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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 038

Mittwoch, 11. November 2020 15:33

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Mr trommle zu Hus und et blievt alles anders (su spricht hück Kölle)

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Die Arche MS BALD hatte losgemacht. Leider verfügen wir derzeit über keine Livebilder aus dem Bauch des Schiffes. Uns erreichen im Moment lediglich Meldungen widersprüchlicher Natur bezüglich der von der Arche gewählten Reiseroute. Straße? Schiene? Ähem, wo ist der Fluß? Zumindest ein Bach, der sich als Fluß ausgibt? Was wir verifizieren können: Bremsgeräusche. Und: Man vermeldet Unruhe im Bauch der MS BALD. Türen klappern, Türen schlagen, Türen fallen ins Schloß. Zwei Gestalten wanken ins Freie. Ein Schatten nähert sich ihnen. Morgen mehr. Jetzt ein Alaaf aus alten Tagen. Die Nächte bleiben weiterhin kalt.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 037

Montag, 9. November 2020 19:48

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Nässt der Regen flieg ich durch die Welt (City)

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Im Bauch der Arche MS BALD alle Vorhänge auf offen und die Leinwand leer. Leise rumoren die Motoren und vibrieren der Abfahrt entgegen. Ansonsten Leere im Bauch des Schiffes. Passagiere haben noch nicht Platz genommen. Wohin mag die große Fahrt gehen? Gar über den GROSSEN TEICH? Man munkelt dies könne sich wieder lohnen. Da drüben spiele man seit gestern nicht mehr nur noch Golf und Lügensolitaire. Andere weisen darauf hin, daß das Beurteilen eines Buches nach dem Blick auf den Umschlag weiterhin gewisse Gefahren berge. Wer liest schon sein Leben zu Ende? Die prominent platzierte Pappschachtel des Colonel Sanders ist leer, aber mittig. Im Hintergrund rattert laut eine Ankerkette. Rauf oder runter? Die Bordlautsprecher spucken ein Lied in den Bauch der Arche MS BALD.

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Land Ho.

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Zwei Passagiere haben Platz genommen im Bauch der Arche MS BALD. Wir kennen sie. Seltsames Licht. Blau und kühl. Die Türen stehen offen. Von rechts her Reste des Tageslichts, von links hineinflutend traumdunkle Nacht. Zwischenraum. Archibald Mahler und Kuno Budnikowski halten brav ihre Fahrkarten in die Luft. Warten. Kein Schaffner. Keine Mitreisenden. Bis jetzt. Und der Pappkarton des Colonel Sanders? Leer. Weiterhin mittig. Keine Fenster, aber zwei Bullaugen gewähren den Blick nach draußen. Der Regen prasselt unermüdlich wuchtig hinab. Doch ist der Bauch der Arche MS BALD erfreulich schallisoliert. Man muß nicht brüllen. Trotz des neuen Liedes welches in den Bauch des Wals gesungen wird.

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Am Fenster

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„Herr Mahler, was ist heute für ein Tag?“

„Ein Montag, glaube ich. Oder sonst einer.“

„Nee. Ich meine das Datum!“

„Budnikowski, meine Uhr ist beschlagen!“

„Mahler, konzentrieren Sie sich. Es gibt Tage und Tage!“

„Sicher. Heute ist so ein Tag.“

„Sie meinen: Datum!“

„Richtig. Der neunte November hielt schon einiges bereit. So und so!“

„Sind Sie jetzt Kabbalist?“

„Tja. Dreht man die Zahlen neun und elf, ist noch mehr möglich.“

„Mahler! Ich war noch niemals in New York!“

„Dann flieg ich in die Welt!“

„Ich würde gerne mitkommen!“

„Budnikowski! Machen wir!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 036

Sonntag, 8. November 2020 12:05

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Extreme Arroganz kann katastrophale Folgen haben (Bob Dylan)

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Was hatten die zwei Gefährten erblickt? Etwa 400 Menschenmeter den Fluß hinab stand etwas, was sie bis die Tage noch nie bemerkt oder gesehen hatten. Ein neues gewaltiges Ding stand da am Ufer an dem sie saßen. Der Regen, der auf die zum Winterschlaf gestapelten Kanus prasselte und ihnen Schutz gewährte, machte ein Sprechen sinnlos und so schwiegen sie und schauten in die trübe, nasse Ferne. Ja, liebe Aufrechtgeher: Ferne! Denn 400 Menschenmeter sind umgerechnet etwa 5000 Bärenmeter (Halbmarathon!) und knappe 10000 Hasenmeter (Tagesreise!) und rechnet man den Regen dazu noch einiges mehr. Eine Hasenpfote und eine Bärentatze wiesen abwechselnd in die Luft und versuchten sich zu erinnern. Genau! 10 Jahre nun schon ist es her. Mehr als 10 Jahre. Ein heißer Sommer und Budnikowski trug noch stolz den Pöhlernamen Lütten Stan vor sich her und der Mahler schaute, mal verständnislos, mal wohlwollend zu. Dem Gepöhle. So saßen sie da einst vor einer griechisch – charmant zusammengebastelten Leinwand und freuten sich an einer damals jungen Mannschaft, die noch nicht so hieß, die Mannschaft. Ein paar Jahre später dann, der alte Inhaber des wunderbar aus der Zeit gefallenen Lokals war verstorben, hatten die Jungschen aus dem etwas maroden, aber charmanten Rhodos ein sogenannt angesagtes Aura gemacht, aus welchem diese – die gute alte hellenische Aura – ganz und gar ausgetrieben war, um es dann – die Umstände sind immer noch nicht geklärt – an einem eisigen Januarabend etwas ungeschickt mit Hilfe eines Schweißbrenners selber abzufackeln. Nun denn. Die letzten vier Jahre stand da ein Ruine, verkohlt, in sich zusammengebrochen, ragte sie wie ein verfaulter Zahn empor, unangetastet und vor sich hin modernd. Und nun dies. Die eben noch in die Ferne weisenden Pfoten und Tatzen rieben sich die Augen. Aha. Genau. Der Regen. Das Ding da. Fehlt nur noch der Berg Ararat. Die lange Gestalt, die ihnen zuwinkte, wohl auch zurief, was wollte sie? Nichts zu hören im Geprassel. Senkrecht fiel der Regen, schlug Blasen in die Pfützen, in den trägen Fluß. Das kann dauern. Die Flut? Hat der reichen Aufrechtgeher Arroganz es endlich geschafft? Die nächste große Flut? Zeit zu handeln, Zeit sich zu bewegen, Zeit miteinander zu sprechen. Man brüllte einander zu. Ein Anfang.

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„Was ist das, Mahler?“

„Wenn Geschichte sich wiederholt, eine Arche!“

„Wer winkt da?“

„Noah ist es nicht, die Silhouette kommt mir aber bekannt vor, Budnikowski!“

„Was machen wir?“

„Ich glaube, wir müssen los.“

„Und wenn wir ersaufen?“

„Dann haben wir es wenigstens versucht!“

„Aber Sie sind doch so müde!“

„Ich trage Sie, Budnikowski!“

„Warum kommt die Silhouette nicht uns holen?“

„Manchmal muß man den eigenen Pöter bewegen!“

„Wo die Arche wohl hinfahren wird, Mahler?“

„Falls da was fährt!“

„Haben Sie eigentlich das Schild bemerkt, was über unseren Köpfen hängt?“

„Ich ignoriere es schon seit einiger Zeit! Vorwärts!“

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Uns bleibt nichts anderes übrig als den zwei Gefährten die Daumen zu drücken. Manchmal ist man nur Beobachter, weder Taxi, noch Regenschirm und schon gar nicht in der Lage jemanden ans Ziel seiner Wünsche zu beamen. Oder doch?

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 035

Freitag, 6. November 2020 11:43

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Menschen, die “mit dem Leben fertig werden”, sind eigentlich Unmenschen.

(Heinrich Böll)

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„Was ist das? Delphine im Winterschlaf?“

„Vielleicht die Antwort auf Ihre Frage, teurer Mahler!“

„Welche Frage? Nummer 56 oder Nummer 2525? Sie belieben zu scherzen!“

„Nein nur die aktuelle?“

„Sie meinen also, warum der reiche Aufrechtgeher in seiner dumpfen Gier sich eben das Sofa unter seinem ostipatösen Pöter wegzieht und so auch dem Rest der Schöpfung?“

„Nennen wir es einen Teilaspekt! Sie fragten nach der Querung, ich sprach von meinem lahmen Arm!“

„Auf dem Rücken des Delphins? Demnach bin ich ein Nachfolger Apollons und wurde von Ihnen ans rettende Ufer gebracht und bin so neu geboren?“

„Hätten Sie gerne! Stellen Sie den Delphin auf den Kopf und Sie sehen profane Kanus im Winterschlaf!“

„Dieses Kanu lastet mir auf Kopf und Schultern und Atlas mag ich nicht sein. Ich bin müde!

„Mit dieser übervollen Rübe, Meister Mahler, werden Sie aber auch nicht gut schlafen in diesem Winter!“

„Werde ich wohl nicht alleine sein! Wissen Sie an was ich immer hinhirnen muß, an den Ufern der Flüsse?“

„Na ja, gleich werde ich es ja hören!“

„Ob die Wasser trennen oder verbinden, frag ich mich. Ob die beiden Ufer einander fern und ferner werden durch das, was an ihnen vorüberzieht oder sie zum Gegenüber werden, nachsinnend über gemeinsam gesehenes Dahineilen und Vergehen? Ich weiß, bevor Sie hier eingrätschen, lieber Mats Budnikowski, die Frage ist keine Neue, genauso wenig wie die Welt eine Neue werden wird!“

„Ich denke, die Sicht der Dinge, Gautama Mahler, das ist Ihre Entscheidung!“

„Dies, um mir ein Geständnis zu entwinden, fällt dieser Tage sehr schwer.“

„Früher oder später wird es sich nicht vermeiden lassen! Selbst wenn die Kanus wieder erwacht sind und wir zurücksetzen könnten ans Ufer gegenüber, wird es nicht mehr dasselbe sein. Das Wasser schon gar nicht. Das liegt bis dann vor Helgoland, komplett versalzen und vom Wintersturm gepeitscht! Aber selbst, wenn Sie sich in naher Zukunft entschieden haben, werden Sie nichts wissen. Ist auch gut so! Bedenken Sie unsere heutige Überschrift!“

„Ja, der Herr Böll. Und: Sie haben ja recht, das nutzlose Wünschen!

„Bleiben wir erstmal hier! Werden wir schon nicht nass!“

„Und was ist mit dem doofen Ernst Albert?“

„Ich weiß es nicht!“

„Jetzt fängt es an zu regnen!“

„Heftiger als vermutet!“

„Wäre ich König von Deutschland …“

„ … wären Sie auch müde?“

„ … würde ich die Wettervorhersage abschaffen. Kaffeesatzleserei!“

„So ein Kanu über dem Kopf hat auch was Gutes!“

„Und ob! Sehen Sie das da hinten?“

„Ach Du grüne Neune! Ist es schon wieder so weit! No?“

„Ah!!!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 034

Dienstag, 3. November 2020 20:24

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Es ist bitter genug, Torheiten zu begehen, noch bitterer aber sind vergebliche Torheiten

(Heinrich Böll)

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„Können wir eigentlich wieder zurück, bester Budnikowski?“

„Wollen Sie, Mahler?“

„Na ja, mir liegt daran zu klären, wie wir hierhergekommen sind. Bevor es da keine Antwort gibt, sind Überlegungen über Rückreisen ohnehin obsolet.“

„Gefällt Ihnen, was Sie da drüben sehen?“

„Man hat sich halt an dies oder das gewöhnt. Der Mahler ist ein Gewohnheitsbär.“

„Würden Sie von einem zu Hause sprechen wollen?“

„Da drüben meinen Sie?“

„Oder Heimat oder so!“

„Nein, nein. Nee! Ich komme von da, mit Ihnen komme ich von da rüber, weil ich drüben hängenblieb und nicht über das Wasser gehen konnte oder schwimmen. Und müde bin ich auch. Gewesen und weiterhin. Also, wie haben wir das Wasser überquert? Und ich frage nicht, wo wir jetzt sind.“

…..

Pause. Kein Gespräch. Man blickt auf das alte Ufer, das nun gegenüber. Man sucht das diesseitige Ufer ab nach Hinweisen. Nichts ist mehr wie es war, also wieder zurück? Geht nicht. Aufrechtgehertorheiten. Vergeblich und bitter. Der Apfel ist angebissen. Das Tor fiel ins Schloß. Da steht ich nun, ich Armer. Dann dieses Schild.

…..

„Kinesen also!“

„Nein Mahler.“

„Aber Drache. Zeichen? Anspielung?“

„Mahler, das verspreche ich Ihnen in die müde Pfote, auch in Ihrer langen Abwesenheit blieb ich wacker im Denken und fern aller Verschwörung!“

„Dies aber doch sind die Boote, in denen man sitzt und der stete Schlag auf eine große Trommel treibt einen voran. Mir träumte ein monotoner Rhythmus. Ich habe Kopfschmerzen.“

„Wahrscheinlich vom exzessiven Hirnen über Unvermeidlichkeiten. Mir schmerzt mein rechter Arm. Und dies ungeheuerlich.“

„Aha, Budnikowski, man gibt den Proleten, den Hasen des Körperlichen, Mann des starken Armes, der mit Stillstand aller Ruder droht.“

„Jawohl ja, Herr Denkbär. Passen Sie auf, daß ihr Kopp nicht schwillt und sie hinauf zieht ins allzu Ätherische.“

„Geht das nicht etwas dezenter in der Wortwahl?“

„Ich zitiere einen deutschen Dichter: Höflichkeit ist die sicherste Form der Verachtung!“

„Dreimal ein kräftiges Weia!“

„Su isset! Boll, Böll, Böller!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 033

Montag, 2. November 2020 17:18

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Es gibt nichts, was uns nichts angeht (Heinrich Böll)

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„Herr Budnikowski, darf ich eine Frage stellen in den Tagen der Verwirrungen?“

„Wenn es der Wahrheitsdichtung dient!“

„Wie rudert man einen Schwan über die Lahn?“

„Ach der, den tritt man.“

„So haben Sie mich an das nördliche Ufer geschafft?“

„Ich erinnere mich nicht!“

„Vor wenigen Tagen sprachen Sie von Schweiß und vom Rudern!“

„Mahler, frag er nicht, was sein Budnikowski für ihn tun kann, frag er sich, was er für seinen Budnikowski tun kann!“

„Jetzt aber, Hase und Gefährte, holen Sie weit aus!“

„Wie es der Ruderer zu tun pflegt!“

„Da ist man mal für ein paar Tage unterwegs und zu Hause wird es intellektuell! Weia mit drei Ausrufezeichen!“

„Wochen, Herr Bär, Wochen bis Monate gar! Und der Aufrechtgeher ebenso! Fort und unsichtbar!“

„Zum Thema Ernst Albert schweigt sogar der Bär! Also: wie haben wir den Fluß gequert?“

„Wenn ich es wissen werde, teile ich es mit!“

„Aber ich bin schon recht müde dem Winter zugeneigt!“

„Eben haben wir zwanzig Grad Celsius, mein Freund!“

„Her mit dem Irrsinn!“

„Vielleicht war es ja doch ein Boot, welches ich trat und kein Schwan, den zu rudern ich verpflichtet war!“

„Sie spinnen doch, Budnikowski! Werden Sie mal vernünftig!“

„In einer irrsinnigen Welt vernünftig sein zu wollen, ist schon wieder ein Irrsinn für sich!“

„Wer sagt das? Sie?“

„Auch, aber sonst Voltaire!“

„Wäre ich nicht so herbstendmüd, wäre mir, als begänne ich Sie zu fürchten.“

„Jetzt weiß ich wieder!“

„Was?“

„Morgen, so sagen Sie doch immer, morgen!“

„OK: Cover your face or suffer the consequence!“

„Wer sagt das? Sie?“

„Herr Zimmermann!“

„Na dann! Cheers!

