Tales and tellings between lechts und rinks / four
Dienstag, 19. September 2017 17:45
chapter four: the wind cries gimme me shelter
Zuerst war da kein Sommer, später kam auch noch der Herbst dazu. Ein wütiger (oder spielte er nur?) Nordwest jagte die Klippen vor Morwenstow auf und ab, verbiß sich in den Kanten, fraß Geröll, Sand, entwurzelte Gräser, verwelkte Blumen und geknicktes Gestrüpp und spuckte das ganze Zeugs hinunter auf den schmalen, meist gefluteten Strand. Die unwirtlich tanzende Luft sang und pfiff in höchsten Tönen und wilde Crescendi trafen auf aufgestellte Lauscher. Kein Geländer streckte sich dem rudernden Arm des Wanderers entgegen, unter seinem unsicheren Tritt schoß der Regen über die in die Klippen getretenen oder gehauenen Stufen und sobald der flachatmende Blick sich vom dunstigen Horizont löste und mutig gen Tiefe strieff, trat ihn unerbittlicher Schwindel in die Magengrube.
Sir Tedding und Duke Rabbit hatten Zuflucht gesucht hinter dem schützenden Rücken der Pfarrkirche von Morwenstow. Der Regen hatte aufgehört und der Unermüdliche wurde vom Dach des Gotteshauses über die Köpfe der Gefährten ins Inland gelenkt. Kein Grund den Weltuntergang zu beschwören, gewiß, vor allem angesichts der Jagden die unerbittliche Windhosen zur Zeit in anderen Gegenden feiern, aber gestatten wir den Reisenden ob ihrer Größe und Ungeschützheit ein gewisses Maß an Übervorsichtigkeiten. Aber kaum da den Zweien ein Gefühl des Davongekommenseins über den durchpusteten Pelz glitt, griff neuer Schreck nach den bummernden Herzen. OH! Sehet nur diesen Totenacker.
„Mahler, mir ist flau!“
„Weia! Budnikowski, ich fürchte wir sind hier nicht alleine!“
„Gespenster?“
„Na ja! Wanderseelen. Ewiges Strandgut! Klippenhänger! Seelenfänger!“
„Denke mir, daß mancher Segler da unten gegen die Küste donnerte und die Balken sich bogen und der Rumpf zerknirschte!“
„Bei diesem Wind- und Wellengewüte kein Wunder. Da liegt wohl einiges rum noch auf dem Meeresgrund!“
„Meinen Sie, da gibt es was zu holen? Ich meine, wir sind nun schon länger unterwegs und irgendwann müssen auch Einnahmen an Land gekarrt werden.“
„Duke Rabbit, der einäugige Strandpirat?“
„Schlag ein, Old Buckinghamshire!“
„Klappen Sie Ihre imaginäre Augenklappe hoch, mein teurer Gefährte!“
„Bär und Kupferstecher, da geht noch was! Wer sucht, der findet, auch wenn es windet! Bei allen gottverlassenen Klabautermännern!“
Und kaum war dies letzte Wort in den Wind gefallen, hob da an ein Gemurmel, Gewisper, Geächze und Gestöhne zwischen den verwitterten Grabsteinen, daß Mark und Bein sich am liebsten in die nächste wärmende Brühe gestürzt hätten. Selten hat man zwei behaarte Agnostiker, schlotternd vor gewaltiger Kälte, so geschwind das Innere einer Kirche aufsuchen sehen. OH! Betäubende Schwaden.
Thema: Tales and Tellings | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth