Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 021
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„Und dies wäre nun unsere Aufgabe? Diesen Acker befeldern?“
„Befürchte es. Sogar, obwohl das Photo geschönt wurde.“
„Woher wissen Sie das, Mahler?“
„Wir kennen doch den Ehrenwerten Herrn Ernst Albert. Und seine große Freude daran zu manipulieren!“
„Entziehen Sie bitte Ihrer Äußerung die Negativität. Manipulieren heißt nichts anderes als Hand anzulegen. Falls ich die Griechen recht verstanden habe.“
„Entschuldigung, Herr Budnikowski, ähem …“
„Schlechter Versuch schlechten Humoreinwurfes! Aber Sie haben recht. Vertrauen wir darauf, daß Mutter Erde und die Elemente alle und generell, das was unter unseren Pöter noch nicht mal schlummert, baldigst wachküssen mögen!“
„Bei mir kitzelt es schon!“
„Darf ich zweifeln?“
„Darf ich reimen?“
„Sie müssen, liebster Mahler!“
„Budnikowski! Ranzen Sie sich bitte nicht so unverschämt an mich ran!“
„Äh! Darf ich noch was sagen wegen Pöhlerei?“
„Große Güte! Heute fällt das Niveau aber schnell. Schneller als der Nebel zu London!“
„Eben! Die vereinten Westschinken aus der Stadt, wo der jüngste Leimener aller Zeiten eingebuchtet ist, sollen heute bitte verlieren.“
„Budnikowski! Ich warne entschieden! Wir verirren uns!“
„Ja! Sie haben recht! Ab morgen wieder japanische Fassung unserer selbst. Her mit dem Reim!“
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„der winter nahm mir
letzte kartoffeln barg ich
den vollen keller
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wir werden warten müssen
bis neigen sich die halme
*
es schreit ein milan
da! wolken über dem kopf
küsse den himmel“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 020
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„Uff!“
„Mehr Buchstaben benötige ich heute auch nicht!“
„Da haben wir uns mal wieder was vorgenommen!“
„Müssen wir die Kartoffeln ausbrüten?“
„Wahrscheinlich jede einzelne!“
„Ich wollt ich wär‘ ein Huhn, Mahler!“
„Sie sind Hase und Ihre Eroberung der Eierwelt war mir eh schon immer suspekt!“
„Herr Bär! Diese bescheuerte Eierauslieferungspflicht haben mir irgendwelche Aufrechtgeher an die Löffel gepappt!“
„Wehren Sie sich!“
„Mahler! Wir befinden uns in diesen Minuten auf niedrigem Niveau. Halten Sie Reime noch für möglich?“
„Ich zweifle so beherzt daran wie Sie!“
„Und wenn wir einfach mal nichts tun?“
„Budnikowski. Da fällt mir was ein. Oder um!“
„Her damit!“
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„nichts
nichts tun
das nichts
das tun des nichts
tu das nicht
das nicht
aber
später
wenn der nebel
tee geworden
trink ihn aus in ruhe“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 019
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„Mahler, da haben wir den Salat!“
„Budnikowski? Wie meinen?“
„Wir spiegeln uns!“
„Wer in den Teich blickt!“
„Machen Sie sich keine Sorgen?“
„Sie meinen?“
„Na ja! Man verweilt länger und verliebt sich in das, was sich einem entgegenspiegelt!“
„Das, Budnikowski, hatte ich befürchtet!“
„Das Verweilen? Das Spiegeln? Das sich verlieben?“
„Mahler! Ich mache keine Vorwürfe!“
„Ich weiß, bester Freund und Budnikowski. Das Narzißgemütlein ist eine eitle Blüte, aber dieses Wasser unter uns wird man nutzen müssen. Denken wir an die schlummernden Samen!“
„Sie und Ihre Äußerungen machten mich in den letzten Tagen hin und wieder traurig!“
„Ich weiß! Aber die ein oder andere Träne, wie wir gestern bemerkten, würzt jegliches Gießwasser! Düngt vielleicht sogar, was wachsen mag in diesem Sommer!“
„Und was tun wir nun?“
„Dichten Sie einen Vers, der ihre und die meinen Schleusen öffnen mag!“
„Ham‘ Sie noch alle?“
„Budnikowski, überraschen Sie mich!“
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„nach fest kommt lose
das gewinde schreit auf laut
das bild fällt hinab“
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Nachbemerkung: Und des Bären Schleusen öffneten sich. Gewaltiger als befürchtet. Hätte er den Hasen in seiner tiefen Aufwallung umarmt, hätte der Hase auch noch angefangen Tränen ins Gießwasser zu schütten. Dann fing es an zu regnen. Besser so. Ist der Mai zu trocken, wir die Ernte halt verbocken. Oder so ähnlich. Sagt man das so? Vielleicht. Morgen aber endlich an die Arbeit. Na ja!
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 018
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„Und jetzt schweres Gerät einsetzen? Was sagen Sie, Mahler?“
„Weshalb?“
„Na ja, die ganzen Steine im Acker!“
„Budnikowski, ich befürchte je schwerer das Gerät, welches wir einsetzen, desto größer die Anzahl der Steine, die wir noch nach oben befördern werden. Manche Steine fühlen sich wohler in der Unsichtbarkeit. Sollen sie doch!“
„Aber der Acker steinfrei, ist das nicht erstrebenswertes Ziel? Falls ich Sie zitieren darf?“
„Irgendwann schon. Die Betonung liegt auf irgendwann. Doch versuche ich eben von Ihro Geduldigkeit zu lernen.“
„Hä?“
„Nun denn. Wir wissen doch nicht wie viele Samen aus den letzten Jahren noch rumliegen im Feld. Und was da plötzlich alles aufploppt. Oder, wünschen wir es uns auch noch so sehr, einfach stille bleibt und nicht keimen will. Wir sollten vielleicht nur die Fingerspitzen benutzen! Das schwere Gerät fördert vielleicht Dinge noch oben, die wir so nicht sehen wollen! Aber, es gibt Samen, welche um Steine herum nach oben ranken können. Und es wollen.“
„Könnten Sie Recht haben. Aber Fingerspitzen? Haben wir Viecher nicht! Halt nur Pfoten!“
„Verzeihung, Meister Budnikowski, auch Ihnen ist das Metaphorische nicht gänzlich fremd!“
„Ah, der alte Moralbär Mahler haut wieder einen raus! Was tun?“
„Wichtig ist, daß es regnet!“
„Zur Not auch zwei bis drei Tränen?“
„Wenn es dem Wachstum dient!“
„Mahler? Wer reimt?“
„Der, der blöd fragt!“
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„blühender kirschbaum
wir tanzen unter blüten
die amsel erntet“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 017 / Heute notwendige Abweichung und kein Reim
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„Mahler! Sie knirschen mit den Zähnen! Was ist!“
„Heute keine Reime!“
„Was dann?“
„Budnikowski, mein Hase im kalten Maiwind, eine kleine Erzählung!“
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Ein Bär und ein Hase saßen am ersten Mai, nackten Pöters, auf kalter Erde, die frisch umgepflügt. Ein kühler Ostwind kämmte ihnen das Fell. Man konnte, wenn man denn wollte, selbst in diesen Tagen der Untergänge, ein Wachsen ahnen. Unter sich. Der Hase, geringer an Gewicht und Alter denn der Bär, erwog die Flucht. Nicht nur genetisch bedingt, sondern aus Überzeugung. Der Himmel wölbte sich grau und schwer über den beiden Feldbesitzern. Im Bären rumorte es heute. Der erste Mai. Dieser Tag, der so vielen, denen das Alter schon am ergrauten Zopf zieht, stets ein kleines Ritual der Hoffnung auf gemeinsame Kräfte, Triebe und Erwartungen war, stand in diesen Zeiten seltsam unentschlossen in der Gegend rum. Was einen Bären ärgern kann. Gelegentlich. Na ja. Eigentlich stets. Die Samen seien gesät, ruhten in der Erde und die Erwartung in seinen Eingeweiden blähte so vor sich hin. Und nichts geschah. So sprang er auf und schrie der Scholle entgegen: Heraus zum ersten Mai! Heraus! Mutter Erde zuckte noch nicht einmal mit der Schulter. Auf der Schulter des Bären aber ruhte die kleine, feingliedrige Pfote des Hasen. Druck, bester Bär, Druck, nein, das ist Ihro Abwartigkeit doch nicht angemessen und fremd. Auch ich friere, alter Freund. Lassen Sie uns zuerst die Steine aus diesem Acker lesen und zur Seite räumen. Damit haben wir genug zu tun. Der Bär, dem es stets schwergefallen war, dem Hasen den Vortritt zu gewähren, nickte. Selbstverständlich so, daß es der Hase nicht sehen konnte.
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 016
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„Wo sind wir?“
„Offensichtlich nicht hier!“
„Aber hören kann ich sie!“
„Sehe ich Sie, Herr Budnikowski. Der Goldhase? Ich dachte, Sie hätten ihn verzehrt!“
„Mahler! Und Sie wären das Ei?“
„Sollte das nicht auch von Ihnen aufgefressen werden?“
„Ich raste kurzfristig. Verzeihen Sie!“
„Ziehen wir weiter!“
„Sind wir doch schon! Wir haben zu tun!“
„Budnikowski, lauschen wir!“
„Gut! Vielleicht schenkt uns der Wind einen Reim!“
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„nachdem wir gingen
ein holzscheit barst in teile
dann rief der kuckuck“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 015
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„ich eilte durch mich hindurch
ein supermarkt gefüllt mit leeren regalen
ich stand trippelnd vor ihnen
machte mir keinen reim
bis ich verlor
die einkaufsliste
aus einer fremden bananenkiste
kroch die spinne
wünsch dir was“
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„Ist das von Ihnen, Budnikowski?“
„Vielleicht! Aber ich habe keine Zeit. Ich habe etwas gefunden.“
„Hatten Sie es gesucht?“
„Eher nicht! Aber wahrscheinlich schon. Man folgt ja immer dem eigenen Radar.“
„Und was werden Sie tun!“
„Ich werde den Hasen auffressen! Und das Schokoladen – Ei hinterher!“
„Kannibalismus?“
„Quatsch: Manchmal muß man sich selbst durch die eigenen Därme wandern lassen. Ist wie zweifelnd in den Spiegel schauen!“
„Nicht daß Ihnen davon schlecht wird, mein Freund!“
„Ich habe ja noch Ihr Lied von gestern im Ohr!“
„Und, haben Sie Goldstaub drüber gepinselt?“
„Yep!“
„Und wie hört sich das dann an?“
„Milder!“
„Und sonst?“
„Lieder, die man über andere singt, sind oft Lieder über einen selbst!“
„Dann man los! Schweigen ist Silber, Singen ist Gold!“
„Mit!“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 014
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„Noch hängt sie in der Luft
Die feuchte Kälte welche
Eine lange Nacht uns hinterlassen
Die Farbe fließt von den Wänden
Das alte Haus knirscht
Im Schuppen wartet zukünftige Vergangenheit
Reinigen wir die Pinsel“
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„Ein Reim zu Beginn? Mahler, was ist los?“
„Nun, Freund Budnikowski, sie waren ja gestern nicht der, der sie waren. Da nutzte ich die Zeit.“
„Die Sonne ist zurück. Das ist gut. Was denken sie nach heute?“
„Was sie gestern sagten. Mit dem fremden, beschlagenen Spiegel und so. Und ob man ab und zu, was man von sich sieht, entrümpeln sollte. Also was kaputt gegangen war. Oder ob etwas neue Farbe das Ganze wieder nach vorne bringt. Sie verstehen?“
„Wenn den Japanern eine Tasse aus dem Schrank fällt, dann kleben sie die wieder zusammen und malen die Bruchlinien mit Goldfarbe an. Finde ich hübsch!“
„Oh jemine!“
„Das heißt, Mahler?“
„Dann kann ich das versprochene Lied nicht singen!“
„Wieso? Ist es runtergefallen?“
„Nein! Es ist wütig! Und ungerecht!“
„Singen Sie es trotzdem. Ich höre es an und meine Löffel pinseln Goldstaub drüber!“
„Sie sind mir ja einer!“
„Nun denn!“
„Herr Zimmermann übernimmt!“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 013
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„Budnikowski! Nicht, daß ich nun Erklärungen verlangen wollte! Wir sind drinnen wieder. Und wo ist unser Wald?“
„Es regnet Katzen! Na ja auch Hunde, aber vor allem Katzen!“
„Aber Ihre … ähem … Verkleidung … das Dings da?“
„Meister Mahler! Es ist quasi eine Klarmachung!“
„Aus Papier?“
„Heute ist der Tag des Aliens!“
„Verstehe ich nicht!“
„Eine Frage nur: sind Sie sich fremder selbst beim Blick in stumpfe Spiegel oder bin ich es, der Ihnen erscheint, als wäre er gestern von einem fernen Stern in ihr Leben gefallen?“
„Sie haben mich auf der richtigen Tatze erwischt. Morgen singe ich ein Lied für Sie!“
„Solange mein Reim!“
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„der regen prasselt
die kälte kriecht über mich
ist dies meine haut“
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Verschlungene Pfade suchen im Hinterland / 012
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„Das war so nicht geplant! Mahler?“
„So ist es! Schweigen wir, Budnikowski!“
„Schon gequatscht! Also?“
„Tag des Baumes heute. Lassen wir aber den Aufrechtgehern den Wald als schweigend zuhörenden Spiegel ihrer bedeutungsschwangeren oder gerne auch gelangweilten und hadernden Seelen und bedenken wir, der Baum wurde nicht erschaffen als Psychopharmaka, sondern als Baum. Und alt wird er auch noch, wenn man ihn denn lässt.“
„Mir aber, Freund Bär, rührt das Sitzen auf dieser Altehrwürdigkeit schon am sentimentalen Reimfinger!“
„Dann hauen Sie es doch raus, Hase!“
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„Ewige Freundschaft
Es knarzt im Sturm Dein Wipfel
Mein Herz zählt Ringe“
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„Budnikowski! Da muß ich kontern! Auch auf die Gefahr hin, daß folgender Haiku von Degeto verfilmt wird!“
„Sie sind schlimmer als ich!“
„Ist mir bewußt! Darf ich?“
„Sie müssen doch eh, Herr Mahler!“
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„Vergangenes Glück
Das Ohr an Deiner Rinde
Höre ich die Zeit“
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„Mahler?“
„Ja bitte!“
„Was machen die Bäume nur mit den ganzen blöden Reimen, die man ihnen um die Rinde haut?“
„Budnikowski! Sie schweigen und wachsen vor sich hin!“
„Sollten wir auch tun. Oder?“
„Mit!“
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