Hoy und Woj und der Osten / Und Gundi hilft V

hoywoy09

Selbstredend fuhren hier keine Schichtbusse mehr ab, welche Jahre / jahrzehntelang /  tausende / zehntausende / abertausende / dauermüde / disziplinierte / frustrierte / verkaterte / zwangsverpflichtete / freiwillige / hoffnungsbereite / funktionierende / stolze / aufrechte / fluchende / lachende / optimistische / mitlaufende / sich wehrende / lediglich und das zu Recht / ein oder mehrere Leben lebende / wie da wären: Maschinisten / Baggerfahrer / Schlosser / Heizer / Rohrleger / Elektriker / Telefonisten / Fahrer / Fertigungsmechaniker / Lageristen / Brunnenbauer / Mechatroniker / Köche / Essensaufleger / Brigadeleiter / Handwerksmeister in die Tagebaus und Kombinate brachten.  Tag für Tag: Herzschlag / Taktung / Pendel / Struktur / Gnadenlosigkeit. Ein Vorteil dabei? Na ja! Man kommt auf weniger der dummen Gedanken. Auch nicht klüger. Und wenn dann auf ganz andere. Die freie Zeit diktiert die Stechuhr. Die Stechuhr aber ist Mitglied der Partei. Ziemlich gnadenfrei. Außer die Natur schlägt zurück.

Zurück zum Fahrdienst. Der Ehrenwerte Ernst Albert hatte ein Fahrrad gemietet. Zu einem Tagespreis von dem man in den westlichen Provinzen unseres immer noch geteilten Staats bei Abschluß eines ähnlichen Mietvertrags bestenfalls ein Selfie von sich und dem Zweirad machen darf. Hoy und Woj also rauf auf den Gepäckträger. Die legendäre F 97 gen Norden. Scheibe. Burghammer. Schwarze Pumpe. Dann links ab gen Welzow. Dort wird noch gebaggert. Der Fahrradweg dorthin ist kein Parkettboden. Die Felder und die Wälder und die zu durchfahrenden Straßendörfer erfreuen die Herzen, nicht die Bandscheibe des Piloten. Den Passagieren ist dies wurst. Es gibt ja einiges zu besprechen.

„Meister Woy? Existieren Helden? So und überhaupt?“

„Nun, eher als traurige Variante. Ein ständiges Taumeln hin und her zwischen Optimismus und Depression. Vielleicht gar nur der Ausdruck einer virulenten Starrköpfigkeit!“

„Geklaut Bär, geklaut und Verwurstung!“

„Ich gestehe: Petzow: 20.1. 1963.“

„Wie? Petzow? Bäringshausen? Grisslingen? Tatzow?“

„Witzhase, dämlicher. Petzow, Schriftstellerheimrefugium. Damals. DDR.“

„Aha. Die Tagebücher auf Ernst Alberts Nachttisch. Ein Bär ist verliebt!“

„Naja. Meine Felligkeit und eine tote Autorin? Aber ich gestehe Anrührung und … Ich möchte nun schweigen!“

(Rumpeln. Pumpeln. Schlagloch. Fragloch. Etliche Kilometer voller Stille. Nur der Pedalist keucht. Dem Hasen ist es zu schweigsam. Er tritt nach vorn. Weitere Worte.)

„Also ich finde diese Ausdrücke, die real altvorderen schon, wie soll ich sagen, ich lasse sie gerne über meine Lippen rutschen!“

„Ich höre!“

„Nu: Brigade. Kombinat. Proletariat. Maschinist. Oder hier, hömma die Pöhlervereine: Lokomotive, Energie, Empor, Motor Süd, Union, Anker, Volksstimme, Freiimfelde, Waggonbau und meine absolute Lieblingstruppe: Stahl Brandenburg. Schon allein wegen die  alten Verbundenheiten mit dem Ziegenbart.“

„Begrifflichkeiten und Reime. Andere verbanden und verbinden damit Erinnerungen, die entschieden dunkler sind als Braunkohle!“

(Daraus ergibt sich ein Schweigen. Das Fahrrad rollt weiter. Und die Zeit.)

„Scheiße, iss dat der Mond da unten?“

„Ne, Towarez Budnikowski! Das ist wohl ein Tagebau!“

„Und da sollen wir jetzt runter?“

„Glück auf!“

„……… Glück? Dann mal auf!“

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Dienstag, 6. August 2019 16:27
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