Anleihen. Ansinnen. Anleid(t)ungen. Sechs.

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Wenn der Wind einschläft, erwacht die See

„Also folgen wir dieser Spur.“

„Ja!“

„Oder sagt man diesen Spuren?“

„Unter einer Spur, teurer Budnikowski, liegen vermutlich weitere Spuren. Unsicht-, aber auffindbar.“

„Treten wir nun in die Mitte der Abdrücke oder gehen wir, na sagen wir, entlang?“

„Wir folgen. Die Schrittlänge scheint außerdem unsere Möglichkeiten zu überschreiten.“

„Wahr gesprochen. Kann man denn in diesem Zusammenhang auch von Fährte sprechen, teurer Gefährte Bär?“

„Vielleicht. Wenn wir unter die Fußabdrücke schauen. Bleiben wir aufmerksam und üben uns im Lesen, können wir Dinge entdecken!“

„Steht da was Erhellendes in Ihrem GehBuch? Dem zweiten?“

„Gewiß! Unter FÄHRTE wird Ralph Waldo Emerson zitiert: Alle Dinge zeichnen unablässig ihre Geschichte auf… nicht als Fußabdrücke in Schnee oder Erde, sondern in Form vielerlei Spuren, die kürzer oder länger überdauern, eine Kartographie ihres Vorübergehens. Der Erdboden ist überall von Hinweisen und Zeichen überzogen: und jedes Ding ist über und über mit Spuren bedeckt. In der Natur geschieht die ständige Fährtenlegung automatisch, und ihre Aussage verhält sich zum Geschehen wie der Abdruck im Wachs zum Petschaft.

Petschaft! Alte Worte von alten Dingen klingen!“

„Fährten sind auch diese!“

Und mit dem West im Rücken folgten die Gefährten der Spur und gelangten rasch an die Ostspitze der Insel. Und was ragte vor ihnen? Ein bizarrer Wald von Wasser, Salz, Wind und Sand geformter Stangen, Pfählen, Hölzern, wunderliche und unheimliche Kunstwerke, geschaffen von den ewigen Verwitterern. Was war dies, was vor den staunenden Augen lag? Reste eines Steges? Eine alte Anlegestelle? Ein Hafen gar? Hütten, um längst verbrauchte Güter zu lagern? Ein untergegangenes Dorf? Und während man schaute und riet und vermutete, schlief ihr ständiger Begleiter, der Wind, ein. Die plötzlich einsetzende Stille währte dennoch lediglich wenige atemholende Minuten, bis draußen vom Meere ein unheilvolles Tosen heranrauschte.

„Weia Budnikowski, da kommt was auf uns zu!“

„Ach du lieber Himmel!“

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(text / fotos: christian lugerth)

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Donnerstag, 8. März 2018 17:47
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Anregende Buchstaben, Ansinnungen 2018

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