Bemerkungen zur Feier allgemeiner Naivitäten

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(„Mein Gott, sind die doof. Das weiß doch jeder, daß die Sonne niemals vom Himmel fallen kann.“ Man hört sie schon rufen. „Wir müssen die Sonne öfters testen, damit so etwas nicht mehr vorkommen kann!“ Man hört sie schon rufen. Man darf davon ausgehen, daß die Sonne die Rufer nicht benötigt. Jetzt liegt sie erst mal im Launsbacher See. Noch schweigen die Rufer. Sie haben nichts mitgekriegt. Noch haben die Medien nicht gezuckt. Stille? Fast. Mahler und Budnikowski plappern weiter und bleiben erst mal doof.)

„Wie muß das damals – vor der Einführung des Großen Bescheidwissens – gewesen sein, Mahler, als man am Ufer saß, die Dämmerung sich ankündigte, die Vögel, Blätter und Winde plötzlich schwiegen und die Sonne im Meer versank und keiner konnte sich sicher sein, daß dies nicht für immer und ewig ihr letzter Auftritt am Firmament gewesen war?“

„Es wäre interessant darüber nachzusinnen, ab wann sich ein Kind sicher ist, daß die eben angebrochene Nacht keine unendliche bleibt, mütterliches Gebet hin oder her!“

„Mit zunehmendem Alter soll ja wieder die Angst vor dem Schlaf und dem Fall und der Nacht aus den Kissen kriechen, ahnend daß sich bald die letzte Klappe unter den wackligen Füßen auftun mag!“

„Budnikowski, keine Dankbarkeit ohne eine ordentliche Prise Finsternis! Den nächsten Tag, oh Herr, den schenk mir noch!“

„Verpesten deshalb die Aufrechtgeher die Nächte mehr und mehr mit Gefunzel und Geleuchte? Und verjagen alle Dunkelheit?“

„Das hätten sie gerne, die ewige Kontrolle. Die Hand fest am Steuerknüppel auf ihren Reisen durch die schwarzen Löcher! Draußen das große Blinken und drinnen in der Brust dräut es wie unbeleuchteter Bärenenddarm.“

„Wenn ich Sonne wäre, würde ich eine Weile lediglich die Rückseite des Mondes bescheinen und ansonsten Lampen aus!“

„Ach, Budnikowski, und bei Ihrer geflissentlichen Rückkehr erwarten Sie dann wohl noch Erkenntnis und Dankbarkeit? Das vergessen Sie mal ganz schnell!“

„Mahler, mir hätte ja gereicht, wenn die ganzen Blechkisten in unserem Rücken einfach mal ein halbes Stündchen am Fahrbahnrand geschwiegen hätten.“

„Sie sind naiv und dafür liebe ich Sie!“

„Haben Sie gesehen, wie – kurz bevor die Sonne ins Wasser fiel – sich alle Schwäne schweigend in einer Ecke des Sees versammelten hatten und sogar die Nilgänse die Luft anhielten? Kann man das als eine Form der Dankbarkeit bezeichnen?“

„Zumindest ist es kein Ausdruck unreflektierter Anspruchshaltung!“

„Und was machen wir jetzt, da die Sonne sich entfinstern will?“

„Ich wollte dem Herr Albert schon länger mal einen längeren Brief geschrieben haben wollen!“

„Ja dann machen Sie mal hinne, Mahler!“

„Und Sie, Budnikowski?“

„Eier unters Volk bringen und dann nach Hause und in die große Glaskugel geblickt, was die Zukunft so bringen mag! Vielleicht gehe ich auch nur in mich!“

„Fein! Wenn Sie wieder rauskommen, sagen Sie Bescheid!“

„Wird gemacht!“

„Und immer schön doof und naiv bleiben! Experten haben wir genug an den Hälsen!“

„Mahler? Gibt es eigentlich auch Experten für Naivität?“

„Vielleicht haben Sie einen neuen Job! Bis bald, Budnikowski!“

„Ei ei ei!“

(„Mein Gott, sind die doof. Das weiß doch jeder, daß die Sonne niemals vom Himmel fallen kann.“ Man hört sie rufen. „Wir müssen die Sonne öfters testen, damit so etwas nicht mehr vorkommen kann!“ Man hört sie rufen. Man darf davon ausgehen, daß die Sonne die Rufer nicht benötigt. Jetzt klettert sie langsam aus dem Launsbacher See, frottiert sich ab und steigt und steigt und steigt. Noch schweigen die Rufer. Sie haben nichts mitgekriegt. Noch haben die Medien nicht gezuckt. Stille?)

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Donnerstag, 2. April 2015 20:20
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