Archibald schaut Welt


POST AUS LITAUEN / FLASCHENPOST
12. November 2011, 11:23
Filed under: Draußen vor der Tür

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Lieber Herr Mahler!

Das glauben Sie nicht, wie schnell der Ostwind so ein Binnenmeer in höchste Konfusion versetzen kann. Da war nur noch Wasser. Oben, unten und mir war, als wäre da gar kein Platz mehr für Atemluft. Ich bin mit einem kleinen Boot rüber zum Memeldelta, als es begann zu regnen. Und zu stürmen. Das alte Boot rutschte über die Wellen wie eine Flaschenpost, aber der Kapitän hielt Kurs. Sie wissen von meiner Aversion gegen alle Arten des Wassersports. Dann kamen wir an, in einem kleinen Ort namens Minge, mitten im weitläufigen Delta der Memel. Und hier stand die Zeit nicht still, hier hatte man sie offenbar zurückgedreht. Kanäle, ein paar Feldwege, alte, windschiefe Häuslein, ein paar Boote, Gänse, Kühe, Störche und Nichts. Ich lief ein wenig durch den Regen. Ich hatte das Gefühl zwischen mir und den Wassern um mich herum lösen sich die Grenzen auf. Ich wurde H2O. Gefiel mir. Dann stand da dieser alte Wagen. Die Tür war offen. Ein guter Platz, die mitgebrachten Karotten zu benagen. Und ein Lebenswässerchen nach Art des Landes zu genießen. I sveikata! Jetzt fröstelt mir. Denke das erste Mal über eine Rückkehr nach Hause nach. Funktionieren die Heizungen in Mittelhessen?

Herzlichst Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski

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VON DER SCHWINGENDEN SULTANINE UND DEM SINGENDEN STEINBRUCH
11. November 2011, 10:52
Filed under: Robert Zimmermann, Unterwegs mit Herrn Albert

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Herr Karl Ehrenfeld, der Honorige nebst Gattin und Herr Ernst Albert sind schon oben in der Nemmbercher Bleibe. Der Bär hat darum gebeten, noch etwas in der historischen Briefkastenanlage des Gebäudes verweilen zu dürfen. Nachsinnen möchte er über das Gehörte und Gesehene. Außerdem hält Archibald Mahler Ausschau nach einem komfortablen und standesgemäßen Örtchen in Sachen Winterschlaf. Konzentration! Also hatte Herr Zimmermann, der Ewige, gesungen. Zuerst jedoch ein ebenfalls älterer Herr, Kopf einer Musiktruppe, deren größter Hit vor mehr als dreißig Jahren „Wir sind die schwingenden Sultaninen“ war. Die Halle war voll, übervoll, überheizt und stickig. Die Musik? Harmloses Geklimpere aus dem Biosupermarkt! So würde es Herr Ernst Albert ausdrücken. Archibald Mahler fand es schlichtweg langweilig und vertrat sich derweilen vor der Halle die Tatzen. Da war er nicht alleine. Man ließ den Bären am Tucherbier nippen. Oder Ducher? Basst scho! Umbaupause. Black. Der Alte und seine Musikantentruppe entern die Bühne. Licht. Die ersten zwei Minuten des ersten Liedes atmen mehr Kraft, Freude, Spiellust und Spontanität als der gesamte Set des Vorgängers. Der darf aber bei den ersten vier Liedern Gitarre spielen, was er sogar kann. Warum tut er es dann nicht? Dann ist er weg. Und dann geht es noch mal richtig los. Zwar nur ganze zehn Liedlein lang, aber dafür laut, dreckig, grinsend, tänzelnd, bösartig, liebevoll, bis zu drei Gitarren schrammeln gleichzeitig, das elektrische Piano quietscht und über allem diese Stimme, die klingt, als sei sie ihr eigner Steinbruch, diese Stimme, die das ganze Leben eines Aufrechtgehers nimmt, zerpflückt, mit den Versatzstücken gurgelt, diese ausspuckt, ausbellt und wieder zusammensetzt, um sie im nächsten Moment den Zuhörern wieder vor die Füße und Ohren zu knallen. Friß oder leb! Und ja, einige Aufrechtgeher flüchten. Wahrscheinlich müssen sie noch in einen Biosupermarkt. Archibald Mahler hatte sich einen wunderbaren Platz erobert, einen Stehplatz, denn wie bei der Pöhlerei gilt beim Rock’n’Roll: Sitzen iss fürn Arsch. Er stand an der Seite der in die Halle hineinragenden Bühne, zwanzig Meter vielleicht entfernt vom, und Aug in Aug mit dem Sing- und Tanzmann. Der hat natürlich anderes zu tun als einem entzückten Bären zuzuwinken, aber gegrinst hat er schon, der Herr Zimmermann. Den ganzen Abend lang, von dem Moment an, als er sich den Leopardenfellhut aufsetzte, alles vorbei war für die traurige Maid, weil die Dinge sich geändert hatten am Mississippi, und, sei ehrlich zu mir, er dermaßen in der Traurigkeit gefangen war, daß alle Dämme brachen, er in die Straße der Verwüstung einbog, um seine Reise auf dem Highway 61 fortzusetzen, wo der Mann mit dem langen schwarzen Mantel auf ihn wartete und der Donner von den Gipfeln der Berge ins Tal rollte, bis ein balladesker dünner Mann den Raum betrat, nicht begriff was hier geschah, daraufhin den Wachturm bestieg und sich selbst in der Ferne davon rollen sah, heimatlos, wie ein Stein. Dann war Schluß. Kurze Verbeugung. Ab. Black. Es war großartig und Archibald war glücklich. Das war besonders. Fanden die Herren Ehrenfeld und Albert auch. Die müssen es ja wissen. Die haben den Meister schon oft genug gesehen und gehört. So sinnt der Bär nach, in einem Briefkasten in Nemmberch, als ihm einfällt, was er vergaß. Weia! Frau Elvira Bühne wartet auf ihn. Die vorletzte Antwort auf die letzte Frage! Die leeren Vorratskammern! Der Winterschlaf! Er stürzt hinaus in die freie Luft und ein Radfahrer kommt vorbei. Es hätt’ ja auch eine Trambahn sein können, aber nein, ein Radfahrer war’s. Er winkt und fragt den Pedaleur, ob er ihn denn ein Stück des Weges mitnehmen könne. Richtung Mittelhessen. Man hält an.

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KONSONANTENVERSCHIEBUNG / KUNST ODER GUNST / UNABHÄNGIGKEIT
10. November 2011, 18:36
Filed under: Unterwegs mit Herrn Albert

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Bürger Mahler schreitet also die Stufen hinab. Ei gewiß, Bürger Mahler, denn einen Tag lang Kaiser zu sein reicht vollkommen. Man will ja nicht vermerkeln. Und hat nicht Herr Robert Zimmermann einstens gesungen: „I have dined with kings, I’ve been offered wings, And I’ve never been too impressed.“? Bürger Mahler ist also die Stufen hinab geschritten und steht vor dem Hasen, Türers weltberühmtem Hasen. Türer? Nemmberch, die Türerstadt geht natürlich nicht. Es wird der Konsonant verweichlicht und aus den Türern aus Ungarn werden die Dürers aus Nemmberch. Und aus der Kunst wird so die Gunst? Alles nur eine Frage der Konsonantenverweichlichung? Günstler? Kunstling? Türer war ein fleißiger Mann, ein erfinderischer Mann, er malte, stach Kupfer, schnitt Holz, aquarellierte, tat sich als Kunsttheoretiker hervor, fand sich ausgezeichnet zurecht in dem Denkgebäude namens Mathematik und entwarf sogar eine Festung drunten im fernen Schaffhausen. Und eines Tages, vielleicht kurz vor oder nach dem heiligen Osterfeste – der Türer war ein frommer Mann und disputierte sogar mit dem Herrn Luther – malte er ein Aquarell, darauf ein kauernder Feldhase. Und wie es so kommt – die Antwort weht im Wind – ist dieses Bildchen, das was für die meisten Aufrechtgeher übrig bleibt, fällt der Name Türer. (Die betenden Hände! Die betenden Hände! Gruß vom Säzzer!) Archibald Mahler hat noch nie von dem Hasen des Türer gehört, er kennt lediglich Herrn von Lippstadt – Budnikowski, aber wozu hat man den Herrn Ernst Albert an seiner Seite, der gerne mal schlaumeiert. Und weil der Aufrechtgeher per se nun mal Aufrechtgeher ist, reicht es ihm nicht den Hasen des Herrn Türer zu betrachten und sich daran zu freuen und einem Nemmbercher Pfeffersack reicht des scho glei gar ned, nein der Hase muß vermarktet und verwurstet werden. Souvenir, Souvenir! Bettwäsche, Kaffeetasse, Unterhose, Flaschenetikett, in Schokolade gegossen, mit Marzipan gefüllt, all die ungezählten Verballhornungen und üblichen Varianten der Witzichkeit. Und deshalb wohl hat ein Künstler diese Hasenvariante vor das altehrwürdige Türerhaus gestellt. Dieser Hase hier gebiert lauter kleine Ungeheuer. Sein Leib platzt. Man kennt sich selbst nicht mehr. Kunst zu Gunst und wieder Kunst. Wild sieht das aus, das große kupferne Hasenviech. Das gefällt dem Bären. Ein Nemmbercher kommt vorbei und bemerkt, daß dieser Hase ja nun wirklich nicht schön sei und ob das so sein müsse. Das Original aber, ja, das Original! So schön. Und Archibald Mahler freut sich, weil da ein Bildhauer die Verwurstung verwurstet hat und man kann es sehen. Jetzt drängelt Herrn Ernst Albert. Der Herr Robert Zimmermann würde warten. Und der Magen verlangte noch nach einer Wurst. Her damit, dies muß man dem Bären nicht zweimal sagen. Doch noch nicht einmal die Wurst heißt hier Wurst. Sie heißt: „Dra im Weckla“. Schmeckt aber ausgezeichnet. Da kommen zwei Aufrechtgeher vorbei. „Meinst Du er spielt heute ‚Blowing in the Wind’? In München hat er es gespielt!“ „Ja, aber total verhunzt. Das Original aber, ja, das Original! So schön.“ Bürger Mahler wischt sich den Restsenf vom Maul und spitzt seinen Bleistift.

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SANDSTEIN / VISITENKARTE / KRÖNUNG
9. November 2011, 16:52
Filed under: Unterwegs mit Herrn Albert

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Wo war Archibald Mahler denn hier hingelangt? Hatte der ehrenwerte Herr Ernst Albert nicht davon gesprochen, man würde ins Frankenland nach Nemmberch – so klingt der Namen der Stadt in der Sprache der in ihr Geborenen! – reisen, um daselbst in Begleitung des honorigen Herrn Karl Ehrenfeld, seines Zeichens Tierstimmenimitator, Vorhangkünstler und alter Freund des Herrn Albert, dem ewigen Herrn Robert Zimmermann die Ehre zu erweisen? Nemmberch, eine weitere Stadt auf der Adressen- und Lebensliste des Herrn Albert, war dies nicht das Ziel gewesen? Und jetzt dies hier? Eine Art urbane Sandsteinwüste, ein fränkisches Canyonland, ein lokaler Ayers Rock für Flugängstler? Äußerst seltsam! Doch es sitzt sich gut! Das findet zumindest Herr Archibald Mahler, streckt seine Nase in die Frankenluft, mißt weiterhin zweistellige Celsiuseinheiten und lobt Herrn Freiherr Gottfried von Herbst ob seiner Lenzereien. Doch halt: von sitzen zu reden wäre untertrieben. Dem Bären ist es, als throne er in dieser Mulde des Sandsteingehügels, ja ihm ist, als sei sein Pöter geradewegs für diese kaiserliche Mulde wie geschaffen, nein nicht wie, sondern für den Pöter des Herrn Archibald Mahler, bisher lediglich Bär vom Brandplatz, wurde diese Thronmulde schon vor langer, langer Zeit in die Sandsteinhügel zu Füßen der Kaiserpfalz zu Nemmberch geschabt. Von Aufrechtgeherhand oder von Wind und Wetter. Dem Bären sei es gleich. Er blickt hinab auf die Stadt zu seinen Tatzen, grüßt huldvoll Dächer und eilendes Volk und, da er schon mal hier ist, faßt er folgenden Beschluß: Rauf auf die Burg! Hinein in die Kaiserpfalz! Vielleicht wird heute ja gekrönt! Und so sitzt der Bär vor der Burg, die auf und aus Sand gebaut, aber immer noch steht, ihm ist gar kaiserlich zu Mute und da ihm auffällt, daß er ja immer noch keine Visitenkarten sein eigen nennen kann, druckt er schon mal welche. Im Bärenkopp natürlich. Fanfaren! Tusch! Es grüßt aus historischer Höh’: Kaiser Archibald der Pelzige, Großfürst vom Brandplatz und Feldmarschall der Vereinigten Mittelhessischen Weltschauer. Dies die ersten überlieferten Worte Seiner Bärhaftigkeit: „Und so blicken Wir über unserer emsiges Reich und, siehe dort unten, da hoppelt ein Hase. Herr von Lippstadt – Budnikowski kann es nicht sein. Der weilt noch in Litauen. Schauen Wir doch mal nach dem Rechten. Du aber, mein Volk, bau den Christkindlsmarkt auf!“ Archibald Mahler, Verzeihung, Ihro Exzellenz und Erster Bedenker des Abendlandes, Seine Majestät Kaiser Archibald der Pelzige, Großfürst vom Brandplatz und Feldmarschall der Vereinigten Mittelhessischen Weltschauer erhebt sich. Und wenn der Kaiser sich erhebt, kann das dauern. Schauen wir morgen wieder vorbei!

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POST AUS LITAUEN / AIRMAIL
5. November 2011, 10:29
Filed under: Draußen vor der Tür

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Lieber Herr Mahler!

Sehr, sehr früh war ich wieder in den Dünen. Wenn ich irgendwas mitnehmen dürfte nach Hause aus diesem wunderbaren Land, vielleicht wären es diese einsamen, unendlichen Sandgebirge. Ganz allein war ich wieder und der Tag ganz frisch. Quatsch, natürlich nicht allein, hunderte, wenn nicht tausende von Möwen, Wildgänsen. Ich schritt eine große Düne herab und die Vögel erhoben sich in die Luft und es verfinsterte sich der Himmel. Eine Ahnung vom Beginn der Welt, als der Mensch noch ein kleines Licht war oder vielleicht gar ein Hauch vom Ende? Es war wunderbar und den ganzen Tag hatte ich das Schreien und Kreischen und Rauschen der Vögel in den Ohren. Seltsame Mischung von Faszination und Bedrohlichkeit. Stellen Sie sich mal vor, wie schnell da ein kleiner weißer Hase gepackt und hinaus aufs Meer getragen ist! Wo ich doch überzeugter Nichtschwimmer bin und die Wassertemperaturen hier wären ein einziger kleiner Kritikpunkt. Deshalb gehe ich morgen über das Haff. Ins Memeldelta. Das heißt, ich fahre, mit einem Boot. Huch, es beginnt zu regnen.

Herzlichst Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski



MAHLER FRAGT SICH OB KREDITBEEREN EIN FRÜHJAHR SICHERN KÖNNEN
4. November 2011, 14:00
Filed under: Thoughts From The Woods

herbst05

Archibald Mahler ist wieder im Wald. Aber Archibald Mahler ist faul. Wer ist das nicht? Archibald Mahler müßte im Heute ans Morgen denken. Muß Archibald Mahler im Heute ans Morgen denken? Der Vorratskeller ist noch leer. Muß ja. Wie lebt der Herr Mahler? Von der Tatze ins Hirn. Was Du heute nicht besorgt hast, bringt morgen auch nix mehr. Vielleicht könnte man einen Beerensammler beauftragen. Kennt man aber keinen. Oder wie wäre es mit Leihbeeren? Also praktisch sich um nichts kümmern und den Pöter unbewegt lassen. Irgendwer könnte ja. Dann ist der eigene Keller voll. Ach so? Die Rechnung? Habe ich jetzt total vergessen. Faul sein ist sehr anstrengend und kann einem das ganze Leben auffressen. Erzähl mir keiner, dies hätten die Griechen erfunden. Gibt es auch Kreditbeerenkarten? Da hängen doch überall diese blöden kleinen weißen Beeren. Sollen sie doch. Sind eh für Vögel. Und immer noch ist es warm. Zweistelliger Temperaturennovember. Spinnt der eigentlich? Archibald Mahler ist heute nicht allein im geliebten Wald. Ja, heute wird der Wald wieder richtig geliebt. Herr Ernst Albert, der Ehrenwerte, ist heute auch dabei. Auf der Bank nebenan sitzt er rum und da. Nicht im Bild. Sehr lange Nacht hatte er gestern. Dienstlich. Egal. Versteht eh keiner. Viel wichtiger: Herr Archibald Mahler hat überhaupt keine Zeit zum Beerensammeln. Er muß weiter. Mit Herrn Albert. Zum Herrn Zimmermann. Herr Robert Zimmermann. Nach Nürnberg. Neu für Mahler. Zimmermann nicht, aber Nürnberg. War er noch nie. Yippie! Wieder mal Zimmermann! Was war noch? Ach so, die Kreditbeeren. So faul kann selbst der faulste Mahler nicht sein, daß er auf den Gedanken käme sich Kreditbeeren. Nee! Überall hängen noch Äpfel rum. Muß man halt den Pöter hoch. Wird erledigt. Nächste Woche. Versprochen. Noch was. Herr Ernst Albert wünscht Herrn Wolfgang Niedecken alles erdenklich Gute. Hat er gerade gesagt. Ne schöne Jroß! Bloß nicht unfehlbar bleiben. Weia!

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LETZTE FRAGE / VORLETZTE ANTWORT 2
2. November 2011, 16:49
Filed under: Küchenschypsologie, Letzte Fragen

frage03

Aha, die neue Aufgabe also. Wie war noch mal die letzte Frage?

„Werde ich angerufen, wenn die Welt untergeht?“

Gute Frage. Vielleicht sollten Sie einfach den aktuellen App „Wann geht es denn jetzt wirklich los?“ runterladen. Recht preisgünstig das Ding und an Nachhaltigkeit orientiert auch noch! Die Einnahmen gehen an die Stiftung „Steve Jobs ist Gautama Buddha! – Baut mehr Tempel!“ Umsonst bietet ein ähnliches und ebenso sehr attraktives App aber zur Zeit die griechische Regierung an. Decide! Sie können aber auch nach Hause eilen und ihre Heizkörper anfassen. Sind sie warm oder heiß? Schauen Sie in Ihren Kühlschrank! Iss was drin? Schimmelt es schon? Oder immer noch? Steht Ihr Auto schön bequem? Sind Sie im letzten Monat mal so richtig empört gewesen, weil ein unfähiger Friseur Ihre Haarpracht verhunzt hat? Wie viele Telefonnummern können Sie noch auswendig aufsagen? Bringen Sie es übers Herz an einer roten Ampel einfach mal stehen zu bleiben, auch wenn kein Kind in der Nähe ist, geschweige denn ein Automobil? Sind Sie Fan eines Fußballvereins, der immer gewinnt? Rauchen Sie etwa nicht, betreiben aber im gesetzten Alter noch Sport? Regen Sie sich gerne darüber auf, daß Supermärkte schon im September Schokoladenweihnachtsmänner anbieten? Wählen Sie – einfach mal so – die Piratenpartei? Finden Sie Männer mit rasierten Schädeln erotisch? Tragen Sie Kleidung, auf die Botschaften gedruckt sind? Wann haben Sie das letzte Mal Ihren Chef freundlich angegrinst? Lesen Sie Ratgeber? Halten Sie Kachelmänner für Opfer? Und gar für Täter? Schreiben Sie gerne Leserbriefe? Lesen Sie gerne Leserbriefe? Finden Sie Todesanzeigen sollten eigentlich im Netz veröffentlicht werden? Wann starb Hölderlin? Verlassen Sie lieber oder werden Sie lieber verlassen? Sind Sie etwa Aufrechtgeher? Sehen Sie?

Die Welt, die den Aufrechtgeher schuf, ist eine gänzlich andere, als die der Aufrechtgeher schuf. Hab ich mal gelesen. Ein Darm außerhalb des ursprünglichen Körpers, spürt auch nicht mehr, wenn er kurz davor steht zu platzen. Aha, die neue Frage:

„Warum nimmt man mich eigentlich nicht wahr?“

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BÄREN, BEEREN, HERBST UND PFLICHT
1. November 2011, 17:51
Filed under: Thoughts From The Woods

herbst04

Schnell geht es nicht nach Hause mit einem Stocherkahn. Der Neckar hat keine Eile den Rhein zu erreichen. Man griff also zurück auf Frau Eva Pelagias Blechmilbe. Wie unromantisch für einen reimenden Bären! Wieder Mittelhessen! Schnell an Büchner denken! Aber der ist doch aus dem Kaff geflohen! Potzrembel und Stadtallendorfs Acker! Geisteswüste! Nur ein Chemiker und ein Röntgenarzt wären vor Ort zu ehren! Ach! Archibald Mahlers Denkapparat quietscht und bummert ähnlich wie wohl des Lütten Stans Wodkahirn da draußen in Litauen. Nur sind es beim Bären die vielen, aus dem Schwabenland mitgebrachten Worte, welche in seinem Denkkasten tanzen, weil sie noch raus müssen und wollen auf die Papierbögen und in Form gebracht auch und dann die vielen anderen Aufgaben. Weia! Die lange Wärme in diesem Herbst macht unvorsichtig. Man vergißt die Vorkehrungen. Keine Beeren, leere Keller. Archibald Mahler schwingt sich auf und ab geht es in die, heute seltsamerweise nicht wie sonst innig geliebten, Wälder. Ah, da, Beeren. Blöd! Die Falschen! Hagebutte nur! Gut, ein paar wenige einsammeln. Die eine oder andere Tasse Tee im Winter. Wer weiß? Grippale Beeinträchtigungen! Trotzdem! Blöd! Und dann auch noch das! Es fällt etwas ein. Die Pflicht! Die morgige Pflicht! Letzte Fragen, vorletzte Antworten! Da hat man sich wieder mal was eingebrockt. Fluchender Bär tritt das Laub vom Weg und grummelt sich in die Kleine Häßliche Stadt zurück. Archibald Mahler, der Zweite und seines Zeichens Alter Ego und mahnender Finger, rüffelt. Selten erlebe man doch einen solch funkelnden Oktober. Möge man sich das doch bitte hinter die Wascheln notieren, lieber Herr Mahler. Knappe Antwort. „Iss schon November!“ Dem Bären ist heute nicht zu helfen. Lassen wir ihn also allein. „Find ich jetzt aber auch nicht so dolle!“ Man muß den Bären ob dieser Äußerung gar nicht streng anblicken. Er hat es schon selbst bemerkt.

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POST AUS LITAUEN / HÖMMA!
31. Oktober 2011, 18:31
Filed under: Draußen vor der Tür

lit09

Hömma Mahler!

Dat sind Schmerzen, sach ich Dir! Also ich sitz da beie Kapelle im Walde und lausche die litauische Tanzmucke und da iss der lange Kerl am den Kopp in seine Hände stützen und weint bittere Tränen innen Waldboden. Und ich denk, dat da eine Tröstung angesacht iss und dann erzählt er vonnem Ausscheiden von seine Basketball – Team, wo ett doch der Nationalsport iss inne litauische Gegend und dann wird der Wodka ausse Tasche gepackt und ich klage vonne instabile Form vom BVB und schon iss datt reinste Orgienpaket ausgepackt. Ne, watt iss dat für ein Zeugs, dieser Wodka! Aber fürren Klagegesang von Sportsfreund zu Sportsfreund isset dat ideale Getränk. Und dann kriechse beie Sauferei tiefgefrorenen Fisch und Schweinebacke und Gurke als Beilage und fürre Stabilisierung vonne Magenwände serviert. Nee, sach ich nur, da iss der mitteleuropäische Magen nich für gebaut. Getz wird nur noch frische Luft inne Eingeweide gesaucht, sach ich mal so. Verzeihung wegen die Verspätung vonne Post noch (Montach iss nich Samstach) und getz geht et wieder inne Dünenlandschaft. Der Wind, der über dat Haff braust, iss lau. Musse aufpassen!

Laß jucken und herzlich Ihren Lütten Stan, woll!

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ARCHIBALD KAM NUR BIS TÜBINGEN IV
30. Oktober 2011, 08:59
Filed under: Musentempel, Unterwegs mit Herrn Albert

tueb04

No hoggd der Mahler also dert, wo selle hogge, die dert emmer hogged. Die Sonne strahlt mit jedem Tag, den er im Schwabenländle verbringt, wärmer und so esch es eh besser, wemmer sich nahhoggd und net rumhuddeled. Und er hoggd aka sitzt nun vor einer alten Gastwirtschaft in der Ecke Tübingens, wo einst die sogenannten Gogen wohnten, die Unterstädler, die Bauern, die Winzer, die Rauhen. Der Frühling im Herbst hält die Fenster der Lokalität offen und Archibald Mahler kann hören, wie sie hinter seinem Rücken angeschmeltzte Maultäschle verzehren, Käßspätzle, Wurstsalat mit Schwarzwurst, Schupfnudle mit Kraut, Spätzle mit Linsen und Saitenwürschtle und manches Viertel wird dazu geschlotzt und die Gesprächsfetzen in diesem, gern etwas zu lautem, wie durch Nebenhöhlen und entzündet klingende Gaumen gepreßten Dialekt, lassen den Bären schmunzeln. So  klang es dieses Frühjahr auch unten im Heckerland! Die Brüder der Heckerländer, die aber so gerne doch ganz anders wären. Pustekuchen! Jeder dritte Satz auch hier enthält Regeln, Hinweise, Zurechtweisungen, Organisationprinzipien für den bösen Alltag, Abgrenzungen aller Colour. Es scheint dem Bären, daß so die von der schnöden Welt befreiten geistigen Bergbesteigungen der Tübinger Denkgespenster eine unfreiwillige Erdung erfahren. „Denk Du nur, großer Geist! Wann der Trottoir gefegt und wie die Mülltonne gefüllt wird, des entscheidet immer noch mir.“ Aber irgendwie paßt das alles zusammen, das Hehre und das Profane, findet der Bär. Ätherisches Denken und kräftiges Essen, wirre Thesen und saubere Gehsteige. Gute Stadt! Nun muß der Bär nach Hause. Noch mal will er den Neckar sehen, den Turm des Friederich und denkt: „Wenn so ein Stocherkahn nun käm vorbei, und ich fragte den Stocherer, ob er ein Stück des Weges mich in Richtung Heimat? Oder einfach hin und her? Die Sonne scheint so schön.“ Der Wunsch ward ihm sogleich erfüllt.

tueb02

Postscriptum: Und als der Stocherkahn am Turm vorüberglitt, öffnete sich ein Fenster und wirren Blickes, aber gut gelaunt, sprach das Gespenst namens Friederich zum Bären: „Das noch nimmt mit. Ich schenke es Dir. Denn bald auch ich im Winterschlaf! Für immer!“

HÄLFTE DES LEBENS

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

(F. Hölderlin)

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