Beiträge vom Juli, 2018

Fifty Ways to Leave Your Country / Dazwischen

Montag, 30. Juli 2018 17:48

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Zwei Seelen, ach in meinem Frust!

Als eine Taverne erreicht war, die Pöter Ruhe fanden auf geflochtenem Sitz, rannte ein flinker Mexikaner an lustlosem Teutonenbein vorbei und die anwesenden Germanenmundwinkel merkelten merkellich nach unten. Dann fiel auch noch der Strom aus, wie unsere zwei Reisenden tagsdrauf erfuhren in dieser Gegend keine Seltenheit und daher kein Grund für Gejammer, Leitartikel und Haschtage oder wie das so heißt. Als der Strom wieder in die Leitung gehüpft war, aber nicht in die Gebeine der Botschafter deutscher Überlegenheit und der Bilderguckapparat grünen Rasen und grün anlaufende Nationalkickgesichter zeigte, näherte sich bescheidenen und schuldbewußten Fußes die Wirtin und wies darauf hin, daß baldigst ein Umschalten erfolgen würde, da hier in Hellas der Hellenen Lieblingsballspiel Basketball ein wesentliches Endspiel erfahren werde, aber auf der anderen Seite der Straße gewiß noch Gepöhle! Darf die das? Murren auf den Tavernenplätzen. Ohne unsere DM – Mark tätet selle doch noch der Zeus oabete.

„Mahler, darf die das? Wegen der vielbesungenen Philoxenia und so?“

„Und ob, bester Budnikowski, alles ist freiwillig. Gastfreundschaft ist eine Gabe, ein Geschenk, also nicht einforderbar. Und auch dem Gast ist es möglich freundlich zu nicken und die Straßenseite zu wechseln, schmunzelnd by the way! Doch der Tourist: er ist nun mal kein Gast, auch wenn er’s gerne wäre!“

„Mahler, als sie eben, ich erwähne es ungern, in der sanitären Anlage weilten, standen die anwesenden Germanen auf und haben geklatscht, als der kleine Gelsenkirchner aus Ankara mit den großen Augen die Nationalhymne mitdachte!“

„Budnikowski, heißer Boden. Darum geht es weder den Sängern noch den Schweigern. Seit ein paar Jahren gibt es leider wieder vermehrt diese Wimpelreflexe!“

„Hä?“

„Nun: Vorrundenausfälle, Stromausfälle, Gewißheitsausfälle, Flugausfälle, da wird der Aufrechtgeher nervös und wühlt in den alten Schränken rum, findet die alten Wimpel und schwenkt sie!“

„Aber die verbrennen die Wimpel doch auch gerne in den Pöhlerbuden!“

„Na ja, Niederlagen ertragen ist nicht so in den Genen verankert! Wichtig ist die Suche nach den Schuldigen. Das vertreibt die Langeweile an sich selbst!“

„Darf man dann noch zwei Üzelchen bestellen, bevor wir die Straßenseite wechseln?“

„Dürfen? Müssen!“

Vier oder sechs Üzelchen später. Auch kein Basketball, weil schon wieder Regen und kein Strom. Man wankt gen Unterkunft.

„Mahler, aber der Hellaswimpel hier, der ist doch schön? Farblich auch.“

„Budnikowski, wissen Sie, daß ein bayrischer König das Bier nach Athen trug einst?“

„Besser als Eulen nach München!“

„Ich hätte gern noch ein Özilchen! Oder zwei!“

„Weia! Der Kalif wird sie enterben!“

„Sind die so schnell beleidigt?“

„Niki i Thanatos!“

„Was ist eigentlich ein Grieche?“

„Der wo hier läben tut!“

„Ich will auch so eine blauweiße Fahne!“

„Reicht Ihnen die eine nicht schon? Schweigen Sie still und bleiben Sie Gast!“

„Sind wir doch eh auf diesem Planet! Sie schwanken!“

„Stets und stolz! Kamschatka oder Wyoming? Wer bin ich? Weia!“

„Dort vorne scheint man noch Getränke zu servieren!“

„Na dann!“

Manchmal naht Rettung nicht nur, sondern sie wartet. Selten leider, aber dann!

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Thema: Fifty Ways to Leave Your Country | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Fifty Ways to Leave Your Country / Rückseite

Montag, 23. Juli 2018 16:50

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It isch not over til its over!

