LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 3
«Ich möchte den Totenkopf des Mannes streicheln, der die Ferien erfunden hat.» Das hat der ehrenwerte Wortschöpfer Jean Paul niedergeschrieben, der solch klarsprechende Worte wie Selberlebensbeschreibung, Herzpolypen und Dentalbuchstaben ersonnen hat und diese Wunderausdrücke gerne in einer Gaststube namens „Rollwenzelei“ zu Papier brachte. Wohl gedacht, doch hat man Ferien, hat man sie an der Backe. Es ist, als wäre die Zeit, die dieselbe Zeit ist wie vor Beginn der Ferien, nun keine Zeit mehr, keine schlichte Zeit, die es zu durchatmen und ohne Verletzungen hinter sich zu bringen gilt, nein, diese Zeit namens Ferien tut oder scheint so zu tun, als befände sie sich in einem Zustand profane Zeit transzendierender Qualität, sie gebärdet sich als eine Zeit der Güteklasse allumfassendes Glück und Erfüllung gebärende Leichtigkeit – Silbersekunden, Goldminuten, Platinstunden – und macht so einen Bären am Eigensee gar eifrig denken. Archibald Mahler blickt auf das Silbertablett, das ihm der neue Ferientag gereicht. Fein säuberlich darauf drapiert kleine lustig herausgeputzte Häufchen kostbarer Ferienzeit. Forderungen. Rufe. Bitten. Anweisungen. Tipps. Reiseführer. Leihfahrräder. Fahrpläne. Abkürzungen. Geheimtipps. Insiderhinweise. Der Bär schnauft. Gut daß immer noch die Sonne durch die fettwülstigen grauen Wolken strahlt und man bei knappen fünfzehn Grad Celsius so richtig ins Schwitzen kommt. Das ist das Schöne an der Ferienzeit. Potzrembel die Aufrechtgeher! In großem Bogen fliegt ein Silbertablett in den Eigensee, die Zeithäufchen durchschneiden die Wasseroberfläche, ein Schwarm Döbeln (für die Freunde im Heckerland: Alet) freut sich über die Zusatzfütterung. Archibald Mahler holt seinen Laptop aus der Pelztasche und schreibt an die Allendorfer Angler: „Meine Herren! Das Silbertablett ist ein Gedankenträger und virtuell. Nie würde ich solchen Schatz im Eigensee versenken. Herzlichste Feriengrüße von Old Mahler“ Aber die Döbeln sind da und wahr. Und der Hunger. Und der Bär denkt, daß er doch sowieso das ganze Jahr sitzt und schaut und sinnvoll faulenzt und keine Untergebenen oder Übergebenen hat, von denen er sich erholen muß und nicht über Betonpisten hetzt mit einer stinkenden Blechmilbe, Tag und Nacht auf Fremdweltbildschirme schaut und auch kein Spiegelbild braucht, welches ihm in zwei Wochen zurufen soll: „Bär bist braun!“ Was ist das denn für eine Farbe, die sein Pelz trägt? Eben. Und trotzdem, das ist das Schöne an einem dritten Urlaubstag, daß bärman auch braun werden kann, obwohl bärman es schon ist. Und sonst? Was macht bärman sonst? Fragt sich der Bär. Und dann schaut er aufs Wasser. Guck an!