MDdW / Studierzimmer / Budnikowski als Pudel

Sei ruhig, Mahler! Renne nicht hin und wider! / an der Schwelle was schnoperst du hier? / Leg dich hinter den Ofen nieder, / mein bestes Kissen geb ich dir. / Wie du gestern und all die vergangenen Tage / durch Scharren und Murren ergetzet uns hast / und was ich nur krummen Fingers dir winke, / uns manchmal auch leidlich verärgert hast. / Ach, wenn in unsrer engen Zelle / die Wärmelamp’ freundlich dann brennt, / morgen wird’s in der Bärenseel’ helle / auch wenn man sein eigenes Herz nicht mehr kennt. / Vernunft braucht nicht sprechen, / es reicht wenn sie vorhanden / fällt der Erlöser vom Kreuz, / dann weich soll er landen. / Drum knurre nicht, Mahler, / dem Gretchen es graust / am Montag nach Ostern / erscheint sie zerzaust. / Und alle die’s wissen, so reimen sie schon: / „Mahler, wie hältst du’s mit der Religion?“ / Vom Guten und Schönen kein weiteres Wort, / Hoffnung bleibt knospenlos, / Mahler, was ist das bloß! / Welt, kalter Ort! Fort! / Und morgen wird es Ostern / selbst in unseren Klostern! / Dann füllen wir den Bauch! Auch! / Ihr angestrebt’ Zimmer werde ich heizen / mit Wort und Wärm’ und Lieb’, / ohne zu geizen! / Die Ungeduld ist ein Dieb! / So bleib sie uns gestohlen!
MDdW / Des Mahlers Passione ist nicht ohne!

Der heutige Tag ist ein Tag, aber auch ein Tag, an dem in sich geschaut wird. Der Eine und ein Anderer tun dies auch. Mahler kann es gewiß. Die Welt ist ihm ein ewiges Gefängnis, Erlösung ein wunder Traum, da man nicht geschaffen für ewiges Glück, nur für das unendliche Versuchen. Mahler umfaßt die Stäbe seiner Gitter und spürt, wie sie sich in seinen Pratzen erhitzen. In solchen Momenten gibt es auf dieser Welt für Mahler nur den Dichter Samuel Beckett. Dem Karfreitag ruft der Denkbär folgende Worte entgegen, entliehen dem Lieblingspoet! Leset:
was würde ich tun ohne diese Welt ohne Gesicht ohne Fragen
wo Sein nur einen Augenblick dauert wo jeder Augenblick
ins Leere fließt und ins Vergessen gewesen zu sein
ohne diese Welle wo am Ende
Körper und Schatten zusammen verschlungen werden
was würde ich tun ohne diese Stille Schlund der Seufzer
die wütend nach Hilfe nach Liebe lechzen
ohne diesen Himmel der sich erhebt
über den Staub seines Ballasts
was würde ich tun ich würde wie gestern wie heute tun
durch mein Bullauge schauend ob ich nicht allein bin
beim Irren und Schweifen fern von allem Leben
in einem Puppenraum
ohne Stimmen inmitten der Stimmen
die mit mir eingesperrt
Draußen hört man den Hammer klingen und das Kreuz knirscht unter den unchristlichen Schlägen. Der Vorhang zerreißt im Palast des Statthalters und man wäscht seine Hände in Unschuld. Das können wir auch und werden weiter es tun. Morgen schaut Mahler in einen anderen Raum. Vielleicht mag er dort einziehen.
MDdW / Im Ostwind eine Wahrheit?

Kalt pfeift es und Fell sträubt sich dichtend / dem Wind ist es schnurz / man läßt einen Furz / das Haupthaar sich lichtend / und gestern bleibt gestern / dreh deinen eigenen Western / in porösen Stiefeln / alte Wahrheiten miefeln / ich hab doch schon immer / schales Gewimmer / gewußt und erwähnt / die Gegenwart gähnt / an einer Mauer man lehnt / die längst schon gefallen / im eigenen Hirnsaal die Einwände knallen / wie Hiebe von Peitschen am Hals toter Pferde / begrabe die Wahrheit in faulender Erde / und lege dein trauriges Ego daneben / auch ohne Dein Zutun / die Erde wird beben / über den eigenen Scheitel rollt grinsendes Leben / vergesse nur nicht für die Rente zu kleben / denn sonst wird es teuer / es sei denn die Steuer oder Mama und Papa / vielleicht sind sie da noch / klage nie ohne Zweck / der Ostwind pfeift weiter / doch der Lenz rennt nicht weg / er sitzt seiner Wanstigkeit seit Wochen im Nacken / die Faust wird geballt / morgen wird er ihn packen / doch hacken wir besser noch Holz / statt von Rosen zu träumen / eine Ahnung von Wahrheit / gibt’s nur ohne zu schäumen? / Hoch lebe die Wut!
MDdW / Freiheit egal iss heut’, Fraternité? Nee!

so dem mahler freigestellt ward
zu schweigen
frei er war und weil
gestern hatte er als er aufgestanden
beschlossen was und war er weg darauf
eisbachend osternglockend lockend
und so hängt man über und allein
herum und dumm
was gestern war geschehen
wir können es verstehen
wir müssen nicht
ein kurzgedicht
hallt nach und von der mauer putz der
bröselt löselt und so staubt’s
und mosert man
gelegentlich und
häufig läufig häuft man haufen auf und auf und
immer noch doch wieder
gerne wäre ruhe eingezogen
das trommelfell trommelt
alles andere gelogen und gesogen
aus klammen fingern wunderbar
(rettet die east side gallery! hihi!)
noch was?
i feel free
von cream
so hang on to – genau
mehr dann sonntags
weiter kalt
aua
MDdW / Herr Beckett, Sie übernehmen, please!

Wir nehmen an, daß die Narzissen heute Samuel Beckett hießen und daß das geschwoll’ne Geheimratgezeter dem Bären vorbeirutscht am frierenden Pöter und das Warten so bleibt, als wär’s sich selbst genug, frierend, aber durchaus klug:
Stell dir vor wenn dies
Eines Tages dies
Eines schönen Tages
Stell dir vor
Eines schönen Tages dies
Aufhörte
Stell dir vor
Und ein Lächeln eilt herbei im zitt’rigen Flug, bis die Falten des Maules sich spannen und breit bis zum Schmerz, entquillt heizendes Lachen dem kalten Herz:
Bis zum Äußersten
Gehen
Dann wird Lachen entstehn
Mit Euch, Herr Beckett, zu sinnieren ist, trotz überlaufend’ Regentonne, stets mir:
Eine Sonnenwonne!
MDdW / Vor dem kalten Tore man wartet

Vom Eise befreit? Dazu nicht mal ein Wort zur Zeit, denn Strom und Bäche künden von des Lenzen’ Schwäche, gluckern kühl und trübsalzäh. Winters Faust deckt braune Flur mit unerbittlichlich’ Weiß, Kranich kehrt und wendet und ihm schwindelt, alles Streben zarter Triebe wartet, es wandeln frierend Aufrechtgeher aus dem hohlen, finstren Tor, erkältet krächzt der Engel Chor, die Auferstehung wird verschoben, der Tag entgraut und ihn zu loben, fällt bestenfalls dem Teufel ein, doch selbst sein glühend’ Pferdefuß verlöscht in einem Regenguß. Man putzt nicht sich heraus, man putzt verschlammten Schuh, blickt nassen Auges auf der Stadt Getümmel, sucht hinter Wolken einen Himmel, ungläubig flüstert groß und klein: Wo ist der Lenz? Bitt’ ihn herein! Und auch Herr Mahler wär’ bereit, das Willkommenstuch zu hissen. Vielleicht tun’s die Narzissen, vielleicht auch können Osterglocken den späten Bengel locken, den Schritt nun eilend zu gestalten, mag er bald Einzug halten. Doch solang die Wolke weint: Warten ist die wahre Zeit.
MDdW / Phantasie oder kühner Flug auf der MZ

Wenn Phantasie sich sonst mit kühnem Flug und hoffnungsvoll, springt sie noch an die gute, alte MZ? Wenn ich nur einen Sturzhelm hätt` am Hirn. Ob ich ihn brauch’ im Zeitenstrudel, wo manches scheitert, Sorgen nisten, tiefe Herzen, geheime Schmerzen? Gib Gas, wo weilt der Has’, oh Mahler, wo? Den Göttern gleicht man nicht, das wurde schon bemerkt, der Aufrechtgeher zwergt so gerne doch und wurmt und staubt und trotzdem, er glaubt stets doch am Tisch der Götter Supp’ zu schlürfen und trödelt, tausendfach voll Tand, von der Jugend voll Versprechen ins taumelnd’ traurig Gottesland. Der Bart ist kraus, der Riegel, schwer liegt er im Schloß, wie finde ich den Bogen in den klingend’, singend’ Abschlußreim nun bloß? Es hebt und atmet Bärenbrust und fast, was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. Kann Lenzbär sicher sitzen auf der versunkenen MZ? Im Hier und Jetzt? (Dieses sei nun ein Gesang zu Ehren des Kickstarters!) Merke: Schwächelt sie die Wade, so ist dies meistens schade!
MDdW / Buchberührung, Flamme und Erdgeist

„Wer ruft mir? Schreckliches Gesicht!“ Oder andersrum: wer spricht wann und dann mit wem, auch wenn es nicht sehr angenehm? „Schreckliches Gesicht! Wer ruft mir?“ Wer zieht wen mächtig an oder ran an sich, auch gerne dann und wann und brüllt mit Freud’ und Inbrunst dann: „Weh, ich ertrag Dich nicht!“? Das kann ja wohl jeder verlautbaren, mit gerauften Haaren oder verlautbaren lassen! Die Worte all’ in Massen. Viel wird gefurzt! Man versteht nix, doch es riecht ganz kurz. Mal nach Professor oder Doktor, meist nach alten Halden, deren Weisheiten erkalten, bevor sie heiß gegessen. Man weicht der Flammenbildung aus, behauptet man sei Faust und noch bevor es Gretchen graust, wallt und hallt der abgeholzte Wald, und der Späne Geknirsch’, als sei’s ein neuer Tisch, ist dennoch nur verdorb’ner Fisch. Die weite Welt wird nicht umschweift, der Doktor nach dem eig’nen Schwänzlein greift und läßt es wedeln. Dies wird den Quark, den seinen, heut’ nicht mehr veredeln und morgen kräuseln sich der Menschheit Schnitzel so unerquicklich wie der Nebelwind, der diesen Lenz beatmet noch! Oh Aufrechtgeher, so trete ich zurück, der Vortrag macht des Redners Glück, doch nicht mein’s, ich brauch’ kein’s, denn auf der Such’ nach redlichem Gewinn, ich bin!
MDdW / Schneefall und die anderen Kälten

Wenn Ihrs nicht fühlt, ihr werdets nicht erjagen, wenn es nicht aus der Seele dringt und mit urkräftigen Behagen die Herzen aller Hörer zwingt. Da hilft kein Schal zwischen Schnee und Haut, da hilft kein leises Zeigen auf, da hilft nur laut und gleich danach verzichten, schlachtet die Kühe, bevor sie Euch vernichten, wenn es nicht längst schon, Tag für Tag, gescheh’n, die Uhren dreh’n sich kopflos schnell, zu hastig, Donnerwetter, schießt hinein in die Ziffernblätter, schießt die Zeit aus ihren Fugen, dämlich die Einzelhändler lugen, heilig’, heilig’ mein Geschäft, der Dackel Fortschritt pinkelnd kläfft, am Bein der Vernunft perlt dumpf Urin, wer jetzt nicht schaut, schaut nie mehr hin, Frostschutzmittel in den Adern, vom ewigen Wachstum tun sie salbadern die lebensfeigen Geldzählwanzen mit schlank trainierten Wohlstandsranzen, ausgebrannt und feig’, zu feig’ die Melancholie zu nehmen als ihr Kind, was ein weiter Weg, oh Menschenkind, dort könnte Heimat sein, wo man nicht jeden Stein aufs nützlich hin betastet und hodenlos mit Kaffeebechern, wohin eigentlich, wohin denn hastet? Man denkt, der Schnee am Pöter er sei so kalt! Die Welt ist kälter doch, du Narr! Im Süden Frostbrand, im Norden einzeln Krisenschnee! Noch, oh germanische Wanstrepublik! Mich fröstelt.
MDdW / Meteorologie, Klagen und „No Lenz“

(Mahler hat nicht vor einzufordern, denn immer ist es nicht angebracht das Maul aufzureißen, wenn die Welt schlingert. Heute jedoch ein empörter Leserbrief an den Lenz. Geschrieben hat ihn der andere Lenz.)
(AN DIE SONNE)
„Seele der Welt unermüdete Sonne
Mutter der Liebe, der Freuden, des Weins
Ach ohne dich erstarret die Erde
Und die Geschöpfe in Traurigkeit.
Und wie kann ich von deinem Einfluß
Hier allein beseelt und beseligt
Ach wie kann ich den Rücken dir wenden.
Wärme Milde! mein…“
(Mahler wird es jetzt zu jammerig. Also obiges Poem. Jammern kann er auch. Was stand da? „Wärme Milde?“ Wahrscheinlich folgt noch: „Süßer Strahl.“ Oder gar: „Vaterland!“ Weia! Seine Wanstigkeit zweifelt an der Empfindung. Sein Pöter aber ist mit wärmenden Textilien unterlegt. Das hilft ihm nicht wirklich. Seine Wanstigkeit friert. Morgen dann ein eigen’ Poem.)