Dieses Land mit der Seele suchend, es gelegentlich finden, falls die Seele nicht grad eben unter einem riesigen Haufen ungewaschener Belanglosigkeiten, Alltagsplackereien, Pflichten und schrecklich Schlichtem unauffindbar verborgen liegt. Man berichtet – dies sogar häufig – von Reisenden, welche nach ein oder etlichen Aufenthalten in diesem gesegneten (Ne!!!) Land sich in der Lage fühlten der zuvor arg ramponierten Seele wieder einen Ehrenplatz in der Erzählung ihrer selbst zu gewähren. Doch dies mag nicht immer und jedem gelingen. Gefahr in Verzuge lauert bei denen, welche im Ticken fremder Uhren, bei der Betrachtung fremder Ordnungsprinzipien und beim Kauen fremder Brote Panik befällt. Dürfen die das ohne daß ich ähem wir? Gerade der teutonische Aufrechtgeher – selbst wenn sein Erbgut schon längst nicht mehr einbahnfrei in Richtung deutschtugendlicher Abstammung zu entschlüsseln ist – neigt zu einer gewissen Anfälligkeit diese Angst betreffend. (Nun gut, nur wer hat, viel hat, weiß was es heißt dies viele zu verlieren!) Paart sich jedoch diese Grundnervosität mit alemannischer Besserwisserei und daran gekoppelten Ordnungswahn, isch es subber schnell over mit dem Spaß. So geschehen vor einigen Jahren als die Apolegeten einer gnadenlosen Austeritätspolitik das Land der Griechen mit Massenarbeitslosigkeit, wirtschaftlichen Niedergang, radikalen Rentenkürzugen und einem absurden Neuwahlkarussel beglückten. Klar ist allen, daß im Seelensuchland Hellas viel Scheiße gebaut wurde, brauch man nicht den Zeigefinger auszufahren. Jedoch setzt sich bei den damals Handelnden langsam die Erkenntnis durch, daß brutale und – auf die Formulierung besteht Archibald Mahler – aufrechtgeherverachtende Sparmaßnahmen ein Land nicht wieder auf die Beine bringt, zumal ein sogenanntes Land weder die Regierung, der Etat und die Nationalbank sind, sondern die darin wohnenden Aufrechtgeher (siehe oben) und ihre Lieder, Erzählungen, Bücher, Kochrezepte und überlebten Katastrophen.

Dies nur als ein knapper Abriß der noch lange nicht zu Ende angerissenen, assoziierten und angeleckten Gedanken unserer zwei Reisenden, welche denen in ihre Köppe fielen, da sie sich umdrehten, um diese zerfallende Fabrik, die hoch über einem der Strände in Kardamili thronte, zu erblicken und zu besuchen.

„Budnikowski, mir gefällt das!“

„Wie, Mahler? Das ist doch kaputt! Und wir kommen nicht rein!“

„Wir sind unwissende Betrachter. Reicht doch!“

„Das sieht aber nicht toll aus!“

„Ochi, der Anblick ist schmerzvoll. Aber ich halte es für angebracht eine offene Wunde, die Dokumente des Niedergangs, hinterlassene Ruinen lange und ohne Eile zu betrachten. Das schamhafte aka aggressive Verhüllen und Leugnen bringt eh nichts!“

„Aber das hier ist keine Katastrophia neueren Datums, oder?“

„Eher nicht! Als Romantiker vermute ich „The Full Katastrophy“! Im Nachbarort lebte der Zorbas. Und der Nikos, der von ihm berichtete!“

„Aber spielt diese Geschichte nicht auf Kreta?“

„Dichterische Freiheit braucht keine Gründe!“

„Mahler, was haben die hier früher produziert? Fischkonserven? Olivenöl? Marmelade? Lammkoteletts?“

„Mein Gott Budnikowski, habe ich einen Hunger!“

Und eben als die Gedanken der zwei Herren vom Hehren hinab in den Ranzen rutschten, zog ein gewaltiges Gewitter auf. Ursprünglich hätte es sich in diesen Tagen eher in Schweden austoben sollen, aber so wirr wie die Aufrechtgeher dieser Tage über ihren Planeten und den angeschlossenen Rasen stolpern, whatever. Mahler lobte trotz grummelnden Ranzens das Dramatische des Anblicks, Budnikowski jedoch mopperte und forderte die Nähe eines TV – Apparats. Alte Gewohnheit. Teutonenbeine und Bälle. Und – zack – fiel der Strom aus.

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Fifty Ways to Leave Your Country / Ein Anfang

Freitag, 20. Juli 2018 15:17

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Yassu! Ti kanis? Kala?

Dieser Moment des Ankommens, genauer des Angekommenseins, jetzt, hier. Man – oder besser – es erinnert sich. Diese Erinnerungen, welche auf und unter der Haut, der Netzhaut, der Hauthaut, der Herzhaut schliefen, ruhten, gelegentlich rumorten. Zwischenlager. Das Licht. Die Farben. Meer. Steine. Oleander. Opuntien. Die Gerüche. Die salzhaltige Brise. Salbei. Erhitzte Steine. Tamarisken. Das Ankommen scheint hier leichtzufallen. Es ist, als ob die dieser Gegend innewohnende und – davon später – auch in den Hirnen der meisten Anwohner tief verankerte Gastfreundschaft und Freundlichkeit (Was kommt von was?) den Reisenden beim Betreten des hellenischen Bodens sanft die Hand auf die Schulter legt. „Yassu! Ti kanis? Kala? Iss gut. Steig von Deinem hohen Heimatross herab. Sei nur da! Setz Dich! Üzelchen?” Und es geht so schnell. Jedesmal und wieder!

Die zwei Reisenden erinnern sich davon wissend und bleiben nichtsdestotrotz erstaunt ob der Tatsache, daß man am heimischen Haderherd davon träumte, doch die Erinnerung stellt sich heraus als kein Hirngespinst. Tiefe Ruhe fällt herab wie ein kräftiger Regen. Man mag nicht sprechen. Schwafeln. Guck und Sieh und Ach und Nee und wie toll aber auch!

Kurz nur angemerkt: wie sind die Herren Mahler und Budnikowski angereist? Landweg? Seeweg? Luftweg? Gedankenpfade? Was geschah auf ihrer Reise? Beginnt sie erst hier und jetzt? Sollte man sich umdrehen, Rückschau? Sein lassen? Wohin geht es? Nach vorn, nach hinten, oben, unten? Oder verharren die zwei Herren hier am jenem Strand ein Kilometerchen westlich von Kardamili, gelegen auf dem mittleren Finger des Peloponnes, südlich von Kalamata, hinter den Bergen des Taygetos, jenseits von Sparta und Lakonien und versuchen den eben so wonnigen Augenblick als Ewigkeit auszuhalten? Dann dreht sich der Mahler, Bär vom ohne ihn auskommen müssenden Brandplatz, um. Weia! Man entkommt ihr nicht der Welt. Gut so! (Dies bemerkte Budnikowski, der lütte Has`)

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Von Fiesen Männern ohne Bällchen + isch over

Mittwoch, 4. Juli 2018 15:18

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Wie nun gestern einige leitende Damen und Herren Angestellte dieses Landes – man mußte es leider so erwarten – beschlossen hatten den Mülleimer, welcher im wesentlichen sie zum Inhalt hat, nicht zu entleeren, sondern es sich wohldotiert und alternativlos darinnen weiterhin einzurichten und eventuelle Eindringlinge in Transitzentren oder in Watuniki einzulagern, legten sich die Pfoten des lieben Kuno von und zu Budnikowski, der für kurze Zeit in seine wichtigste Nebenpersönlichkeit der Welt aka Lütten Stan zurückgekehrt war, auf die Tastatur, als ihn mit elementarer Wucht Krämpfe, Würgereize, Bauchgrimmen und unter Flüchen und Tränen herausgeschleudertes Bereuen anfielen. Wie konnte er nur der Versuchung unterliegen in der Hochzeit germanisch zelebrierter Lächerlichkeit in den Pool eitler Selbstbespiegelung und Gescheithuberei zu springen und der Unzahl zeittötender Flatulenzen seine eigenen unmaßgeblichen Winde beizusteuern? Und da – singen wir das Lied der Freundschaft – spürte er den deftigen Hieb der Mahler’schen Pranke im zarten Kreuz.

„Freund Kuno, wenn ich heute so formlos Ihro Kummrigkeit ansprechen darf. Ihr Hadern und Wüten ist der edelsten Stimmung des Denkenden geschuldet, der enttäuschten Liebe. Seien Sie nachsichtig mit sich und all den anderen Hysterikern im Land der rudernden Arme.“

(Der Hase versucht zu antworten, man vernimmt lediglich Schniefen, Stammeln, Lallen, Flüche, namensfetzenhaltige Verwünschungen bis in die dritte Halbzeit hinein, Stöhnen, aber auch befreites Kichern. Und ein Lied. Dieses oder Jenes? Also schiebt Mahler den Häretiker der rollenden Kugeln zur Seite und übernimmt die Tastatur. Offensichtlich reimt der Bär.)


Die Pattexe

Oder

Ich lasse mich nicht von Einem entlassen, der nur wegen mir Einer ischt


Kleb Kleb nicht mehr Streb

Heb Heb nicht den Arsch

Fett Fett weiter Marsch

Rechts Recht immer ham’

Smile Smile ich bin geil

Grins Grins in die Lins’

Oben Oben weil ich bin’s

Ruder Ruder ohne Ruh’

Kratz Kratz Spiegeleier

Nix Nix koi Idee

Weia Weia Schwarzer Schnee

Feig Teich Helmut Kohl

ForeVer?

NeVer!

Lächerlich

(Und dann nimmt auch der Bär, vom tiefen inneren Erschrecken ob seiner vom ihm selbst verursachten Lächerlichkeit gepeinigt, die Tasten von der Tatzatur. Doch Rettung naht im Sauseschritt herbei. Der Ehrenwerte Musentempler Ernst Albert und die strahlende Eva Pelagia fordern die beiden Grübilanten auf mit ihnen in jenes Land zu reisen, welches leitende Damen und Herren aus dem Lande der Großkotze vor einigen Jahren im Mülleimer der Geschichte versenken wollten. Es ist ihnen fast gelungen. Fast! Aber nix isch over! Auf nach Hellas! Unten ein kleiner Blick voraus.)


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Thema: Hömma, wat ich grad am Denken bin | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth