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Von der vergessenen Erinnerung oder gescheiter: Kryptomnesie

(frei nach Douwe Draaisma)

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Da bin ich. Wieder. Ich blicke auf ein Gebäude. Das ist ein Bahnhof. Seltsam. Als ich über die Lahn blickte gestern noch, sah ich keinen Bahnhof am Ufer gegenüber. Zumindest erinnere ich mich nicht daran. Aber hier bin ich nun. Immer noch. Und wieder. Auch. Das fadenscheinige Boot fuhr los. Mit mir als Passagier. Hatte ich einen Begleiter? Diese Berührung an meiner Schulter? Ach ja übrigens, eine Hymne gab es nicht. Ich fuhr einfach los. Aber warum nun dieser Bahnhof? Ich fange an zu singen. Ein schönes Lied. Aber umsonst ist alle Liebe. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich hier schon war, hier an diesem Bahnhof, den ich kenne. Wieder. Er! Ich werde müde. Nicht nur weil der Winterschlaf an die Pforten meiner Wahrnehmung klopft, aber auch weil es heute plötzlich wieder sehr warm geworden war. Vorgestern eine frostige Nacht und heute? Aha! Deshalb schreit mein ehemals abbes Bein so laut auf. Werde ich nun ein alter wetterfühliger Bär? Weia! Ich blicke in den Himmel hoch. Antennen! Altvordere! Können die noch empfangen? Ein Gestern? Ich weiß es nicht! Ich muß nach Hause telefonieren und strecke die Pfote in den warmen Wind. Dann höre ich eine mir bekannte Stimme. Als läse sie mir vor. Was sie kann. Denn das ist ihr Beruf. Also der Beruf dieser Stimme ist die Benutzung ihrer Stimme. Stimmt das so? Egal! Ich höre jetzt zu:

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„In REISE UM DEN MOND von Jules Verne, erschienen im Jahr 1870, lassen sich drei Herren in einer Kapsel zum Mond schießen. Sie werden von der größten Kanone abgefeuert, die jemals gebaut wurde. Es ist nicht ungemütlich an Bord: Es gibt Diwane, Gaslicht verbreitet sich über die gepolsterten Wände, der Branntweinvorrat reicht für Monate. Auch zwei Jagdhunde reisen mit, vielleicht können sie ihnen auf dem Mond noch nützlich sein. Leider hat sich Trabant, einer der Hunde, beim Abschuss schmerzhaft den Kopf gestoßen, er ist seither ein wenig schlapp. Am nächsten Morgen liegt er tot auf dem Boden. Traurig. Aber was sollen sie mit dem Kadaver machen? Man kann nicht einfach so ein Bullauge öffnen, um den Hund von Bord zu schaffen: Aus der Kapsel darf keine Luft entweichen. Und drinnen behalten können sie ihn auch nicht. Sie beschließen, das Risiko doch einzugehen: Zwei der Herren halten ganz kurz eine Luke im Boden auf, und der dritte lässt den Hund in sein unermessliches Seemannsgrab fallen.

Mit dem, was danach geschieht, hat niemand gerechnet. Ein paar Tage später schaut einer der Männer aus dem Fenster und sieht zu seinem Schrecken den Hund. Sie hatten vergessen, daß alles, was man im Weltraum über Bord wirft, einfach immer weiter mit herumkreist. Zu den unpassendsten Momenten schwebt der tote Hund am Bullauge vorbei.

So wie dieser Hund sind auch manche Menschen.

Man wirft sie aus seinem Leben. Man hofft sie nie wieder zu sehen. Man will nichts mehr mit ihnen zu tun haben, und dennoch tauchen sie immer wieder im eigenen Leben auf, sie wollen nie wirklich verschwinden.“

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Das Buch kenne ich doch. Das lag doch immer neben dem Bett. Sind Sie es?

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Donnerstag, 22. Oktober 2020 18:04
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