No, no, no: it ain` me, babe / part one this is
Montag, 22. Dezember 2014 19:37
Und als Mahler diese Taste drückte, drücken wollte, diese Taste, welche die Photographie in die Wolken schießt, sie dort oben zerlegt in die Einzelteile all ihrer Punkte, später sie wiederum nieder regnen läßt, um das Ganze kurz vor dem Aufprall wieder zum Ganzen zu fügen, da sagte er sich: „Das bin doch ich!“ und jenes sprach er, obwohl er genau wußte, daß der da abgebildete Bär nicht Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz ist, jener Bär eben, der auf einem Foto, welches der ehrenwerte Herr Ernst Albert aus dem Heckerland jüngst mitgebracht hatte, dort auf einem Regal im Empfangsbereich einer Arztpraxis am Fuße des Seebuck, der einen wesentlichen Teil des Feldbergs darstellt, sitzt und den herein humpelnden Hilfebedürftigen mit gewohnt mahlerscher Freundlichkeit entgegenblickt. „Nein, nein, nein! Das bin ich nicht!“
Die wunderbare Dame Pelagia hat den abgebildeten Bären zuerst erspäht, als sie den gekrümmten Ernst Albert zwecks Einrenkung verschobener und verhakter Knochenteile in die Praxis zu Füßen des Feldbergs begleitet hatte. Draußen fiel der Regen eimerweise, Nebel finsterte und fraß nebenbei alle Konturen auf und der behandelnde Onkel Doktor stammte aus Thüringen, hatte studiert zu Marburg und seine Schwester – Ärztin desgleichen – praktizierte in der Kleinen Häßlichen Stadt in Mittelhessen. Dies sei anekdotisch nur am Rande bemerkt. Reise durch die Lande und komme an zu Hause. Nein, das ist kein Zitat von Goethe.
Doch die Erkenntnis nun: Mahler war fortan – Tatze schwebend über Tastatur – nicht mehr der EINZIGE. The Master of Alleinstellungsmerkmal died tonite. Erkenntnis: Da draußen atmet mehr, als er je zu ahnen gewagt hätte. Niemals nie hätte Mahler auch nur einen Gedanken daran verschwendet Glied einer Kette, Teil einer Kollektion, Ergebnis einer Produktion, Kopie seiner selbst zu sein. Die Frage aber deshalb: Wo ist das Nest? Wo schnurrt das Fließband? Wo zucken die Nadeln der Nähmaschine? Sonneberg? Ahnungen sträuben das Fell. Zwar hatte Mahler – damals als er begonnen hatte seine bescheidenen und unbescheidenen Gedanken in der Wolke namens ‚Jeder darf gucken!’ zu plazieren – darüber nachgedacht, woher er als der Bär vom Brandplatz inklusive abbes Bein denn nun stamme. Aber sich selbst betrachten und das nicht in einem Spiegel, sondern als Doppelung seiner selbst? Weia!
Mahlers Brust hob und senkte sich in stupender Aufregung. Dies hier war ein Problem – so schwante es dem Bärenkopp – welches nicht in wohlfeil selbst beatmeter Einsamkeit zu lösen war. Hier bedurfte es eines Gesprächs. Eines Partners.
„Herr Budnikowski? Hätten Sie mal Zeit für mich!“
Ein Bär bittet um Hilfe. Das möge man sich mal merken, falls mal und so.
Thema: Archibalds Geschichte, jetzt mal 2014 | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth