Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 15
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Man sollte es versuchen. Egal was. Man sollte einem Versuch eine Chance geben. Wer seinen Pöter an Faulheit kettet und Rechthaberei noch dazu, ist ein mutloser Aufrechtgeher. Darüber sprachen die Herren Archibald Mahler und Kuno von und zu Budnikowski in der gemütlichen Küche, während draußen vor dem Fenster die kleine immer häßlicher – nicht nur optisch, auch innerlich – werdende Stadt in Mittelhessen hyperventilierte. Dann wird die Umgebung verreimt. Zwei Hirne versuchen eines zu werden. Geht nur über den Verzicht. Nicht über ein Gericht.
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Es fuhr mal mit der Straßenbahn eine kleine Meise
Nach Hoyerswerda wollt sie nicht
Da war sie schon gewesen
Das schwört sie Stein auf Bein
Doch als der Wecker bimmelte
Und Rosenduft sie weckte
Der frisch aus Minz‘ gebrühte Tee
Ihr ganz besonders schmeckte
Griff sie zu ihrer Lesebrille
Warte Leser warte
Las diese alte Karte
Pickte in eine Birne
Nun Mahler bitte Hirne
Wie kommen in den Reim Tomaten
Ganz ohne die Moral
Und wieviel Striche auf dem Deckel
Du Budnikowski zahl
Es kippt das Wasser auf die Decke
Nach dem Unmöglichen Du strecke Dich
Sonst Ruhe auf dem Küchentisch
Und Frieden
Hienieden
Oh Aufrechtgeher
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Und dann beschlossen die zwei Gefährten, da morgen schon wieder ein September, ihren vom Ehrenwerten Herrn Ernst Albert überreichten Auftrag nun zu beenden. Soll der doch wieder. Wenn die Blätter bunt sich färben, würden sie wieder zurückkehren in den Ring. So ward es beschlossen. Und wenn Mahler und Budnikowski etwas beschließen, dann tun sie das auch und verbleiben bis denne!
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 14
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Bären sind gelegentlich zwar mit die Hellsten, aber nicht die Schnellsten. Und wer den Bären drängelt, krieg schnell eine gedengelt. Wenn’s auch nur verbal geschieht. Dem Hasen vor Ort aber läßt der Bär so einiges durchgehen. Tiefe Zuneigung eben. Kann man sich seinen Reim drauf machen. Versify like Mahler.
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Wem der Verstand was schlichter
In Nürnberg nahm man einst den Trichter
Und pimpte auf das Denkorgan
Am besten wirke sagte man
Ein Sud aus Ingwer Knoblauch Bohnenkern
Auch Chilischoten nahm man gern
Was unbedingt hinein noch müsse
Thymianzweig und Nüsse
Das dann drei Monde ziehen lassen
Und so der Dummheit eins verpassen
Wenn’s wirkt tut es nicht schaden
Man kann darin auch baden
Doch bleib vor allem lebensfroh
Man kann es machen so und so
Ich schon immer bin gewesen
Dürfen Sie nun lesen
Für ein entschieden lautes
Mach es so
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Der Hase muß lachen. Morgen werden die Reime zusammengerührt.
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 13
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Hasen sind schnell. Gelegentlich auch mal allzu flott. Bären machen Andeutungen. Wollen aber diese Andeutungen nichts allzu ernst und so gemeint haben müssen. Hä? Man hat es nicht im Griff. Also sitzt der Budnikowski in den wärmeren Innenräumen und macht sich so seine Gedanken. Ungereimt? Auf keinen Fall.
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Rose her und etwas Minze
Wenn es kalt wird
Liebe auch und
Grinse
Schmeiß Tomaten in den Sugo
Eine Birne in den Hugo
Sei ein Wasser tief und still
Stopf die Pfeife rauche Dill
Dann kann der Winter
Lieder singen
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Der Bär denkt nach bis morgen. Und so.
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 12
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„Demnach naht der Herbst, Herr Mahler?“
„Wie kommen Sie darauf, Budnikowski?“
„Nun, Sie suchen eine Baumhölle auf. Etliche Ihrer Mitpetze überwintern in solchen Höllen!“
„Ach Freund, war wohl nur ein Reflex von Kopp und Rest, da Temp’raturen in die Knie geknickt.“
„Nochmal zurück zu unserer Faulheit?“
„Weia!“
„Tja!“
„Ich weiß! Morgen hat der Geheimrat Geburtstag!“
„Also fangen Sie an!“
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Niedergangen ist die Sonne,
Doch im Westen glänzt es immer;
Wissen möcht ich wohl, wie lange
Dauert noch der goldne Schimmer?
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„Das, werter Bär, ist doch entlehnt!“
„Nein, es ist sogar Buchstab‘ für Buchstab‘ geklaut!“
„Wenigstens ehrlich!“
„Stets!“
„Das kann ich auch! Den Geheimrat beklauen!“
„Obwohl Sie keine solchen haben?“
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Du kleiner Schelm du!
Daß ich mir bewußt sei,
Darauf kommt es überall an.
Und so erfreu ich mich
Auch deiner Gegenwart,
Du Allerliebster,
Obgleich betrunken.
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„Der Geheimrat kann es schon mal auch im Kleinen! Oder?“
„Man darf weiter von ihm lernen! Sagen Sie doch immer, werter Mahler!“
„Wissen Sie noch?“
„Gewiß!“
„Freundschaft!“
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 11
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„Mensch Mahler! Faul sind wird schon dieser Tage!“
„Budnikowski! Der Sommer kann müde machen!“
„Freuen Sie sich auf den Herbst?“
„Der Herbst als durchgängige Jahreszeit wäre mir eine Freude!“
„Temperaturobergrenze?“
„Sagen wir 24 Grad mit leichter Abweichung nach oben. Im Bereich der Zehntel!“
„Korinthenkacker!“
„So wuchs ich auf, mein Freund!“
„Ähem! Mahler? Bevor ich nervös werde: Hat man auf uns geschossen?“
„Und wenn?“
„Da wiederum haben Sie recht. Die Ohren in den Wind!“
„Und auch den Pöter ausrichten in Sachen Antwort!!“
„Naturalamente heute Ihr Lied!“
„Gerne!“
„Blödes Lied! Man jammert rum!“
„Muß man durch!“
„Schönes Lied also?“
„Schon!“
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 10
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„Bunt ist wieder!“
„Und Sonne dabei!“
„Hatte man uns vermisst?“
„Wer?“
„Gelegentlich vermisse ich mich selber!“
„Geht mir nicht so viel anders!“
„Was vermissen Sie an sich selbst?“
„Wenn ich das wüsste!“
„Hier jedoch ist angenehm!“
„Da pflichte ich bei!“
„Wer hat denn nun eigentlich was gesagt?“
„Ist dies nicht gänzlich ohne Bedeutung?“
„Aber hier ist gut!“
„Ich jedenfalls fühle mich an diesen Orte sehr wohl!“
„Nun denn bis morgen!“
„Gibt es auch Gartenlieder?“
„Gewiß!“
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 09
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„Herr Mahler! Wo sind wir?“
„Wir sind nicht! Wir waren, bester Budnikowski!“
„Sind wir schon länger nicht das, was wir eh nie waren?“
„Solange wir aus einem in sich selbst verlorenen Leben keine müden Legenden stricken, können wir auch mal gewesen sein! Sogar heute!“
„Auch wenn es regnet?“
„Zurück zu Ihrer Frage, Freund! Erinnern Sie sich?“
„Ja. Wir haben zugesehen, wie etwas zurückgebaut wurde!“
„Nennen wir es beim Namen. Dieses Das wurde abgerissen!“
„Und es war ziemlich laut. Und staubig! Und wir hatten Schiß!“
„Sprechen Sie, Budnikowski und Löffeldenker vom klein gedachten Wir oder vom groß in die Welt verlautbartem Wir?“
„Sie meinen bestimmt das oft anmaßende IchVermeidungsWir?“
„Danke für die Wortschöpfung!“
„Mahler, meinen Sie das kann man, falls es gelesen wird, verstehen?“
„Na ja! Am lautesten brüllt heutzutage der Narziß ein Wir in den Tümpel!“
„Das schlägt aber Wellen ins Spiegelbild!“
„Eben! Dann muß er sich nicht ins Angesicht schauen!“
„Wer reimt?“
„Schnick Schnack Schnuck!“
„Mist!“
„Tja!“
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Obwohl den Vogel in der Hand
Der nicht einmal ein Spatz
Fällt manche Taub‘ zu schnell vom Dach
Sie fühlte sich verkannt
Ein Traum der stand am Strassenrand
Den Daumen steil im Wind
Er endete in den Regalen
Die kostenfrei doch ich muss zahlen
Mit den paar Münzen
Die mir übrig sind
Das letzte Heft in das ich schmier
Ich schenk es Dir
Wirf’s weg
Doch morgen nicht und auch nicht später
Vor der Zeit
Träume sind Verräter
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„Und wer hat’s gereimt?“
„Tja? Wer hat’s gereimt?“
„Ich hätte auch noch einen!“
„Her damit!“
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Wer nie in dunklen Kaschemmen saß
Soll nicht vom Tresen reimen
Gruß an die Genossen
Auf den hohen Rossen
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„Und wer hat’s gereimt?“
„Tja? Wer hat’s gereimt?“
„Ich hätte auch noch einen!“
„Schnauze!“
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 08
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Nein, das sind keine Hunde und Katzen, die es heute regnet, dies wären eher Schlachtrösser und Nilpferde, welche vom dauergetrübten Himmel prasseln. Budnikowski hat sich in die Küche zurückgezogen. Der Herd, eben noch der Töpfe und Pfannen voll, strahlt Restwärme in den Raum. Angenehm. So sinnt der Hase nach einer Antwort auf des Bären gestriges Gereime. Wohlan nun, die Stifte wären angerichtet … ähem … gespitzt. Die Löffel auch.
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In den Küchen der Hasen
Muß man erst blasen
Bevor man den Löffel zum Munde führt
In den Küchen der Hasen
Wird siedend gekocht
Man besser erst rührt
Bevor schmerzend glüht
Die Lippe und dann ein Bereuen
Jedoch sollte man sich nicht scheuen
Nach neuen
Gerichten
Und nicht verzichtend auf Risiken
Zu suchen auch gern unter Fluchen
Erst wenn der Teller leergenagt
Das Herzeken nicht komplett verzagt
Reinigt man sein Geschirre
Sonst wird man doch irre
Sagte einst eine weise Frau
Genau
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Mal sehen, wann Bär und Hase sich wieder Gute Nacht sagen. Draußen. Man bemunkelt eine Rückkehr des Sommers in ein paar Tagen. Heat it up.
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 07
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Heute ist der Mahler und Bär alleine in seiner Nachdenklichkeit. Der Hinterhof findet ihn nicht als Besucher. Er ist heute ein Besucher seiner selbst und stromert durch die Hinterhöfe seines Denkapparats. Der Aufrechtgeher nennt das den Okzipitallappen. Dort werden unter anderem visuelle Reize verwurstet und länger aufgeschobene Antworten auf drängende Fragen durchforstet. Wie sagte und fragte doch unlängst Budnikowski? „Aha! Da hat der Prediger in Ihnen wieder zugeschlagen. Gibt es eigentlich auch eine Kirche der Bären?“ Da sollte man drauf antworten. Als höflicher Bär, der man gelegentlich auch ist.
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In der Kirche des Bären
Darf sich jeder beschweren
Nur nicht Meister Petz
In der Kirche des Bären
Können alle mal kehren
Den eigenen Teppich
Auf Vordermann
In der Kirche des Bären
Schweifen die Blicke
Hastig nicht
Über trübe Gewässer
Erregt
In der Kirche des Bären
Weiß keiner es besser
In der Kirche des Bären
Dünne Bretter man sägt
Und dies mag Jahre dauern
Oder zehnmal mehr
In der Kirche des Bären
Ist das Leichte so schwer
In der Kirche des Bären
Übt man die Lippen
Zu schürzen
Und abzukürzen
So manches und nicht zu scharf zu würzen
In der Kirche des Bären
Schläft ein Malheur
Auch mal durch bis nächste Woche
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Nun denn. Bis bald.
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Hinterm Hof ist Reimen vor Ort / 06
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„Budnikowski! Jetzt sitzen wir drinnen, obwohl wir draußen sein wollten!“
„Hömma hier, Bär, dat sind wir doch!“
„Wie bitte? Draußen eimert der Himmel ohn‘ Unterlaß. Was sollen wir da draußen?“
„Weil wir et sind, Sie Heiopei ohne Ahnungen!“
„Ach! Verstehe! Pöhlerei!“
„So isset! Heute iss die Höhepunktung vonne Emazipation erreicht worden. Die Damen der Kugel können auch dat Prinzip ‚Gimmich die Koretzka‘ inne Realität umformen. Woll!“
„Sie werden es mir erklären, Herr Lütten Stan!“
„Ich tät dat lieber bereimen tun!“
„Wohlan!“
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Es stehen im Kreise der eig’nen Hymnen
Auf glorreiche Zukunft
Germanen
Man darf ahnen wo die Landung
Auf dem eig’nen Hinterteil
Schwarz – weiß
Nee wat war’n WIR da noch geil
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„Herr Lütten Stan, Ihre Lästerzunge ist mir zu schlürfendes Badewasser!“
„So vernehme ich zwischen Ihren Lettern ein ABER?“
„Gewißlich. Das WIR war mir fremd schon immer, da ich nicht mal weiß, wer ich denn war. Einstens.“
„Reimt sich das auch?“
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Jamaika und Südafrika
Die waren auch schon gestern da
Japan sowie Südkorea
Die fernste Welt rückt nah und näha
Germanen züchteten Gartenzwerge
Die And’ren schaufeln neue Berge
Doch heulen können
WIR
Ein Wort das mir so fremd
Wie jedem Bär ein Hemd
Alaaf Helau und Ho Narro
Wer gern verliert
Bleibt länger froh
Frage Herrn Tur Tur
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„Sind Sie jetzt ein Sarkastiker geworden?“
„Niemals! Noch nicht mal ein Zyniküsser!“
„Was dann?“
„Gedanken ein und ausatmender Pelzphilosoph und Märchenerzähler!“
„Mit! Bevor ich es vergesse. Mein Lieblingszitat heute vonne Kommentatarin: ‘Das Ausscheiden können wir uns inzwischen an fünf Fingern ausmalen!’ Lingua germanica di televisione fantastico! Uff und Weia!”
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