Beitrags-Archiv für die Kategory 'Musentempel'

Mahler sammelt Grenzerfahrungen und andere Familiaritäten oder schaut nur auf den See (10)

Freitag, 12. Oktober 2012 15:37

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Dieses war nicht zu ahnen, daß diese kleine unschuldige Welle dermaßen Fahrt aufnehmen würde. Der Bär hatte auf den See hinaus gestarrt und über die letzte Karte des Herrn Budnikowski nachgesonnen. Über den einstens abservierten Ex – Kapitän Lackball und die folgenden Lügengewitter. Und dabei der Welt, Konschtanz und so einigem den Rücken zugewandt. Das sollte man nicht tun. Warum eigentlich nur? Da hört er den Ehrenwerten Ernst Albert über das Gelände des Hörnle schlurfen, seufzend und sehr verwirrt und dann setzt der Herr Ernst Albert sich neben den Mahler und beginnt zu erzählen, was ihm in den letzten Tagen widerfahren war. Eine unglaublich abstruse Geschichte. Und Mahler schaut über sich und sieht die Überschrift über seinem Schädel! Grenzerfahrung! Familiarität! So genau hätte man es nicht erfahren müssen. Weia aber auch! Besser den Gefahren das Gesicht zuwenden. Oh Musentempel! Jetzt hoch auf die Ufermauer! Und nach vorne schauen! Aber hören wir dem Musentempler Albert zu! Morgen dann!

Thema: Im Heckerland, Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN IV

Sonntag, 30. Oktober 2011 8:59

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No hoggd der Mahler also dert, wo selle hogge, die dert emmer hogged. Die Sonne strahlt mit jedem Tag, den er im Schwabenländle verbringt, wärmer und so esch es eh besser, wemmer sich nahhoggd und net rumhuddeled. Und er hoggd aka sitzt nun vor einer alten Gastwirtschaft in der Ecke Tübingens, wo einst die sogenannten Gogen wohnten, die Unterstädler, die Bauern, die Winzer, die Rauhen. Der Frühling im Herbst hält die Fenster der Lokalität offen und Archibald Mahler kann hören, wie sie hinter seinem Rücken angeschmeltzte Maultäschle verzehren, Käßspätzle, Wurstsalat mit Schwarzwurst, Schupfnudle mit Kraut, Spätzle mit Linsen und Saitenwürschtle und manches Viertel wird dazu geschlotzt und die Gesprächsfetzen in diesem, gern etwas zu lautem, wie durch Nebenhöhlen und entzündet klingende Gaumen gepreßten Dialekt, lassen den Bären schmunzeln. So  klang es dieses Frühjahr auch unten im Heckerland! Die Brüder der Heckerländer, die aber so gerne doch ganz anders wären. Pustekuchen! Jeder dritte Satz auch hier enthält Regeln, Hinweise, Zurechtweisungen, Organisationprinzipien für den bösen Alltag, Abgrenzungen aller Colour. Es scheint dem Bären, daß so die von der schnöden Welt befreiten geistigen Bergbesteigungen der Tübinger Denkgespenster eine unfreiwillige Erdung erfahren. „Denk Du nur, großer Geist! Wann der Trottoir gefegt und wie die Mülltonne gefüllt wird, des entscheidet immer noch mir.“ Aber irgendwie paßt das alles zusammen, das Hehre und das Profane, findet der Bär. Ätherisches Denken und kräftiges Essen, wirre Thesen und saubere Gehsteige. Gute Stadt! Nun muß der Bär nach Hause. Noch mal will er den Neckar sehen, den Turm des Friederich und denkt: „Wenn so ein Stocherkahn nun käm vorbei, und ich fragte den Stocherer, ob er ein Stück des Weges mich in Richtung Heimat? Oder einfach hin und her? Die Sonne scheint so schön.“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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Postscriptum: Und als der Stocherkahn am Turm vorüberglitt, öffnete sich ein Fenster und wirren Blickes, aber gut gelaunt, sprach das Gespenst namens Friederich zum Bären: „Das noch nimmt mit. Ich schenke es Dir. Denn bald auch ich im Winterschlaf! Für immer!“

HÄLFTE DES LEBENS

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

(F. Hölderlin)

Thema: Musentempel, Unterwegs mit Herrn Albert | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN III

Samstag, 29. Oktober 2011 5:42

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Mein Herz ist wie die dunkle Nacht,

wenn alle Wipfel rauschen;

da steigt der Mond in voller Pracht

aus Wolken sacht -

und sieh, der Wald verstummt in tiefem Lauschen.


Wenn ihr Freunde vergeßt,

wenn ihr den Künstler höhnt

und den tieferen Fleiß klein und gemein versteht,

Gott vergibt es. Doch stört nur

nie den Frieden der Liebenden!

(Friederich Hölderlin)

„Oh, Friederich! Oh, Hölderlin! Oh, Turmpoet und Kreisedreher! Oh, Leidenssänger, Abgrundschauer! Oh, Geistesbär und Weltverzweifler auch! Verzeih mir, daß ich Platz nahm auf Deinem Grabmal. Es ist des Bären Art zu ehren Deine Geisteskraft! Verzeih!“ Das spricht Archibald Mahler vor sich hin. Mantra! Man weiß ja nie in dieser Geisterstadt. Sonst schicken sie Gespenster, die Dich peinigen, bis daß der Schlaf Dich flieht. Doch nicht nur das Grabmal des Poeten befindet sich hier auf den Alten Stadtfriedhof. Der Bär steht auf, wandelt und schaut und flugs fällt ihn der Schwindel an. Dieser Humus emaniert Geistesatem. Schau hin, kleiner Bär! Da liegen sie die Professoren der Religionswissenschaft, der Botanik, der Philosophie, der Kunstgeschichte, der Chirurgie. Da ruhen sie, die Universitätskanzler, die Oberbürgermeister, die Theologen, die königlichen Kammerherren, die Universitätsmusikdirektoren. Dort gedenkt man der Dichter, der Sprachgelehrten, der Universitätsbibliothekaren, der Schriftsteller, der Kunsthistoriker, es findet sich sogar ein Kanzler dieser Republik, sein ärgster Gegner nur wenig Meter entfernt versenkt im Tübinger Boden, dort rechts ein Missionar aus Indien und links der Gründer des Schwäbischen Alpenvereins. Ach ungezählt die Musiker, die Oberlandesgerichtspräsidenten, die Komponisten, die Kaufleute und Professoren der Philologie und Geographie und ungekannter Wissenschaften. Und den Bären überfällt der Schwindel, sein Haupt zur Seite sich neigt, es verrutscht der Dichterkranz und eine Sehnsucht erwacht in seinem Herzen und er ruft: „Oh Ihr Götter all, und Musen Ihr, Potzrembel auch noch mal und Weia! Gebt einen Menschen mir, der mit den eig’nen Händen ein Werk erschaffen, das man mit seinem Auge sehen und mit der Tatze fühlend kann berühren. Einen Kachelofenbaumeister zum Beispiel, jetzt da der Winter an der Türe kratzt oder einfach einen Lokomotivführer, weil, wer verreist, die Heimkehr auch gesichert wissen mag. Gebt Menschen mir der Hand und nicht des Hirns. Es schwindelt mir, ob all der Geisteskraft. Habt Mitleid mit dem Bären, Götter Ihr und höret: die Einfachheit, sie schafft!“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN II

Freitag, 28. Oktober 2011 14:43

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Schwäbische Nacht. Archibald allein und zwei Äpfel. Vom selbem Stamme gefallen? Brüder? Wer weiß. Tief unten in den Eingeweiden des mittelalterlichen Hauses am Neckar, in dem Herr Mahler logiert, ein kleiner Musentempel. Herr Ernst Albert schaut gerade Probe, Probe eines Werkes aus der eigenen Feder aka Tastatur. Der Geisterstadt angemessen, ein Stück Theater voller Gespenster. Abwesender Vater, der präsenter nie war als er noch anwesend, verwaltende Mutter, Söhne auf Glatteis, viel zu viel Geld und der Abgrund wartet mit offenen Armen. Kompliziert? Muß man sich wohl selber anschauen. In Archibald Mahlers Kammer tanzen die anderen Gespenster. Die Melanchtons, Keplers, Hölderline, Schellings, Hegels, Schwabs, Hauffen, Mörikes, Sahls, Maiers, Jense, Bloche und und und. Die ehrwürdigen Mauern der von den Kriegen kaum berührten und unzerstörten Stadt sind durchdrungen von Worten, Gedanken, Axiomen und dem großen Zweifel an der Welt. Die feine Nase des Bären kann sich gar nicht satt riechen an soviel Denkwut. Vor Äonen gereimte Alexandriner und Jamben zischen durch die Nebelnachtluft und Archibald Mahler, heute Schauer der gedachten Welten, ist es gar bärig wohl in seiner Pelzhaut. Ein Ringelreihen dreht sich vor seinen staunenden Augen. Das Gestern tanzt mit dem Heute und das Morgen singt dazu ein wunderbares Lied und alles ist eins und nichts und doch ein nicht endendes Poem. Das Reimherz schlägt jauchzend in des Bären Brust und – „Licht, Luft, Atem!“ – er reißt das Fenster auf, einen Zweig des die Hauswand empor rankenden Efeus desgleichen reißt er ab und flicht sich, da’s kein anderer tut, den lang ersehnten, eig’nen Dichterkranz und schwindelnd ob der eben rauschhaft schnell erstiegenen, ätherisch pochend lichten Höhe, ruft einen Wunsch er fordernd in die Zimmernacht. „Gebt Musen mir, ein Denkmal mein und laßt mich dort, so wie ich puste Löwensamen, die Reime, die mein Hirn gebiert in stürmend drängend ewig’ Herzensnot, verstreuen in die hehre Schwabenluft. Passant, nicht eile! Gedenk des Bären, der hier thront!“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN I

Donnerstag, 27. Oktober 2011 12:20

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Im heiligsten der Stürme

Falle zusammen meine Kernerwand

Und herrlicher und freier walle

Mein Geist ins unbekannte Land

(Inschrift auf dem Grabstein Hölderlins)

Wo war Archibald Mahler stehen geblieben, bevor der ehrenwerte Herr Ernst Albert ihn gen Tübingen karriolte? Herbst. Blätter. Das farbenfrohe Sterben. Das bunte und sanfte Hinübergleiten. Kann man es schöner ausdrücken als oben festgehalten? Jedoch: muß man nun, um diese Worte zu finden, mehr als die Hälfte seines Lebens in einem Turmzimmer im Kreise herumlaufen, umtanzt und gepeinigt von Dämonen, Mythen und germanischer Geschichte oder bleibt einem nichts anderes übrig als in einem Turmzimmer unendliche Kreise zu ziehen, nachdem man diese Worte zu Papier gebracht hat? Wurschtbrot! Hühner: Eier. Eier: Hühner. Archibald Mahler hat Platz genommen auf der Neckarinsel, in seinem Rücken die altehrwürdige Geister- und Geistesstadt. Ernst Albert erzählt, wie er vor nun zwanzig Jahren einige Jahre hier ver- und gearbeitet hatte und daß ihn heute angesichts der Erinnerung, daß es damals seine Entscheidung gewesen war, den Ort zu verlassen, eine seltsame Traurigkeit befällt. Nun ja, im Herbst tanzen die Geister besonders gern durch die Herzen der Aufrechtgeher. Und während der Herr Ernst Albert so sinnt, dreht sich der Mahler um und denkt: „Einmal möchte ich in einem der alten Häuser dort wohnen und hinabschauen auf den Neckar, die Stocherkähne an mir vorbeigleiten lassen, dabei Hölderlins Runden zählen und des Nachts mit den Geistesgeistern vom nahen Tübinger Stift einen Schoppen Württemberger leeren.“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 10

Freitag, 14. Oktober 2011 21:10

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„Der Vorhang ist gefallen und jetzt geht das mit den Fragen erst richtig los.“ Archibald Mahler fällt das Originalzitat nicht mehr ein, aber so ähnlich war es. Er hält den unbeworteten Kritikerblock in seinen Tatzen. Der Bleistift schläft noch. Die Fragen aber irren schon über die nächtlichen Flure. Bald zwei Wochen hat der Bär zugeschaut. Am Ende hat er Zuschauern beim zuschauen zugeschaut. Er konnte gar nicht mehr seine Augen aufs Schilf und die zwei alten Mimen lenken, die zuschauenden Aufrechtgeher haben seine ganze Aufmerksamkeit verzehrt. Und so gibt es doch einiges zu bearbeiten und zu verdenken oder umgekehrt. Zum Beispiel: Ist das Schauen eine Tätigkeit? Kann man mit vor der Brust verschränkten Armen etwas sehen? Und dazu noch mit schief gelegtem Kopf? Oder mit hinterm Haupt verschränkten Gliedmaßen? Ist das Zusehen, falls man es als eine Tätigkeit bezeichnen darf, eine Tätigkeit aus der etwas Neues erwachsen soll oder eine Tätigkeit, die dazu dient etwas zu erhalten? Etwas zu bestätigen? Ist Schauen rückwärtsgewandt oder blickt man nach vorne? Sieht der Zuschauer was er sieht oder nur das, was er erwartet oder vermißt, oder sieht er nur seinen eingewachsenen Zehnagel und die Wettervorhersage? Kann man irgendwohin schauen und gleichzeitig so tun, als sei man ein Fotoapparat und somit behaupten, das eigene Hirn sei in der Lage Gesehenes objektiv abzuspeichern? Muß man nicht alles, was man gesehen hat, für sich behalten, da jede Beschreibung des Gesehenen sich vom im Moment des Sehens Erfahrenen mehr oder weniger komplett unterscheidet? Ist rot rot? Ist grün grün? Ist es zulässig, einem anderen Schauer seine Sicht der Dinge – wie es so schön heißt – aufs Auge zu drücken? Oder soll man einfach beide Augen zudrücken? Ist nicht jedes Schauen von etwas, was vermeintlich tatsächlich stattgefunden hat, eine Art von Übersetzung in den eigenen Kosmos, eine Art von Einordnung in die eigenen Karteikarten, sei es Beifall, Pfiff oder Unentschiedenheit? Ist nicht das betrachtete Objekt vollkommen frei von den Blicken, die man auf es wirft? Existiert es nicht auch ohne Betrachter? Oder beginnen die Dinge erst dann zu leben, wenn man sie betrachtet? Oder gar erst dann, wenn man vom Schauen spricht? Uff! Archibald Mahler sitzt allein im Musentempel. Alle sind weg, der Vorhang offen und alle die Fragen zu oder so ähnlich. Archibald Mahler hat das Gefühl die Antworten auf all seine Fragen befinden sich gerade in Wyoming oder auf Kamschatka. Der ehrenwerte Herr Ernst Albert will abschließen. Den Musentempel und die Sache mit den Enten. Der Bär ist sehr müde. Herr Albert nimmt ihn auf den Arm und bringt ihn in die Höhle. Und dann liest er ihm etwas vor. Aus einem seiner neuen Bücher.

„Die Aymara in den südlichen Anden glauben, daß man nur von dem sprechen kann, was man persönlich erlebt hat. Man kann also nicht sagen: „Lincoln wurde ermordet“, sondern nur „Ich habe gehört, Lincoln wurde ermordet“. Anders als nahezu alle anderen auf der Welt glauben sie, daß die Vergangenheit vor uns und die Zukunft hinter uns liegt, denn die Vergangenheit war deutlich zu sehen, und die Zukunft liegt im Ungewissen.“

Und Archibald Mahler, der eigentlich schon eingeschlafen war, findet, daß dies ein tolles Buch sein muß. Aber das ist eine ganz neue Geschichte. Gute Nacht!

Thema: Anregende Buchstaben, Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 9

Donnerstag, 13. Oktober 2011 18:17

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Und dann waren da noch die zwei Aufrechtgeher, die zuschauten. Sie taten dies nicht freiwillig. Sie schauten zu, damit andere und mehr zuschauen. Oder damit wer, der noch nicht zugeschaut hat, lesen kann, was er verpaßt hat. Oder wovor er hiermit gewarnt sei. Und morgen haben wir das dann schwarz und weiß. Oder so! Jedenfalls schauten die zwei Aufrechtgeher mit wichtigem Gesicht hin. Und dann unterhielten sie sich. Etwa so, wie das Archibald Mahler gehört hat.

„Theater mit zwei Männern und einer Bank? Reicht das?“

„Es reicht!“

„Aber wir haben doch gerade erst angefangen!“

„Es reicht!“

„Ah! Ich verstehe! Der humorige Einstieg! Was fehlt?“

„Tiefe!“

„Wie?“

„Generell! In der Breite! In der Tiefe!“

„Könnten Sie zitieren!“

„Wenn Sie mich bitten!“

„Bitte! (Pause) Warum seufzen Sie?“

„Es geht um Enten!“

„Das kann doch durchaus putzig sein!“

„Putzig angesichts des Weltuntergangs? Putzig angesichts der Überschuldung? Putzig angesichts meines eingewachsenen Nagels?“

„Das wußte ich nicht!“

„Eben! Ich deute kurz an. Also einmal fragt der Eine etwas, daraufhin antwortet der Andere. Dann wiederum antwortet der Andere und der Eine hat gar nichts gesagt!“

„Sie sehen mich nicht schmunzeln! Und was haben Sie gemacht?“

„Siebenhundert Zeichen! Was soll man machen?“

„Und die Anderen!“

„Da sind nur zwei und eine Plastikente!“

„Zwei! Plastikenten auch zwei!“

„Kann nicht sein! Habe ich nicht gesehen!“

„Sei es drum. Die anderen Zuseher? Reaktionen?“

„Unerträglich! Gekicher! Gelache! Beifall! Angesichts..“

„Danke,  Sie hatten Ihren Fußnagel bereits erwähnt!“

„Oh! Sancta simplicitas! Ich muß!“

„Wohin!“

„Ein Kinderchor singt. Ein Sportgeschäft wird eröffnet. Die Stellvertreterin des Dezernenten spricht. Man braucht mich!“

„Wieviel?“

„Tausend Zeichen! Und Sie?“

„Verkaufsoffener Sonntag! Zweitausend Zeichen! Ihren eingewachsenen Nagel betreffend….“

Und dann sind sie weg und Archibald Mahler denkt, wie ungesund das für einen Pöter doch ist, wenn er Abend für Abend in einer Kleinen Häßlichen Stadt in Mittelhessen anderen – und dies auch noch sitzend -  bei der Verrichtung einer mal mehr oder weniger sinnvollen oder inspirierten Tätigkeit nicht zusehen will oder darf, sondern muß. Weia! Sieh an, der eine der zwei Aufrechtgeher hat seinen Notizblock liegen lassen. Unbeschrieben! So mit reingeklemmtem Bleistift dran. Klasse! Archibald Mahler wollte schon immer mal einen eigenen, originalen Kritikerblock besitzen. Her damit! Und er notiert: “Morgen noch nachdenken, ob man das Zuschauen unter Tätigkeit fassen kann.” Und dahinter malt der Bär drei dicke Ausrufezeichen.

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 8

Mittwoch, 12. Oktober 2011 18:29

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Und dann fällt Archibald Mahler noch etwas ein. Was die Mimen immer gesagt haben. Oder gesucht haben eine ganze Zeit lang: die „Figur“. Was meinen die eigentlich damit? Dick war keiner von denen, also eine Art von Diät kann es nicht sein. Und die haben nicht nur diese Figur gesucht, sondern auch noch die “Haltung” von so einer Figur. Was soll das denn bitte sein? Man hält den Kopf hoch, oder eben nicht, kann auch die eine oder andere Tatze in die Luft halten – nicht zu lang, denn der Herbst kommt und man will ja noch Energie sparen für den langen Winter – und dann kann man darüber nachdenken, ob man mit der rechten oder linken Pfote sich am Pöter kratzt. Eigentlich Wurscht wie Lachs, wichtig ist, daß gekratzt wird. Und in Indien da stehen die Aufrechtgeher stundenlang auf einem Bein, um schneller denken zu können. Extreme Haltung. Dann sehen sie aus wie eine Figur, die man sich wegen der künstlerischen Gestaltung des Wohnraumes auch mal auf das Regal platziert und stellt damit seine offene Haltung in Bezug auf die Künste allgemein zur Schau. Aber zurück in den Musentempel. Diese Figur also, soviel hat Archibald Mahler verstanden, soll wohl jener Aufrechtgeher sein, den man dann sieht auf der Bühne. Das heißt: eine spezielle Ausgabe oder Ausformung des originären Aufrechtgehers. Also der Aufrechtgeher, der der Mime ist, will ein anderer Aufrechtgeher sein, eben jene Figur und die braucht, um eine Figur zu sein eben: eine Haltung. Und das würden dann die zuschauenden und zahlenden Aufrechtgeher sehen. Komisch, der Bär hat das nicht gesehen. Weil, wenn ein Mime eine sogenannte Figur war, sah er genau so aus wie davor. Gut, er mal einen Hut aufgehabt oder eine Krawatte am Hals oder eine Banane in der Hand. Aber sonst: klar zu erkennen war er als der, der er zuvor war. Und den Kopf mal nach rechts oder links drehen, wo ist da die Haltung? Das macht man doch, wenn man rechts was sehen will, wenn von links einer spricht. Nur eines fiel Archibald Mahler, Bär mit hörenden Ohren, gelegentlich auf: wenn die Mimen die herbeigesehnte Figur waren, haben sie nicht mehr wie normale Aufrechtgeher miteinander gesprochen, sondern so komisch gestelzt und betont. Wahrscheinlich wie Figuren mit Haltung. Das wollte der ehrenwerte Herr Albert aber nicht und hat genölt. Archibald Mahler mochte das auch nicht. Und eines Morgens kamen die Mimen und dann hat man sich unterhalten, alle vom Herr Mamet aufgeschriebenen Worte gesagt (außer natürlich diejenigen, die der Herr Albert weggestrichen hat), die Requisiten pfleglich behandelt und den Kopf oben gehalten. Und Mime und Aufrechtgeher und alles war eins und auch das andere. Und es machte Spaß zu hören und zu sehen, was dort geschah im Schilf. Die Figuren waren wohl des Nachts in die Lahn gefallen. Ob das alles so seine Richtigkeit hat? Archibald Mahler denkt noch mal drüber nach. Dabei macht er eine gute Figur. Hält den Kopf hoch. Aber wissen können tut er es nicht. Denn er ist und bleibt ein Bär und nur ein Gast auf dieser Welt und also auch im Musentempel.

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 7

Montag, 10. Oktober 2011 15:10

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Eigentlich ist Herr Archibald Mahler seit gestern wieder zu Hause. In der Höhle. Da ist geheizt. War ja auch kalt gestern und vorgestern. Zu Hause also in der Höhle, aber noch nicht im Kopp. Der ist noch im Musentempel. Der Kopp eines Bären arbeitet wie die mahlernde Mühle langsam und stet. Da bleibt stets was über. Das ist nicht so einfach. Genau! Hören wir mal rein bei den Damen und Herren Aufrechtgehern: „Das ist doch ganz einfach! Geh doch einfach! Mach doch einfach! Das ist eine einfache Aufgabe! Das glaub ich einfach nicht! Könntest Du einfach mal? Das ist einfach unfaßbar! Ich denk einfach Pünktchen Pünktchen! Ich sage jetzt einfach mal so! Der hat es doch wirklich einfach! Der macht es sich einfach! Das ist mir jetzt zu einfach! Wenn man denen jetzt einfach mal sagt, was Sache ist? Ich mach das einfach nicht mehr mit! Könnten Sie einfach mal die Schnauze halten?“ Potzrembel die Waldfee! Kein Schrank hat nur ein Fach und die Welt ist kein Regal! Das wiederum denkt Herr Mahler, ehemals der Erfinder des Gedankenschranks. Aber: er hat es gesehen die letzten Tage, das Einfache. Das heißt, es war nicht zu sehen. Aber man hat nach ihm gesucht. Weil der Herr Mamet gesagt hatte, die Entengeschichte sei eine einfache Geschichte! Natürlich kompletter Blödsinn! Aber ein Blödsinn, welcher herausfordert. Machen wir es einfach! Bleiben aka werden wir einfach! Und wieviel Arbeit das ist, bis das Einfache erspäht wird im angeblich oder im zitierten Einfachen. Feuer kann man anfachen, aber nicht einfachen. Ein Einfach als das Einfach gibt es nicht. Es gibt lapidar, direkt, zuhören, reagieren, atmen, eine Geschichte, diese Geschichte erzählen zu wollen, den Spielpartner als Gegenüber akzeptieren, Emphatie, Mut, Wut und Ausdauer. Und Disziplin. Und die ist schon gar nicht einfach. Das ist das Schlimmste. Archibald Mahler denkt an seinen Pöter. Wie oft er auf diesem Pöter rumsitzen muß, wenn er in die Welt schaut. Aber er will ja in die Welt schauen. Und er hat nur einen Pöter. Potzrembel und die Waldfee aber auch Weia! Und dann denkt er: das Tolle am Einfach ist, daß es Einfach gibt, daß es aber ganz anders heißt. Und das ist nicht einfach. Einfach mal leben? Quatsch! Das heißt leicht. Leben! Leicht leben! Einfach ist vielleicht nichts! Da fällt Archibald Mahler, dem Bären vom Brandplatz und gelegentlich Hobbydramaturg, etwas ein. Morgen ist auch ein Tag!

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HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 6

Freitag, 7. Oktober 2011 17:33

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Archibald Mahler findet, daß nun ausreichend über Enten gesprochen wurde. Er denkt, es sei an der Zeit mit der Ente zu sprechen. Er klettert vom Regietisch. Da sitzt diese Ente auf einem der Lautsprecher. Sie stellt sich als Ente Benedikt vor. Seltsamer Name. Der Bär fragt nach ihrem Befinden. Und sie spricht:

„Weißt du, so ein Entenleben ist nicht nur ein Zuckerschlecken. So ein Vogel hat auch seine Sorgen. Er hat Flöhe und Läuse und leidet an Krankheiten. Sinnestäuschungen. An Flügelkrämpfen. Sexuellen Schwierigkeiten. Kommt vieles zusammen. Es ist kein leichtes Leben. Enten sind der Gnade aller Elemente in ihrer Umwelt ausgeliefert. Sonnenflecken. Fehlschläge. Wetterwechsel zur Unzeit. Jäger. Unheil. Tornados. Fallen. Unzählige Flugzeuge. Böse kleine Kinder. Kettenläden. Und natürlich der Große Blaureiher. Es gibt auch Hausenten. Man züchtet sie für Ostern und Thanksgiving. Man hält sie in Gefangenschaft. Auf dem Hof. Man beschneidet ihnen die Flügel. Vandalismus! Sie werden gemästet. Sie werden von den Farmern mit Spezialmischungen gefüttert. Mais, und vielleicht noch Hafer. Und sie kriegen ganz besondere Spritzen. Damit sie glücklich bleiben. Und sie können nicht fliegen. Aus der Traum mit der Wildheit. Laufen immer nur den ganzen Tag auf der Farm rum. Und fressen. Es werden Enten gefunden mit Lungenkrebs. Ich hab da von diesem Jäger im Wald gelesen, der auf ein paar Enten schoß, die sich hingelegt hatten. Und er hat sie nicht getroffen. Aber als er wegging, hörte er so ein Röcheln, und er ging zurück, um das zu ergründen. Und da hockten diese fünf oder sechs verkümmerten Enten auf einer Lichtung und keuchten sich die Lunge aus dem Leib. Die haben gehustet und geniest und sie flatterten mit den Flügeln, und wenn sie vielleicht zweimal geflattert hatten, fielen sie hustend um. Das ist nicht gesund für einen. Und er sagte, anstatt wegzulaufen, kamen sie alle zu ihm gekrochen und scharten sich kauernd um seine Füße, mit diesen entzündeten, tränenden Augen. Ein ziemliches Bild des Jammers. Und er sagte, es ging ihm nicht aus dem Kopf, daß sie so aussahen, als wollten sie was zu rauchen schnorren. Und da haben wir’s also: auch die Enten sind zum Tode verurteilt. Wie wir alle. Aber ihr Leben bis zu diesem Punkt ist so viel einfacher. Der Vogel wird geboren. Er lernt seinen Beruf: fliegen. Er fliegt, er frißt, er findet eine Gefährtin, er hat Junge, er fliegt noch ein bißchen, er stirbt. Ein einfaches, gradliniges, leicht zu bewältigendes Leben. Paß mal auf: Auf ihrem Totenbett, was sagt da die Ente, wenn sie nur reden könnte? Sie will noch ein bißchen weiterleben. Aber Reue? Schuldgefühle? Oder andere Gewissensbisse? Nein. Nein. Sie steht im Einklang mit der Natur. Sie ist Teil der Natur. Sie ist eine Ente.“

Das erzählt die Ente. Und noch mehr. Und Archibald Mahler lacht. Das mag er: man spricht über die letzten Dinge und hat noch Spaß dabei. Uih, jetzt kommen die Aufrechtgeher. Die Schauer und die Mimen. Man wird wieder über Enten reden. Man wird die Nacht miteinander verbringen. TOITOITOI! Und dann geht Archibald Mahler. Er muß nach dem ehrenwerten Herrn Ernst Albert schauen. Der ist immer so aufgeregt. Da kann die Anwesenheit eines Bären durchaus hilfreich sein.

PS: Wegen der Plagiate: Das Schräge stammt vom ehrenwerten Herrn David Mamet.

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