Beiträge vom Dezember, 2020

Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 050

Freitag, 25. Dezember 2020 18:29

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„Der war aber lustig, der Brite!“

„Seltsamer Humor, jedoch sehr angenehm.“

„Schnell weg war er aber wieder, lieber Mahler!“

„Und ich bin jetzt wieder wach, als klopfte der Lenz an die Pforten meiner Wahrnehmung.“

„Was tun?“

„Lieber Budnikowski, schauen wir dem Ehrenwerten und der Wunderbaren beim Geschenke auspacken zu. Da freuen die sich!“

„Und beim Essen?“

„Das auch!“

„Bald soll es ja schneien!“

„Bis dahin werden wir wieder eingeschlafen sein!“

„Haben Sie eigentlich noch etwas Hunger, Mahler? Ich irgendwie schon.“

„Sehen Sie die Teller mit den Keksen und anderen Süßigkeiten da drüben. Die sollen nur ins Bett und dann!“

„Das dürfen wir doch nicht!“

„Mundraub, Budnikowski! Mundraub! Notlage!“

„Na dann! Mahler! Ich krieg den Stollen!“

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Von wegen Stille Nacht und Winterruh’

Mittwoch, 23. Dezember 2020 11:46

Nix ist mit Ruhe und Winterschlaf. Da klingelt es an der Türe und wer steht da, will nur mal schnell Hallo sagen und seine Christmas – Greetings loswerden? Es ist William, ein entfernter Verwandter des Mahler, der aber nun in Hamburg bei zwei sehr lieben Kollegen vom Ehrenwerten Herrn Ernst Albert wohnt. Weil die nämlich in Rente sind. Und weg aus der Kleinen Häßlichen Stadt. Aber er wollte mal in der alten Heimat vorbeischauen und weil er wahrscheinlich sogar adlig ist und ein Brite mit sehr ordentlichen Umgangsformen darf er das. Mahler bittet ihn herein, schlaftrunken aber höflich wie es Bärenart ist. So sieht er aus der Prinz vom Kiez.

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william_x_mas

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Und dann singt er auch noch ein Lied. Auf Englisch. Vom Meister. Guter Besuch.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 049

Donnerstag, 17. Dezember 2020 17:29

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Schade, schade, zu spät

(Ludwig van Beethoven angeblich auf dem Sterbebett)

Oder doch eher so?

Getz isset zo spöt

Wat ene Driss

Herrjott

Su bin ech bei Dir

Wat willste auch maache

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Alles war bereit. Ruhe war eingekehrt. Die Heizung tat ihre Wirkung. Augen fielen zu. Das Gedenke wurde runtergefahren, die Verdauung aufs das Nötigste reduziert, die Lichter gedimmt und ein Gute Nacht Lied war zur Feier des Tages angestimmt. Aber: plötzliche Unruhe. Vor dem Fenster, dem vor Tagen erwähnten, heute zweistellige Temperaturen. Sonnenschein und Lenzesahnung. Nichts neues, da in den letzten Jahren das Fest der Geburt des Erlösers meist im T – Shirt und grillend begangen wurde. Dennoch: man gewöhnt sich langsamer als man möchten täte und vor allem tun könnte. Und es war zudem verdächtig still da draußen. Der Stecker mal wieder gezogen, löckend gegen die Unvernunft. Drinnen aber: Der Ehrenwerte Ernst Albert und die noch vieltausendmal Ehrenwertere Göttliche Pelagia saßen in der Küche und hörten Musik. Laut. Sehr laut. Zwei Platten. Hin und her. Abwechselnd. Zwei ältere Herren raspelten Lieder in die Nacht. Mal der eine. Dann der andere. Nuschel nuschel. One two three four. Pianoklimpern und vor sich hin humpelnder Bass. Dann wieder hart geschnittene Gitarrenriffs. Mäandernde Worteberge hier. Eingängigkeit da. Kennedy wird erschossen. Plattenwechsel. Man schreibt einen Brief. Plattenwechsel. Der falsche Prophet. Plattenwechsel. Geister. Tausende Fragen suchen tut der eine nun. Die Antworten suchen der andere dann. Irgendwann war die Ruhe wieder eingekehrt. Aber an Schlaf nicht mehr zu denken. Haben Sie Nachbarn? Also dann.

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„Budnikowski! Gewonnen! Ätsch!“

„Mahler! War ja klar! Aber nur in der Kritikerwertung!“

„Sind das nicht die Kompetenten?“

„Denkste, Bär. Der Leser will den Boss!“

„Autoritätsgläubiges Pack!“

„Sie übertreiben maßlos! Schlechte Wortwahl! Und außerdem meine ich es anders!“

„Dann sagen Sie es bitte so wie Sie es meinen. Ist man Gedankenleser?“

„Die welche Musik hören wollen, wenn sie Musik hören und nicht Bücher lesen wollen beim Musik hören, haben sich für den springenden Stein entschieden. Basta!“

„Die welche Musik hören müssen, weil sie dürfen, sehen den Zimmermann vorne, weil der letztlich auch das Haus der intelligenten Musik errichtet hat. Pasta!“

„Darf ich Sie mal zitieren, Mahler?“

„Immer und gerne!“

„Weia! Und Schulz!“

„Verstehe ich nicht!“

„Sie vergallopieren sich und bevor ich da hinterher hopple: Meine Oma hat immer gesagt, vor dem Einschlafen soll man sich nicht streiten!“

„Meine auch!“

„Also?“

„Von Budnikowski lernen, heißt … Ähem …  Gut. Ich halte mal den Schnabel, den ich nicht habe. Hören wir nochmal das Gute Nacht Lied!“

„Gerade noch die Kurve gekriegt, lieber Mahler! Und dann hören wir das! Die Single des Jahres!

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So kehrte die Ruhe ein. Ludwig, Robert und der springende Stein tanzten unsere zwei Gefährten in den verdienten Winterschlaf. Und natürlich die Glimmertwins.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / XXXX

Freitag, 4. Dezember 2020 16:20

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Die Schildkrökröte

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Ich bin nun tausend Jahre alt

Und werde täglich älter;

Der Gotenkönig Theobald

Erzog mich im Behälter.

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Seitdem ist mancherlei gescheh‘n,

Doch weiß ich nichts davon;

Zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn

Ein Kaufmann zu Heilbronn.

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Ich kenne nicht des Todes Bild

Und nicht des Sterbens Nöte:

Ich bin die Schild ich bin die Schild

Ich bin die Schild krö kröte.

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(Christian Morgenstern)

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Nun wollen wir nicht übertreiben. Tausend Jahre und so. Aber: tausendmal jetzt schon seit dem unschuldigen ersten Blick, den Archibald – damals noch ohne Nachnamen und anderweitige Titel – aus dem Fenster auf die Kleine Häßliche Stadt in Mittelhessen und die dahinter verborgene Welt geworfen hatte, tausendmal hat er sich nun und zunehmend mit dem Gefährten und Nachdenkkompagnon Budnikowski – ehemals Fieberthermometerhalter – geäußert. Auf diesen Seiten. Man trennte sich, fand wieder zusammen, regte sich auf, drehte im Kreis, feierte die Mittelmäßigkeit, den Schwachsinn, überließ sich der Wut, auch der milden Betrachtung. Ohne Plan und Holterdipolter rein ins Blaue.

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„Glückwunsch, Mahler!“

„Glückwunsch, Budnikowski!“

„Ich hätte beinahe dieses Lied gesungen!“

„Wenn Sie müssen! Ist das jetzt ein Heiratsantrag?“

„Pustekuchen mit Möhrenbrei!“

„Wissen Sie, was mich nachdenken läßt?“

„Na ja, die Welt der Aufrechtgeher!“

„Auch. Aber ich fing an zu schauen auf die Welt an einem Aschermittwoch!“

„Verstehe und dieses Jahr ist wie ein nicht enden wollender Aschermittwoch?“

„Man mag es meinen. Sie dürfen sich das erste Jubiläumslied wünschen!“

„Bitte schön!“

„Das war lustig!“

„Und Sie?“

„Das dauert aber etwas länger!“

„Und so lange machen wir Pause, Mahler?“

„Mindestens, Budnikowski!“

“Aber, Herr Mahler. Entschuldigung. Die Kundschaft!”

“Punktum und Schluß und ich bin müde. Ich bestehe auf Winterschlaf. Und außerden kann der Ehrenwerte Herr Ernst Albert auch mal was tun, wenn er nichts zu tun hat.”

“Sie haben recht. Und müde bin ich im übrigen auch. Nach diesem Jahr.”

“Dann Gute Nacht und bis zum Frühjahr! Ohne!”

“Und dann die nächsten Tausend?”

“Meine Pfote drauf!”

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 048

Donnerstag, 3. Dezember 2020 18:40

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Und bald gehört die Stadt

den Stimmen unbekannter

Sterne.

(Wolfgang Hilbig)

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„Alles wird gut“, säuselte einst eine Ansagerin in die Kameras des Bilderschauapparats in diesem eitlen, selbstverliebten Jahrzehnt, welches man die Neunziger nannte. Daß dieses Jahrzehnt unter der hoffnungsfroh gestarteten Ägide des am Zaun des Kanzleramtsrüttlers mit der makabren Pointe Hartz Vier endete, nun: der Humor dieses Jahrzehnts war eh gewöhnungsbedürftig. (Entschuldigung. Einwurf. Was soll das jetzt hier werden? Gruß Der Säzzer). Verzeihung, wir arbeiten schon auf einer anderen Baustelle. Davon später mehr. Also: um was geht es gerade? Genau: „Alles wird gut!“ Genau zwei: „Alles wurde gut!“ Dieser Hohlweg war ein langer, auf dem Mahler und Budnikowski in Richtung Stadt und Heizung und Abendbrot und überhaupt hinwanderten und der Pudding in den Oberschenkeln begann schon zu vibrieren und die Kälte kroch in die Knochen und die Hirne leerten sich wie das Konto eines selbstständigen Künstlers (Hallo! Disziplin!! Gell!!! Der Säzzer), egal, jedenfalls waren die Gefährten müde und die Hoffnung vor Einbruch der schon heftig hereingebrochenen Dämmerung rechtzeitig irgendwo anzukommen und Heizung und Nahrung … Ach! Und da stand er dann, grinste und öffnete seine Umhängetasche. So schnell hatte man den Mahler und den Budnikowski noch nie eine Mittragegelegenheit annehmen sehen.

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„Also das mit den Kerzen wäre jetzt nicht nötig gewesen!“

„Mahler, vielleicht sollten wir dem Ehrenwerten Ernst Albert sagen, daß man den Heizkörper auch ein bisserl runterdrehen kann. Mein Pöter brennt!“

„Bei mir wird es heiß am Obertatzenhalter!“

„Aber das wollten wir doch!“

„Budnikowski! Was man verließ, vermisst man schneller!“

„Die Kälte?“

„Oder die gemeinsame Einsamkeit!“

„Mahler! Da. Das Monstrum! Das Buchstabenmonstrum!“

„Weia! Erinnerung fällt mich an!“

„Genau. Sie fielen!“

„Und dann fiel mich etwas an! Also, auf mich. Ich befürchte, ich gebe es zu, mit inzwischen überheiztem Pöter, eine kommende Aufgabe liegt da vor unserem müden Aug’!“

„Das Monstrum?“

„Lasen Sie unsere Überschriften?“

„Es kleben die Bilder in meinen Gedanken?“

„Und ich pack sie dann in den Schrank!“

„Mahler? Darf ich Sie zitieren!“

„Auf, Budnikowski, auf!“

„Weia!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 047

Mittwoch, 2. Dezember 2020 13:47

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Ich wage zu behaupten:

Nahezu alles Wissen,

das nicht Wissen um uns

selbst ist, ist umsonst.

(Imre Kertesz)

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Dann rauschte er vorbei der Vorortzug. Hinter den beschlagenen Scheiben maskierte Novembergesichter. Die Augen noch stumpfer als sonst in ein leeres Jahr blickend. Mahler hatte gewunken, der Lokführer tippte mit dem Zeigefinger an seine Stirn. Budnikowski hielt sich an seinem bärigen Gefährten fest. Der Wind eines vorbeirauschenden Zuges hatte schon weit stabilere Genossen unter die Räder geweht. Da aber die Sonne eben den milchigen Hochnebel durchdrang, blieben die Zwei noch sitzen am Rande der Gleise, die durch die zerfallenden Ränder der Kleinen Häßlichen Stadt führten. Das gab ihnen die Gelegenheit ihre Enttäuschung hinter sich sonnendem Antlitz zu verbergen. Ein Hobo mag man sein in Liedern oder vielleicht in Dokumentationen, die im Bilderschauapparat laufen. Den hungrigen Mahler erfasste eine zutiefst kleinbürgerliche Sehnsucht.

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„Meister Budnikowski. Drei Worte nur: Sofa. Heizung. Bilder schauen mit leerem Hirn.“

„Werter Mahler. Drei Worte auch von mir: Ich bin dabei!“

„Das heißt?“

„Sehen Sie den Weg entlang der Gleise? Da im struppigen Gebüsch?“

„Fußmarsch? Weia! Das wird eine Tageswanderung! Ohne Proviant!“

„Und wahrscheinlich kommt die Nacht dazu!“

„Nicht zu vergessen der Sprung ins Unterholz und die dort verplemperte Zeit, sollten uns diese kläffenden, unablässig kotenden Vierbeiner begegnen.“

„Hilft nix, Mahler. Je früher ein erster Schritt, so näher das Ziel. Oder so ähnlich!“

„Wer die Sohle nicht rollt, der verzichtet auf Gold!“

„Besser auf Schusters Rappen tappen als auf leere Schienen grienen!“

„Wo gewandert wird, da krähen Hähne!“

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Wir blenden uns mal aus, bevor wir uns hier auf Totes – Meer – Niveau runterdichten. Die Gefährten wagten den Aufbruch und dichteten eine ganze Weile – das beschleunigt den Schritt – wunderbar sinnfrei vor sich hin. Dann durchschnitt der Mahler, Bär vom Brandplatz, das weiße Band des Unsinns. Der Hase spürte die NEUE ERNSTHAFTIGKEIT, die an seiner Seite Richtung Innenstadt wanderte, wankte, tänzelte und schritt. Folgendes sprach er nun zum Bären.

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„Also, daß ich mich an Ihnen festhalten konnte und so der Wind, der vorbeirasende, von mir Abstand nahm. Danke!“

„Da nich für! Wie man oben bei den Fischbrötchen sagt.“

„Das war toll!“

„Ja, Budnikowski. Jung waren wir da auch nicht mehr, aber jünger!“

„Und jetzt, Mahler, kehren wir wieder mal heim.“

„Vielleicht kommt man uns ja entgegen!“

„Man weiß das nie!“

„Mir fällt ein Gedicht ein.“

„Wollen Sie es aufsagen?“

„Es riecht aber verdächtig nach dem Ehrenwerten Ernst Albert!“

„Her damit!“

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Und so marschierte man emsig weiter, in die Oberschenkel schoß so langsam der Pudding der Ermüdung, die Sonne verhochnebelte sich rapide und die Nacht klopfte ans Fenster. TOITOITOI den Wanderern. Und hier noch das Gedicht.

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als sie noch jung waren die winde

war ich verworren

und blind und taub

für ihren gesang

jetzt wenn ich das land durchstreife

und nicht mehr weiß

wo ich bin

und nichts mehr wissen will

in meinem herzen

denk ich an die winde

die alt geworden sind

(wolfgang hilbig)

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