Beiträge vom 31. August 2015

Am Rand des Verderbens / Leere und Hoffnung

Montag, 31. August 2015 9:08

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Wüst und leer das Grasland. Keine Helden durchstreifen die Weite. Kein unruhiger Huf tritt die Halme. Der Morgen nach einer stürmischen und regnerischen Nacht liegt müde auf den geknickten Gräsern. Der Pfiff eines Präriehundes noch sirrt und dann fällt die bleierne Stille herab. Ein jeglicher Wind schläft. Der gelbe Planet erklimmt den Thron und brennt sich erbarmungslos in den aufsteigenden Tag hinein. Die Wundränder des Verderbens ziert eitriger Schorf. Die Koyoten schweigen in den Büschen, in denen sie lagern. Sie nagen einen letzten Knochen.

Selbst die eitle Hoffnung leugnet nicht den Tod, doch sie hofft der Sensenmann möge in den täglichen Kämpfen, die sich die Weiten der Prärie als Schlachtfeld gewählt haben, an den richtigen Türen klopfen, die leise Erwartung betet, er möge die Aufrechten verschonen, auf daß man weiterhin ihren Reisen folgen dürfe. Doch es herrscht keine Gewähr unter der brennenden Sonne. Das Große Schlachten kennt sie nicht die Guten, kennt sie nicht die Bösen, das Große Schlachten findet statt und badet in Drachenblut. Der naive und doch gerechte Glauben an eine weise Hand, die das Getriebe der Welten in freundliche und schonende Bahnen lenken möge, steht Tag für Tag und jeden Morgen wieder, den die Götter auf das weite Land, die Schluchten, Täler und Berge werfen, an den Wundrändern der ewigen Abgründe und zittert in Voraussicht. Die Prärie durchweht der bittere Hauch Hoffnungslosigkeit. Häuptling Kleines Abbes Bein und sein Gefährte Old Schmetterpfote scheinen ihre Pferde ein letztes Mal abgesattelt zu haben, sie scheinen nicht mehr zu sein als tränennasse Erinnerungsfetzen, gelagert in einem mürben Schuhkarton. Die Klapperschlange rüttelt ihr Hinterteil. Wir erschrecken nicht einmal mehr, geschweige denn vor uns selbst.

Auf einem Felsen unterhalb des geschändeten Heiligtums der Kamschatka – Bear lag und liegt der gebleichte Schädel. Fliegen durchsummen seine hohlen, ausgeweideten Augen, jene Pforten eines Palastes der Letzten Erinnerung. Welchen Helden trug früher dies dahingegangene Ross? Brach dereinst sein Lauf, in halsbrecherischer Flucht vor den Horden des Gewinnstrebens? Setzte ein untröstlicher Westmann die Flinte an den Schädel des gestürzten Freundes, ‘alternativlos’ wie der Zyniker Mantra raunt? Hat Kinky Claude sein Ziel erreicht? Hat die Habgier wieder einmal erfolgreich das Zepter ergriffen? Müde durchblättern wir ein Buch und lesen, was der Chronist Rainald G. vor kurzem niederschrieb:

„Diese rattig auf Schläue angelegten Typen entwickeln eine besonders effektive Wendigkeit am Arbeitsplatz, machen Karriere, weil sie die Regeln des Sozialen auf ihren eigenen Vorteil hin kalt belauern und unirritiert von allem Seelischen, Menschlichen und Zwischenmenschlichen nur für sich selbst ausnützen und ihre eigene Tiefenamputiertheit, ihren perfekten Zynismus als Professionalität bezeichnen. (…) Der andere Mensch ist total anders unterwegs.“

Wir atmen tiefer ein und bitten die Hoffnung unsere ängstliche und wütende Brust zu weiten. Möge der Schädel andere getragen haben denn unsere beiden Helden! In der Ferne lodert auf ein Götzenbild.

(Fortsetzung folge!)

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Thema: Archibalds Geschichte, Die Reise ins Tal | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth