Mit gebührendem Abstand betrachtet / Drei

abstand03.1

…..

Normalität? Das kann doch weg, oder?

…..

Das mit dem Regelwerk wegen Sicherheit und Vermeidung ging flott. Aufrechtgehers zwei Meter geteilt durch die eigene Winzigkeit plus Solidäritätszuschlag und zwei Zentimeter freiwillige Einsicht. Macht vierzig Zentimeter, stets überprüfbar per mitgeschlepptem Überwachungswerkzeug. Sollte für Archibald Mahler und Kuno Budnikowski eigentlich reichen, da sie auch noch in einem gemeinsamen Haushalt leben. Freiwillige Zusatzverpflichtung wäre sich nicht gegenseitig ins Wort fallen und Vermeidung allzu feuchter Aussprache. Verstöße werden mit zehn Minuten Aufenthalt in der Fußgängerzone der Kleinen häßlichen Stadt in Mittelhessen sanktioniert. Müßte als Abschreckung ausreichen. Die Rahmenbedingungen für ein gesittetes, der Sache angemessenes Räsonieren waren also … ähem … bereit … also wir könnten dann … Dings. Sie wissen schon!

…..

„Mit gebührendem Abstand betrachtet, teurer Budnikowski, die Normalität, das kann weg. Brauchen wir das noch? Was wäre Ihre Meinung?“

„Da liegen Sie im Prinzip vollkommen richtig, Freund Mahler, wobei ich über Einwände noch nachsinne. Man ist ja in dieser Causa recht unerfahren. Also so vor sich hin und normal leben, kann weg. Oder?“

„Na ja, reden wir vom Atmen, Fressen, Pupsen und Verdauen, diese Normalität mag angehen, jedoch diese Sehnsucht kann weg!“

„Sie meinen das Normale, was jetzt so normal toll gewesen sei, wenn man nach hinten guckt und dann soll es auch vor uns liegen!“

„So ähnlich! Also jene Normalität, der man nachtrauert. diese Chimäre, die akut in den etwas verwirrten Köppen etlicher Aufrechtgeher herumschwirrt!“

„Kämmen wir da nicht das geschorene Schaf mit dem gleichen Besen, oder wie sagt man noch?“

„Sie meinen, ob wir die Schafe nicht zu einfach kämmen, bevor wir sie scheren. Mag sein, doch sind es Aufrechtgeherschafe, geschieht es ihnen recht, verlangen doch gerade jene, denen normalerweise Differenzierung fern wie die Hemden der Konkurrenz, meist auf Grund der eigenen Interessenlage, vom Gegenüber höchst differenzierte  Betrachtung.“

„Ach Mahler, dies ist mir bekannt, selbst es nicht begriffen habend, der andere soll es durchdringen, sonst ist er Schuld! In dem Zusammenhang schlage ich aber uns vor beim Gebrauch des Begriffes „Aufrechtgeher“ etwas präziser vorzugehen. Da ist ein bißchen viel Gießkanne bei Ihnen im Spiel! Wir pauschalisieren!“

„Mit Vergnügen tu ich es, bester Budnikowski. Wo Unachtsamkeit das Zepter schwingt und Verzicht als eine Art Vorhölle betrachtet wird, brummt der Bär!“

„Aber für manche, vielleicht sogar etliche, so mein Einwurf, ist es eine Vorhölle!“

„Sie haben vollkommen recht, nur sind dies nicht die, welche am lautesten und öffentlich leiden!“

(Kuno Budnikowski ereilt ein unangekündigter, heftiger Lachanfall. Archibald Mahler blickt streng, aber noch nicht maßregelnd.)

„Hier, Meister Lampe, was reißt ihn vom Hocker ?“

„Ich habe eine etymologische Eingebung. In Maßen! Sich einen hinter die Binde gießen! Stellen Sie sich das vor: hunderttausend Maskenträger auf dem Oktoberfest!“

„Na ja, wir waren schon besser!“

„Ich dachte wegen Humor und so in schweren Zeiten. Verzeihe er! Was wäre eine vorläufige Conclusio, Herr Denkbär?“

„Sie können nicht zur Normalität zurückkehren, die Herren und Damen Aufrechtgeher, denn die sogenannte Normalität war von Anfang an das Problem!“

„Also sich trauen zu entsorgen!“

„Und ein kräftiges Ciao hinterher rufen, dieser Normalität von vorgestern!“

„Das Morgen sitzt man heute aus und nicht gestern!“

„Budnikowski, der war gut!“

„Ja, ja, ja, ich bin ja sonst nicht der Hellste!“

„Verzeihung, der letzte Gedanke heute ist ihnen!“

„Finden Sie nicht auch den Himmel der letzten Wochen von ungewöhnlicher, gar unverschämter Bläue? Ist dies korrekte Wahrnehmung oder schon Verzerrung des gestressten Hirnes! So eine Art zynischer Trost!“

„Oder der Trotz hyperaktiver Synapsen! Der gute Hoffnungsschimmer Lenz!“

„Verzeihen Sie, aber als Möhrenfachmann mein Einwand: Acker oder Gemüsebeet möchte ich die Tage nicht sein!“

„Na ja, Wald aber auch nicht! So trocken kann ich gar nicht pupsen!“

„Jetzt noch was positives zum heutigen Schluß!“

„Die Bahn war in den letzten Wochen so pünktlich wie seit Jahren nicht mehr!“

„Herr Archibald Mahler!“

„Herr Kuno Budnikowski!“

„Ich danke für das Gespräch!“

„Der Dank liegt bei mir!“

…..

(Man kichert leise vor sich hin. Und denkt sich: avrio entaxi!)

…..

abstand03.2

Tags »

Autor: Christian Lugerth
Datum: Dienstag, 21. April 2020 21:55
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: Gebührender Abstand

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Kommentare und Pings geschlossen.

Keine weiteren Kommentare möglich.