Beiträge vom April, 2015

Archibald Mahler kehrt heim / Thesen / Aussicht

Mittwoch, 29. April 2015 16:38

dschungel2

Da saß sie die SIE, schwenkte Bein, starrte blond, plastikpuppte monoton, aber sehr freundlich, zahngrinste hübschgesichtig vom Küchenschrank hinab in die nächtliche Leere, drunten auf dem Küchentisch zog seit Stunden ein Tee vor sich hin, den wer vor der Bettruhe aufgegossen, dann ihn aber von Hypnos vorzeitig in die Laken gesandt vergessen hatte, der Herr Budnikowski zeigte Schulter und schwieg wohlgelaunt, Herr Archibald Mahler, der Bär vom Brandplatz, heimgekehrt und mit einer ihm schwer unter dem Herzen dräuenden Frage belastet, wunderte sich, aber auch er schwieg, wohlgelaunt kaum, dennoch nicht gänzlich missmutig, eher besorgt auf Grund der unerwarteten Neuerung. Dazu sollte man wissen, daß ein Bär, dessen Leben schon einen radikalen Einschnitt (Das abbe Bein!) bereit gehalten hatte, kein großer Freund unliebsamer und (vor allem dies!) nicht angekündigter Neuerungen ist, sondern ein gewisses, vorrangig stabiles Gleichmaß und gesittete Alltäglichkeit bevorzugt. Dennoch schwieg er, genoß – beinahe – das Schweigen und die Absurdität der neuen Sitzsituation. Wie nun vor dem Küchenfenster Eos ihr Haupt erhob den neuen Tag zu grüßen und der Spatzen Chor die ersten Strahlen des Lichts begrüßte, hob der Herr Budnikowski an zu sprechen.

„Das Dasein eines Bären, der zum Intellektuellen sich hin neigt, besteht darin, daß er Grundfragen nach der Existenz stellt, daß er die Welt problematisiert und Unruhe stiftet – in anderen und in sich selbst. So schafft er keine Geborgenheit – zumindest nicht primär – und er ist nicht geborgen! Ein solcher Bär zu sein, heißt eigentlich allein, einsam zu sein!“

„Da sprechen Sie recht. Woher aber dies? Haben Sie in meinem Kopp Urlaub gemacht!“

„Angesammelte Zeit verbracht in einer gewissen Nähe – auch wenn vom Solitär nicht unbedingt gewünscht – gebiert manch sinnangereicherte Erkenntnis, lieber Herr Mahler!“

„Dann weiter im Text!“

„Der Zustand des Ungeborgenseins ist, auch weil der intellektuelle Bär, allen Anfechtungen einer sich ändernden Realität zum Trotz, wie ein Zinnsoldat, der nicht schmelzen mag, in der Hölle seines Denksystems verharrt, weil er will und muß (These!), also ein schmerzhafter und auf Dauer den schon vorhandenen Leidensdruck potenzierender Zustand. So mag es geschehen, daß bär, um einmal Geborgenheit zu erleben, den Intellekt verrät…“

„Meinen Sie sich über alle Maßen über die gestrigen Ausrutscher zu amüsieren, hömma?

„… vielleicht auch dies, also bär sich also einer Oberflächlichkeit hingibt, ja, also dies auch sollte, weil also… und deshalb… Kapierste?“

„Wie deshalb?“

„SIE! Genau! Angenommen mal die Welt wäre blondiert, überpinselt, weil man es auch so will, friedlicher, koloriert, das Häßliche könnte man nurmehr mit dem eigenen Rücken betrachten, Fluchtreflex und Selbsterhalt, und es zieht einen hinan und hinweg, das Ewige, Schöne, Weib, also…“

„Kann es sein, Sie verlaufen sich gerade im Dschungel Ihrer Theorie?”

„Therapie! Und Metapferd! Quatsch! Metapher! Metapheromene! Sie, Herr Mahler, nehmen Sie die SIE als Metapferd und also reiten Sie auf dem Rücken der Schönheit SIE – als Metapher – hinaus aus der Schmorhölle Denksystem Mahler und atmen ein frische Metapheromene und so weiter!“

„Ich will aber keine Freundin, Budnikowski!“

„Meine ich doch auch nicht, ich dachte nur an eine Antwort auf die Frage, die unter Ihrem Herzen dräut! Alles kein Problem.“

„Wie?“

„Ich mache es für Sie. Kein Problem!“

„Woher wissen Sie?“

„Sagten Sie nicht, ich hätte in Ihrem Kopp Urlaub gemacht?“

„Ja, ich sagte dies!“

„Eben!“

(Fortsetzung folgt)

Thema: Archibalds Geschichte, Back in Town, Hömma, wat ich grad am Denken bin, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Archibald Mahler kehrt heim / Leere / Gespräch

Montag, 27. April 2015 18:59

dschungel1

Archibald Mahler war wieder zu Hause. Leise, sehr leise zog er die Türe hinter sich ins Schloß. Dies war eine alte Gewohnheit. Gelegentlich – wenn er über diese Gewohnheit nachsann, meist in dem Moment da die Klinke seine Tatze verließ – schien ihm, er wolle mit einer möglichst geräuschlosen Rückkehr den Eindruck erwecken, niemals weg gewesen zu sein. Darin glich er den meisten Reisenden, die, so gerne sie einem ihnen allzu engen und langweiligen Zuhause entflohen, doch gleichzeitig ordentlich vermisst werden wollten, andererseits es aber nicht mochten, wenn auf Grund ihrer Rückkehr ein lautes und allzu körperliches Gewese stattfand. Aber so überhaupt keine Reaktion wie in den jetzt immerhin schon zehn Minuten, die Mahler im Flur stand und in die erbarmungslose Stille der restlichen Wohnung hinein lauschte in der Hoffnung ein kleines, kleinstes, ein „Da bist Du ja wieder!“ zu vernehmen, so hatte der heimgereiste Bär auch nicht gewettet. Dies schien ihm eine erstaunliche und absolut neue Erfahrung zu sein. Er räusperte sich. „Herr Budnikowski?“ Nichts. Draußen prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben. Mahler beglückwünschte sich zu seinem Entschluß seinen Guck – und Denkposten an der Lahn verlassen zu haben. Sonst nur die große Stille. „Aha! Das meinen die Aufrechtgeher mit Falschgeld.“ Er verlagerte sein Gewicht von der rechten auf die linke Tatze. Langsam, ohne zu zürnen. „Wären Sie hier, Herr von und zu Lippstadt – Budnikowski?“ Vernahm er ein Rascheln? Aus der Küche? Von oben? Budnikowski saß auf einem Küchenschrank. Man sah ihn kaum, vernahm nur ein Wispern. „Mahler! Schön festhalten.“ Der Hase ließ einen seiner langen Löffel herab von seinem begrünten Ausguck und zog unter Aufbietung aller Kraft seiner Nackenmuskulatur den Bären zu sich hoch in luftige Küchenhöhe. Nach geraumer Zeit fand der Bär erste Worte, im Ausdruck eher erstaunt.

„Was machen Sie hier oben, Herr Budnikowski?“

„Ich benötigte Erholung nach den österlichen Erledigungen.“

„Und sonst?“

„Es erfrischt, von oben auf die Leere hinabzublicken! Und man wird nicht gesehen!“

„Ähem, ich wäre jetzt wieder da!“

„Ihre Abwesenheit ließ mich nicht erblinden, bester Mahler!“

„Und wer ist das bitte?“

„Mir war nicht nach Einsamkeit! Aber keine Angst, sie redet nicht!“

„Sicher?“

„Bist jetzt jedenfalls. Auch ich habe geschwiegen.“

„Ähem, ich hätte da… also der Grund meiner Heimkehr… da wäre ein Bitte…“

„Ich sehe, der Bär ist wieder im Zweifel!“

„Na ja! Also… könnten Sie vielleicht…?“

„Kann das bis morgen warten?“

„Übermorgen ist auch gut! Hat sie einen Namen?“

(Fortsetzung folgt)

Thema: Back in Town | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Sechster Brief an den Ehrenwerten Herrn Albert

Freitag, 24. April 2015 12:59

lahn3

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

das mit dem Steuern wird bei mir wohl nix. Nach reifender Überlegung. Quatsch. Wenige Sekunden nur der Vorstellung: Archibald Mahler vor oder hinter einem Lenkrad: Angstperlen auf der Bärenstirn am Bärenkopp. „Was hast Du im Schädel? Dreck oder Stroh? Bist Du so dumm? Oder tust Du nur so?“ Nein, bester Herr Ernst Albert, nicht Sie meine ich mit diesem uralten Reim von Wolf B – mann, keine Beschimpfung ob meiner Verpflanzung aus der Anonymität in das karge Licht der beschauten Welt sei dies, nein dies ist lediglich Selbstbeschimpfung des Bären und geschuldet einer allgegenwärtigen Traurigkeit, die beim Schauen auf Dinge entsteht und wuchert, wenn man nicht aufpasst. Zurück zum Lenkrad. Wie gelingt dies den Aufrechtgehern – den meisten (Die Freiheit soll es ja sein, die Freiheit des Bürgers!) – vor und hinter den Lenkrädern auf den Betonbahnen, die Wald, Flur, Stadt und Wege zerschneiden, durchfurchen, schreddern, daß einem schlendernden Bären ganz bange werden mag: das Gas anbeten und alle Bremsen verachten? Und dann (Bummelant! Verkehrshindernis! Macht das weg, das Störding, das lahme!) auch noch: der Überholvorgang. Zahn auf Zahn knirschend, kiefermahlend selbstgerecht. Da möchte ich kein Hinderlichbär sein. Mein Tempolimit wäre fünfzehn Kilometer in der Stunde. Man darf nur so schnell fahren, wie der Liter Treibsaft kostet, das heißt eigentlich wirklich wert sein müßte. Aber das macht mal mit Euch selbst aus, die ihr Leib und Kopp in Blech geschneidert, von Licht, Luft und Verantwortung abgenabelt, die sagenumwobene Zeit zu sparen. Da denke ich ja gerne mal drüber nach zwischen Hölzchen und Schaltstöckchen: wie macht man das: Zeit sparen? Gibt es da Büchsen für? Zinsen? Spart man da eher im Fond? Oder im Heck? Teufel aber auch! Ein Boot vielleicht würde ich wohl lenken wollen. Wer über Bord geht, darf zumindest versuchen, an Land zu schwimmen. Aber braucht man da nicht einen Schein? Überall sind Scheine. Und ich habe keine. Ich mag auch keine haben wollen. Und machen schon gar nicht. Machen tu ich braune Haufen oder Wortberge. Und die sehen sich manchmal verflucht ähnlich. Aber es muß raus. So ein geplatzter Bär sieht auch Scheiße aus. Ich schweife weg. Und deshalb ist das auch mit dem Lenken nichts für mich. Der geschlagene Haken ist mir wichtiger als der eilige Hintermann. Apropos Haken: vielleicht mach ich jetzt einfach heeme und frag den Budnikowski, ob er sich mal für mich ans Steuer setzt und für mich aus dem Fester schaut und mir sagt, was er so sieht. Kommentieren kann ich das dann schlaubärenhaft immer noch. Selbstversuch. Gefilterte Ahnung. Fremde Sicht. Weniger Worte. Den Zweifel fressen. Ob ich dem Hasen auch glauben will? Kann? Solitärer Monobär, der ich am liebsten am eigenen Pöter rumkratze? Bevor das sich jetzt zur Selbstgeißelung auswächst, will ich den Schritt gen Heimat lenken. Morgen soll es ja auch regnen und winterschlaflos, wie ich dieses Jahr in den Lenz tapere, fröstelt mich schnell und ausdauernd. Ist das eine gute Idee. Sie könnten mir eigentlich auch mal schreiben, Herr Albert. Oder?

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Ein Leben ohne Führerschein besänftigt.

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Archibalds Geschichte, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein fünfter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Dienstag, 21. April 2015 20:39

