal gesagt. It’s just Halloween. I have my Bob Dylan mask on. I’m masquerading!

„Gut. Davon demnächst. Und jetzt bitte das Lied von vorgestern!“

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The Future (revisited)

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Und dann regnete es … tatsächlich  … nicht. Tja. Man kann halt nicht alles wissen.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 044

Dienstag, 24. November 2020 16:28

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Things are going to slide, slide in all directions

Won’t be nothing, nothing you can measure anymore

(Leonard Cohen)

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„Und hier wäre ein geeigneter Platz in Sachen Winterschlaf, lieber Archibald Mahler und Genosse?“

„Warum nicht? Augen durch und zu!“

„Hä?“

„Mein Lieblingsverdreher in Sachen Virus. Unlängst in einer der Gazetten der Kleinen Häßlichen Stadt zu lesen, bester Budnikowski und Wegbegleiter!“

„Na ja, häßlich schon diese Stadt, aber so häßlich, wie die Orte, die wir in letzter Zeit aufzusuchen, um nachzudenken?“

„Es hilft die Lage objektiver zu beurteilen. Man macht sich klar, was unter der Oberfläche so rumliegt. Wie sprach einst meine Großmutter in Kamschatka? Ist der Lack erst ruiniert, denkt‘s sich gänzlich ungeniert. Oder so ähnlich!“

„Das haben Sie doch vom Ehrenwerten Herrn Ernst Albert! Oh! Weia! Habe ich den Namen zu früh …“

„Ach, Budnikowski. Sie haben ja recht. Es wird auch für mich Zeit, die längere Abwesenheit des Ehrenwerten EA einfach zu akzeptieren.“

„Aber warum müssen wir dann auch in Trümmern sitzen und unsere Hirne malträtieren?“

„Na ja, wahrscheinlich Veranlagung. Die einen tun es, die anderen nicht.“

„Gut, hirnen macht ja auch Laune. Und da haben Sie Recht, wir tanzen alle auf dünnem Eis! Und etliche meinen, sie könnten – mir alles, dir nichts – den Abgrund auf dünnem Eis am Steuer eines SUV überqueren. Vielleicht auch Veranlagung, Freund Mahler?“

„Da enthalte ich mich, lieber Budnikowski. Seltsam nur, daß die einen, die lieber daran glauben mögen die Welt sei ein hochglänzender Werbeprospekt, der Gegenseite vorwerfen deren Nachdenken mache aus der Welt die Trümmerwüste und nicht der eigene Auspuff oder der leere Bücherschrank!“

„Jetzt enthalte ich mich. Zum Winter, der zwar heuer lange werden soll, obwohl er seit Jahren keiner mehr ist: Wir wäre es mit einem etwas festerem Gemäuer in Sachen Winterschlaf? Da drüben zum Beispiel, Mahler! “

„Das Weiße Haus? Na ja, das scheint ja noch verrammelt für Außenstehende!“

„Jetzt verstehe ich! Wenn Sie nachdenken, sieht vor Ihrem inneren oder auch äußeren Auge das Weiße Haus so aus wie dieses Weiße Haus, obwohl das gar nicht das Weiße Haus ist, für Sie aber zum Weißen Haus wird, also jenem.“

„So ähnlich. Ich denke, wer sich zu oft blenden läßt erblindet schneller!“

„Und morgen?“

„Die Zukunft vor der alle, also alle die etwas zu verlieren haben oder sie glauben dies auch nur, so schreckliche Angst haben, die war schon und ist immer da! Gebe zu, daß ist jetzt ein bißchen wirr, aber ich muß immer an ein Lied denken, welches ich gerne beim Ehrenwerten Ernst A … gehört habe. Und das ist ein altes Lied.“

„Können Sie es mir vorsingen? So als Schlaflied?“

„Ich versuche es!“

…..

The Future (to be continued)

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 043

Donnerstag, 19. November 2020 14:37

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Gemeinsam zu lügen ist einfach geiler

Als einsam der Wahrheit zu folgen

(Georg Seeßlen)

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„Ist das Existieren tatsächlich Schmerz? Was meinen Sie, Mahler?“

„Weshalb, Budnikowski?“

„Na ja! Was da gestern an der Wand stand!“

„Oder lehnte?“

„Sie sind ja drauf!“

„Verzeihung. Natürlich nicht. Aber daß das Leid Bestandteil jeglicher Existenz ist, ist ja jetzt nicht nur eine Erfindung des Infektionsschutzgesetzes. Fragen Sie mal die dreißig Lachse, die meine Verwandten im August so täglich fressen müssen, um den Winter in Kamschatka oder Wyoming zu überleben!“

„Verstehe ich jetzt nur in kleinen Dosen, lieber Bär!“

„Na ja. Wir saßen hier schon im Frühjahr. Der Tod hatte an die Türen einer undankbaren und überfressenen Gesellschaft geklopft. Der Aufrechtgeher nickte dazu scheinbar verständnisvoll bestätigend und versprach innezuhalten. Mit voller Hose. Drei Minuten, Quatsch, drei Sekunden lang, verglichen mit den kleinen Ewigkeiten. Um gleich darauf wieder seine Blechkiste durch die Autowaschanlage zu schicken! Den Tod ignorierend. Vor allem den Tod der anderen. Und eben den Schmerz.“

„Der Anderen?“

„Nur der Anderen! Den eigenen Schmerz aber hochjubeln!“

„Die sind schon ein bisserl doof! Oder?“

„Na ja. Ein bisserl gefährlich auch. Die Selbstabschaffung war schon immer – gelegentlich aber immer häufiger – so ein Hobby der Aufrechtgeher!“

„Und jetzt?“

„Das Karussell nimmt Fahrt auf. Der Aufrechtgeher glaubt immer noch daran sich die Zukunft verfügbar machen zu können!“

„Der traurige Mann mit der gelben Perücke in Amerika ist aber nicht schuld?“

„Danke für den Einwurf, geschätzter Gefährte und Hase! Es ist die Angst!“

„Und nicht die Furcht!“

„So ist es!“

„Darf ich ein Lied vorschlagen?“

„Immer! Motto?“

„Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah.“

„Budnikowski! Sie sind ja drauf!“

„So isses! Kara ben Mahler!“

„Halten wir Abstand. Auch zu uns selbst!“

„Nennt man das Denken?“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 042

Mittwoch, 18. November 2020 11:59

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Ich glaube, wir sind blind.

Blinde, die sehen.

Und Blinde, die sehend nicht sehen.

(Jose Saramago)

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„Mahler?“

„…“

„Mahler??“

„….“

„Mahler???“

„…..“

„Verfaulte Möhre aber auch!“

„Budnikowski? Ich höre!“

„Was machen Sie?“

„Ich denke nach!“

„Sie schweigen mich an!“

„Nachdenken und Plappern schließen sich meistens aus!“

„Ich dachte gestern in unserer Konstellation bin ich nun der neue Klugscheißer!“

„Tja!“

„Dann schweigen Sie halt weiter.“

…..

Der Wahrheit (Achtung! Dehnbarer Begriff in diesen Tagen: ruft Euch zu: der Säzzer!) die Ehre (Heilandzack! Noch dehnbarerer Begriff zurzeit. Ihr wisst scho: der Säzzer!) zu geben: Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, dachte tatsächlich intensiv nach, was heißt: er versuchte sich zu erinnern. Vor ein paar Jahren war es gewesen. Dieses Gedicht. Sommer war es. Heiß. Sehr heiß. Menschenleere Wälder. Steppen. Weiter Blick. Der Ehrenwerte Ernst Albert – ja er vermißte ihn, konnte es aber noch nicht eingestehen im Bärentrotz – hatte es in jenem Sommer oft vor sich her und hin gemurmelt. Das Gedicht. Es war ein Wintergedicht. Nicht meteorologisch zu deuten, eher assoziativ zu denken. Und Mahler hatte es damals nicht verstanden, nur geahnt, was die Nachricht sein könnte, die diese düsteren Worte transportierten, während er auf einen Fahrradgepäckträger sich durch Brandenburgs Wälder und Steppen chauffieren ließ. „Dem eigenen Schmerz hinterhersinnen?“ Nein, es war anders. Aber vielleicht ist dies, was er noch erinnert, nun so eine Art Extrakt, eine Weiterführung, ein Wink, ein Link, ein Winklink, ein Echo, eine hilflose, hilfesuchende Antwort auf diese Tage, in denen der Tod wieder in die Mitte der Gesellschaft rückt und breitbeinig grinsend Platz genommen hat. Was der gemeine Aufrechtgeher geflissentlich zu ignorieren sucht und lieber Wälder niederholzt, um neue Trassen für seine heiligen Blechkisten in die Landschaft betonieren zu können und autogipfelt. Oh heilige Hektik!

…..

„Budnikowski, ich habe nachgedacht, aber ich kann mich nicht erinnern!“

„An was, Mahler?“

„Was ich gestern sagte, diese neue Überschrift! Warum und woher?“

„Schmerz / Nachsinnen / Ich / Was meinst Du eigentlich?“

„So ähnlich!“

„Vielleicht können wir einfach mal hier in die Landschaft schauen und gucken, was uns dazu einfällt!“

„Aber wir waren hier doch schon mal!“

„Gestern ist nicht jetzt!“

„Das ist richtig. Aber wenn man wieder irgendwo hingelangt, wo man schon mal war, ist das nicht Zeichen?“

„Aufgabe, Mahler, Aufgabe!“

„Weia! Darf ich Sie ab heute Immanuel nennen?“

„Kanttu machen!“

„Weisstunoch?“

„Wir hätten es besser wissen können, wenn wir gewußt hätten!“

„Wer sagt das?“

„Der Schatten!“

„Welcher?“

„Der!“

„Morgen werde ich seinen Namen wieder aussprechen können!“

„Versprochen?“

„Versprochen!“

…..

Und dann fiel dem Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz auch wieder das Gedicht ein. Obwohl er es immer noch nur in Teilen begreift. Mehr ist aber auch nicht nötig.

…..

Im Schnee

Der Wahrheit nachsinnen –

Viel Schmerz!

Endlich Begeisterung

Bis zum Tod

Winternacht

Du reine Mönchin!

(Georg Trakl)

…..

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