Und was könnte besser sein? Bären schlafen, Hasen hüpfen an so’nem Abend in Frieden / 7

traum2

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Es war ruhig geworden. Nun schon seit Wochen. Winterruhe, obwohl draußen Packeis und Warmlufteinbrüche miteinander Ringelpiez tanzten. Budnikowski sogar zwang sich zum Schlaf und es gelang ihm weitgehend. Doch gestern träumte ihm wieder, er hätte Latten unter den Pfoten, er spränge und flöge und Medaillen und plötzlich ein Kloß im Hals, der verhinderte den Siegesschrei. Er dachte voller Rücksicht (aussterbende Geisteshaltung!) an des Mahlers Winterruhe. Und so sprach der Kloß zu ihm: „Hase? Kennst Du meine Geschichte? Nein? So höre!“

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„Es lebten einmal ein alter Mann und sein Weib. Eines Tages bat der Greis die Frau: “Back mir doch einen Kloß!” “Woraus? Seit einer Woche gibt es kein Mehl im Haus.” “Feg den Speicher aus, kratz die Lade aus; so bringst du genug Mehl zusammen.”

Die Alte ging, fegte den Speicher aus, kratzte die Lade aus und brachte zwei Handvoll Mehl hinaus. Sie buk einen Kloß und legte ihn ans Fensterbrett zum Abkühlen. Da sprang der Kloß aus dem Fenster heraus und rollte auf den Boden, dann durch die Tür raus und schließlich in die weite Welt hinaus.

Er stolzierte voran, er sang und jagte Hühnern und Gänsen Angst ein: „Aus dem Speicher gefegt, aus der Lade gekratzt, in Butter gebacken, aus dem Fenster verschwunden!“

Da traf der Kloß den Hasen: „Bleib stehen, Kloß! Jetzt fress´ ich dich auf!“ Der Kloß aber sang: „Aus dem Speicher gefegt, aus der Lade gekratzt, in Butter gebacken, aus dem Fenster verschwunden, der Opa konnte mich nicht fassen, die Oma konnte mich nicht fassen und du, Hase, mach dir keine Hoffnungen!“ Und er rollte weiter.

Da traf der Kloß den Wolf: „Bleib stehen, Kloß! Jetzt fress´ ich dich auf!“ Der Kloß sang: „Aus dem Speicher gefegt, aus der Lade gekratzt, in Butter gebacken, aus dem Fenster verschwunden, der Opa konnte mich nicht fassen, die Oma konnte mich nicht fassen, der Hase konnte mich nicht fassen und du, Wolf, mach dir keine Hoffnungen!“ Und er rollte weiter.

Da kommt aus dem Wald der Bär: „Bleib stehen, Kloß! Jetzt fress´ ich dich auf!“ Der Kloß aber sang: „Aus dem Speicher gefegt, aus der Lade gekratzt, in Butter gebacken, aus dem Fenster verschwunden, der Opa konnte mich nicht fassen, die Oma konnte mich nicht fassen, der Hase konnte mich nicht fassen, der Wolf konnte mich nicht fassen und es ist mir leicht, dir, Bär zu entwischen.“ Der Bär sah ihn nicht mehr.

Da traf er den Fuchs und auch der wollte ihn fressen. Der Kloß begann: „Aus dem Speicher gefegt…“ Der schlaue Fuchs sprach: „Wie schön und gewitzt! Doch hab´ ich so schlechtes Gehör. Setz dich auf meine Nase und sing doch noch mal, so dass ich dich hören kann.“

Glücklich und froh, ein offenes Ohr zu finden, sprang der Kloß dem Fuchs auf die Nase und begann zu singen. Der Fuchs riss das Maul auf und verschwunden war der Kloß in einem Schluck.“

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Und des Bären Schlaf wurde löchriger, unruhiger. Man wälzte sich hin und her. Hatte ja jemand eine alte Erzählung aus seiner Heimat Kamschatka in die Nacht gesprochen?

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Sonntag, 28. Februar 2021 10:30
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