lahn2

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

man spricht gerne vom Blick, welcher irgendwo hängen blieb. Woran dann? Griff etwa der Gegenstand einer wohlwollenden oder notwendigen (meint man gerne) Betrachtung nach einem vorbeihuschenden Blick seiner Wahl? Forderte er so uneingeschränkte Zuwendung? Ließ dann einfach los auf Grund mangelnder Hingabe? Fehlender Konzentration? Oder war es die ewige Blaupause im Kopp, welche dermaßen prägt, stempelt und lenkt, daß der Blick nicht mehr frei schweift, sondern im Vorselektier – Modus und so wohl ohne Bewußtheit seiner selbst sich stürzt auf das, was er erhaschen soll, in Erwarten fast schon vorfinden muß, um seiner Blaupausigkeit willen. Und dann verkaufe man dieses Ergebnis als Neuigkeit! Da blieb ich hängen! Sieh an, schau her! Nun ist ja ein neuerlicher Krieg, eine zum Abendbrot gereichte Katastrophe, der nächste neue Clown an der Außenlinie nichts wirklich bahnbrechend Neues, aber hingeschaut werden muß. Sofort! Wirklich? Ist es nicht schon wieder mal zu spät, viel zu spät? Aber die Neugierde, die heute – bewußt? – gerne zur Neugier verkürzt wird, sie reckt den ewigen Schwanenhals. Will ich sehen, was zu sehen ich vorgebe? Da wird eine weitere Katastrophe beblickt, entsetzt als hätte man sie gestern erfunden und gleichzeitig ist man aber in der Lage den Weg, der dorthin führte, genauestens zu beschreiben. Im Garten Eden war es auch zu langweilig. Man hätte verzichten müssen. Auf die Neugierde. Die wächst und wächst und ob dieser lange Schwanenhals immer so dolle ist? Geschnüffelt wird ja gerne. Man weiß von manchem, der sogar in Tagebüchern vertrautester – eben drum wohl – Genossen rum geschnüffelt hat. Heute reicht ein moderner Fingerwischer und wer da alles noch mit schnüffelt, weiß keiner so recht. Man veräppelt sich gern und gerner selber. Was machst Du grade? Wo bist Du grade? Was denkst DU so? Was denke ich gerade? Wo war ich? Was soll ich tun, wenn sie mir über den Kopp wächst, die neuGIER. Ich wollte doch nur aus dem Fenster schauen und mich interessiert lediglich, wann die Lachse mal wieder die Gießener Fischtreppe hochklettern und ob man Bären, die dann dort fischen, gleich mit wegfischt wegen Kompetenzüberschreitung und wegen ohne Genehmigung und so. Und wie ist die Prognose für die diesjährige Blaubeerenernte? Das interessiert mich. Aber dann hüpft man von Hölzchen auf Stöckchen und wird planlos verwirrter und erregt sich und der Blick vibriert. Das ist doof. Und was ich, bester Herr Albert, immer noch nicht raus gefunden habe, ob die Dinge mich rufen oder ich auch schon so vorsortiert bin im Kopp und ob am Ende überhaupt ich derjenige bin, der da guckt aus mir raus oder nur so ein leerer Reflex mich vor sich her treibt. Und falls was Anderes und Fremdes aus mir raus guckt, was und wer ist das? Ist es mein altes Leben? Das vor dem abben Bein? Jetzt nach Jahren? Wo will das hin? Will da was hin? Ich glaube, ich sollte eine Denkführerscheinnachprüfung beantragen. Mit Guckseminar. Als Versuch nur. Klingt das brauchbar, bester Herr Albert? Also den Schwanenhals lasse ich erst mal einschrumpfen. Und such mir ein Steuer.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Nicht jeder Spiegel ist ein Lügenbeutel!

Ihr Herr Archibald Mahler

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Ein vierter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Montag, 20. April 2015 21:00

lahn1

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

als hätten Sie sich lediglich gebückt, nein, ziemlich exakt fünf Jahre nach meiner Bergung setzten Sie mich an mein erstes Fenster. Schauen sollte ich. Ich tat’s. Warum? Nun, zwei Augen habe ich im Kopp und hielte ich jene unentwegt geschlossen, dürfte man mich nicht weiter Bär nennen, sondern sollte mich Olm, Maulwurf oder Hamm heißen. Und was schaute ich also dann? Die Welt. Klein erst, weiter dann, länger auch, auswärts und wieder nach innen und nah. Die Welt? Ich? Die eine Welt? Da dieser, der vierte Brief ein überschaubarer soll bleiben, will ich hier nicht weiter in den Beeten der Bedeutung rumhacken wie eine durchgeknallte Amsel und allzu ausführlich berichten von all diesen gefilterten und ungefilterten und bedachten und unbedachten und zwanghaften und freien und viertelwissenden und scheinempathischen und gelangweilten und aufgeregten und tobenden und gähnenden und traurigen und teilenden und egomanen und oberflächlichen und manchmal dümmelnden und wieder und wieder schrecklich belanglosen Blicken, welche ich auf diese gefilterte und ungefilterte und bedachte und unbedachte und zwanghafte und freie und viertelwissende und scheinempathische und gelangweilte und aufgeregte und tobende und gähnende und traurige und teilende und egomane und oberflächliche und manchmal dümmelnde und wieder und wieder schrecklich belanglose Welt warf in all meinen Ein – und Auslassungen. Besser: die Blicke, welche man vielleicht aus mir heraus warf. Weil: war ich es denn wirklich selbst? Ist mein Kopp mein eigener Kopp oder nur ein ferngesteuerter Apparat mit getrübten Sehschlitzen? Eine wohlfeile Reflexmaschine? Und wer war der Werfer? Wer warf all diese Blicke durch meine auf die Welten in mir und außerhalb meiner gerichteten Augen, wer warf durch mein unruhiges Linsen hindurch mit schwungvollem Arme alle diese Blick hinaus? Und wichtiger: wer warf das zurück auf meine Linse, was mir dann blieb im Kopp und später wurde Wort, Wörter und wieder Wort? Wirft überhaupt wer irgendwas und irgendwo? Gibt es einen Plan? Kann man von Absicht sprechen? Gibt es etwas jenseits des Versuches den Pudding Welt sich an die Backe zu nageln? Und, bester Herr Ernst Albert, verfolgten Sie denn einen Plan, als Sie mich ans Fenster setzten? Was war die Absicht? Bekenne, Mahler, bekenne er? Pustekuchen mit Sahne und Lachskonfitüre auf Toast! Was ich sagen will? Lieber Herr Albert, jeden Morgen erwache ich und bin mir ein Fremder. Und jeden Morgen läuft mir eine der vielen Welten vor die verschlafene Nase und will beäugt werden. Sie bleibt mir fremd. Immer wieder auf ein Neues. An manchen Morgenden, wenn ich mir selbst ein Näherer scheine, begrüße ich mich freundlich, duze mich sogar und eine der vielen, gerade vorbeihuschenden Welten hebt grüßend den Arm und winkt mir zu. Wie diese chinesischen Glückskatzen. Dann freue ich mich. Den anderen Morgen mag ich nur schlafen. Einen ewigen Winterschlaf. Da kann zurück werfen, wer werfen mag und was immer auch. Aber dies ist seltener. Das mit dem ewigen Schlaf. Das gestehe ich hier und Ihnen. Meist blickt mir die Neugier über die Schulter, reckt ihren Hals wie ein Schwan auf Patrouille und ich – oder wer immer das tut – schaue weiter hin und wieder. Das wollte ich Ihnen kurz (na ja!) mitteilen. Das nächste Mal schreibe ich dann vom Schwanenhals und was das macht mit einem Bären. Sonst fehlt mir weiterhin ein Plan. Gut so. Oder?

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Viele Welten werden gerne übersch(w)ätzt!

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Archibalds Geschichte, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Brief des Lütten Stan annet (Ent)Scheidungsamt

Donnerstag, 16. April 2015 21:37

vision

Hömma,

heute inne Nacht hatte ich sowat von Dellen inne Pooferei, dat ich dachte, wennse schon wach sein musst, kannse auch mal wieder inne magische Kugel reinlinsen tun und wat prophetische Plörre inne internetare Gewässer kippen. Und wie ich so inne Kugel mich konzertrieren tu und mich inne eigenen Vergangenheiten rein erinnere, wie ich als der ehemale Lütten Stan über grüne Kommentarwiesen am hoppeln war einstens im gelb – schwatten Mai, da hab ich inne Unruhe von die eigene Reminiszenz gedacht, dat mich hoffentlich nich die dumpfbeutelige Verbalinjurie „Trainer – Beben“ ausse Kissen gedengelt hat. Thema des Tages? Ja lüch ich denn? Gut dat der Herr Grass zwei Tage davor die Biege gemacht hat. Den hättense wohl bei Gleichzeitigkeit vonnem Abgang unter kuaz notiert abheften müssen, wa? Et iss mich immer wieder am erstaunen, dat man mit dünnflüssige Emantionen über dat Rasengehoppel Gehör und Kontofüllung erwerben tun kann in dicken Tüten. Also liebet Scheidungsamt, machet kurz und setzt die ganzen Gerichtsreporters vorre Türen. Da is wat zu Ende, wat schon lange und längst über dat Ende vonne Fahnenstange rausgeklettert iss. Und getz? Inne Kugel wird et heller, aber et iss nix zu sehen, außer dat wat schon war. Nur iss dat plötzlich anders, als et war als et war oder vielleicht auch gar gewesen war oder iss. Ich hab mich inne Erinnerung jedenfalls ertappen können, dat ich ja schon lange inne Scheidungsprozeß mich befinden tu. Von wem und wat oder gar, ob ich mich von mich selbst scheiden tu, is innem Kugelnebel noch nich inne komplette Sichtbarkeit diffundiert. Wie vermerkt, iss wat vorbei und die einen polieren schon die Sockels vonne Denkmälers, die anderen öffnen die Hosenlätze gegen den Mainstrom und der Rest umklammert mit zittrigen Pfötges seine schimmeligen Karteikärtgen. “Hab ich et nich schon immer? Vierunfünfzig, vierunsiebzig und sonst auch?” Besser iss et nicht zu berichten watte anno Sauerkraut am Denken warst, sondern sach watte getan hast. Hasse allet richtig gemacht, isset falsch, hasse allet falsch gemacht, isset auch nich schlecht. Kannse selbst eh nich entscheiden tun. Und getz schau ich mal inne Kugel, ob die auch mit die Zukunft Bildkes anbieten tun kann. Wie et weitergeht, wennse die Strasse runter und so. Dat braucht volle Konzertration, also muß ich et Plappermaul schließen tun.

Danke für et Verständnis und mit Grüßen verbleibe ich

Ihren stets verbundener Lütten Stan (emeritus)

PS:  Wat mich ja schwerstens beeidrucken tun tut, iss dat der Dottore von die spanische Mannschaft von Nordösterreich, Senor Müller – Wohlfahrtsamt mitte sofortige Wirkung von seine Mullbinden zurückgetreten iss, um ab morgen inne italienischen Hafenstädte Ersthilfe beie Aufnahme von Flüchtlingen leisten zu können.

Thema: Hömma (revisited BVB) | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Der nun 3. Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Mittwoch, 15. April 2015 13:43

tundra

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

ich bin mir nicht sicher, ob Sie nicht gelegentlich ein seltsames Gefühl beschleicht ob der Tatsache, daß Sie Briefpost von einem Bären erhalten. Nun, Sie hatten sich gebückt damals am Brandplatz, neugierig, nachmittagstrunken, verwirrt und mit angekratztem Herz. Sie haben mein abbes Bein sinnend in der Hand gewogen, für gut befunden, den Rest von mir erblickt und sich nochmals gebückt und eins und eins zusammengezählt. Die daran anschließenden zwei Jahre saßen mein weiterhin abbes Bein und ich aneinander gelehnt unter Ihrem Nachttisch und staubten weitgehend vor uns hin. Aber dies sei hier nicht Thema. Sie haben sich gebückt. Sie hätten Ihres Weges weiterwanken können, aber Sie haben sich gebückt. Und zehn Jahre später schreibe ich Ihnen einen Brief. Ach ja, Fritz Lang. Der hat ja nicht nur etliche monströse Filme gemacht, sondern ist wohl auch monströs vielen Damen hinterher gehechelt. Aber die Eine? Tja! Die Eine. Jene schenkte ihm zum Abschied einen Affen. Man (oder Fritz) nannte ihn Peter. Mit ansteigendem Alter nahm Peter im Alltagsfilm des Fritz eine, wenn nicht die Hauptrolle ein. Las Fritz, hielt Peter ein Buch in den Pfoten. Trank Fritz, stand eben Peter eine Martini. Rauchte Fritz, hielt Peter eine Zigarette in seinen Pfoten und er wurde jeden Abend von Fritz ins Bett gebracht. Fritz ließ ihn gar am Schluß seiner Korrespondenz mit Freunden diese grüßen, empfing auch Erwiderungen der Grüße, bis endlich das liebende Ende ihn in Fritzens Sarg legte. Sie sehen aka lesen demnach, so ein gelegentlicher Brief eines Ihnen gut bekannten Bären an Sie ist da fast schon eine Petitesse. Ich fasse mich kurz und bin einfach nur froh, daß Sie sich gebückt haben. Man kann das abbe Bein einen geschändeten Bären auch mit einem eleganten Kick ins Gebüsch befördern. Sie taten dies nicht. Auch gute Werke haben ihre Konsequenz, selbst wenn man dies nicht so recht glauben mag angesichts der Welt in der Sie leben müssen. Jetzt lassen Sie mich aber enden und den heutigen Sommer meinen Pelz braten lassen. Bären kriegen keinen Hautkrebs. Ätsch!

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: Eine Schwalbe macht noch keinen Ponyhof!

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Archibalds Geschichte, Letzte Fragen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein dritter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert, der aber lediglich eine Postkarte ist mit Bildern

Dienstag, 14. April 2015 13:24

stromschnelle

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

immer iss was und dann ist wieder einer einfach weg. Schneller rauscht ein neuerlicher Abschied an Dir vorbei als ein nicht gefangener Lachs an der Stromschnelle. Deshalb die versprochene Geschichte über Fritz und Peter später. Der, der gegangen ist, hat mal getrommelt: „Man kann eine Geschichte in der Mitte beginnen und vorwärts wie rückwärts kühn ausschreitend Verwirrung stiften.“ Ich denke so mache ich das auch mit meinen Briefen, die ich noch an Sie zu verfassen gedenke und es tun werde. Kurz also nur ein Gedicht mit Schnäuzer zum Angucken für Sie und für alle anderen Abschiedsträumer.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: „Im Krebsgang den Fortschritt messen“ werden wir.

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Anregende Buchstaben, Letzte Fragen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Ein zweiter Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Freitag, 10. April 2015 9:15

see5

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

heute ein geschriebener Brief von den ungeschriebenen Briefen, den nicht abgesandten Briefen (verfasst oder auch nicht), den Briefen, die niemals Antwort finden, den Briefen, die keiner mehr schreibt und vom traurigen Briefträger noch. Die Sonne scheint. Dieser Brief wird nun verfasst. Das ist nicht besonders mühsam, so mühsam aber wie jede Überwindung hinzu etwas mühselig sein mag. Über Unüberwindbares kann ich jedoch nichts notieren. Die Sonne erwärmt den See heute schneller als erwartet. (Briefe und Erwartungen – davon aber heute nicht!) Manchmal ist mancher faul und ich sehr. Noch öfters ist die Feigheit das Motto des Tages. Und wie oft man haarscharf am Zustand fataler Dummheit vorbeischrammt, falls man überhaupt vorbeischrammt, davon heute ein Schweigen angesichts der Sonne. Briefe sind anstrengende, fordernde Zeitgenossen. Das ist positiv zu vermerken. Das Verfassen nimmt sich Zeit, fordert sie vehement ein. Wie gemächlich flink ein Füller übers Papier tanzen kann und dabei lacht über das larmoyante Gejammer mancher der Altvorderen, die unter den Anforderungen der Schule ach so entsetzlich litten. Der Brief also. Das Nachsinnen müssen oder zumindest sollen darüber, ob das Gekrakelte Bestand haben wird unter den Augen des Anderen. Die Zeit, die eingefordert wird, um Briefmarken zu erwerben, den Brief zum Kasten zu tragen (Tja! Wo isser denn?), die Wartezeit, die verbracht wird. Erreicht der Brief sein Ziel? Gibt es eine Antwort? Wochen, Monate, Jahre mögen da ins Land ziehen. Gelegentlich liest man von Briefen, die einer Verstorbenen zugestellt werden, um sie über den Tod des Gefährten auf den Feldern der Schande zu unterrichten. Hier entfällt der Antwortbrief. Und – ach – wie viele Briefe werden nicht geschrieben, eventuell im Kopp hin und her gewälzt, buchstabiert, gewütet, eingestampft, im Papierkorb gesucht, geglättet, geknüllt, vergessen, versoffen, verdaddelt, verworren, feige, vernünftig, sinnlos. Wie oft jagt der Stift erzürnt, entflammt, vergeblich werbend, baggernd, fluchend, suchend, verwünschend, fürchterlich vergeblich hoffend über die Zellulose. Von Bewerbungsschreiben gar nicht zu reden, lediglich von den Regenwäldern des Privaten. Dieser Brief hier wird geschrieben ohne ein großes nachsinnendes Hadern. Natürlich arbeitet der Kopp, aber der Füller ist frei und das Unterbewusstsein jagt ihn vor sich her, rasch und den Fehler suchend. Weil er spricht von den Sachen, die man sagen muß, bevor man spricht. Adressat ist ein Selbst und das nörgelt nicht rum. Theoretisch Die schlimmsten Briefe sind aber die, welche gar nicht mehr geschrieben werden, weil der Finger nur mehr über Tastaturen und Bildschirme huscht, die Rechtschreibung massakriert wird, während alle Tempolimits des Denken überschritten werden und die notwendigste Zeit, welche ein Hinwendung zum Gegenüber fordert, ignoriert wird im Sog der Selbstoptimierung. Der Rücken ständig gekrümmt, der Blick auf den Boden genagelt und eine Antwort bitte sofort, sonst schmollt und fällt der Kin(n)derladen. Und eben noch die traurigen Briefträger, die keine Briefe mehr tragen, die man Briefe nennen darf, Werbebotschaften nur noch, Forderungen der manischen Warenaustauscher, Amtliches vielleicht und so stehen sie vor anonymen Schlitzen und vorbei die Zeit, wo der Zusteller wußte, daß jener Brief wird er dem Kasten entnommen, ein Herz zerbricht oder es jubelnd aufsteigen lässt. Und so erreiche ich den vorläufigen Schluß meines Briefes und schreibe Ihnen, lieber Herr Ernst Albert, daß ich mich freue vor nun bald zehn Jahren Ihre Bekanntschaft gemacht haben zu dürfen, als ich mit einem abben Bein auf dem Brandplatz lag und der Unausweichlichkeit meines Schicksals harrte und sie sich bückten. Als nächstes, wenn der eigentliche Brief beginnt, will ich von Fritz Lang und seinem Freund Peter berichten.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Und nicht vergessen: vor der Tastatur den Entwurf mit Füller aufs Papier!

Ihr Herr Archibald Mahler

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Ein erster Brief an den Ehrenwerten Hr. Albert

Mittwoch, 8. April 2015 10:43

see4

Sehr geehrter Herr Ernst Albert,

heute morgen bin ich zuerst mit meinem ehemals abben Bein aufgestanden. Das ist schmerzhaft, da auch die Nächte noch sehr frisch sind jetzt im Jahr. Offenbar nistet sich kalte Luft nächtens unbemerkt im Narbengewebe ein und versucht dann mit der aufkommenden Helligkeit und der nachrückenden Wärme die Hautwucherungen wieder zu verlassen. Der Austausch von Kälte gegen Wärme scheint demnach meist mit Schmerzen verbunden zu sein. Das macht jegliches Aufstehen etwas fragwürdig. Kein Ziel aber erreichbar ohne einen gewissen „amount“ – es gibt für dieses schöne englische Wort, welches den Teil des zu besteigenden Berges in sich trägt, keine entsprechend redende deutsche Übertragung – an Weh. Leben definiert sich so vielleicht als eine nicht enden wollende Trainingseinheit und ein Ziel bleibt – nehmen wir die unvermeidliche Rückkehr zum Anfang mal beiseite und verdrängen uns ins Ewige – unbestimmt. Das schoß mir heute morgen ins ehemals abbe Bein, als ich in bleierner Frühjahrsmüdigkeit – Ja, der Winterschlaf fehlt mir, mein Herr! – das bestiegene Lager verlassen wollte, um Ihnen den lange versprochenen Brief zu schreiben. Damals, als Sie mich zu sich riefen im noch blattlosen Wald hinter Kinzenbach, nachdem ich vom fliegenden Teppich gefallen war, anreisend aus dem kalten, aber freundlichen Norden. Sie schienen mir etwas wirr damals und ich wollte helfen. Vielleicht wußte ich in jenen Tagen, was ich Ihnen berichten wollte, heute aber ist es vergessen in meinem Kopp. Sonst auch. Selbst in den Narben. Oder ich hatte es nie gewußt. Nur so getan. Vielleicht eine Ahnung, ein Geruch, vorüberziehend und leicht. Oft scheint mir, alles was ein Tag zu meinen Pranken liegen lässt, ich werfe es des Nachts hinein in das Große Loch Meines Vergessenwollens. Oder ich finde Gefallen am blinden Säen und ziehe den wahren Genuß aus der sehnsüchtig erwarteten Überraschung, wenn nach langen kalten Wochen unbestimmtes Grün aus der Erde schießt und ich weiß nicht was es sein wird im Sommer, der vielleicht. Ich könnte Ihnen also schreiben, daß Bären keine Pläne machen, sondern wilde Beete. Daß Bären keine Rabatten wollen und Pläne nicht, weil sie die nicht machen können. Oder wollen. Oder besser doch nicht können. Und das muß man dann aber auch wollen. Aushalten. Sonst pocht und atmet die Narbe nicht nur auf Grund der aktuellen Kälte. Nun aber schaue ich auf den Launsbacher See und studiere wie dieser die aufkommende Wärme aufsaugt. Dabei denke ich über die Fortsetzung meines langen (vielleicht) Briefes nach.

Bis dahin mit allerherzlichstem Bärengruß. Fünf Krallen sind eine Tatze!

Ihr Herr Archibald Mahler

Thema: Küchenschypsologie, Letzte Fragen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth