MDdW / Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne. Horchet! Horcht!

Der Aufrechtgeher weiset gern / ins Firmament so herrlich fern / um was herabfiel peng von dorten / fern von sich selbst so zu verorten / dadurch wird flugs und scheu vermieden / da man sich beugt und klagt hienieden / daß was vom Himmel niederprasselt / der Aufrechtgeher selbst vermasselt / dies man benennt zur Not mit Namen / wer streute der Dummheit Spreu und Samen / ins eigne kalte Nest / wem liegt auf kaltem Teller Rest / des vom selbsternannten Gott verbockten / kleingeldklimpernd ins Abseits gerockten / möchtegern so weisen Spiels / was nichts als der Seelendienst / seiner selbst und dies nicht knapp / halt dich bescheiden gebe ab / und denke nur ein kleines Stück / nicht nur nach vorne / auch zurück als damals du noch selbst in Nöten / davon mag dir der Dämon flöten / wenn du vergessen wo dein Stall / der Aufrechtgeher neigt zum Knall / und läßt ihn gerne sich begleichen / von Leichen und Zeichen / die auf fremder Stirn er sieht gezogen / der Spiegel beschlägt / du hast gelogen mein bester Genosse / deinem Rosse das dich nach vorn nicht mehr trägt / schon klappert sein rostig Eisen / bald wird dich des Himmels verweisen / jener der dort oben wohnt / dein dumpfes Beharren / der Teufel dir lohnt / falls nicht sein ragend wütend Finger / es trommetet es posaunet / Auge blinzt und Ohr erstaunet / Unerhörtes hört sich nicht / Wut bleib bei mir / lösch das Licht / heute zur Nacht / oh schweig Gedicht!
MDdW / A. Mahler in einer anmutigen Gegend?

Mahler, auf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig, schlafsuchend. Dämmerung. Geisterkreis, neudeutsch Besserwisser, schwebend bewegt, anmutig kleine Gestalten, anschließend Chöre, Parteitage, Expräsidenten, Sucher, Flucher und Allergiker, mentale Zweitligisten, Turnschuhe, welche Geburtstag feiern, der Westen ist am besten, im Osten tut’s nix kosten, und alle zahlen drauf, so ist der Welten Lauf, wenn sich lau die Lüfte füllen, süße Düfte und Nebelhüllen, es wiegt das Herz in Kindesruh’, und das Herz des ständig Müden schließt des Auges Pforte zu. Manchmal möcht’ man Neger sein und vor Verzweiflung lauter schrei’n als alle klugen deutschen Eulen, die Tag und Nacht nur kontogeil heulen, vor Dummheit oder Glück. Morgen noch ein Stück vom Leben, an dem wir kleben. Gegrüßt die Nacht, sei sie gut oder schlecht, wer schläft, hat Recht, doch nicht immer. Des Bären Mittelfinger zuckt, zeigt nach oben. Nieder das Gewimmer. Zweitfaust, ja!
MDdW / Mahler macht Pause von den Worten 2

Herr Archibald Mahler ist heute immer noch erschöpft. Wochenlang hat er sich mit den Worten des Herrn Geheimrat aus Frankfurt und dem aus Livland anrollenden Lenz befaßt und gerungen hat er auch damit. (Ja, ja, ja, das wissen wir doch schon.) Soll ein anderer verstehen, muß man erst mal selbst begreifen. (Ach ja? Man wiederholt sich!) Weia und Popeia! Budnikowski übernimmt trotzdem doch und greift ins Töpfchen Beckett nach der Methode Mahler. Hier die Worte des Reimes:
es lebe tot meine einzige Jahrzeit
weiße Lilien Chrysanthemen
Aprilblättermorast
rauhreifgraue Sommertage
Ansonsten überwiegt Freude und der Gelbe Planet macht ernst und warm. Und man bekennt auch: wo Budnikowski draufsteht ist Kuno drin. Wird morgen erklärt.
MDdW / Mahler macht Pause von den Worten

Mahler ist heute erschöpft. Wochenlang hat er sich mit den Worten des Herrn Geheimrat aus Frankfurt und dem aus Livland anrollenden Lenz befaßt und gerungen hat er auch damit. Soll ein anderer verstehen, muß man erst mal selbst begreifen. Weia. Budnikowski übernimmt heute und findet, als er fischt, in seinem Netz Worte der Frau Patti S. und freut sich darüber. Hier seien sie weitergereicht.
“Build a good name. Keep your name clean. Don’t make compromises, don’t worry about making a bunch of money or being successful. Be concerned about doing good work. Protect your work and if you build a good name, eventually that name will be its own currency. Life is like a roller coaster ride, it is never going to be perfect. It is going to have perfect moments and rough spots, but it’s all worth it!”
Singe der Jugend das Lied Deines sich dem Ende zuneigenden Lebens. Arbeite!
MDdW / Heute von Versöhnung verwirrt

Dann hat Mahler weitergedacht und weil es ein Sonntag war an dem Tag an dem er weiterdachte, wollte er das Gedicht, welches selbstredend ein Gedicht des großen Samuel B. war, wieder in die richtige Reihenfolge der Worte bringen. Von vorne, quasi. Das war nicht einfach, weil das Poem von hinten her schon ein beträchtliches Eigenleben entwickelt hatte. Aber Mahler kennt da nix und tut es.
ich möchte daß meine Liebe stürbe
daß es regnet auf den Friedhof
und in die Gassen wo ich gehe
jene beweinend die mich zu lieben glaubte
Daraufhin war Mahler nicht mehr traurig, zum einen weil es ein Sonntag war und der Himmel recht blau sich gab, aber vor allem deshalb weil, wenn bär über ein Poem so schön traurig sein kann, dann braucht der Bär nicht mehr traurig zu sein.
MDdW / Heute von der versöhnten Verwirrung

Mahler dachte nach und kurz und weiter und zäumte ein Gedicht von hinten auf.
„glaubte lieben zu mich die beweinend jene
gehe ich wo Gassen die in und
Friedhof den auf regnet es daß
stürbe Liebe meine daß möchte ich“
Später war und blieb er traurig noch. Dann erinnerte er sich doch, um einiges zu vergessen. Aber das Gedicht blieb gut. Andersherum eigentlich. Am Morgenmeer?
MDdW / Heute von versöhnter Verschiedenheit

kein zimmer frei
tritt ein und nein nicht von dir nachdem
ins schloß die tür
das schloß nicht dein und frei
die tür fiel ins schloß
das schloß nicht dein
man sagt die neuen herren trampeln
trampeln durch die vorsichtig und
auf ewigkeit getrimmten
und konzipierten
gärten wie wildschweine dir
oh alter sack und wanstigkeit
oh geheimrat
willst du vergangenheit verhärten
der garten wächst doch du mein dichterfürst du
zwar angelegt geharkt und das restleben geparkt
im garten weiter warten
noch ein stück bis sich der kopf erhitzt und
platzt und stürmt und drängt
wer sich zwängt ins lebenskorsett
atmet weniger
ich bin dein
und geist deines zimmers
österlich’ wohngemeinschaft
verschieden in frieden
MDdW / Studierzimmer / Des Mahlers Bedenken

Der Fels war weggerollt gewesen / der Bär trat ein / es schien ihm / er sei nicht allein / und sprach drum so: / “Soll ich mit dir das Zimmer teilen / Pudel, so laß das Heulen / So laß das Bellen / und reiche die Fernsehzeitung dem bärigen Gesellen / Ob einer muß die Zelle meiden / wenn Enge in Begegnung kriecht / jede Antwort strenge riecht / bevor man eine Frage stellte / ungern heb’ ich das Gastrecht auf / bevor ich selber eingerichtet / im fremdem Raum / in fremder Stadt / es hängen Bilder an der Wand / alte Erzählungen wohlbekannt / man wäre gerne fortgerannt / doch sitzt bald über andrer’ Leut’ Geschicht / fettleibig grinsend zu Gericht / das soll man nicht!“ / Zum wem er spricht? / Ist es ein Schatten? / Ists Wirklichkeit? / Trägt Budnikowski ein luftiges Sommerkleid? / Vier Augen schauen ihm fordernd und frei / ins Bärengesicht / Geister und Larven eilen herbei / Peitschen, die knallen und rasselnde Rätschen / heut hüpft ein Herz / und draußen tanzet ein Mädchen / der Herr singt vom nahenden Lenz. / Es rieselt sacht / der Bär zog ein die letzte Nacht / der Ofen brodelt, zischt / und morgen dann ein andrer spricht.
MDdW / Studierzimmer / Budnikowski als Pudel

Sei ruhig, Mahler! Renne nicht hin und wider! / an der Schwelle was schnoperst du hier? / Leg dich hinter den Ofen nieder, / mein bestes Kissen geb ich dir. / Wie du gestern und all die vergangenen Tage / durch Scharren und Murren ergetzet uns hast / und was ich nur krummen Fingers dir winke, / uns manchmal auch leidlich verärgert hast. / Ach, wenn in unsrer engen Zelle / die Wärmelamp’ freundlich dann brennt, / morgen wird’s in der Bärenseel’ helle / auch wenn man sein eigenes Herz nicht mehr kennt. / Vernunft braucht nicht sprechen, / es reicht wenn sie vorhanden / fällt der Erlöser vom Kreuz, / dann weich soll er landen. / Drum knurre nicht, Mahler, / dem Gretchen es graust / am Montag nach Ostern / erscheint sie zerzaust. / Und alle die’s wissen, so reimen sie schon: / „Mahler, wie hältst du’s mit der Religion?“ / Vom Guten und Schönen kein weiteres Wort, / Hoffnung bleibt knospenlos, / Mahler, was ist das bloß! / Welt, kalter Ort! Fort! / Und morgen wird es Ostern / selbst in unseren Klostern! / Dann füllen wir den Bauch! Auch! / Ihr angestrebt’ Zimmer werde ich heizen / mit Wort und Wärm’ und Lieb’, / ohne zu geizen! / Die Ungeduld ist ein Dieb! / So bleib sie uns gestohlen!
MDdW / Des Mahlers Passione ist nicht ohne!

Der heutige Tag ist ein Tag, aber auch ein Tag, an dem in sich geschaut wird. Der Eine und ein Anderer tun dies auch. Mahler kann es gewiß. Die Welt ist ihm ein ewiges Gefängnis, Erlösung ein wunder Traum, da man nicht geschaffen für ewiges Glück, nur für das unendliche Versuchen. Mahler umfaßt die Stäbe seiner Gitter und spürt, wie sie sich in seinen Pratzen erhitzen. In solchen Momenten gibt es auf dieser Welt für Mahler nur den Dichter Samuel Beckett. Dem Karfreitag ruft der Denkbär folgende Worte entgegen, entliehen dem Lieblingspoet! Leset:
was würde ich tun ohne diese Welt ohne Gesicht ohne Fragen
wo Sein nur einen Augenblick dauert wo jeder Augenblick
ins Leere fließt und ins Vergessen gewesen zu sein
ohne diese Welle wo am Ende
Körper und Schatten zusammen verschlungen werden
was würde ich tun ohne diese Stille Schlund der Seufzer
die wütend nach Hilfe nach Liebe lechzen
ohne diesen Himmel der sich erhebt
über den Staub seines Ballasts
was würde ich tun ich würde wie gestern wie heute tun
durch mein Bullauge schauend ob ich nicht allein bin
beim Irren und Schweifen fern von allem Leben
in einem Puppenraum
ohne Stimmen inmitten der Stimmen
die mit mir eingesperrt
Draußen hört man den Hammer klingen und das Kreuz knirscht unter den unchristlichen Schlägen. Der Vorhang zerreißt im Palast des Statthalters und man wäscht seine Hände in Unschuld. Das können wir auch und werden weiter es tun. Morgen schaut Mahler in einen anderen Raum. Vielleicht mag er dort einziehen.