Vorletzte Fragen in diesen Tagen / Vierzehn

engel29

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Solange der Krug zum Brunnen geht, zieht der Kelch nicht vorüber

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Heute blicken wir – am Karfreitag des Jahres 2020, der ein Karfreitag ist, wie ihn große Teile der Welt so noch nicht erlebt haben – zurück auf den Freitag vor vier Wochen, welcher ein dreizehnter war. Weder Archibald Mahler noch der Ehrenwerte Ernst Albert neigen zu irgendwelchen Spielarten des Aberglaubens, jedoch im Blick zurück – will man es unbedingt – grüßt das ein oder andere Zeichen. Vor allem, wenn man eine ganze Zeit lang schweigend in sich oder zum Himmel geblickt hat.

Trotz des Verzichts auf übermäßige Eile und inklusive nachdenklichem Zwischenstopp auf der Bank über dem Misthaufen war noch ausreichend Zeit bis zur Abfahrt des Zuges einen Blick auf die überflutete Aue bei Altenstadt – Höchst (anvisierter Haltepunkt der Bummelbahn) zu werfen. Ein Flüßchen von bestenfalls zwei Metern Breite hatte einen kilometerlangen See zustande gebracht. Einsam saß ein Storchenpaar auf seinem Pfahl mit Plattform im Nest, zu zweit und mit Gelege und blickte etwas verwirrt in die Fluten zu seinen Füßen. Ob da mal ein Frosch vorbei schwimmt? Oder sollte man besser auf Ente umschulen? Der Zug jedenfalls wurde erreicht. Für einen Freitagnachmittag recht leer.

Umsteigen Richtung Kleine häßliche Stadt in Mittelhessen mußte man in Glauburg – Stockheim. Längerer Aufenthalt. Wie auf der Hinfahrt wurde die Zeit genutzt in einer nahen Supermarktkettenbäckerei Kaffee zu trinken und Zeitung zu lesen. Und siehe das Land – bis unlängst milde und erhaben über die Nachbarn lächelnd – war dabei sich auf den Kopf zu stellen. Was vor etwas mehr als einer Woche, als man in Engelthal ankam, noch achselzuckend oder ungläubig bis hochnäsig als kleine Irritation betrachtet wurde – auch die zwei Pilger machen sich von dieser Sichtweise nicht frei – nun wuchs es sich aus zu einer Flut. Dieser Kelch zog nicht vorüber und war auch nicht bestechlich. Die ausgerufenen Parolen lauteten: Bleibt in Euren Nestern, mit oder ohne Gelege. Die Frösche sind vergiftet.

Als man wieder auf dem Bahnsteig stand fiel auf, daß die Bahnhofsuhr stehengeblieben war. Sechs Uhr? Morgens? Es fängt alles erst an. Oder sechs Uhr Abends? Dunkelheit ante portas? Bereitet Euch auf einen langen Schlaf vor. Eine seltsame, nicht unangenehme Stille machte sich breit. Die Furcht hielt sich noch bedeckt. Die wenigen Menschen, denen man begegnete, blickten ungläubig.

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„Tja, Herr Ernst Albert. Das kommt davon, wenn man über eine Woche lang keine Zeitung anfaßt!“

„Wir hätten es auch nicht aufgehalten, indem wir davon gelesen hätten!“

„Aber Stille konnten wir doch üben die Tage.“

„Und mit sich selber sein wohl auch. Und um Hilfe bitten vielleicht.“

„Was machen wir jetzt?“

„Noch einen Spaziergang ohne Auflagen!“

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engel30

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Autor: Christian Lugerth
Datum: Freitag, 10. April 2020 20:43
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