No, no, no: it ain` me, babe / part five this is

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Das Buch, welches zu seinen Füßen lag, dafür hatte Archibald Mahler keine Zeit noch nicht. Also keine Lust eigentlich auch, ehrlich gesprochen. Dieses Jahr nichts Neues mehr. Nein. Und nö! Mahler betrachtet den Bären vom Feldberg. Sein Abbild. Bildnis. Bild. Was auch tun, nun da Budnikowski um die Ecke. Das Abbild. Bildnis. Bild. Es schaut zurück, aber es schweigt. Ein Patient habe den Bärenvetter einstens dem Onkel Doktor am Fuße des Seebuck überreicht, hatte der ehrenwerte Herr Ernst Albert berichtet, als Dankeschön überreicht für wieder gewonnene  Gesundheit. Wer nun war dieser unbekannte Patient? Ein Skifahrer oder Schneebrettrutscher, der seine Grenzen im Geschwindigkeitswahn übersprungen hatte – es lebe der Spocht! – und seine Knochen geschreddert hat? Ein feuchtfröhlich dreister Wanderer aus flachem Land, der in Sandalen an regennassem Tag sich als Gipfelstürmer sah? Ein Zappelkind, von seinen überehrgeizigen Eltern mit allem versehen außer Respekt, welches aus dem Sessellift auf grüne Piste gestürzt war? Keine Erkenntnisse nirgendwo, Spekulationen allenthalben.

Archibald Mahler hat sich inzwischen an die Spiegelung seiner selbst gewöhnt. Partiell. Jene Augen: seine Augen. Jenes Fell: sein Fell. Jene Nähte durchziehen auch sein Fell. Einst schon? Heute gewiß aber. Was geschah damals in Sonneberg? Falls es dort geschah. Nur ein Gedanke, der Mahler durchzuckt. Wir wissen nichts. Noch. Vielleicht doch das Buch am Fuße seiner Tatzen betrachten, denkt der Bär und sacht sich zugleich: Nö! Nö! Nö!

In der Küche klirren Gläser. Budnikowski bereitet den Jahresabschluß vor. Das hat Priorität. Aber einer geht noch, ein Gedanke, ein Beschluß. Mahler spricht. Zum Abbild. Bildnis. Bild.

„Hör zu! Ich gebe Dir einen Namen, Du anderer Bär, der mir so ähnlich, den ich nie sah, seit Tagen aber sehe vor mir. Deine Augen: meine Augen. Dein Fell: mein Fell. Diese Nähte Dich zusammenhaltend, die auch durchziehen mein Fell. Und jucken gelegentlich. Dich vielleicht, sicher mich. Du Bild nur vor meiner Nase und sonst Du lediglich ein dürrer Bericht des Herrn Ernst Albert. Ich benenne Dich nun. Du bist jetzt der ANDERBÄR. Oder besser noch und international: THE UNDERBEAR. Das klingt nach Blues und Geheimnis und Roadhouse. Oder doch lieber nur ANDERBÄR? Weil 2015 soll doch alles klarer und einfacher werden. Mal gucken. Doch weil ich noch nichts beschlossen habe, hast Du noch keinen endgültigen Namen, aber wirst hiermit in Kenntnis gesetzt, daß eine Namensgebung unmittelbar bevorsteht. So weit. So gut. Und bis später dann, FELDBÄR!“

Archibald Mahler will sich erheben, stößt mit seiner rechten Fußtatze gegen das Buch zu seinen Fußtatzen, der Buchdeckel ploppt kurz nach oben und Mahler steckt seine Nase zwischen die Seiten.

„Aha! Sehr schön! Der Anfang schon mal!“

Dann beginnt der letzte und erste Archibald Mahler sich zu kratzen. Denn da juckt ihn etwas. Aus der Küche tönt ein Lied. Budnikowski lacht.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Dienstag, 30. Dezember 2014 20:34
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