Beiträge vom 7. April 2020

Vorletzte Fragen in diesen Tagen / Dreizehn

Dienstag, 7. April 2020 21:28

engel27

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Es fährt kein Zug ins Irgendwo und der ewige Misthaufen duftet

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„Man muß den Zug nicht nehmen. Muß man den Zug nehmen, den man nehmen sollte? Ist es entscheidend, ob ein Zug irgendwo hin fährt oder ob er weg fährt? Wer fällt die Entscheidung? Ein jeder Zug fährt ab, also von irgendwo weg. Muß er ja, um irgendwo hin zu gelangen. Also gibt es keine Nur–Hin – bzw keine Nur–Weg–Züge. Demnach existieren vorrangig Beides- oder Sowohl-als-auch–Züge. Wenn man genauer hinschauen mag, sind dann die Hin–Züge Sollzüge und Weg–Züge Wollenszüge? Oder umgekehrt? Es wird immer was aufgegeben – nicht nur Gepäck – bei einem HIN und gerne was gewonnen dann. Aber wer sagt, daß im Wegfahren überhaupt ein größerer Gewinn verborgen liegt? Was geht verlustig? Also – stop mal – schlußfolgert man nun der Weg–Zug ist eher der Sollzug, der Hin-Zug der Wollenszug? Soll man das so wollen? Oder? Ich weiß nicht!“ Dachte Archibald Mahler in der Reisetasche des Ehrenwerten Ernst Albert und dies recht laut. Und unruhig.

Man muß auch nicht, bedrückt einen etwas, damit das Gegenüber eins zu eins – wie es so nett im Küchenschypsologielatein heißt – „konfrontieren“. Da ist manchmal eine ausschweifende Kummerumgehungsstrasse nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Grundvoraussetzung der, die oder das Gegenüber verfügt über ein Mindestmaß an Emphatie und man kennt sich. Ein bisserl zumindest. Länger ist besser. Also schüttelt der Ehrenwerte Ernst Albert wohlwollend den Kopp angesichts der doch etwas wirren Gedankenwolke, die zwischen den Zacken des Reißverschlusses seiner Reisetasche hervorquillt. Er steuert die nächste Bank an, eben jene auf der man am Tag der Anreise das erste Mal die Turmspitze des Klosters erblickt hatte. Leider durfte man die Kirche in der letzten Woche nicht betreten, sie wurde renoviert, aber auf Postkarten konnte  man eine sehr schöne Orgel und ein beeindruckendes Kirchenschiff bewundern. Der Bär wurde aus der Tasche befreit, da dem Taschenträger klar war, den kleinen Gefährten bedrückt etwas oder sagen wir, etwas treibt ihn um, und zwar heftig.

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„Bär, Butter bei die Lachse! Was ist los?“

„Sehr geehrter Ehrenwerter Herr Albert! Keine fünfzehn Minuten haben wir die Klosterpforte hinter uns gelassen und schon brechen Sie das Schweigen und befleißigen sich eines – na ja – mir etwas fragwürdig anmutenden Jargons!“

„Verzeihung, mein lieber Archibald Mahler. Gut: was drückt aufs Gemüt, was treibt um? Du hast so laut und wild gedacht, daß die Vögel verwirrt ihr Gepiepse und Gesinge eingestellt haben, um Dir folgen zu können. Kurz und knapp: Möchtest Du die Züge verpassen, um hier zu bleiben?“

„Ja. Nein, das nicht… Äh! Na ja!“

„Ja was nun? Wir sollten und wollten den Zug schon kriegen, den wir anvisiert hatten!“

„Aber, also, da vorne, am Weg, der Misthaufen. Der ist immer noch da und wir wollen doch so lange, bis der nicht mehr …“

„Mein Bester, den Misthaufen können nicht mal tausend Benediktinerinnen wegbeten. Und darum geht es auch nicht. Gehen wir an dem Ding vorbei und schnuppern, ob er inzwischen nach Veilchen duftet! Oder frischen Brot!“

„Jetzt sind Sie genau wirr im Kopp wie ich. Das mit den Veilchen ist Blödsinn. Und so ein Brot wollen Sie bestimmt nicht essen!“

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Aufbruch und Beschleunigung des Schrittes, dezent nur, das Wandertempo weiterhin gemach. Man passierte den Misthaufen. Nach Veilchen duftete er nun wirklich nicht, die Frühlingssonne ließ den Haufen dampfen und sein olfaktorisches Alleinstellungsmerkmal wehte den zwei Pilger in die Nase, jedoch Archibald Mahler, ausgestattet mit einer feinen und vorausschauenden Bärennase vermeinte, nein, war sich sicher frisches Brot zu riechen, gebacken aus dem Weizen oder Roggen oder Dinkel, der bald auf dem mit Mist durcheggten Feldern ringsumher geerntet werden würde. Und dann roch er noch Maisfladen, Sonnenblumen, blühenden Klee und Haferbrei mit Honig.

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„Herr Ernst Albert?“

„Ja?“

„Ich verstehe! Die letzte Woche! Ich begreife ein bißchen was!“

„Ich hoffentlich auch!“

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engel28


Thema: Vorletzte Fragen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth