Beiträge vom Januar, 2014

Mr. A. Mahler träumt tageweise ins Buch / fünf

Montag, 27. Januar 2014 16:54

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Und plötzlich waren da Kontraste. Linien. Grenzen. Schärfen. Die Buntheit, wo ist die Buntheit? Mahler blickt angespannt auf seinen flimmernden Traumbildschirm und dort ist tatsächlich alle Buntheit weg. Ein Testbild vibriert vor dem Auge des Schläfers, schwarz ist es und weiß. Und das war es. Und es ist gut. Das findet Mahler. Es wirkt klarer und das Hirn eines Bären ist auch keine doofe Puddingschüssel und Farben mahlern macht es sich selber, des Meister Petz’ Denkkästlein. Wenn es überhaupt will. Ein Traumschlaumeier hoppelt durch das Testbild. „Und was ist mit der Vielfalt? Den Zwischentönen?“ Unnötiger Einwurf. Die Übergänge vom Schwarz ins Weiß sind… na ja … auch Übergänge. Zärtlicher jedoch. Geruhsamer. Aber die Trennlinien sind – wenn man will – schärfer. Härter. Kontrast. Mahler ist zufrieden und beschließt das kommende Jahr in schwarz und weiß zu betrachten. Und einzuteilen. Und zu bewerten. Ja: bewerten! Er hofft so wieder zum Ja und zum Nein zu finden. Die vorauseilende Relativierung jeder vergangenen und zukünftigen Lebenssekunde raubte ihm in den letzten Monaten allzuoft den Schlaf. Das muß sogar ein Traumschlaumeier einsehen. Mut hat weniger Buchstaben als „jasicherdasseheichzwarnichtsoaberverstehemankannes jaauchandersundso.“ Sonst vergißt bär ja eines Tages sogar, wie er heißt. Und das ist nicht richtig! JA! Der Himmel klarte eben auf vor des Bären Höhle und Väterchen Frost streichelte ein kaltes Rot in den Abendhimmel. Nein, er malte ein mild schwärzeres Weiß ins vorabendliche Grau. Dann träumt Mahler das! Genau!

Thema: Anregende Buchstaben, Traumtagebuch | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Mr. A. Mahler träumt tageweise ins Buch / vier

Montag, 20. Januar 2014 17:05

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Es fasst mich etwas an, denkt man im Sinne der Klassiker und erwacht. So Archibald Mahler again während des diesjährigen Winterimitats auf der Suche nach dem Schlaf. Meist wird man ja von innen heraus erschreckt, meint aber gewiß außerliche Berührung zu spüren oder gibt der Matratze oder dem Wetter die Schuld, verlegt so küchenpsychologisch den inneren Schrei auf eine Außenhaut und vermutet einen fremden Biß. Doch heute in der Nacht war es andersrum. Eine weiße Pfote griff nach Mahler – das Ziel sei nicht näher beschrieben – die Pfote nun war nackt und trotzdem befellt und laberte ohn’ Unterlaß von der Pöhlerei. Mahler, als erklärter Laie in Sachen Fanatismus, trat heftig um sich und statt roter Karte erhielt er einen Kuß, immer noch nackt und befellt und dann war man auf der Flucht. Also der Küssende haute ab, hakenschlagend wie ein Hase. Bei Mahler dämmerte es. Der ewige Budnikowski, wer sonst soll es sein und buchstabiert ein halbwegs Denkender das Wort Pöhlerei, so steht da auf seiner Schiefertafel: Eskapismus. Hallo fremde Pfote, sei gegrüßt! Und es blieb weiterhin ein Traum und Mahler röchelte weiter, als der ewige Budnikowski plötzlich auf ihm liegt und es den Bären wohlig und feucht erschauert. Hatte er deshalb gestern nächtlich liebesgedichtet? Dann fährt der Traum um die eine Ecke und findet statt im fernen Brasilien. Ein Rasengeviert ist braun und es staubt und auf den Rängen ist es leer, aber auf dem braunstaubenden Festplatz liegen weinend hübsche junge Burschen und heißen Silva di Eduardo Renaldo Thiago von Nascimento oder einfach nur Zico oder Chico oder Mario Müller und schlagen ihre schwitzenden Fäuste in den Staub und um sie herum tanzend weißbehemdete blonde Recken, aber Mahler hat plötzlich schwarze Haare am Kopp – die Frisur sitzt -  und einen högschtwahrscheinlich sauteuren Kaschmirschal kunstvoll über sein weißes und eng und anliegendes Hemd geschlungen, neben ihm grinst der kleine Klassensprecher Kuno Budnikowski, reckt einen riesigen Pokal in die flimmernde Hitze einer Sambanacht und ein grinsend nacktoberkörpiger spanischer Türke aus Gelsenkirchen zwickt den Mahler ständig in den schwitzenden Pöter und ruft: „Jetzt sag es doch! Jetzt sagt es doch! Los!“ Und Mahler mit Schal und Budnikowski mit Hasenzahn, der eine schneller, der andere etwas lahmer, hüpfen in den Pokal und der Pokal schwimmt im Atlantik und es ist wie am Ende eines James Bond – Films, Champagner perlt und Rum, der Jesus von Rio will noch mahnend den Zeigefinger in die Luft recken, aber da war ein Blitz davor und aus dem Pokal tönt es: „Wir sind ein Paar!“ Und schon wieder ist es dem Mahler feucht zu Mute, aber nun auf der Stirn und er sitzt in einem Autobus, der fährt von Konstanz nach Kreuzlingen und weiter in die Schweizer Berge, weil da irgendwo olympisches Skifahren ist, da freut der neue Traum des Bären sich drauf und alle Bürger hinter der Grenze haben rote Hemden an, darauf weiße Kreuze und freuen sich auch, aber Mahler hat vergessen eine Fahrkarte zu lösen. Sonne Hureschieß!

Thema: Küchenschypsologie, Traumtagebuch | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Mr. A. Mahler träumt tageweise ins Buch / drei

Samstag, 18. Januar 2014 18:35

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Heute nacht wälzt sich Mahler weiter und träumt, er hätte sich unsterblich verliebt. Und wenn man unsterblich verliebt ist, muß man aufwachen und durch die Nacht wandern und dichten und sich weiter wälzen und zur Strafe am nächsten Morgen lesen, was in der zerschossenen Nacht aus den poetischen Lenden kroch. Mahler reibt sich seine Augen und dann liest er ein Poem, kursiv zentriert in pathetischer „kleinschreibweisheit“:

nachtwanderungen der schlaf hat mich plötzlich und schwer umarmt und sich genauso plötzlich und schwer davongemacht. morgens um vier besuchen sie mich: deine, meine, unsere gespenster. nicht laut schreiend und wehklagend wie die tage zuvor, nein leise, ihre forderungen nur sachte an die wände malend. du hast ihnen einlass gewährt, hast ihnen nicht die begrenzte haltbarkeit deiner gastfreundschaft klargemacht. sie klagen und kratzen an den fenstern, sie huschen durchs dachgeschoß, daß ich betrete und fühle, dort oben wohne nicht ich, nicht wir, dort oben ist noch terra incognita, heimstatt eines schmerzlichen betruges. ich höre das ferne röcheln anderer wartender. gespenster haben eine fürchterliche eigenschaft. in jedes loch fehlender klarheit nisten sie sich ein und reiben ihrer stinkenden schwänze. und aus jedem qualvoll verspritzten tropfen erwacht ein neues noch größeres gespenst, eines dessen hohnlachen noch lauter und schneidender den schlaf erwürgt. oh du fata morgana, lichtspiegelung in der wasserwüste der liebe. draußen taumeln die seemänner und wollen an land, doch die nächtlichen schweren ketten rasseln vor einer hafeneinfahrt, welche gar nicht existiert. leuchttürme, in denen alte wächter mit rum gurgeln, versinken in der flut. heute nacht ist meine haut hart und glänzend, über meinen innereien liegt der panzer der erschöpfung und ich breche auf. was bist du, eine leinwand auf der aufgeregte leichtmatrosen ihre farbreste verkleckern, eine kneipe, in der vaterlose gesellen unter die tische pinkeln, die dornenhecke, in der liebeskranke troubadoure ihren rausch ausschlafen, um morgens das blut ihrer wunden in ihre weinkaraffen zu ergießen? oder bist du einer dieser spiegel, in die man hineingreift und plötzlich sein blutendes herz in den händen hält? ich erinnere mich nicht daran, daß von den zinnen deiner burg proviantpakete auf die singenden ritter hinabfielen, ich erinnere mich nur an das rasseln der skelette, über die ich stolperte und zu deren rhythmus ich neue lieder bastelte. in deinen gemächern stapeln sich nicht abgesandte worte, seidentücher, um die sich ganze bataillone duellieren würden. und dann schickst du dein kleines kind hinaus und weinend zucken die eben noch festen knie in den sand. das morgenlicht liebkost die wahnsinnigen und die eine rose, die du gabst, zerstreut sich in alle himmelsrichtungen, eine jede faust umklammert schwitzend ein blütenblatt. zu hause, in ihren jämmerlichen hütten sitzen die wallfahrer, alte kompendien wälzend, in der irren hoffnung ihre tränen und die leblosen säfte ihrer lenden erweckten das tote souvenir zu neuem leben. ich besteige mein armes altes pferd und rauchend machen wir es uns auf einer wegkreuzung bequem. die sonne leckt meine müdigkeit und traurig erwarte ich dein lächeln. der rosarote wind trägt mir entgegen, was ich verlor, den geruch deiner ewigkeit.

So also steht das da am nächsten Morgen. Die Tatze Mahlers zuckt nach rechts. Lediglich ein Reflex. Jedoch das volle Glas Wasser, das neben des Bären Bettstatt weilte, ist geleert, der Rachen weiter rauh noch und Mr. A. Mahler beschließt, während er wieder einschläft, die Liebe nicht ernster zu nehmen als den Fußball.

Thema: Traumtagebuch | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Mr. A. Mahler träumt tageweise ins Buch / zwei

Mittwoch, 15. Januar 2014 17:29

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Alles klebt. Alles ist klebrig. Alles ist so sonderbar klebrig. Mahler wälzt sich zwischen zwei Zuständen hin und zurück. Nicht, daß er wachte, geschweige denn, daß er schliefe. Aber es klebt. Und es ist süß und überzuckert und rot. Es ist nicht der Schweiß. Bären schwitzen nicht, sie stinken gerne mal, aber schwitzen, dies tun die Bären nicht. Seien sie aus Kamschatka oder Wyoming. Mahlers Nase möchte sich ins eigene Arschloch bohren, – (Verzeihung! Nicht von Mahler diese rohen Worte, sondern vom großen Georg Büchner: also Weltliteratur! Der Säzzer) -  um dieser olfaktorischen Beleidigung ein für alle mal zu entfleuchen. Und was den Riechangriff noch ins Unerträgliche steigert, ist dieses kratzende, monoton entnervende Geräusch, welches sich mit dem Übelriech unverbrüchlich verbindet. Ein klagender Dauersound, als zöge jemand stundenlang Eisen über gefrorenes Wasser. Von der Begleitmusike schweigt selbst der böseste Traum und hebt seine Hände zum Himmel. So denkt das Bärenhirn zwischen den Zuständen, bevor es Zustände bekommt. Wäre die Welt Matratze, wäre sie entweder zu weich oder zu hart. Geschlafen werden muß trotzdem. Auf dieser und keiner anderen Matratze. Quatsch: Welt. Jetzt kommt der Traum und weil der Mond ein voller ist, albt der Traum. Andere nennen es die Realität. Dann träumt Mahler etwas. Das: Die Aufrechtgeher stellen im Winter, der in Wyoming und New York ist, aber nicht da, wo der Bär den Schlaf sucht und klebt und nicht weiß warum, die Aufrechtgeher also stellen große Platten mit gefrorenem Wasser mitten in ihre Städte , schnallen ihren unschuldigen Kindern Eisenstäbe unter die Füße, schieben sie auf die gefrorenen Wasserplatten und trinken – die Herumschlitternden betrachtend – irgendein stinkendes rotes Zeugs aus stimmungsvoll witzich bemalten Porzellantöpflein. Dann glühen sie. Dann reißen sie sich gegenseitig die Kleider von den magersüchtigen oder fetten Wohlstandsleibern und legen sich in große Bottiche. In diesen Bottichen wabert dieselbe rote, süße, hirnauflösende Flüssigkeit. Konsenssoße. Die Welt ist schön und neu. Rot wird schwarz wird grün wird gelb und wieder rot und nichts und alles ist ein Brei und Hirne schlagen gegen…nein. Mahler glüht wie eine Kartoffel, die ein Sozialtourist auf einem abgeernteten Acker fand und sich briet. Schwarze Augen starren den Bären an. Er sticht sie nicht aus die schwarzen Augen aus der faulen(den) Kartoffel. Es gibt immer jemanden, der Hunger hat. Dort wo die Satten wohnen und wohlig klagen.

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Mr. A. Mahler träumt tageweise ins Buch / eins

Montag, 13. Januar 2014 21:29

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„Sprießt im Januar dat Kraut, ist dat Frühjahr längst versaut.“ Ein elektrisches Küchenmesser, welches sonst dazu dient Entenschenkel vom Leib zu trennen, öffnet Mahlers Abdomen. Behende, grünlackierte Fingernägel schieben vorsichtig Innereien nach rechts, nach links. Mahler ist sich unschlüssig auf welcher seiner zwei Seiten er weiterschlafen möge. Der Traum nimmt Gestalt an und schlägt dem Bären die Fernbedienung aus der Tatze. Eine Art von Motor – noch Märklin – Baukasten oder schon Fischer – Technik? – beginnt im Mahler zu rotieren. Zahnrad reibt an Zahnrad und fordert stete Bewegung. Wer war der Chirurgin? Schwarze Locken und halbblinde Augen blicken den Archibald an und – mir nichts Dir (Wer bist DU?) nichts – hängt er in einer Art Rollo, zwischen Lamellen und der eben eingepflanzte innere Motor zwingt ihn zu einer Art hölzerner marionettenhafter Choreographie. Die tanzende Puppe aus Fellinis „Casanova“? Die trommelnden drei Affen vor dem Spielwarengeschäft op d’r Vringsstroß zu Kölle? Ein Duracellbär? Die Umstehenden lachen, weil der Bärentanz sie amüsiert. Mahler aber hängt in seinem Vorhang und neigt sich vorwärts, seitwärts, rückwärts, grinsiert und spricht seltsame Worte: „Sprießt im Januar dat Kraut, ist dat Frühjahr längst versaut.“ Wahrscheinlich rezitiert er anderes, aber der Traum, der Traum. Eine geballte Faust schlägt ihm ins Kreuz, das feucht vom Schweiß und starr, schieb ihn nach vorne, da ist ein Bildschirm, er schaut sich an und zu und unter seinen Tatzen wächst ein Rednerpult und dies ist nicht der Platz, den Mahler jemals anstrebte. Ein Bildschirm seiner selbst vor dem schlaftrunkenem Auge? Doch wehre Dich gegen einen Traum im Januar, der ansonsten kalt und regungslos vorbeizieht an den Traumlosen und unbemerkt zerfriert. Aus trock’nem Rachen schiebt sich ein Bärensatz: „Aufrechtgeher keine Instrumente als die Beine wenn Du Dich fortbewegen magst Du bist noch nicht so weit machst Du aus der Welt einen Parkplatz lacht sie Dich aus Bleib bequem Särge sind billiger geworden zieh in den Krieg Dein Kind versorgen wir Hörst DU Sie rufen wieder Höre weg.“ Kleine zipfelbemützte, weißbehemdete, stimmbruchkieksende Buben preisen die Zeitung des nächsten Tages an: „Express, Stadtanzeiger, Express, Stadtanzeiger! Winterschlaf soll abgeschafft werden! Archibald Mahler zum Bären des Jahres gewählt! Express, Stadtanzeiger, Express, Stadtanzeiger!“ „Gib dem Juppes doch mal ein Bierchen!“ „Sicher dat!“ Archibald Mahler führt seine rechte Tatze ganz langsam an die linke Seite seiner Stirn. Et Fränzche zappt noch ens.

Thema: Archibalds Geschichte, Traumtagebuch | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth