Anleihen. Ansinnen. Anleid(t)ungen. Vierzehn.
„Indem ich Ihnen Nein sage, sage ich Ja zu mir!“
Es fährt ein Zug ins Irgendwo. Und: Es gibt keine Ablichtungen der zwei Reisenden heute. Dies hat nichts mit plötzlich aufgetauchter Kamerascheu der Beiden zu tun. Wir wissen schlichtweg nicht, wo sich die zwei Reisenden momentan befinden. Nachfragen bei Einheimischen bezüglich des gegenwärtigen Aufenthaltsort der zwei Reisenden hatten ergeben, daß die Gefährten nach Erklettern der Plattform eines der Inselbahnwaggons offensichtlich in einen heftigen Streit geraten waren. Einer der zwei Reisenden, vermutlich der Bär namens Mahler, stand der Sinn nach Bleiben, Budnikowski, wie wir den Hasen heißen, zog und zerrte Richtung eines Aufbruchs, wobei dieses auch nicht einfach so hier stehenbleiben kann in behaupteter Eindeutigkeit, ist Herr Mahler doch vom Glücke beseelt endlich die Bahn gefunden zu haben und eben deren Geleise führen geradewegs zum Hafenbahnhof der Insel und dort am Kai wartet das Postschiff auf ein Signal zur Abfahrt Richtung Festland, ein Signal vom Hasen namens Budnikowski herbeigesehnt wie ein nächstes Osterfest ohne Frost auf den Eiern, auch wenn dieser Vergleich hinkt wie er selbst, unser Hase, welcher beim gehetzten Sprung auf die Plattform des hintersten, also letzten, bei der Rückfahrt jedoch ersten, Inselbahnwaggon sich das Knie verdrehte hatte und deshalb vor dem Inselhafen lieber den Inselarzt zu Gesicht bekommen hätte, damit dieser die einem Hasenherz innewohnenden Zweifel und Ängste hinsichtlich langwieriger Verletzungsauswirkungen zerstreuen möge, was wiederum den Bären aber in eine für diesen eher untypische Weißglut versetzte und so dem Hasen ein entnervendes Hin und Her vorwarf, ihn gar der Herumlaviererei zieh, nicht gerade von systematischer Machart, aber doch von chronischer Natur, was der Hase mit einem zornesroten „Und das aus Ihrem den Zweifel huldigenden Mund, Sie Heuchler!“ konterte. In der Folge flogen, wie vereinzelte Augen – und Ohrenzeugen es vermeldeten, zwischen den zwei Reisenden doch recht scharfe Pfeile der Entrüstung und gegenseitigen Beschuldigung hin und her. Auffallend bei der Wortwahl war, daß einiges aus Büchern und Artikeln zitiert schien, aus jenen Schriften eben, die man in den letzten Tagen und Wochen noch in trauter Austauschstimmung belesen, teils gar verschlungen hatte. Ein kenntnisreicher Beobachter wähnte sich in einem Musentempel in jene Tage kurz vor oder nach der Premiere versetzt, wenn – Laß die Hände des Auditorium schweigen, laß sie rasen! – aus enttäuschten Erwartungen Messer wachsen und sich mit den fiesen Säbeln der Gottergebenen und Zyniker funkenschlagende Duelle liefern. Also zitieren wir im folgenden frei nach nicht eindeutig verifizierbaren Berichten der einheimischen Lauscher und Späher, übernehmen aber keine Garantie für eine korrekte Zuordnung der Zitate. Welcher der zwei Reisenden dem anderen Reisenden was an den entflammten Kopf warf entzieht sich unserer Kenntnis und offen gesagt ist uns dies auch in Zeiten genereller Geschwätzigkeit nicht wichtig.
„Wenn man seine Wurzeln nicht losläßt, kommt man nie vom Fleck!“
„Haltloses Geseier! So versaubeutelt man lediglich seine eh schon verheerende Co2 – Bilanz! Bleibe zu Hause und wehre Dich redlich!“
„Ja, die liebe ich ganz besonders, die da auf ihren Hügeln sitzen und geifernd in Ebenen glotzen, wo die Schlachten geschlagen werden, den vom Sitzen wunden Arsch in ihren, die Welt draußen nicht einen Cent interessierenden, Anekdötchen und Fotoalben badend!“
„Spiegelfechter! Was Sie täglich an Geistesvermögen aus dem Fenster in Ihrem Kopf auf die Welt werfen, vermüllt mir das letzte Stück verbliebenen Seelenfriedensstrandabschnitt, mein Herr!“
„Hah! Andere im Gegenzug öffnen das Fenster lediglich um ihre verschnarchte Nachtluft in den Äther zu furzen! Ließe ich mein Kopffenster geschlossen, die wenig später erfolgende Detonation, Sie mögen dies nicht erleben auf Ihrem ewigen Sofa!“
„Ich bin kurz davor Sie zu bezichtigen an der Stelle Ihres Herzens scheppert ein Mülleimer!“
„Selbst wenn dies der Wahrheit entspräche, sie werden mich niemals Chips kauend am Ufer eines Eilands sitzen sehen!“
„Ihre Heimatverleugnung schreit zum Himmel! Beklagen Sie sich nicht über Nachtfröste und Eiszapfen an Ihrer Nase, Sie fliegender Holländer!“
„Ihr Heimatgefurze ist nichts anders als tiefsitzende Lieblosigkeit gegenüber der Welt, ein billiges Tattoo, ein Etikett auf einer Flasche Weisheitstropfen aus dem Schwätzerdiscount!!“
„Indem ich Ihnen NEIN sage, sage ich JA zu mir!“
Die Reste des uns übergebenen Protokolls, um genau zu sein die Überreste eines Gedächtnisprotokolls, weisen zu große Lücken, Rechtschreibfehler, Kritzeleien, verschmierte Korrekturen und dergleichen mehr auf, daß wir dies hier nicht öffentlich machen wollen, wobei uns nicht vollkommen klar ist, ob der Protokollant sich große Teile des oben Veröffentlichen nicht aus seinen offenbar belesenen, von Druckerschwärze starrenden Fingern gezogen hat und wem die Lektüre des Obigen nützen mag außer dem gefallsüchtigen Ego des anonymen Protokollanten – war es die Hafenpolizei, ein zufällig Vorbeiradelnder, ein ominöser DRITTER Reisender, eine Drohne oder ein Lachmöwe? – es sei dahingestellt. Gewiß ist, man beschloß die zwei Reisenden in getrennten Postboxen von der Insel reisen zu lassen.
Mögen die Götter der Reisenden ihre Flügel und unzähligen Arme schützend über die zwei Gefährten halten! Von ihren neuen Zielen ist uns jedoch nichts bekannt.
(text / fotos: christian lugerth)