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Samstag, 19. September 2020 10:53
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Vom Wachturm und der Hinabschau
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Manchmal sei der Rückblick auch eine Hinabschau, denn Erinnerung ohne Abgrund sei Boulevard, aber keine Geschichte, sagte der Ehrenwerte Ernst Albert, als er mit mir in einem Lokal saß, in dem er schon unzählige Male seit frühester Jugend gesessen war, dort viel erlebt hatte in all den Jahren und bei jeder Heimatvisite dort ein bißchen rituell einkehrte und gerne zurück, aber auch hinab blickt. Das Lokal ist spanisch, hat seit Jahrzehnten die unveränderte Speisekarte, teurer nur halt, aber immer noch genauso olivenöltriefend wie einst. Inzwischen kocht und bedient die Enkelgeneration, aber der alte Chef und einige Wegefährten arbeiten immer noch dort, obwohl sie längst in Rente sein könnten. Aber ohne ihr Kind, das Lokal mit der spanischen Sonne im Namen, wären sie wohl schon längst unter der Erde. Und weil gestern vor 50 Jahren der größte aller Musiker der elektrisch lauten Musik gestorben war, erzählte der Ehrenwerte Ernst Albert von einem anderen Lokal, auch mit der Sonne im Namen, aber in Deutsch, wo er sich früher oft mit seinem alten Freund, den er dieser Tage nach vielen Jahren wieder getroffen hatte, zum Nachmittagsgetränk verabredete. Und in dieser alten, etwas ranzigen Kaschemme stand in der Ecke eine Jukebox und der Freund drückte dort jedes Mal das eine Lied, das der Unvergleichliche sich von dem Meister Robert Zimmermann, den ich ja inzwischen gut kenne, ausgeliehen hat und auf seine unnachahmliche Weise zu einem eigenen gemacht hat. Und der Freund drückte das Lied bis zu fünfmal hintereinander. Und alle haben es gerne gehört. Sogar die jugoslawischen Kellner. Hier ist es und alle sollten es fünfmal hintereinander hören. Sagt der Ehrenwerte Ernst Albert. Und dann würden wir an einem Ort fahren, der nicht einfach wäre. Das aber nach den fünf Liedern, die ein Lied sind.
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Thema: Klebebilder | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth