Countdown to Bethlehem / Klappe / Auf Vier Zeh’n steht das Pferd und ein Ritt über den See
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(Mahler und Budnikowski, aus bunter Laune heraus, entschlossen sich, kurz nachdem sie die Fähre nach Meersburg geentert, nein natürlich zahlend betreten hatten, sich heute, die Gegenseite huldigend, anzureimen. Vierzeiler. Hören wir mal hin. Budnikowski beginnt. Dann Mahler. War ja klar.)
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„Die Sonne scheint
Doch Mulmigkeit
In meinem Herzen
Weit wie breit.“
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„Es pflügt das Boot
Durch kalte Wasser
Die Sonne lacht
Gestern war’s nasser.“
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„Man quert den See
Erwartet Schnee
Weiß‘ wird die Weihnacht
Nie oh nee!“
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„Was drüben wird uns wohl erwarten
Ein letzter Kaktus, leerer Garten
Oder einfach braches Land
Wie man früher es gekannt?“
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„An den Seelen nagt manch Bangen
Das Schiff kommt an
Noch mehr Verlangen
Trübt nur Deinen Sinn!“
*
„Hier wären wir am Ufer drüben
Man baut noch um
Genauso hüben
Hoch die Tatzen
Weiterschwatzen!“
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„Mahler! Sie sprengten eben die Form!“
„Budnikowski! Mit Freuden! Vorausschauend!“
„Dafür schätze ich Ihro Bärigkeit!“
„Ich singe ein Lied davon. Also wie wir uns kennenlernten. Oder man sich kennenlernen kann. Und dann sich trennt. Wiederfindet!“
„Aus! Laber er nicht rum! Singe er!“
„OK!“
„Das hat der Zimmermann doch geklaut!“
„Bei den Beatles darf man klauen!“
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Die 13 gänzlich ohne den Freitag / Quere den Fluß
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„Vorschlag, Herr Bär! Heute setzen wir den Hut namens Ernst ab!“
„Frage, Herr Hase! Also den lustigen Hut auf. Oder schon eine Anspielung auf das heutige Lied.“
„Na ja! Dieses Leoparden – Pappkarton – Teil erzählt ja eher davon, wie eine Aufrechtgeherin unbedingt bemerkt werden möchte!“
„Tja! Wer will das nicht?“
„So isses! Und man greift so auch mal zu unlauteren Mitteln!“
„Jeder hat die Fähigkeit sich gelegentlich zum Narren zu machen.“
„Ho Narro! Wie man hier unten ruft!“
„Und da drüben die?“
„Das sollen ja die Doofen sein!“
„Budnikowski! Dann müssen wir da rüber fahren!“
„Mahler! Aber da waren wir doch eben noch! Oder?“
„Gewiß! Aber anders doof!“
„Und was daran ist jetzt lustig?“
„Wenn man drüben ist, kann man auf sich selbst zurückschauen. Und da gibt es einiges zu belächeln!“
„Psychologisches Schenkelklopfen quasi?“
„So ist es! Ich singe jetzt das Lied! Und Sie sagen morgen, ob es jenes war, welches Sie meinten!“
„Wohlan denn!“
„Hut ab! Hut auf!“
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Auf die 12
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„Mahler?“
„…“
„Mahler??“
„…“
„Mah …! Lassen wir es einfach!“
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(Heute pfeift der Wind kühler über den See. Vom Osten her. Es entsteht eine Pause. Wie lange? Das darf der Leser gerne selber definieren. Man kann derweilen die Wäsche einräumen. Oder spülen. Oder das Treppenhaus fegen. Macht ja sonst keiner. Ein Lied hören über eig’nes Grummeln. Mahler guckt nur auf den See. Budnikowski lässt ihn gucken. Man lernt sich kennen in all den Jahren. Plötzlich zuckt der Bär.)
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„Budnikowski!“
„…“
„Budnikowski!“
„Umpff!“
„Budnikowski! Danke, daß Sie mich schweigen ließen!“
„Woran dachten Sie?“
„Als ich hier das erste Mal saß. Eben hatten Sie mich verlassen.“
„Jetzt werden Sie bloß nicht sentimental. Steht Ihnen nicht. Wenn die alte Elster auf dem Ast sitzt und geschwätziger und geschwätziger wird, fällt sie bald runter.“
„Vielleicht haben Sie recht. Aber wer vor der Zeit verstummt, wird wohl gehen!“
„Oder ist schon weg! Viele trommeln gegen die Stille an. Meist zu laut. Manchmal ist mir Ihr Schweigen ganz recht.“
„Jetzt werden Sie sentimental!“
„Ich habe eine Idee!“
„Solange es keine Vision ist!“
„Vielleicht doch!“
„Dann singen Sie davon!“
„Now, little boy lost, he takes himself so seriously!“
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Elfter 11ter
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„Mahler! Ich kippe nach hinten!“
„Passiert. Es ist für die Jahreszeit aber auch etwas zu warm!“
„Was reden Sie für einen Mist?“
„Wir hatten doch beschlossen im Gespräch zu bleiben!“
„Mahler! Ich sitze am Ufer Ihres Sees auf scharfkantigen Muscheln!“
„Budnikowski! Strömungen strömen halt rum! Ich bin nicht deren Meister!“
„Ok, Schlaubär. Sieht aber schon wunderbar aus! Was so angeschwemmt im Laufe der Jahre.“
„Oder Minuten. Aber irgendeiner moppert halt immer rum!“
„Oder muß mal?“
„Hatten wir nicht schon mal darüber nachgedacht den Chefkritikern den Stinkefinger und so?“
„Mahler! Ihr Lied!“
„Genauso habe ich mir das gewünscht!“
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Countdown to Bethlehem / Dritte Kerze brennt
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(Mahler und Budnikowski bleiben weiterhin ihrer Verantwortung in Sachen Annäherung ans kommende Weihnachtsfest gerecht. Die dritte Kerze brennt. Wurde termingerecht angesündet. Oder heißt es gar anzündelt? Heute eben mal in der Küche. Der Druck steigt ja von Tag zu Tag. Was gilt es zuzubereiten? Wo kauft man, falls man es noch erhält? I regali? Si? No? Dennoch steht auf den Fahnen (sic!) der beiden bangen Herren in Großbuchstaben: KEINE ANGST VOR WEIHNACHTEN UND ALL DEN SCHATTEN, WELCHE DER STERN VON BETHLEHEM WERFEN WILLEN TUT!)
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„Man wartet in Schlangen
Wie früher jene
Und darf nun auch bangen
Die Keule das Endstück
Liegt es morgen in den Auslagen
Herum
Nee, ist das nicht dumm
Und welche Gemetzel noch wären
Die auszutragen
Eben an den Feiertagen
Wie Regisseure der traurigen Komödien
Gerne erzählen den eigentlich nicht Blöden
Darstellern ihrer Gedanken
Kartoffelsalat
Würstchen und Bier
Vor allem dem Schöpfer
Noch danken
Verweise das Ego in Schranken
Aber die eine Keule
Sei es Ente sei es Gans
Sei es Frieder sei es Hans
Die könnte man noch schwingen über den Köpfen
Statt Weihnachtslieder zu singen
Noch eine Woche bis Kerze vier
Dann sind wir beide wieder hier“
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(Mit großem Dank an die wunderbare Lektorin Pelagia verabschieden sich die Herren.)
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Zehn kleine Ärgerlein wollen nit alleine sein / Sonne scheint
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„Guten Morgen, bester Mahler! Hier wollten wir hin.“
„Nun gut! Müssen war auch dabei.“
„Da Sie davon sprechen: ich müßte mal in die Gebüsche!“
„Kein Zwang. Gestern war für einen Hasen die Möhre wohl zu lange im Martini!“
„Bin gleich wieder an Ihrer motzigen Seite!“
(Es strullert in der Hecke. Der Bär denkt über die Aufgabengebiete Reim und Lied nach. Und schaut gerne auf den altbekannten See. Auch wenn ihn das Gefühl beschleicht, daß hinter seinem Rücken einiges auf dem Kopf steht.)
„Da bin ich wieder. Schon schön hier!“
„Welcome back, Budnikowski. Man darf sich nur nicht umdrehen!“
„Warum?“
„Da steht so einiges auf dem Kopf!“
„Wer reimt heute?“
„Der, der fragt.“
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„In manchen Sippen
Pläne kippen
Dem See ist es nur wurscht
In alter Pracht
Er hübsch sich macht
Verzichte auf den Durscht
Und falls halt übermorgen
Heilig Heilig all’ die Sorgen
Nee
Schöner See“
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„Budnikowski! Aber ich mache mir jetzt keine Sorgen! Gelle!“
„Dürfen Sie aber! Bringt aber nix. Und wie Winnetou einst sprach zu der alten Schmetterhand: ‚Nun sind wir allein, mein Kain‘. Und etzet?“
„Der Ehrenwerte Herr Ernst Albert besucht dieser Tage seine Mutter und wir müssen uns was einfallen lassen. Alleine oder zu zweit.“
„Her mit dem Lied!“
„Da hosch es!“
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Alle Neune
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„Gerettet! Gerettet!“
„Noch nicht. Wo ist der Schwan?“
„Das Drüben hat uns gerufelt doch.“
„Ich zweifele, ob das ernst gemeint war!“
„Wir fahren trotzdem über den See?“
„Sicher!“
„Und wenn die Boote nicht fahren?“
„Dann hilft uns der Humor!“
„Damit wären wir aus dem Schneider?“
„Die Chance besteht!“
„Ohne die phantastisch schweifenden Elemente der beiden bohrenden Moll-Ecksätze bei, Katzeklo‘ kommt das Andante con moto aus. Das choralartige, von monumentaler Einfachheit gekennzeichnete Thema, gleichermaßen schlicht in seiner kadenzierenden Harmonie und seiner Melodik, wird in ,Texas‘ zum Ausgangspunkt von vier Variationen, die die Technik der ornamentalen Figuralvariation und der Passacaglia kombinieren.“
„Und wer leert eigentlich die vollen Vierbeinersanitäranlagen so?“
„Niemand! Sollen sie weiter rumstinkern! Im eigenen Sud!“
„So brauchen wir kein Lied mehr heute und keinen Reim?“
„Schlafen Sie gut. Da wären wir doch. Hier. Und heute.“
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Num’ro otto
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„Mahler! Also hier, wenn eine Acht umfällt, dann auf der Seite liegen bleibt, so ist das doch die Unendlichkeit? Oder?“
„Budnikowski! Spielen Sie auf unsere gegenwärtige Lage an in Sachen Schwabenmeerquerung?“
„Eher unbewußt! Das Boot in unserem Rücken? Eine Lösung?“
„Nicht wirklich! Früher pendelte die alte Schaluppe mal hin und her und kreuz und rüber. Jetzt werden im Sommer Sommerfrischler über den See geschippert und die Gläser klingen dazu angeregt.“
„Das ist doch doof!“
„Vorsichtig, bester Budnikowski! Die hiesigen Anrainer sind recht schnell indigniert, weist man sie darauf hin, daß sie vom Ererbten leben und dies recht wohlig!“
„Und das andere Boot unten?“
„Hält Winterschlaf. Ist im Übrigen das Lieblingsboot vom Ehrenwerten Herrn Albert. Seit jeher. Ist so alt wie seine Mutter.“
„Spricht das Boot französisch?“
„Das gab es schon vor jener Zeit. Ansonsten lag es eigentlich meist im Hafen, wo wir noch hinwollen. Drüben also.“
„Vielleicht muß das alte Boot auf dieser, eben noch unserer Seite nochmal zum Onkel Doktor, bevor es schlafen darf! Oder verdient hier jetzt mehr Geld?“
„Könnte sein so.“
„Ist auch müßig, Herr Bär, unsere Denkerei. Kommen wir hier jemals weg und rüber und drüber? Mir wird kalt und kälter von der ganzen Warterei!“
„Tja! Wenn einen das Gefühl beschleicht, das war es wohl endgültig, dann sollte man singen!“
„Auch wenn der Teppich unter Deinen Tatzen sich bewegt? Die Toten nicht folgen wollen dir und die Heiligen durch die Wände gehen?“
„Gerade dann. Mit Zimmermann!“
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Countdown to Bethlehem / Zweite Kerze brennt
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(Mahler und Budnikowski im Chor frei nach Horst Eberhards den Gerechten Werk: Eltern Kinder und Geschwister / Sorgen und Likör)
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Schein Schein Kerzelein
Die Zwei kann nit die Erste sein
Sinnlos ums Podest zu bitten
Nach der Zwo kommt man zur Dritten
Und bei der Vier
Ist’s Christkind hier
Und pustet alle wieder aus
Ei der Daus
Und unterm Tisch die fünfte Kerz‘
Im Dauerflackern himmelwärts
Das Leben ist und bleibt ein Scherz
Vorwärts Vorwärts und nicht vergessen
Die Plätzchen muß man backen
Und auch die Solidärität
Nur leider gern zu spät
Glühwein! Glüh Wein! Wein glüh!
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(Mahler und Budnikowski schwanken zum Weihnachtsmarkt. Der häusliche Glühwein war recht leggä! Wie? Mehr rief der kleine Häwelmann!)
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Countdown to Bethlehem / Klappe / Narro Narro siebe siebe / Siebe Narre sind es gsi / Ho Narro
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„Budnikowski, lassen Sie es mich so ausdrücken: Die Zeit läuft uns von dannen. Von hinten man sieht sie noch!“
„Mahler, wenn ich mich hier so umschaue, sind wir schon im Arsch oder so gut wie?“
„Angesichts einer heranziehenden Schneefront sei Ihnen die etwas derbe Ausdrucksweise gestattet. Selbst als junger weißer Hase!“
„Exweiser! Wer reimt nun heute, da der nackte Arsch in unserem Rücken weniger friert denn wir?“
„Keiner von uns. Wir entleihen ein Gespräch!“
„Wo?“
„An den Rändern! Blicken Sie auf die Uhr dort drüben und beginnen Sie, bester Budnikowski!“
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„Die Zeit ruckt. Im Kopf immer weiter schreiben. Auch im Schlaf noch. Und dabei spüren, wie die Zeit an mir zieht. Man spürt es als Schmerz.“
„Zeit lassen unterwegs. Der Weg läßt sich Zeit.“
„Daß uns die verlorene Zeit nur nicht nachträglich zur Idylle mißrät!“
„Vielleicht daß ich doch schon in diesem vorigen Winter von der Zeit und dem Wintersonntag anfing und dann nicht aufhören konnte. Gerade weil alles vergeht. Aber beim Erzählen, sobald man anfängt zu sprechen, ist immer Gegenwart.“
„Die ganze Gegend erzählen, die Zeit!“
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„Weia! Da haben wir einiges vor, Herr Budnikowski!“
„Wir setzen es zur Not in den Sand. Und jetzt singe ich das Lied! Und lasse mir vieeel Zeit! Wie man es in all den Sackgassen tun sollte, verehrter Mahler!“
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