Beiträge vom 11. September 2011

WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / FÜNF

Sonntag, 11. September 2011 16:23

moral05

Heute ist Sonntag. Schwülwarm. Sommernachhall fast schon wütend und grell. Schweres Gewitter. Heute ist nicht irgendein Sonntag. Sagen die Aufrechtgeher. Manche Aufrechtgeher. Archibald Mahler, Bär vom Hegeltümpel, ist nachdenklich. Er spürt, heut’ ist er nicht so allein beim Denken. Die Aufrechtgeher denken heute auch, nach denken sie und gedenken tun sie. Manche Aufrechtgeher. Sie gedenken, weil ein besonderer Tag, der damals vor zehn Jahren. Die Welt verändert sei mit diesem Tag. Falsch! Denkt der Bär! Natürlich nicht das Nachgedenken, wenn es sich nicht in der gräßlich eitlen, verständlich dummen, aber leider opferverhöhnenden Frage „Wo war ICH damals?“ erschöpft. J. F. Kennedy ist tot, das dritte Tor war keines, die britische Prinzessin blieb im Tunnel stecken und Woodstock im Schlamm. Alle Aufrechtgeher waren einstens dabei und Kevin mal wieder allein zu Hause. Weia und nochmals: falsch! Es gibt ein paar Protagonisten und übrig bleiben ganz viele Statisten. So ist das. Zurück zum besonderen Tag. Archibald Mahler denkt noch mal nach. Die Welt hat sich verändert? Das geht doch gar nicht. Weil sie ist, wie sie ist, geschieht, was geschieht. Wenn man keine Zeit oder Lust hat hinzuschauen, kann man doch nicht behaupten, da wäre etwas vom Himmel gefallen. Oder? Ohnmacht gärt, Wut gärt, Wahnsinn gärt. Leise vor sich hin. Gelegentlich blubbern Vorzeichen an die Oberfläche. Wie der Schlamm, auf den der Bär blickt. War nicht zu sehen, aber immer da. Manche Aufrechtgeher wußten es, manche Aufrechtgeher sprachen davon, der Rest mußte leider shoppen gehen oder einfach nur versuchen zu überleben und solang man selber nicht im Schlamm steckt ist das mit dem Hinschauen oder gar Zuhören eine etwas komplexere Angelegenheit. „Mein Gott! Was für ein Gewitter!“ Denkt sich der Bär. Und dann denkt er, daß, wäre er jetzt ein Aufrechtgeher, er darüber nachdenken müßte, warum dieses Gewitter so heftig ist. Weil Tag und Nacht die Lichter brennen? Weil die Kassen, die nicht klingeln, suizidgefährdet sind? Weil die eine Welt und das eine Denken nur das Denken einiger und nicht das der einen Welt ist? Wie geht es eigentlich Herrn Busch? „Wir werden sie finden. Und wir werden sie bestrafen!“ Weia! Sie pusten sich gegenseitig in die Luft – Auge um Auge, Zahn um Zahn, Kassenbrille um Kassenbrille, Gebiß um Gebiß, Gebetsbuch um Gebetsbuch – und dann legen sie Teddybären auf die Gedenkstätten ihrer Toten. Archibald Mahler beschließt sich niemals als Opfergabe mißbrauchen zu lassen. Man hat ja noch was vor! Heute ist Sonntag. Heute stinkt der Schlamm. Heute wird gestorben. Heute ist weiterhin ein guter Tag. Für den Bären am Hegeltümpel. Glück gehabt!

Thema: De re publica, Wastelands | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth