WOCHE ENDET, HERBST UND POSTKARTE

poesie92

Samstage sind was Schönes. Für Bären. Für Bären unter Schirmen. Für Bären, die schauen. Für Archibald Mahler sowieso. Wie es dem gemeinen Aufrechtgeher an Samstagen geht? Man weiß es nicht so recht. Offiziell freut er sich auf das Ende der Woche, diesen ersten freien Tag, auf den er seit dem vergangenen Montag konzentriert hingelebt – gut sagen wir hingeüberlebt – hat. Das Heilige Wochenende. Heilig, heilig, frei nun und am Puls des wahren Lebens, dem lang erträumten. Endlich ein Ich, ein Ich welches ich sein darf. Außer Busfahrer, Gurkenverkäufer, Bierbringer und Streifenpolizisten natürlich. Die dürfen auch mal am Montag oder Donnerstag ein Ich sein. Was wiederum sieht der Bär? Eher eine nicht ganz so gelungene Amateurdarstellung von Freude aka Freiheit aka Lebensziel aka Ich. Heiliges Wochenende halt. Huschen von Kaufbude zu Kaufbude, ständig vergißt wer was oder muß noch was müssen. Junge Aufrechtgehermägdelein verteilen in den Straßen ein kostenloses Getränk in Blechbüchsen. Es heißt „Zero“. Null. Nichts. Wahrscheinlich ist das auch drin. Und dann regnet es auch noch. Und ist kälter. Kälter als gestern. Als noch die Arbeit quälte! Menno! Unverschämheit! Wo ist Gott! Gibt es ja nicht mehr! Grummeln und leises Klagen. Kaum Flüche. Trostkäufe, Mußkäufe, Keinkäufe, Rundläufe und wieder hin und her. Reifenrollen. Ein Parkplatz sei mir auf der Stelle: das noch nicht notierte Grundrecht. Wimmelbilder. Samstage sind was Schönes. Für Bären. Verregnete Samstage sind noch schöner. Der Schirm hängt und pendelt im Botanischen Garten, der leer, weil der gemeine Aufrechtgeher vor Regalen meditiert. „Zweite Kasse, bitte!“ Quatsch! „Zehnte Kasse, kein bitte!“ Besser kein Geld auszugeben, als kein Geld zu haben. Und dieses Wetter wieder! Scheißregierung! Archibald Mahler möchte helfen. Nur wie? Er kann nur reimen.

Protestsong günstig abzugeben

Da weht er, der Wind, da bin ich dagegen

Von vorne schlägt er mir ins Gesicht

Wolke graublau bricht auf, sendet Regen

Für diese Jahreszeit entschieden zu dicht

Frau auf dem Rücksitz, Einkaufsliste vergessen

Telefon klingelt, Mutter ist dran

Hast Du denn heut schon richtig gegessen?

Keiner, nur ich, hier einparken kann.

Da drüben der Chef, Straßenseite gewechselt

Klein ist die Stadt, Halli und Hallo

Die blöde Trulle an der Kasse immer noch sächselt

Drei Nutellas für zwei, das macht mich froh.

Die Henkel der Tüten war’n früher stabiler

Joghurt und Wein und ein wenig Shampoo

Ordnungsamtcowboys belästigen Dealer

Gleich Bundesliga. Vielleicht Sowieso?

Aufschwung, oh Aufschwung verlasse uns nicht

Sehe mein strahlendes Kundengesicht

Oh halte immer den Parkplatz mir leer

Und wenn Du nicht kommst

Kauf ich einfach noch mehr.

Mag es regnen, mag’s schnei’n

Doch eins werd ich nie tun,  richtig laut schrei’n.

Das machen andre und da bin ich dagegen.

Denn Feinde sind nur: der Wind und der Regen.

Und wieder ist es dunkel geworden und die Kaufbuden haben geschlossen. Gott sei Dank mag man sagen. Als Bär. Die armen Aufrechtgeher. Aber morgen ist bestimmt wieder irgendwo ein Event. Weia! Wäre ja schade, wenn man mal einfach so lebt. Denkt der Bär. Was ist das? Sieh an! Der Bär hat eine Postkarte bekommen. Aus der Hauptstadt. Das wird die ganze Nacht kosten, die zu lesen. Sehr schön.

Tags »

Autor: Christian Lugerth
Datum: Samstag, 27. August 2011 22:55
Trackback: Trackback-URL Themengebiet: PoesieSlambum

Feed zum Beitrag: RSS 2.0 Kommentare und Pings geschlossen.

Keine weiteren Kommentare möglich.