Beiträge vom Juni, 2012

Dzien Dobdry revisited uno: DE(R)MUT

Samstag, 30. Juni 2012 17:42

em12_05

„Sie fanden mich sogleich. Haben Sie sich abgeregt, Herr von Lippstadt – Budnikowski?“

„Hömma Mahler, ich habe noch gar nicht begonnen mich inne Aufregung hinein zu begeben. Kannse mir woll glauben!“

„Wie war die Fahrt?“

„Vonne kompletter Erfreulichkeit geprächt und dat polnische Pilsken kannse bedenkenlos konsumieren tun.“

„Aha! Und nun sitzen wir auf der Bank.“

„Ich sach mal so, dat hat gewisse Vorteile, wennse wen anne Außenlinien sitzen hast, der seine  Blicke auffe Geschehnisse auffe Wiese richtet und im besten Fall korrigierend eingreifen tut. Also generell, sach ich mal. Außer er iss seine Fingernägels bis auffe Haut am abkauen. Kannse nich mehr gucken, nä!“

„Sprechen wir über Sehnsucht!“

„Dat kannse laut singen! Et würde mich erfreuen tun, wenn die ganze Pöhlerei wieder schwatt – weiß werden täte!“

„Abschaffung des Farbfernsehens?“

„Nee, dat iss eher inne mentalen und medialen Bereiche angesiedelt. Ich sach mal, dat Fell am Bären lassen, bevor der Italiener nich inne Kiste liecht.“

„Mehr Demut?“

„Mut auch, sach ich mal.“

„Aber Sie wirken zufrieden!“

„Hömma Bär, dat mit die Untertreibungen lassen wir mal bleiben tun, Sie sehen mich in eine Phase von höchste Zufriedenheit eintreten.“

„Bekommen Sie nicht langsam Angst vor Ihren prophetischen Gaben? Viermal exakte Voraussagen!“

„Hömma, dat iss küchenschypsologisches Grundwissen. Musse nur die Verlautbarungen der Herren aus Nordösterreich anhören tun, weiste dat dat inne Windeln gehen tut.“

„Und Polen?“

„Mit Anstand. Und wennse eh zu Hause bist, musse nich nach Hause fahren tun!“

„Und morgen?“

„Taka – Tuka – Land iss abgebrannt!“

„Dann schweigen wir ein Ründchen, bester von Lippstadt – Budnikowski!“

„Ne aber auch, dat sogar innem Wald von die Philosophens eine Pöhlerwiese rumliecht! Glaub ich dat?“

„Pscht!“

„Hömma!“

Thema: Im Philosophenwald, Pilka Zwelf | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

A. Mahler im Philosophenwald / EM BBB 5

Freitag, 29. Juni 2012 9:00

philwald24

Und weil Herr von Lippstadt – Budnikowksi dem Herrn Archibald Mahler ein sehr guter Freund geworden ist – ganze lange und erfüllte sechs Jahre ist das in diesem Monat her, daß man sich kennengelernt hatte – hat Herr Mahler sich einen Stift geschnitzt, ein paar unbeschriebene Blätter von einer Kastanie geborgt, hört dem aufregten Lippstadt – Budnikowski zu und schreibt fleißig, da Herr von Lippstadt – Budnikowski ihm vorliest, was da in der Zeitung steht, die im Zug aus Polen zurück nach Mittelhessen lag und wie klug für diese Zeitung ein ehrenwerter Herr Joachim Hoell geschrieben hat über die Pöhlerei. Herr Mahler ist Linkshänder. Dieses ist der letzte von fünf Teilen:

Eine gigantische Geldspirale

Sponsoren, Investoren, Fernsehen, Merchandising – die Geldströme, die beim Fußball fließen, sind gewaltig. Eine Ablösesumme von 94 Millionen, die Real Madrid für einen einzigen Spieler wie Ronaldo gezahlt hat, mag einen Eindruck vermitteln, welche Gelder in diesem Geschäft bewegt werden. Der FC Chelsea ist dank der russischen Milliarden seines Besitzers Abramowitsch gerade Champions-League-Gewinner geworden – die Rechnung geht also auf. In dieser sich kontinuierlich nach oben schraubenden Geldspirale bleibt für die Kleinen bald nichts mehr vom Kuchen. Großkonzerne gestalten den Sport, die Menschen dürfen zahlen und immerhin auch noch zuschauen.

Vor der brutalen Logik des Finanzkapitalismus kapituliert alles und jeder. Ob bei der aktuellen negativen Wirtschaftsentwicklung in Spanien die zwei Topvereine (und damit auch Großkonzerne) Barcelona und Madrid bald zu den Verlierern gehören werden, bleibt abzuwarten, es sei denn, es findet sich ein ausländischer Investor aus Rußland oder China. Dialektik der Aufklärung.

Wenn auch in Europa die Auswirkungen noch nicht so dramatisch und keineswegs mit den Bedingungen eines Landes wie Pakistan zu vergleichen sind, erleben auch die Gesellschaften der westlichen Welt seit einigen Jahren einen gehörigen Strukturwandel – und im Moment die größte Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Während die Massen auf den Fanmeilen, beim Public Viewing in ihrer Lieblingskneipe oder nach alter Großväter Sitte vor dem heimischen Fernseher ihre Teams und Stars bejubeln, bauen die politischen Führer, kaum beachtet von den Medien, im Windschatten des großen Sportevents, die europäische Finanzarchitektur auf eine Weise um, daß einem schwindlig vor Angst und Schrecken werden müßte. Die Folgen könnten gewaltig sein.

Der Krieg kann kommen.

Und das hat Herr von Lippstadt – Budnikowski den Herrn Mahler noch gebeten, daß er dies verlautbare. Nämlich, daß alle schräg markierten Worte der Herr Autor Joachim Hoell geschrieben habe. Wenn er das lese und nicht wolle, daß es hier stehe, solle er Bescheid geben, dann werde es weggemacht. Übrigens: Das erste Mal standen diese Worte am 23. Juni im Kontext, der Internetzeitung aus Stuttgart und TAZ – Beilage.

Post scriptum: Herr von Lippstadt – Budnikowski vermeldet – heute morgen extrem gut gelaunt – seine Ankunft im Philosophenwald. Herr Mahler möge sich auf ein auswertendes Symposium gefaßt machen.

Thema: Im Philosophenwald, Pilka Zwelf | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

A. Mahler im Philosophenwald / EM BBB 4

Donnerstag, 28. Juni 2012 15:50

philwald23

Und weil Herr von Lippstadt – Budnikowksi dem Herrn Archibald Mahler ein sehr guter Freund geworden ist – ganze lange und erfüllte sechs Jahre ist das in diesem Monat her, daß man sich kennengelernt hatte – hat Herr Mahler sich einen Stift geschnitzt, ein paar unbeschriebene Blätter von einer Kastanie geborgt, hört dem aufregten Lippstadt – Budnikowski zu und schreibt fleißig, da Herr von Lippstadt – Budnikowski ihm vorliest, was da in der Zeitung steht, die im Zug aus Polen zurück nach Mittelhessen lag und wie klug für diese Zeitung ein ehrenwerter Herr Joachim Hoell geschrieben hat über die Pöhlerei. Herr Mahler ist Linkshänder. Dieses ist der vierte von fünf Teilen:

Unglaublicher Reichtum und fürchterliches Elend

Die Bevölkerung ist bitterarm, die Konzerne streichen den Gewinn ein. “Diese Konzerne haben eine Macht, wie sie kein König, kein Kaiser, kein Papst auf dieser Welt je hatte – sie beherrschen die Welt”, resümiert Jean Ziegler im Film. “Die Weltdiktatur des globalisierten Finanzkapitals bedeutet unglaublichen Reichtum, monopolisiert in den Händen von ganz wenigen, und fürchterliches Elend für die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten.” Doch die Näher und Näherinnen in Sialkot sind glücklich, überhaupt eine Arbeit zu haben. Kaum jemand spielt dort Fußball, aber die meisten sind stolz, daß aus ihrem kleinen Ort die handgenähten Fußbälle stammen, mit denen überall in der Welt gespielt wird, von kleinen Kindern bis zu den Weltstars.

Darin liegt der Zynismus des kapitalistischen Systems, daß die um ihr karges Dasein ringenden Menschen in Pakistan froh über die Arbeit, froh über den Lohn und auch noch stolz auf die Tätigkeit sind, obwohl sie in der Wertschöpfungskette am untersten Ende stehen. Unfreiwillig bejahen sie das System, das sie ausbeutet und zerstört, weil die Alternative noch schrecklicher wäre. Dialektik der Aufklärung.

Der New Yorker Schriftsteller Paul Auster sieht im Fußballspiel den Krieg mit anderen Mitteln, eine moderne und friedlichere Variante des realen Krieges zwischen Nationen. Fußball als Statthalter für den realen Krieg. Auf die Psychologie der Masse bezogen, mag das richtig sein, auf die Verteilungskämpfe, die der globalisierte Fußball mit seinen Milliarden anheizt, ist Fußball ein Symbol für den Krieg zwischen Arm und Reich, zwischen Konzernen und Individuen geworden. Und dieser Krieg findet nicht zuletzt auch in den wohlhabenden Ländern der Erde statt.

Und das hat Herr von Lippstadt – Budnikowski den Herrn Mahler noch gebeten, daß er dies verlautbare. Nämlich, daß alle schräg markierten Worte der Herr Autor Joachim Hoell geschrieben habe. Wenn er das lese und nicht wolle, daß es hier stehe, solle er Bescheid geben, dann werde es weggemacht. Übrigens: Das erste Mal standen diese Worte am 23. Juni im Kontext, der Internetzeitung aus Stuttgart und TAZ – Beilage.

Post scriptum: E oggi? Comtesse Stan di Lippi dice: Primo: il affanno tedesco. Secondo: il problema bavarese: sempre secondo! Terzo: Cesare vincere Leone.

Thema: Im Philosophenwald, Pilka Zwelf | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

A. Mahler im Philosophenwald / EM BBB 3

Mittwoch, 27. Juni 2012 14:04

philwald22

Und weil Herr von Lippstadt – Budnikowksi dem Herrn Archibald Mahler ein sehr guter Freund geworden ist – ganze lange und erfüllte sechs Jahre ist das in diesem Monat her, daß man sich kennengelernt hatte – hat Herr Mahler sich einen Stift geschnitzt, ein paar unbeschriebene Blätter von einer Kastanie geborgt, hört dem aufregten Lippstadt – Budnikowski zu und schreibt fleißig, da Herr von Lippstadt – Budnikowski ihm vorliest, was da in der Zeitung steht, die im Zug aus Polen zurück nach Mittelhessen lag und wie klug für diese Zeitung ein ehrenwerter Herr Joachim Hoell geschrieben hat über die Pöhlerei. Herr Mahler ist Linkshänder. Dieses ist der dritte von fünf Teilen:

Der Dreiklang der Verblödung

Im Fernsehen dominieren drei Formate – Sport, Kochsendung und Talkshow. Mit diesem Dreiklang der Verblödung glaubt das öffentlich subventionierte deutsche Fernsehen seinem Sendeauftrag nachzukommen. Sind Kochsendungen und Talkshows wenigstens noch im eigentlichen Sinne des Wortes billig produzierte Sendeminuten, sprengt Sport, und da vor allem Formel 1 und Fußball, alle Dimensionen. Für das in Fußball investierte Geld könnten unzählige Autoren- und Dokumentarfilme produziert werden – Formate, die seit Jahren grob zusammengestrichen werden.

Aber der Geschmack der Masse geht über alles, der festgeschriebene Sendeauftrag nur noch Makulatur. Und nicht nur für das Fernsehen ist Fußball ein Bombengeschäft. Das Fußballgeschäft sei “der Inbegriff des entfesselten, wild gewordenen, globalisierten Finanzkapitalismus”, meint der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, Mitglied des UN-Menschenrechtsbeirats. “Milliarden von Dollar sind impliziert, Sponsorengelder, Fernsehrechte und so weiter. Aber in Pakistan, dort, wo die Menschen die Fußbälle herstellen, bedeutet dieser globalisierte Finanzkapitalismus täglichen Terror.”

An die 50 Millionen Bälle nähen pakistanische Frauen und Männer im Jahr zusammen – für rund 40 Cent pro Ball, der in Europa bis zu 100 Euro kostet. In dem Film “Der Ball ist rund” (2010) gehen die beiden Regisseure Christian Krönes und Florian Weigensamer zu dem Ort Sialkot im Nordosten Pakistans, das Zentrum weltweiter Produktion von Fußbällen. 50 000 Menschen nähen dort jährlich bis zu 50 Millionen Fußbälle, erwartungsgemäß verdienen die Näher und Näherinnen nur wenig, arbeiten dafür hart und haben keine soziale Absicherung, doch andere Erwerbsmöglichkeiten existieren praktisch nicht. “Es ist eine schwere Arbeit”, erzählt eine junge Näherin. “Ich nähe jetzt schon seit vier Jahren, mit meiner Erfahrung fällt es mir leichter, aber es ist anstrengend. Man braucht sehr viel Kraft.” Über drei Stunden dauert es, einen Ball zu nähen. Nach 750 Stichen sind die 32 Einzelteile der Hülle schließlich verbunden und bilden einen Ball. Drei bis vier Bälle kann eine Näherin am Tag fertigen und erhält pro Stück 40 Rupien, rund 40 Eurocent. In Europa wird der Ball zwischen 25 und 100 Euro kosten.

Und das hat Herr von Lippstadt – Budnikowski den Herrn Mahler noch gebeten, daß er dies verlautbare. Nämlich, daß alle schräg markierten Worte der Herr Autor Joachim Hoell geschrieben habe. Wenn er das lese und nicht wolle, daß es hier stehe, solle er Bescheid geben, dann werde es weggemacht. Übrigens: Das erste Mal standen diese Worte am 23. Juni im Kontext, der Internetzeitung aus Stuttgart und TAZ – Beilage.

Thema: Im Philosophenwald, Pilka Zwelf | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

A. Mahler im Philosophenwald / EM BBB 2

Dienstag, 26. Juni 2012 19:05

philwald21

Und weil Herr von Lippstadt – Budnikowksi dem Herrn Archibald Mahler ein sehr guter Freund geworden ist – ganze lange und erfüllte sechs Jahre ist das in diesem Monat her, daß man sich kennengelernt hatte – hat Herr Mahler sich einen Stift geschnitzt, ein paar unbeschriebene Blätter von einer Kastanie geborgt, hört dem aufregten Lippstadt – Budnikowski zu und schreibt fleißig, da Herr von Lippstadt – Budnikowski ihm vorliest, was da in der Zeitung steht, die im Zug aus Polen zurück nach Mittelhessen lag und wie klug für diese Zeitung ein ehrenwerter Herr Joachim Hoell geschrieben hat über die Pöhlerei. Herr Mahler ist Linkshänder. Dieses ist der zweite von fünf Teilen:

Gucken als Event der Selbstbespiegelung

Das Public Viewing im Pub stellt dabei das Minimum an Öffentlichkeit dar. Auf den Fanmeilen der Großstädte drängeln sich gleich Millionen, um im kollektiven Rausch versinken zu dürfen, stundenlang im Regen oder in der Sonne stehend, aus so weiter Ferne zum Screen, daß das Fußballspiel selbst zur Nebensache, die wabernde und brüllende Masse zur Hauptsache wird. Das Fernsehen berichtet live davon, daß so viele gemeinsam fernsehen, das Event Fußball wird zum Event Fußballgucken, eine krude Selbstbespiegelung, mit der die Macher die Spirale immer höher drehen.

Das Medium Fernsehen nimmt als Übermittler, Organisator und Sponsor der Spiele eine zentrale Rolle ein. Katrin Müller-Obersalzberg, wie Spötter die Kommentatorin des ZDF nennen, nachdem sie bei der WM 2010 ausgerechnet die Treffer von Miroslav Klose als “inneren Reichsparteitag” für den polnischstämmigen Stürmer bezeichnete, steht zur EM 2012 auf einer Seebühne auf der deutsch-polnischen Insel Usedom, pompös in der Ostsee arrangiert und spektakulär illuminiert, als ob Leni Riefenstahl ein Remake von “Triumph des Willens” und “Olympia” gedreht hätte und auch gleich noch den Hauptdarsteller in Gestalt des blonden Hünen Oliver “Olli” Kahn casten durfte. Flankiert von der johlenden Meute, alle frisch ausgestattet mit UEFA-Fanartikeln der deutschen Mannschaft.

Hätte man den schwarz-rot-goldenen Fußballstrand in Polen oder der Ukraine aufgebaut, wären die Schlachtgesänge deutscher Fans womöglich im polnisch-ukrainischen Jubel untergegangen, aber man hätte nicht mehr von “innerem” Reichsparteitag sprechen müssen. Aber das war den Verantwortlichen dieses Mal dann doch noch zu mutig.

Und das hat Herr von Lippstadt – Budnikowski den Herrn Mahler noch gebeten, daß er dies verlautbare. Nämlich, daß alle schräg markierten Worte der Herr Autor Joachim Hoell geschrieben habe. Wenn er das lese und nicht wolle, daß es hier stehe, solle er Bescheid geben, dann werde es weggemacht. Übrigens: Das erste Mal standen diese Worte am 23. Juni im Kontext, der Internetzeitung aus Stuttgart und TAZ – Beilage.

Thema: Im Philosophenwald, Pilka Zwelf | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

A. Mahler im Philosophenwald / EM BBB 1

Montag, 25. Juni 2012 14:07

philwald20

Und weil Herr von Lippstadt – Budnikowksi dem Herrn Archibald Mahler ein sehr guter Freund geworden ist – ganze lange und erfüllte sechs Jahre ist das heute her, daß man sich kennengelernt hatte – hat Herr Mahler sich einen Stift geschnitzt, ein paar unbeschriebene Blätter von einer Kastanie geborgt, hört dem aufregten Lippstadt – Budnikowski zu und schreibt fleißig, da Herr von Lippstadt – Budnikowski ihm vorliest, was da in der Zeitung steht, die im Zug aus Polen zurück nach Mittelhessen lag und wie klug für diese Zeitung ein ehrenwerter Herr Joachim Hoell geschrieben hat über die Pöhlerei. Herr Mahler ist Linkshänder. Dieses ist der erste von fünf Teilen:

EM – Blut, Ball und Boden

Ein- und Ausfahrtsstraßen menschenleer, Rauchsäulen steigen in den dunstigen Abendhimmel, Raketen durchschlagen die gespenstische Stille. Im Schutz von Häusern und Cafés zusammengerottete Menschen, die bei einem Treffer in wildes, hysterisches Geschrei ausbrechen. Ein Schrei wie aus einer Kehle. Angst und Entsetzen in den Gesichtern. Heulen und Brüllen vor Schmerz. Der Feind hat sie böse erwischt. Der letzte Schuß war ein Treffer. Ein Volltreffer. Die gesamte Nation erschüttert. Millionen Menschen ins Herz getroffen. Die gegnerische Mannschaft hat ein Tor geschossen. Es ist Fußball-Europameisterschaft. Tooooooooooooor!

Schwierig, diesem Event zu entkommen. In Berlin-Kreuzberg, seit Jahrzehnten die Trutzburg der Unangepaßten, in der die sogenannten bürgerlichen Parteien zusammen keine zehn Prozent bei Wahlen schaffen, dafür grüne Fundis die absolute Mehrheit erringen und mit dem Altlinken Hans-Christian Ströbele den einzigen Direktkandidaten ihrer Partei für den Deutschen Bundestag stellen, in diesem Kreuzberg, Versuchslabor für Künstler und Lebenskünstler aus der ganzen Welt, ist es während eines internationalen Fußballwettbewerbs wie einer WM oder EM unmöglich, am Abend ein ruhiges Plätzchen zu finden. Fernseher und Kinoleinwände allerorten übermitteln die süchtig machenden Bilder von schwitzenden Männern in kurzen Hosen, die um einen Ball rangeln.

Kein öffentlicher Ort, vom Kiosk übers Café bis zum Restaurant, kann ausscheren, wer Profit will, muß mitmachen und die Übertragung der Spiele anbieten. Selbst in dem raren Fall, daß die Betreiber eines chinesischen Restaurants in Unwissenheit der Bräuche und Sitten ihres Gastgeberlands keinen Fernseher zum Public Viewing aufgestellt haben, ist der nächste Hotspot nicht fern, so daß akustisch keine Fluchtmöglichkeit vor dem Geplauder des Moderators, den Schlachtgesängen des Publikums im Stadion und dem Gebrüll des Publikums vor dem Fernseher besteht.

Vor zehn Jahren wäre diese offen zur Schau gestellte Begeisterung für einen Massensport wie Fußball an einem “linken” Ort wie Kreuzberg peinlich gewesen, vor zwanzig Jahren hätte sie zu gewalttätigen Auseinandersetzungen geführt, doch heute malen sich viele die schwarz-rot-goldene Kreide ins Gesicht und montieren, in Ermangelung eines eigenen Autos, Deutschland-Wimpel an ihre Citybikes. Man lacht dazu, es ist ironisch gemeint, wir sind doch postpostmodern. Links sein und lustig sein ist eins geworden, Widerstand gegen den Mainstream leisten nur noch unverbesserliche Spaßbremsen, die Kultur der Masse hat die letzten Bastionen des Widerstands überwunden. Dialektik der Aufklärung. (Fortsetzung folgt)

Und das hat Herr von Lippstadt – Budnikowski den Herrn Mahler noch gebeten, daß er dies verlautbare. Nämlich, daß alle schräg markierten Worte der Herr Autor Joachim Hoell geschrieben habe. Wenn er das lese und nicht wolle, daß es hier stehe, solle er Bescheid geben, dann werde es weggemacht. Übrigens: Das erste Mal standen diese Worte am 23. Juni im Kontext, der Internetzeitung aus Stuttgart und TAZ – Beilage.

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A. Mahler im Philosophenwald / Verzicht

Sonntag, 24. Juni 2012 16:00

philwald19

Archibald Mahler schaut nach oben. Er könnte es sich einfach machen und diesen Blick begründen mit dem heraneilenden Gewölk, aber es ist mehr. Der Bär fragt sich, was ihn nach oben blicken läßt. Ein wenig erschrickt er dabei. Es wäre ein größerer Schritt. Es wäre eine größere Türe, die man da aufstößt. Eine Entscheidung. Den Blick nach oben zu lenken und nicht mehr auf das Denkfeld. Sich anvertrauen einer Art Ahnung oder einem Wissen oder einer milden Hoffnung. Oder gar der bohrenden Befürchtung, daß der hirnzerfurchende Blick auf das Denkfeld da oben nur mitleidiges Gelächter auslöst. Es ist mehr als eine Wolke von Informationen da oben – Cloud nennt man dies heute wohl – es könnte eher sein eine Art von Denkhafen, eine Art von Denkhafen, in dem man kostenfrei, aber nicht gänzlich regellos, sein Gedankenschiff vor Anker gehen lassen könnte, zeitweise, geschützt von Wellenbrechern und Kaimauern könnte man dann senien Nachen des Nachdenkens entspannt vor sich hin schaukeln lassen, um nicht zum dreibillionsten Mal Amerika entdecken zu müssen. Da kann man getrost darauf verzichten. (Erst wenn man es niedergeschrieben hat und das Auge auf den Buchstaben wirft, realisiert man die Assoziationsketten. Man darf sich nicht korrigieren. Es muß bleiben, wie es ist.) Heute ist Sonntag und Archibald Mahler hätte sich auch frei geben können. Er hat aber keinen Antrag an sich gestellt, blickt so weiter nach oben, denn auch Wolken ohne Überbau laben eine Bärenseele. Da klingelt das Handy des Bären. Ist das so? Gewiß! Was macht eigentlich Herr von Lippstadt – Budnikowski? Herr von Lippstadt – Budnikowski ist am anderen Ende der – mir fällt das neue Wort nicht ein – also am anderen Ende der Leitung. Er klingt aufgeregt. Er erzählt, er säße im Zug zurück von Polen nach Doitschland und habe im Abteil eine Zeitung gefunden und lese darin einen Artikel und sei beglückt und wisse nun, warum ihn in den letzten Wochen beim Pilkereigucken kein Spaß angefallen habe, er aber oft von einem unangenehmen Gefühl übermannt worden sei, daß sich manchmal sogar dem Bedürfnis den Mageninhalt ins Freie zu stellen, angenähert hatte. Aber jetzt, wo er diesen Artikel lese, sei er fast schon befreit und deshalb müsse er dies dem Bären und Denkpartner unbedingt sogleich vorlesen, denn er sei zwar Fan der Pöhlerei, aber andererseits nicht ein hirnloser Dubbelhase und der Bär solle das notieren und der mittelhessischen und Sonstwelt mitteilen. Diese im Zug gefundenen Gedanken zur Pilkerei würden paßgenau in die Schnittstelle der medialen Euphoriekette reinrauschen wie ein Paß von – Neiget Eure Häupter, ihr Vergesslichen alle! – Zizou, dem ewigen Zidane und Kopfboxer. Archibald Mahler springt auf, über den äußeren Rand drüber, rein in den Philosophenwald und findet keinen Stift. Wie auch? Aber er hat eine Idee.

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A. Mahler im Philosophenwald / Empathie

Freitag, 22. Juni 2012 12:44

philwald18

Archibald Mahler ist wieder in die Mitte gerückt. Wie jetzt? Maßhalten? Warmduscher? Weichei? Waage? Nicht ganz, der Bär steht neben sich, genauer hinter sich. Er betrachtet sich bei der Betrachtung. So wie es ein jeder Leser im besten Falle tun sollte, eben seine Augen zu den Augen des betrachteten Betrachters machen, wenn irgend möglich jegliches Buch zu Ende lesen und daraufhin das mit den fremden Augen Angesehene betrachten, die Spuren, welche es hinterlassen, die Widerstände, die es herausgekitzelt, sich stellen der Abwägung: Verlust oder Gewinn. Wobei ein im ersten Moment ausgemachter und darauf hin empört konzidierter Verlust – Ojemine die Zeitverschwendung! So ein elendiger Mist! – sich nach einer zweiten und dritten Nachdenkrunde oftmals als großer Gewinn darstellt. Denn keiner möge sich der Einbildung anheim geben, er sähe die Welt und ihre Emanationen ersten Auges. Einen Einzigen gab es, der die Welt ersten Auges betrachtete und vom Ihm wird berichtet im ersten Buch Mose, erstes Kapitel, vierter Vers. Ein Erster, der da sah, daß etwas gut war. Dann erst begann er die Dinge zu benennen. Man kann, wie dies heute durchaus gang und gäbe ist, auch das umgekehrte Verfahren anwenden, erst mal alles benennen, labeln und etikettieren, und dann, falls etwas der unendlich kostbaren eigenen Zeit eventuell übrig sein sollte, drüber nachdenken, ob es denn so gut sei. Und wie der Bär so darüber nachsinnt, schaut er zum Himmel, sieht wie die Sonne auf sein Denkfeld scheint, konstatiert wie ein sanfter, warmer, nicht zu heißer, endlich nicht mehr schwüler und sogar komplett trockener Wind über seinen Pelz streicht und denkt sich, das heute wohl der Sommer beginnen muß. Ist das so? Gewiß! Was macht eigentlich Herr von Lippstadt – Budnikowski? Herr von Lippstadt – Budnikowski hat ein Telegramm geschrieben aus Warzawa. Bald kehre er heim. Und er habe eine Mannschaft aufgestellt, deren Sieg er sich für den heutigen Abend von Herzen herbeisehne. Und dies sei die Aufstellung:

Thales von Milet

Plato

Demokrit  Pythagoras  Parmenides  Heraklit

Anaxagoras  Empedokles  Aristoteles  Diogenes

Sokrates

Auf der Bank:  Epikur  Euklid  Archimedes

Und Herr Archibald Mahler denkt, da am heutigen Sommeranfang er nun mal außerhalb des inneren Randes des Philosophenwaldes sitzt, daß wenn, dann bitte so. Außerdem, selten sah er vier so schön gleichberechtige Neunziggradwinkel auf seinem Denkfeld. Heureka!

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A. Mahler im Philosophenwald / Korrekturen

Donnerstag, 21. Juni 2012 11:52

philwald17

Also heute mal anders. Nach rechts gerückt. Es kann nur Eine geben. Man muß doch sein Herz an was hängen können wollen müssen. Es gibt doch so etwas wie Treue. Stolz. Background. Familie. Gemeinsames. Verbindendes. Prägung. Tradition. Oder etwa nicht, Bär? Archibald Mahler ist ganz schwindelig und er weiß, diesmal ist es nicht das Wetter, was oft für dieses und jenes den Kopf hinhalten muß, wenn der eigene Schädel schlingert. Hirn zusammengekniffen und hingeschaut! Was machen die Linien auf dem Denkfeld? Dieselben Linien wie gestern noch strukturieren das Feld, aber nun: dieselben Winkel, vom Bär aus betrachtet, etwas spitzer. Die Sonne wirft denselben Schatten, doch endet er etwas mehr da drüben, äh, dings, links, äh, ne, doch rechts, ach was, Potzrembel, weg ist er heut, weil man ihn nicht sieht. Sonst wäre er schon noch da, gelle! Und das Netz steht krumm, andere Richtung aber. Doch halt. Ist der Bär verrutscht oder nur das Auge des Betrachters? Ist der Betrachter eines Betrachters irritiert, wenn der die Stellung wechselt? Oder wechselt der Betrachter Eins gar nicht die Stellung, sondern der Betrachter Zwo ist etwas zur Seite geschritten und plötzlich? Ja, was denn nun? Noch einmal ruft es: Treue! Archibald Mahler hat gute Lust die Stimmen in seinem Kopf zu erwürgen. Hätte er – vielleicht wäre dies demnächst ins Auge zu fassen – ein Bärenweib, nein: Halt, ein ganz schnelles Halt, denn er hat ja den Ehrenwerten Herrn von Lippstadt – Budnikowski an seiner denkenden Seite – also jedenfalls ist er in dieser Beziehung gerne und begeistert treu. Einerseits! Und dann fällt ihm der gestrige Personalausweis wieder ein und er weiß, den Personalausweis würde er tagtäglich betrügen, der dürfte sogar dabei zusehen, wie der Bär ihn betrügt, er würde ihn auch verleugnen, bevor der Löw zweimal gebrüllt, mental beschmutzen könnte er ihn wenn nötig auch, aber am allermeisten würde er ihn eigentlich gar nicht brauchen und wäre dann nur froh darüber Herr Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz, zu sein, der gar keinen Personalausweis hat, keinen haben will und immer noch nicht raus gefunden hat, ob er aus Westwyoming oder Kamschatka herkommt oder nur aus Mittelhessen, und das ist und bleibt ihm Wurst- und Leberbrot. Ist das so? Gewiß! Was macht eigentlich Herr von Lippstadt – Budnikowski?

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A. Mahler im Philosophenwald / Tendenz

Mittwoch, 20. Juni 2012 20:28

philwald16

Einfach so gucken? Ohne zu werten? Ohne zu wissen? Unabhängig etwa gar? Aber, hallo. Wenn das wer liest, Herr Mahler! Haltung ist gefordert. Meinung. Stellungsnahme. Und dies bitte: definiert, witzich, pointiert Was halten Sie eigentlich, was denken Sie und! Wie war das und was fühlten sie? Jawoll! Wenigstens eine Tendenz muß erkennbar sein! Wenigstens dies. Also ist der Bär etwas nach links gerutscht auf dem Denkfeld. Erstaunlich! Dieselben Linien wie eben noch strukturieren das Feld, aber nun: andere Winkel, vom Bär aus betrachtet. Die Sonne wirft denselben Schatten, doch scheint er nicht etwas kürzer von hier aus betrachtet? Und das Netz steht krumm. Doch halt. Ist der Bär verrutscht oder nur das Auge des Betrachters? Ist der Betrachter eines Betrachters irritiert, wenn der die Stellung wechselt? Oder wechselt der Betrachter Eins gar nicht die Stellung, sondern der Betrachter Zwo ist etwas zur Seite geschritten und plötzlich? Ja, was denn nun. Irgendwer oder irgendwas schwankt vor den gestern noch inneren Rändern des Philosophenwaldes. Archibald Mahler gefällt das. Es gefällt ihm, heute etwas anderes zu sehen, also zu sagen als gestern oder morgen und es gefällt ihm noch mehr, wenn jemand, der ihn betrachtet bei sich verändernder Betrachtung, irritiert alte Betrachtung einfordert. Und eine klare Haltung. Meinung. Stellungsnahme. Und dies bitte: definiert, witzich, pointiert. Aber jetzt ist eh schon Abend und die Fledermäuse flitzen rüber zum Schwanenteich, jagen ihr Vesper, man sollte daher aufhören zu hirnen und der Bär tut das auch sogleich. Doch dann stellt er sich noch ganz kurz vor wie schlimm es wäre, wenn er zum Beispiel einen Personalausweis hätte und daraus ergäbe sich in einer absurden Zwangsläufigkeit: die Aufforderung zu haben, zackzack: Haltungen, Meinungen, Stellungsnahmen, Sympathien, Abneigungen. Weia! Dann doch lieber ein ordentlicher Netzroller. Aber auf welche Seite soll der dann runtertropfen? Egal. Runtertropfen wird es auch ohne Archibald Mahler. Bestimmt! Ist das so? Gewiß! Was macht eigentlich Herr von Lippstadt – Budnikowski?

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