Mit den Augen des befreundeten Fremd / Zwei

fenster2

Mahler beginnt zu zweifeln. Budnikowski schaut und sacht nüscht. Schaut der dann überhaupt? Hömma, dat iss ebend dat Problem. Budnikowski schaut hin und her und schaut und findet und verwirft und ist gewissenhaft und schaut. Wer sagt, daß man Mitteilung machen muß, wenn man schaut? Mahler täte aber gerne was wissen wollen und ob hinter seinem Rücken Welt noch stattfindet ist ihm durchaus von Interesse. Hömma, dat iss ebend dat Problem. Die Welt tut dat nich mal mitkriegen tun mit des Mahlers sein haarigen Rückenteil und dat mit die ganze Versuchsanordnung am hessischen Fensterbrett. Das ist dem Mahler vollkommen klar, aber der Unruhe, welche im Bären steppt, offensichtlich nicht. Der Stolz nun, welcher auch in Mahler ruht und sich dort mit manchem moralischen Axiom das durchwühlte Lager teilt, lässt ungeduldige Nachfrage nicht zu. Was tun? Zu spät jedoch die falsche Bescheidenheit des Mahler, denn Budnikowski spürt trotz aller eigner Aufgeregtheit und angespannter Pflichtbewußtheit der neuen Aufgabe gegenüber, wie hinter seinem Rücken ein Bärenkosmos unruhig vibriert. Ein erster Satz mag sich so bilden, dann formen im Bereich der Sprechmuskulatur. Doch er wird noch gebremst von Onkel Kleinhirn und anderen Prinzipienreitern. Spürt Budnikowski da, nachschmeckend noch was ihm eben fast auf der Zunge gelegen wäre, einen Bärenellenbogen in den dürren Rippen? Der sinnende Hase räuspert sich, spannt Gaumensegel und Zungenboden, sucht nach neuen Textbausteinen, um seiner Empörung angesichts unangemessener Ungeduld und egomaner Drängelei Ausdruck zu verleihen, als er einen tiefen Bärenseufzer vernimmt und – zeitgleich fast – ein hingehauchter Bärensatz seine Löffel vibrieren lässt.

„Budnikowski? Ist das abbe Bein noch da?“

„Mahler! Das abbe Bein ist immer da!“

„Ich meinte, liegt das abbe Bein noch auf der Straße? Vor Ihrem wachen Aug’?“

„Das kann ich nicht sehen!“

„Ja schauen Sie denn nicht?“

„Ob das abbe Bein jetzt da liegt oder nicht, es ist immer da! Das sehe ich.“

„Das können Sie sehen?“

„Das ist der Vorteil des Fremd!“

„Das verstehe ich nicht.“

„Mahler! Auch wenn Ihr abbes Bein an Ihnen dran ist, liegt es da unten rum. Selbst wenn es da nicht rumliegt. Sie haben mich gebeten für Sie zu schauen und also sehe ich nur abbes Bein!“

„Habe ich immer nur abbes Bein gesehen, als ich schaute?“

„Geht gar nicht anders. So ist die Welt!“

„Sie sagen, mein abbes Bein ist die Welt, die mein?“

„Oft ist das so!“

„Budnikowski? Könnten Sie für mich das abbe Bein wegschauen?“

„Kaum! Ich könnte versuchen daran vorbei zu blicken.“

„Und das abbe Bein links liegen lassen?“

„Oder rechts!“

„Wollen Sie das mal versuchen!“

„Gerne. Und jetzt bitte Ruhe im Bärenfell! Hören Sie?

(Fortsetzung folgt)

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Dienstag, 12. Mai 2015 19:56
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