KETTEN / SCHWERTER / WEISSE BÄNDER

Und dies ist die andere Geschichte aus dem Buch:
Aus irgendeinem Grunde fiel mir die Geschichte eines Mannes namens Chang aus Lin-an ein, das damals belagert wurde. Der Buddha erschien ihm im Traum und sagte zu ihm, am folgenden Tag würden Soldaten kommen und ihn töten. In einem vorigen Leben hatte Chang als Soldat während des Huang-Ch’ao-Aufstands einen Mann getötet. Dieser Mann hieß nun Li Li. Am folgenden Tag erschien ein Soldat am Tor und schwang sein Schwert. „Seid Ihr zufällig Meister Li LI?“ „Woher kennt Ihr meinen Namen?“ Chang erklärte alles. Li Li warf sein Schwert zu Boden. „Wenn ich Euch töte, dann werdet Ihr mich im nächsten Leben wieder töten. Und dann werde ich Euch wieder töten. Heute müssen wir diese Kette durchbrechen.“
So ist das wohl. Danke, ausgezeichneter Herr Eliot Weinberger! Und Archibald Mahler denkt darüber nach, woher und aus welchen vielen vergangenen Leben wohl das weiße Band hinüber reicht, das sich durch seine und die Geschichten, die er hier erzählt und denkt und schaut, zieht. Und ihm fällt auf, daß es auf die vielen, entsetzlich ungeduldig drängenden, letzten Fragen lediglich eine Art vorletzte Antwort gibt. So wie die Aufrechtgeher in Spanien immer nur ein vorletztes Bier ordern, wenn sie denn zu Bett schwanken wollen. Bestellten sie ein Letztes, fielen sie – und daran glauben sie fest – auf der Stelle vom Barhocker. Ja, so ist das wohl. Und war da nicht, auf der anderen Straßenseite, vis a vis vom Musentempel, dieses Schild? Der Bär erhebt sich.
OCCUPY THE KRABBENBERG ODER WENN ES ZWICKT, ZWICKT ES!

Schön warm in der Höhle gegenüber dem Musentempel, dort wo Herr Albert und die wunderbare Frau Pelagia ihre Häupter niederlegen. Archibald Mahler genießt es mal wieder weiche Polster unter seinem Pöter zu spüren. Da hinten blubbert die Heizung friedlich vor sich hin. Es duftet nach Mahlzeiten und Tee. Manchmal mag der Bär die Aufrechtgeher. Dann aber muß er an die Geschichte denken, von der er letzten Freitag geträumt hatte, als er das erste Mal nach langer Zeit wieder in der Höhle übernachtet hatte. Wie war die noch mal?
„(Ein Abschiedsbankett) Die Krabben sind köstlich, doch ich konnte nur ein paar davon essen, weil ich an die Mutter des Instruktors Sha denken mußte, dem Arzt in der Präfektur Hu. Sie mochte Krabben über alles und aß täglich Dutzende davon. Sie starb im siebzehnten Jahr der Zeit des Andauernden Aufstiegs. Die Familie versammelte sich am Tempel der Himmlischen Glückwünsche zu einer Zeremonie. Am Tor sah die zehnjährige Enkeltochter die alte Dame, die über und über blutig war. „Ich bin schuldig gesprochen, Krabben gegessen zu haben“, sagte sie. Nach ihrem Tode wurde sie zu einem riesigen Berg Krabben gebracht, den sie erklimmen mußte, immer weiter, während die Krabben sie am ganzen Leibe kniffen und zwickten.“
Und was macht dieses Buch hier? Ach ja, der ehrenwerte Herr Ernst Albert hatte ihn in den Schlaf gelesen. Und da ist ja noch eine Geschichte. Morgen!
POST AUS LITAUEN / FEHLERMELDUNG

Lieber Herr Mahler!
Ich könnte mich empören. Jetzt bin ich wieder raus aus den Wäldern und kein Elch. Und dann mußte ich erfahren, daß hier ganz früher wohl mal Tausende dieser Riesen rumlaufen sind, morgens sogar durch die Straßen und Wege der Fischerorte runter zum Haff, um zu baden. Aber bis vor halb früher haben sie die Elche abgeknallt, von Hubschraubern aus, mit ihren Staatsgästen und der Nomenklatura und noch nicht mal gegessen, sondern nur die Köpfe ausgestopft und an die Wand genagelt. Gott sei Dank ist das vorbei! Aber ein paar Sachen haben sie noch hier rumliegen lassen, die alten Besatzer. Betonhütten, vor sich hinrostende Fischerkähne. Nicht hübsch. Aber ich gestehe, eine gewisse Anfälligkeit für morbiden Charme ist mir nicht fern. Leider schätze ich den Fisch als Mahlzeit nicht so sehr wie Sie. Aber sie haben hier Rote – Beete – Suppe. Kalt und mit viel Dill. Mundet hervorragend. Morgen gehe ich tanzen!
Herzlichst Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski
HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 10

„Der Vorhang ist gefallen und jetzt geht das mit den Fragen erst richtig los.“ Archibald Mahler fällt das Originalzitat nicht mehr ein, aber so ähnlich war es. Er hält den unbeworteten Kritikerblock in seinen Tatzen. Der Bleistift schläft noch. Die Fragen aber irren schon über die nächtlichen Flure. Bald zwei Wochen hat der Bär zugeschaut. Am Ende hat er Zuschauern beim zuschauen zugeschaut. Er konnte gar nicht mehr seine Augen aufs Schilf und die zwei alten Mimen lenken, die zuschauenden Aufrechtgeher haben seine ganze Aufmerksamkeit verzehrt. Und so gibt es doch einiges zu bearbeiten und zu verdenken oder umgekehrt. Zum Beispiel: Ist das Schauen eine Tätigkeit? Kann man mit vor der Brust verschränkten Armen etwas sehen? Und dazu noch mit schief gelegtem Kopf? Oder mit hinterm Haupt verschränkten Gliedmaßen? Ist das Zusehen, falls man es als eine Tätigkeit bezeichnen darf, eine Tätigkeit aus der etwas Neues erwachsen soll oder eine Tätigkeit, die dazu dient etwas zu erhalten? Etwas zu bestätigen? Ist Schauen rückwärtsgewandt oder blickt man nach vorne? Sieht der Zuschauer was er sieht oder nur das, was er erwartet oder vermißt, oder sieht er nur seinen eingewachsenen Zehnagel und die Wettervorhersage? Kann man irgendwohin schauen und gleichzeitig so tun, als sei man ein Fotoapparat und somit behaupten, das eigene Hirn sei in der Lage Gesehenes objektiv abzuspeichern? Muß man nicht alles, was man gesehen hat, für sich behalten, da jede Beschreibung des Gesehenen sich vom im Moment des Sehens Erfahrenen mehr oder weniger komplett unterscheidet? Ist rot rot? Ist grün grün? Ist es zulässig, einem anderen Schauer seine Sicht der Dinge – wie es so schön heißt – aufs Auge zu drücken? Oder soll man einfach beide Augen zudrücken? Ist nicht jedes Schauen von etwas, was vermeintlich tatsächlich stattgefunden hat, eine Art von Übersetzung in den eigenen Kosmos, eine Art von Einordnung in die eigenen Karteikarten, sei es Beifall, Pfiff oder Unentschiedenheit? Ist nicht das betrachtete Objekt vollkommen frei von den Blicken, die man auf es wirft? Existiert es nicht auch ohne Betrachter? Oder beginnen die Dinge erst dann zu leben, wenn man sie betrachtet? Oder gar erst dann, wenn man vom Schauen spricht? Uff! Archibald Mahler sitzt allein im Musentempel. Alle sind weg, der Vorhang offen und alle die Fragen zu oder so ähnlich. Archibald Mahler hat das Gefühl die Antworten auf all seine Fragen befinden sich gerade in Wyoming oder auf Kamschatka. Der ehrenwerte Herr Ernst Albert will abschließen. Den Musentempel und die Sache mit den Enten. Der Bär ist sehr müde. Herr Albert nimmt ihn auf den Arm und bringt ihn in die Höhle. Und dann liest er ihm etwas vor. Aus einem seiner neuen Bücher.
„Die Aymara in den südlichen Anden glauben, daß man nur von dem sprechen kann, was man persönlich erlebt hat. Man kann also nicht sagen: „Lincoln wurde ermordet“, sondern nur „Ich habe gehört, Lincoln wurde ermordet“. Anders als nahezu alle anderen auf der Welt glauben sie, daß die Vergangenheit vor uns und die Zukunft hinter uns liegt, denn die Vergangenheit war deutlich zu sehen, und die Zukunft liegt im Ungewissen.“
Und Archibald Mahler, der eigentlich schon eingeschlafen war, findet, daß dies ein tolles Buch sein muß. Aber das ist eine ganz neue Geschichte. Gute Nacht!
HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 9

Und dann waren da noch die zwei Aufrechtgeher, die zuschauten. Sie taten dies nicht freiwillig. Sie schauten zu, damit andere und mehr zuschauen. Oder damit wer, der noch nicht zugeschaut hat, lesen kann, was er verpaßt hat. Oder wovor er hiermit gewarnt sei. Und morgen haben wir das dann schwarz und weiß. Oder so! Jedenfalls schauten die zwei Aufrechtgeher mit wichtigem Gesicht hin. Und dann unterhielten sie sich. Etwa so, wie das Archibald Mahler gehört hat.
„Theater mit zwei Männern und einer Bank? Reicht das?“
„Es reicht!“
„Aber wir haben doch gerade erst angefangen!“
„Es reicht!“
„Ah! Ich verstehe! Der humorige Einstieg! Was fehlt?“
„Tiefe!“
„Wie?“
„Generell! In der Breite! In der Tiefe!“
„Könnten Sie zitieren!“
„Wenn Sie mich bitten!“
„Bitte! (Pause) Warum seufzen Sie?“
„Es geht um Enten!“
„Das kann doch durchaus putzig sein!“
„Putzig angesichts des Weltuntergangs? Putzig angesichts der Überschuldung? Putzig angesichts meines eingewachsenen Nagels?“
„Das wußte ich nicht!“
„Eben! Ich deute kurz an. Also einmal fragt der Eine etwas, daraufhin antwortet der Andere. Dann wiederum antwortet der Andere und der Eine hat gar nichts gesagt!“
„Sie sehen mich nicht schmunzeln! Und was haben Sie gemacht?“
„Siebenhundert Zeichen! Was soll man machen?“
„Und die Anderen!“
„Da sind nur zwei und eine Plastikente!“
„Zwei! Plastikenten auch zwei!“
„Kann nicht sein! Habe ich nicht gesehen!“
„Sei es drum. Die anderen Zuseher? Reaktionen?“
„Unerträglich! Gekicher! Gelache! Beifall! Angesichts..“
„Danke, Sie hatten Ihren Fußnagel bereits erwähnt!“
„Oh! Sancta simplicitas! Ich muß!“
„Wohin!“
„Ein Kinderchor singt. Ein Sportgeschäft wird eröffnet. Die Stellvertreterin des Dezernenten spricht. Man braucht mich!“
„Wieviel?“
„Tausend Zeichen! Und Sie?“
„Verkaufsoffener Sonntag! Zweitausend Zeichen! Ihren eingewachsenen Nagel betreffend….“
Und dann sind sie weg und Archibald Mahler denkt, wie ungesund das für einen Pöter doch ist, wenn er Abend für Abend in einer Kleinen Häßlichen Stadt in Mittelhessen anderen – und dies auch noch sitzend - bei der Verrichtung einer mal mehr oder weniger sinnvollen oder inspirierten Tätigkeit nicht zusehen will oder darf, sondern muß. Weia! Sieh an, der eine der zwei Aufrechtgeher hat seinen Notizblock liegen lassen. Unbeschrieben! So mit reingeklemmtem Bleistift dran. Klasse! Archibald Mahler wollte schon immer mal einen eigenen, originalen Kritikerblock besitzen. Her damit! Und er notiert: “Morgen noch nachdenken, ob man das Zuschauen unter Tätigkeit fassen kann.” Und dahinter malt der Bär drei dicke Ausrufezeichen.
HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 8

Und dann fällt Archibald Mahler noch etwas ein. Was die Mimen immer gesagt haben. Oder gesucht haben eine ganze Zeit lang: die „Figur“. Was meinen die eigentlich damit? Dick war keiner von denen, also eine Art von Diät kann es nicht sein. Und die haben nicht nur diese Figur gesucht, sondern auch noch die “Haltung” von so einer Figur. Was soll das denn bitte sein? Man hält den Kopf hoch, oder eben nicht, kann auch die eine oder andere Tatze in die Luft halten – nicht zu lang, denn der Herbst kommt und man will ja noch Energie sparen für den langen Winter – und dann kann man darüber nachdenken, ob man mit der rechten oder linken Pfote sich am Pöter kratzt. Eigentlich Wurscht wie Lachs, wichtig ist, daß gekratzt wird. Und in Indien da stehen die Aufrechtgeher stundenlang auf einem Bein, um schneller denken zu können. Extreme Haltung. Dann sehen sie aus wie eine Figur, die man sich wegen der künstlerischen Gestaltung des Wohnraumes auch mal auf das Regal platziert und stellt damit seine offene Haltung in Bezug auf die Künste allgemein zur Schau. Aber zurück in den Musentempel. Diese Figur also, soviel hat Archibald Mahler verstanden, soll wohl jener Aufrechtgeher sein, den man dann sieht auf der Bühne. Das heißt: eine spezielle Ausgabe oder Ausformung des originären Aufrechtgehers. Also der Aufrechtgeher, der der Mime ist, will ein anderer Aufrechtgeher sein, eben jene Figur und die braucht, um eine Figur zu sein eben: eine Haltung. Und das würden dann die zuschauenden und zahlenden Aufrechtgeher sehen. Komisch, der Bär hat das nicht gesehen. Weil, wenn ein Mime eine sogenannte Figur war, sah er genau so aus wie davor. Gut, er mal einen Hut aufgehabt oder eine Krawatte am Hals oder eine Banane in der Hand. Aber sonst: klar zu erkennen war er als der, der er zuvor war. Und den Kopf mal nach rechts oder links drehen, wo ist da die Haltung? Das macht man doch, wenn man rechts was sehen will, wenn von links einer spricht. Nur eines fiel Archibald Mahler, Bär mit hörenden Ohren, gelegentlich auf: wenn die Mimen die herbeigesehnte Figur waren, haben sie nicht mehr wie normale Aufrechtgeher miteinander gesprochen, sondern so komisch gestelzt und betont. Wahrscheinlich wie Figuren mit Haltung. Das wollte der ehrenwerte Herr Albert aber nicht und hat genölt. Archibald Mahler mochte das auch nicht. Und eines Morgens kamen die Mimen und dann hat man sich unterhalten, alle vom Herr Mamet aufgeschriebenen Worte gesagt (außer natürlich diejenigen, die der Herr Albert weggestrichen hat), die Requisiten pfleglich behandelt und den Kopf oben gehalten. Und Mime und Aufrechtgeher und alles war eins und auch das andere. Und es machte Spaß zu hören und zu sehen, was dort geschah im Schilf. Die Figuren waren wohl des Nachts in die Lahn gefallen. Ob das alles so seine Richtigkeit hat? Archibald Mahler denkt noch mal drüber nach. Dabei macht er eine gute Figur. Hält den Kopf hoch. Aber wissen können tut er es nicht. Denn er ist und bleibt ein Bär und nur ein Gast auf dieser Welt und also auch im Musentempel.
POST AUS ATZBACH / GLÜCKWUNSCH

Sehr geehrter Chef und Herr Albert!
Eigentlich wollte ich Ihnen ja ein Elchfoto schenken und schicken. Aber das glauben Sie nicht: es gibt ihn nicht in Mittelhessen. Ob es ihn jemals gab, ist mir nicht gewiß. Wobei ich mir doch denke, daß ein ordentlicher Wald ohne Elche, Wölfe und natürlich Bären eigentlich gar kein Wald ist. Aufrechtgeher mit Gehstöcken statt Viecher mit Reißzähnen? Ich bitte Sie. Falls Sie zum Zahlenmystizismus neigen kurz dies: 11.10.11 und 55. Ansonsten passen Sie auf sich auf und ich bleibe weiterhin sehr froh, daß Sie mich und mein abbes Bein einstens vom Brandplatz hoben. Jetzt gehe ich Aufrechtgeher erschrecken. Als Indianerbär auf Kriegspfad. Mal schauen.
Herzlichst Ihr Bär und Archibald Mahler
POST AUS LITAUEN / GLÜCKWUNSCH

Sehr geehrter Herr ehrenwerter Herr Ernst Albert!
Eigentlich wollte ich Ihnen ja ein Elchfoto schenken und schicken. Aber das glauben Sie nicht: überall Kötel dieser Waldriesen, bergeweise, angenagte Flechten, zerwühltes Moos und sogar tiefe Hufspuren auf und neben allen Wegen. Aber: nichts und nichts. Ich schaue in die Wälder, tiefer und tiefer hinein und kein Ergebnis. Wie der Lütte Stan bemerken würde: „Kannse inne Tonne kloppen und Dich ein Ei drüber braten tun! Woll!“ Aber ein Bild vom Wald gibt es. Das mögen Sie doch auch. Alles Gute und grüßen Sie den Bären von mir. Und dat mit dem BVB: musse wat Geduld annet Tageslicht legen.
Herzlichst Ihr Herr Lütten Stan von Lippstadt – Budnikowski
HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 7

Eigentlich ist Herr Archibald Mahler seit gestern wieder zu Hause. In der Höhle. Da ist geheizt. War ja auch kalt gestern und vorgestern. Zu Hause also in der Höhle, aber noch nicht im Kopp. Der ist noch im Musentempel. Der Kopp eines Bären arbeitet wie die mahlernde Mühle langsam und stet. Da bleibt stets was über. Das ist nicht so einfach. Genau! Hören wir mal rein bei den Damen und Herren Aufrechtgehern: „Das ist doch ganz einfach! Geh doch einfach! Mach doch einfach! Das ist eine einfache Aufgabe! Das glaub ich einfach nicht! Könntest Du einfach mal? Das ist einfach unfaßbar! Ich denk einfach Pünktchen Pünktchen! Ich sage jetzt einfach mal so! Der hat es doch wirklich einfach! Der macht es sich einfach! Das ist mir jetzt zu einfach! Wenn man denen jetzt einfach mal sagt, was Sache ist? Ich mach das einfach nicht mehr mit! Könnten Sie einfach mal die Schnauze halten?“ Potzrembel die Waldfee! Kein Schrank hat nur ein Fach und die Welt ist kein Regal! Das wiederum denkt Herr Mahler, ehemals der Erfinder des Gedankenschranks. Aber: er hat es gesehen die letzten Tage, das Einfache. Das heißt, es war nicht zu sehen. Aber man hat nach ihm gesucht. Weil der Herr Mamet gesagt hatte, die Entengeschichte sei eine einfache Geschichte! Natürlich kompletter Blödsinn! Aber ein Blödsinn, welcher herausfordert. Machen wir es einfach! Bleiben aka werden wir einfach! Und wieviel Arbeit das ist, bis das Einfache erspäht wird im angeblich oder im zitierten Einfachen. Feuer kann man anfachen, aber nicht einfachen. Ein Einfach als das Einfach gibt es nicht. Es gibt lapidar, direkt, zuhören, reagieren, atmen, eine Geschichte, diese Geschichte erzählen zu wollen, den Spielpartner als Gegenüber akzeptieren, Emphatie, Mut, Wut und Ausdauer. Und Disziplin. Und die ist schon gar nicht einfach. Das ist das Schlimmste. Archibald Mahler denkt an seinen Pöter. Wie oft er auf diesem Pöter rumsitzen muß, wenn er in die Welt schaut. Aber er will ja in die Welt schauen. Und er hat nur einen Pöter. Potzrembel und die Waldfee aber auch Weia! Und dann denkt er: das Tolle am Einfach ist, daß es Einfach gibt, daß es aber ganz anders heißt. Und das ist nicht einfach. Einfach mal leben? Quatsch! Das heißt leicht. Leben! Leicht leben! Einfach ist vielleicht nichts! Da fällt Archibald Mahler, dem Bären vom Brandplatz und gelegentlich Hobbydramaturg, etwas ein. Morgen ist auch ein Tag!
POST AUS LITAUEN / BEGEGNUNG

Lieber Herr Mahler!
Ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll. Ich lief durch den Wald und war ganz alleine. Der Wald war wie aus einer anderen Zeit, die längst vergangen ist, so schön und von einsamer Stille war der Wald. Und der Wind spielte mit den Wipfeln, ich blickte hinauf ins raschelnde Blattwerk und ich stolperte über diese Dinger. Hinterlassenschaften eines Riesenviechs, Kötel so groß wie mein Hasenkopf. Freude, Furcht und gespannte Erwartung durchschossen mich und auf leiser Pfote lief ich weiter. Das Riesenviech ist nicht fern, die Kötel waren noch warm. Ich blickte nach rechts und nach links in aller gebotenen Vorsicht und jede Bewegung oder Sinnestäuschung im fernen Geäst jagte mir ordentlich Adrenalin durch den Leib. Und dann ist es geschehen. Er kreuzte den Weg. Etliche Meter vor meinem Auge kreuzte ein riesiges Elchviech den Weg. Die Einheimischen hatten mich darauf hingewiesen. Es gäbe ihn – weniger Exemplare als einst – aber noch gäbe es ihn und es sei nicht zu spaßen mit dem Tiere. Ich zittere jetzt noch am ganzen Körperlein. Mein Gott, was ein tolles Tier! Morgen gehe ich tiefer hinein in die Wälder. Auf leiser Sohle. Darf man Elche streicheln?
Das fragt sich Ihr treuer Herr von Lippstadt – Budnikowski