Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 024

Dienstag, 29. September 2020 15:22

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Irgendwann nach Hause, wo immer das auch sei

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Also blickte ich hinab, Kapelle im Rücken, Schaufel neben mir (Warum eigentlich?) und dachte, ich der Archibald Mahler und Bär, daß dies da unten Meeresgrund war einst, gewaltige Gletscher hatten sich hier entlang geschoben und eine fruchtbare und menschenfreundliche Gegend geschaffen, von der die hier ansässigen Ansässigen behaupten, sie hätten diese Welt mit ihren Sandkastenschäufelchen und Eimerle mal was rein tun, selbst geschaffen, nach dem Einst. Und der Mann neben mir sitzt und erinnert sich und sieht das einstige Meer über die Obstbäume und Schilfwälder schwappen, taucht hinein in die Wasser, in dieses Meer Erinnerung. Und ich wünschte ihm, er fände Perlen und Schwämme auf dem Meeresgrund und nicht nur Tand und Tang und rostige Fahrräder. Erinnerung ist wie guter Wein, saust jung durch die müden Glieder, lässt sie zappeln, doch die alten, teuren Flaschen verklären, wie der Gesang humpelnder Geister mit irritierendem, aber wohlfeilen Duft Dir – durch Mark und Bein fahrend – lediglich die Chimären und dann schaue, was Du in den Händen hältst, tauchst Du wieder auf. Und so fragte ich mich, während der Mann seufzte und ich mir überlegte, wie man so einen Motorroller als kurzbeiniger Bär sicher nach Hause fährt, weil der Mann nicht aufhörte zu seufzen, wo ich helfen mag und kann. Das Schwerste dies zu tun, weil entweder alles falsch, was man versucht oder man selber faul und feig und eingefroren ist in Untätigkeit. Dann habe ich mich an die Schaufel neben mir erinnert. Jetzt bin ich dabei ausdauernd und wegen der alten Geschichte, die mich mit dem Mann verbindet, den Tand und den Tang und die rostigen Fährräder aus dem Meer der Erinnerung zu schaufeln. Und wenn wir die Perle gefunden haben, die wir ganz gewiß finden werden und wahrscheinlich deren etliche mehr, werden und müssen wir nach Hause fahren, weil die Wunderbare Pelagia und der ein wenig nicht ganz so wunderbare Budnikowski auf uns warten. Und dann werden wir nachdenken müssen, wann und wo wir die gefundenen Perlen teilen werden. Oder sie aufessen. Oder rumkugeln lassen. Das werden wir sicherlich sehen. So sitze ich also in Andacht versunken nach einer Zeit, nach jenen oder diesen Tagen, meine Sehnsucht pocht erstaunlich jung und dumm und das Land da unten wird geflutet mit den Tränen der Erinnerung. Dann spricht der Mann zu mir. „Was geht Dich das eigentlich alles an!“ Und ich antworte: „Ich bin einer der Berechtigten!“ Ich glaube, wir müssen nach Hause fahren. Wo immer das sei.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 023

Montag, 28. September 2020 16:53

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Jetzt fahr`n wir übern See, übern See

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Dann haben wir den See überquert. Nicht zu Fuß und auch nicht auf dem Rücken eines Pferdes. Es gibt eine Fähre. Auf der anderen Seite geht es erst mal steil den Berg hoch und das Rollergefährt des Mannes ächzte und stöhnte sich hinauf. Aber es ging und wir fuhren sinnlos und von den letzten Stunden etwas verwirrt und mitgenommen über Hügel, an Obstbäumen vorbei, besuchten ein Kloster, sahen Störche auf den Herbst warten, watend, überfuhren zwei Frösche und blickten nach rechts und links und der Mann sagte: „Schau mal!“ Auf einem Hügel thronte eine Kapelle in beeindruckender Selbstgewißheit. Es schien so, als wüsste diese Kapelle über ihre Schönheit und die Exklusivität ihres Standortes Bescheid und dies auch noch bescheiden. Der Mann – und ich kenne ihn schon lange – konnte nicht anders als da hoch zu tuckern. War etwas schwierig, weil das Dorf zu Füßen des kleinen Bethauses – wohl zu Recht – die Wege nicht ausschildern mochte. Wir parkten am Fuße des Hügels und gingen zu Fuß. Hinauf und steil, Trepp´ für Trepp´. Der Wahrheit die Ehre, mich den Bären hatte man hinaufgetragen. Der Mann ächzte und stöhnte wie sein benzinfressendes Gefährt. Nun gut. Er ist alt und der Weg hinauf war steil. Ich sang derweilen dieses Lied vor mich hin. Warum? Weil ich es toll finde. Und dann saß ich da und blickte hinab und freute mich. Und wir kamen zur Ruhe. Ich, der Archibald Mahler und der Mann auch. Es ist ein schönes Land, das Land da unten. Dann habe ich es mir in Ruhe angeschaut.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 022

Samstag, 26. September 2020 15:41

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Die Vermissten in den Kisten

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Ich hatte den Mann allein gelassen. Er wollte das so. Das fiel mir, Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, gelegentlich und zurzeit unterwegs, schwer, ziemlich schwer. Wenn wer, der einem nahe ist, durch die Welt wankt und den Boden unter den Füßen verlieren will, mag man lieber wegschauen. Das hilft aber nicht. Weder dem Betrachteten noch einem selbst als Betrachter, in diesem Fall mir, Archibald Mahler und so weiter. Der Mann irrte herum, wusste aber offensichtlich genau, wohin zu irren sei. Er blieb stehen. Sprach: “Hier! Da war es. Ja. Genau. Sicher. Vielleicht. Ich weiß nicht mehr. Doch. Ja. Soll sein. Doch! Denke schon!” Der Mann nahm mich hoch, setzte mich nieder und da war ich, wo ich jetzt bin. Saß im Gras. Der Mann grummelte vor sich hin. „Solange man nicht selber in der Kiste liegt, sollte man nicht vorgeben zu wissen!“ Ich dachte mir meinen Anteil. Woran auch immer. Und sagte nichts. Dann setzte sich der Mann neben mich. Er sagte ebenfalls nichts. Wir schwiegen. Unter unseren Pötern Staub, Knochenreste, Erinnerungen, Vorwürfe, Einbahnstraßen, ein Ach, noch ein Ach und etliche Ohjemines. Dann stand der Mann auf und lächelte. „Laß uns einfach hier etwas Freundliches hinterlassen!“ Ich habe da gerne mitgeholfen. Die gelbe Blume habe ich gepflückt.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 021

Donnerstag, 24. September 2020 16:33

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Vom Unfrieden trotz der Ruhe

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Ich, Archibald Mahler, erinnere mich. Vor Jahresfrist? Dort oben an der Förde, wo ich gerne weile, wenn der Ehrenwerte Ernst Albert mich mitnimmt, da er dort musentempeln darf. Auch wenn der Wind so heftig bläst, ich mich kaum festhalten mag und die kreischenden Möwen nach den Fischbrötchen schielen. Jetzt vor Jahresfrist saß ich vor einem Grab, sah bunte Gießkannen an Haken – hörte ich sie im Fördewind aneinander klackern? – und zwei Frauen stritten laut miteinander. Da oben im Norden. Den Streit hörte ich ganz gewiß, das Klackern vielleicht. Ich weiß aber nicht mehr, ob das jetzt Leben war oder Musentempel. Der Ehrenwerte Ernst Albert hatte mir des Öfteren erzählt, wie schwer es sei Leben und Theater und umgekehrt nicht miteinander zu verwechseln. Also meine Erinnerung aber ist, daß die zwei Frauen, die an dem Grab standen, ob das jetzt Leben oder Musentempel war, sich herzhaft darüber in die Haare gerieten, wer da ruht unter der frisch aufgehäuften Erde. Je länger ich zuhörte, dachte ich, da liegen zwei Leichen in der Kiste. Weil, was die eine und dann die andere gewesen sein soll: das kann nicht nur ein Mensch gewesen sein. Und wenn ich mir vorstelle, da stünden jetzt so hundert Aufrechtgeher, was ja bei Beerdigungen vorkommen soll, dann braucht man ja ein Massengrab. Ich weiß, daß ist pervers die Tage, aber ist leider so. Und ich, als Freund der Ruhe in allen Bärenlebenslagen, fragte mich, ob man das hört da unten, unter der Erde, in der noch nicht verrotteten Holzkiste, oder Zink auch, wenn da oben rumgezankt und bessergewisst wird. Oder wie auch immer. Will man dann wieder rauskommen aus der Gruft und sagen und zur Not auch brüllen: „Haltet doch endlich mal die Schnauze und laßt mich hier in Ruhe liegen, das Leben war anstrengend genug.“ Oder ist einem das dann Lachs wie Honig, wenn da oben die Analysten sich verdribbeln in ihren angeblich exklusiven Erinnerungen? Ich weiß es nicht. Der Ehrenwerte Ernst Albert war still geworden, sehr still und strolchte zwischen den alten Bäumen umher. Er suchte. Er suchte sich zu erinnern. Er ließ seinen Füßen freien Lauf. Die würden schon wissen, wo sie hinlaufen sollen. Fast fünfzig Jahre später. Es gibt eine Art der Erinnerung, die einen an die Hand nimmt und ins Ungewisse leitet. Von der man erst dann weiß, wenn Erinnerung einen streift und gar packt. Dies kann dauern. Da schweigt man als Zuschauer. Ich lasse den Mann jetzt allein in seiner Einsamkeit. Besser iss.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 020

Samstag, 19. September 2020 10:53

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Vom Wachturm und der Hinabschau

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Manchmal sei der Rückblick auch eine Hinabschau, denn Erinnerung ohne Abgrund sei Boulevard, aber keine Geschichte, sagte der Ehrenwerte Ernst Albert, als er mit mir in einem Lokal saß, in dem er schon unzählige Male seit frühester Jugend gesessen war, dort viel erlebt hatte in all den Jahren und bei jeder Heimatvisite dort ein bißchen rituell einkehrte und gerne zurück, aber auch hinab blickt. Das Lokal ist spanisch, hat seit Jahrzehnten die unveränderte Speisekarte, teurer nur halt, aber immer noch genauso olivenöltriefend wie einst. Inzwischen kocht und bedient die Enkelgeneration, aber der alte Chef und einige Wegefährten arbeiten immer noch dort, obwohl sie längst in Rente sein könnten. Aber ohne ihr Kind, das Lokal mit der spanischen Sonne im Namen, wären sie wohl schon längst unter der Erde. Und weil gestern vor 50 Jahren der größte aller Musiker der elektrisch lauten Musik gestorben war, erzählte der Ehrenwerte Ernst Albert von einem anderen Lokal, auch mit der Sonne im Namen, aber in Deutsch, wo er sich früher oft mit seinem alten Freund, den er dieser Tage nach vielen Jahren wieder getroffen hatte, zum Nachmittagsgetränk verabredete. Und in dieser alten, etwas ranzigen Kaschemme stand in der Ecke eine Jukebox und der Freund drückte dort jedes Mal das eine Lied, das der Unvergleichliche sich von dem Meister Robert Zimmermann, den ich ja inzwischen gut kenne, ausgeliehen hat und auf seine unnachahmliche Weise zu einem eigenen gemacht hat. Und der Freund drückte das Lied bis zu fünfmal hintereinander. Und alle haben es gerne gehört. Sogar die jugoslawischen Kellner. Hier ist es und alle sollten es fünfmal hintereinander hören. Sagt der Ehrenwerte Ernst Albert. Und dann würden wir an einem Ort fahren, der nicht einfach wäre. Das aber nach den fünf Liedern, die ein Lied sind.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 019

Freitag, 11. September 2020 22:00

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Es regnet und Lebbe geht weiter und zurück

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Der Regen wurde intensiver, nur kurz, aber umso heftiger. Mir, Archibald Mahler wurde freundlicherweise der Helm des Chauffeurs übergestülpt. Fand ich gut, da ich immer noch nicht ganz durchgetrocknet war und falls einem der Himmel auf den Kopp fallen sollte, sowieso. Der Chauffeur tanzte immer noch hemdlos auf der Wiese rum. Dann wurde auch er müde. Saßen wir also wieder rum auf der Bank vor dem Schloß (ohne Foto) und schwiegen mit den Resten des warmen Dosenbieres zu unseren Füßen. Und dann wurde es ernster. Also der Ernst Albert, der Ehrenwerte und mein Chauffeur sagte, er müsse jetzt mal wieder in den Rückspiegel schauen. Dachte ich also, ich auch tu das mal. Erinnern schadet nicht immer. Sehen wir also, welche Geschichten uns von hinten her anfassen werden.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 018

Donnerstag, 10. September 2020 18:24

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Unter der Sitzbank und die Sache mit der Vorfreude

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Ja, ich, Archibald Mahler der Bär, hatte mich gefreut. Weiterfahren. Trotz mangelndem Tempo und Spritgestank. Aber jetzt muß ich mal petzen. Uff. Schon wieder über ein Wort nachdenken. Meine Vorfahren wurden gerne als Meister Petz benannt. Sind wir untreue Hintenrumtomaten, die sobald der Gefährte von der Bildfläche verschwunden mit dem langen Finger hinzeigen? Petze, Petze ging in Laden, wollt für ‘nen Fünfer Käse, Lachs, Honig und Liebe haben? Das ist mir jetzt Bisonwurst. Also: Das Foto da oben. So reise ich. In Papiertüte neben Bisonwurstsemmel, Dosenbier, Tempotaschentüchern und einem Alibiapfel. Gesunde Ernährung und so! Natürlich kann man mich nicht sehen. Ich bin die Papiertüte. Und dann holt man mich raus und setzt mich auf den Zaun, schießt ein Foto und die Bierdose zoscht. Das sei ein Schloß. Nee! Nee! Nee! Das ist das Gesindehaus. Da habe ich schon was mehr erwartet. Dann wird der Mann, mit dem ich reise und der meine Gedanken lesen kann, etwas fuchtig und sagt: „Kannst auch laufen!“ Hat er jetzt nicht recht, aber vielleicht doch. Aber dann wird es doch noch schön, da oben auf dem JAMMERBERG über FREUDENTAL, quatsch, auf dem FREUDENBERG mit Blick auf das JAMMERTAL. Und sogar das ist hier unten im Heckerland einfach nur eine Augenweide. Muß ich jetzt mal petzen. Und dann krieg ich sogar ein Stück Apfel und einen Schluck Dosenbier ab. Letzteres war nicht so dolle. Ich habe es aber überlebt. Und es hat auch geregnet, als wir saßen und schwiegen und guckten ohne Kommentare, um keine Missverständnisse aufkeimen zu lassen. Sogar der Regen hier ist sehr sanft auf meinem Fell gelandet. Finde ich. Mein Chauffeur hat sich das Hemd vom Leib gemacht. Petze ich mal. Das war sehr lustig. Morgen wird es wieder ernst. Und ohne Verratungen.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 017

Mittwoch, 9. September 2020 13:52

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Keine Bank heute, aber ein Liegestuhl auf dem Weg zum eigenen Schloß

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Manchmal gibt es Worte, die mich, Archibald Mahler, Bär aus Mittelhessen und derzeit im Heckerland durchnässt von lokalen Ergüssen auf einem Liegestuhl mit Blick jetzt nicht mehr nach Meersburg – liegt mir nun im Rücken und hinter der Hecke meines Gastgartens – zum Nachdenken zwingen. Wobei ich sagen muß, froher wäre ich, wenn mich der Nachdenkzwang etwas seltener heimsuchen würde. Na ja. Vielleicht trocknet man dann schneller wieder. Wenn man und es in einem denkt. Egal. Also das Wort. FREUDENTAL. Ich dachte eigentlich immer die Freude ist oben und im Tal der Jammer. Und dann schreibe ich mir vor meine Karusselgedanken hin: JAMMERBERG. So als Antithese. Nochmal ein na ja. Aber der Aufrechtgeher mit dem ich unterwegs bin, will mir ein Schloß schenken in Freudental. Und singt die ganze Zeit ein bescheuertes Lied, während ich mich auf das Trocknen meiner Innereien konzentriere. Manchmal ist Urlaub eine solche Zumutung wie das Leben. Ich befürchte, bald muß ich wieder ins nach Sprit stinkende Gepäckfach. Und Butter und Honig bei die Lachse: Ich freu mich drauf.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 016

Dienstag, 8. September 2020 17:14

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Rollende Bank revisited (und was ich nicht will vergessen)

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Wir fuhren nach Hause. Und wir waren schnell daheim. Dann brach ein Gewitter auf uns herab. Starkregen wird das heute genannt. Wir, also ich, Archibald Mahler und mein Chauffeur waren müde und noch zu erfüllt vom heutigen Tag und wollten uns nicht unterstellen als uns die Wasserwucht schier von der Straße spülte. Es prasselte auf uns herab und wir saugten uns auf mit dem Nass, wegen dem sich bald die Aufrechtgeher prügeln werden. Später wurde ich zum Trocknen an die Wäscheleine getackert. Ich kann Meersburg sehen von oben an meiner Leine hängend. Die Sonne scheint wieder auf mich herab. Jedoch: Da die Nässe mir in die Eingeweide schoss, kann es dauern bis ich wieder trocken denken mag und das auch will. Morgen kaufe ich mir ein Schloss. Oder lasse es mir schenken.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 015

Dienstag, 25. August 2020 16:48

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Rollende Bank (wider und für das Vergessen)

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Jetzt sitze ich auf einer hochgeklappten Bank, die hoffentlich bald losrollt, ich Archibald Mahler, aber mein Namensgeber ist nicht zu greifen. Er ist wohl im Gebüsch. Mal kurz. Es ist noch heißer geworden und ich will nach Hause. Wo immer das auch sein mag. Andererseits habe ich viel damit zu tun, darüber nachzusinnen, ob ich vergessen will oder besser nicht vergessen sollte. Da war dieses Männchen, das gerne wutschnaubend wegen geringster Probleme in die Luft fuhr und dann von einem nikotinverkaufenden Grinseteufel im Königsmantel auf den Boden der eigenen Unzulänglichkeiten runtergeholt wurde, gleich darauf debil und glücklich grinste, um am nächsten Tag wegen eines krumm in die Wand geschlagenen Nagels wieder in die Luft zu fahren. Nun, das weiß ich nicht, das hat mir der mittagsbebierte Namensgeber erzählt und deshalb ist er jetzt im Gebüsch. Kurz und mal. Was ich aber im Moment gar nicht vergessen kann, neben diesem Männchen stand ein Abbild meiner Ahnen, groß und grob in Holz gehauen und so einem stand ich vor zwei Monaten im Erzgebirge gegenüber und machte mir so meine Gedanken drüber, wer und was und ob ich überhaupt und was so alles in einem Bären schlummern kann. Die Wut? Wut tut gut und braucht aber gelegentlich ein Nichtvergessen. Gibt es aber Wüte, die unnötig, Wüterei, die unbedingt ein Vergessen herbeibeten sollte? Mit meinem Namensgeber kann ich nicht darüber parlieren. Ich glaube und befürchte, der weiß zur Zeit gar nicht, was er sich merken und was er alles vergessen will. Da kommt er. Und sagt, ich müsse mich noch etwas gedulden, weil sein Zustand und die kleine Mopedmühle eben nicht zusammenpassen. Einen baldigen Aufbruch könne ich vergessen. Das vergesse ich ihm nie. Bei dieser Hitze. Dann holt er ein Buch aus dem Gepäckfach unter der hochgeklappten Bank, die schon längst hätte losrollen sollen, setzt sich in den Schatten und beginnt zu lesen und mir vor. „Es gibt nichts zu verstehen für die Leute, die nie weggegangen waren!“ Das merke ich mir. „Heute morgen habe ich auf meinem Riff gesessen, wenn es noch meins ist. Ein windiger Tag. Da muß man gar nicht auf die Idee kommen, irgendwohin zu wollen, weder nach Hause noch weg von zu Hause.“ Das muß ich mir merken und will es nicht vergessen. „Endlich wirst du vernünftig, mein Lieber, ruft Jan zu mir herüber. Er steht ein wenig abseits und pisst in den Straßengraben. Es ist unglaublich still hier draußen. Ich habe ein paar Kornblumen gepflückt. Mohn fehlt mir noch, auch wenn er sich in der Vase nicht hält. Jan kommt mir helfen. Er schnauft. Als er näher kommt, rieche ich seine Fahne. Auch ich habe eine, das muss so sein, auch wenn ich sie gerade nicht rieche.“ Jetzt vergesse ich, daß es heiß ist und ich nach Hause will. Ich höre zu und mein Namensgeber liest über den besten Freund des Geschichtenerzählers und der hat nur noch ein Bein und der Geschichtenerzähler, der wieder nach Hause gezogen ist, weil er nicht vergessen kann oder weil er vergessen will, fühlt sich schuldig, und ich denke an mein abbes Bein, welches die wunderbare Frau meines Namensgebers wieder an mich dran genäht hat, was ich nie vergessen kann und werde, aber könnte, weil sie es ja getan hat und Stunde um Stunde vergeht und das ist das beste aller Bücher, was mir je vorgelesen wurde. Vor allem heute, an diesem heißen Tag, hier oben in Britisch Kolumbien. Kann man ein Buch in vier Stunden weg lesen? Man kann, wenn es einerseits so gut ist und es einem zwischen die Augen seines gegenwärtigen Zustandes haut. Mit wuchtiger Faust. Weil man eben gerade darüber nachsinnt, was man vergessen mag und was besser nicht. Wenn ich mal reich bin oder wenn mir mein Namensgeber viel Geld leiht, schenke ich das Buch allen, die mir wichtig sind und die ich nicht vergessen will. Dann springt die rollende Bank an, stinkt und knattert, es ist schon dämmerig und wir fahren nach Hause. Wo und was das immer sein mag. Gut, daß ich mich nicht festhalten muß. Ich liege neben dem Buch im Gepäckfach und der kleine, aber eifrige Motor verbrennt mir schier den Pöter. Das ist mir egal. Manche Schmerzen vergisst man besser und schnell. Dann kann man sich wieder erinnern an das, was man nicht vergessen sollte. Das war ein schöner Tag. Bei den Bisons.

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