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“Spannung bekommt jedes Leben durch, Lebensziele.” (Günter de Bruyn)

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Ich hatte aufgehört zu winken. Ich hatte auch aufgehört zu rufen. Der Hochnebel lag zäh über der Lahn und drückte auf mein Hirn. Ich mag die Stille, ich liebe sie. Jedoch diese Stille, die aus dem eigenen Verstummen in den herbstlichen Dunst dringt, erfüllte mich mit Sorge. Und mein Magen knurrte, obwohl ich weder Hunger noch Appetit verspürte. Der Fährmann ignorierte mich noch. Man hatte Charon wahrscheinlich im Frühjahr lediglich applaudiert, herunter von den verängstigten Balkonen, anstatt ihm den angemessenen Obolus, unter die eigene Zunge gelegt, anzubieten. Der Schwan ist auch weg. Ich bin allein. Ich schaue hinauf ins Grau, das über meinen Synapsen einen auf Himmel macht. Mein Nacken schmerzt dabei. Aber: Kraniche! Kraniche!!! Nehmt mich mit! Das rufe ich nicht. Ich versuche es laut zu denken. Deppert. Wäre ich Regisseur wie der blöde Ernst Albert, der immer noch abgetaucht ist, würde ich sagen: „Ein bisserl mehr muß da schon kommen. Verlaß Dich nicht darauf, daß Dein Gegenüber ein staatlich geprüfter Gedankenleser ist!“ Hat er recht, der Blödsack. Trotzdem. Soll ich, Archibald Mahler vom Brandplatz mit ehemals abben Bein und all den alten Geschichten im Bauch, nochmals winken? Hol über, Fährmann! Fährmann, hol über! Nein! Ein „Bitte“ wird mir nicht über die hungrige Lippe rutschen. Dann höre ich etwas, was ich nicht sehen kann. Ich drehe mich um. Übrigens: ich sitze hier auf einem umgekippten Fahrradständer. Hat aber keine Bedeutung, soll nur erwähnt werden. Also: da ich mich umdrehte: ein Wasserfahrzeug. Ein Steg. Eine vergessene Decke. Schlief hier der Kapitän dieses fadenscheinigen Bootes, als ich mir im Selbstzweifel gefiel? Ein Bogen, gespannt, um mich aufzufordern unter ihm hindurch zu schreiten? Welche Hymne wird ertönen, wenn und dann? Ich stehe jetzt auf! Man mag nicht mehr jammern. Dann berührt mich etwas. Sachte, sehr. An der Schulter? An der Nase? Mein einst abbes Bein schreit auf, als wolle es sich von mir trennen. Ich muß los.

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Mittwoch, 21. Oktober 2020 16:18
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