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 032

Mittwoch, 28. Oktober 2020 16:10

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Es gibt Dinge, die erst schrecklich werden, wenn man sie ausspricht

(Heinrich Böll)

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„Värskendav salvrätt!“

„Chusteczki odswiezajace?“

„Vatserviett!!“

„Vatserservett??“

„Kosteuspyyhe!!!“

„Vadserviet???“

„Refreshing Tissue!!!!“

„Citro – Erfrischungstuch????“

„Mann, Mahler und Bär, Sie sind ja schwer von Canapee!“

„Mann, Budnikowski und Hase, Sie sind ja schwerstens angefasst.“

„Rudern Sie mal einen Bären vom einem an das andere Ufer! Da wird geschwitzt!“

„Aha!“

„Genau!“

„Und wo ist der verflixte Ernst Albert?“

„Lenken Sie nicht ab. Sie sind jetzt hier. Auf der anderen Seite. Bei mir. Und ich habe Sie vermisst!“

„Sind Sie der tote Hund vor meinem Bullauge?“

„Ich hoffe. Mich werden Sie nicht los!“

„Und was wird aus meiner Solibärität?“

„Schwierig, mein alter Freund und Gefährte!“

„Darf ich noch mal zurückblicken?“

„Nur auf das vor kurzem verlassene Ufer!“

„Gut!“

„Bitte schön!“

„Eine letzte Frage für heut`?“

„Habe ich Ihnen noch nie verwehrt!“

„Also … ähem und Weia … Charon sind Sie aber nicht … so als neuer Job … Ihre seltsame Maskierung … Zorro … Sie spüren aber meine Verunsicherung? Oder?“

„Morgen ist auch noch ein Tag!“

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Archibald Mahler und Kuno Budnikowski liegen sich nach langer Trennung etwas erschöpft und auch froh in den Armen. Der Bär hätte gerne weiterhin geschwiegen. Der Hase hat eine Mitteilung zwischen den Lippen. Die muß heraus.

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„Wissen Sie eigentlich, was heute für ein Tag ist!“

„Damit habe ich nichts zu tun!“

„Trotzdem!“

„Ich gehöre niemandem!“

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 031

Donnerstag, 22. Oktober 2020 18:04

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Von der vergessenen Erinnerung oder gescheiter: Kryptomnesie

(frei nach Douwe Draaisma)

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Da bin ich. Wieder. Ich blicke auf ein Gebäude. Das ist ein Bahnhof. Seltsam. Als ich über die Lahn blickte gestern noch, sah ich keinen Bahnhof am Ufer gegenüber. Zumindest erinnere ich mich nicht daran. Aber hier bin ich nun. Immer noch. Und wieder. Auch. Das fadenscheinige Boot fuhr los. Mit mir als Passagier. Hatte ich einen Begleiter? Diese Berührung an meiner Schulter? Ach ja übrigens, eine Hymne gab es nicht. Ich fuhr einfach los. Aber warum nun dieser Bahnhof? Ich fange an zu singen. Ein schönes Lied. Aber umsonst ist alle Liebe. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich hier schon war, hier an diesem Bahnhof, den ich kenne. Wieder. Er! Ich werde müde. Nicht nur weil der Winterschlaf an die Pforten meiner Wahrnehmung klopft, aber auch weil es heute plötzlich wieder sehr warm geworden war. Vorgestern eine frostige Nacht und heute? Aha! Deshalb schreit mein ehemals abbes Bein so laut auf. Werde ich nun ein alter wetterfühliger Bär? Weia! Ich blicke in den Himmel hoch. Antennen! Altvordere! Können die noch empfangen? Ein Gestern? Ich weiß es nicht! Ich muß nach Hause telefonieren und strecke die Pfote in den warmen Wind. Dann höre ich eine mir bekannte Stimme. Als läse sie mir vor. Was sie kann. Denn das ist ihr Beruf. Also der Beruf dieser Stimme ist die Benutzung ihrer Stimme. Stimmt das so? Egal! Ich höre jetzt zu:

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„In REISE UM DEN MOND von Jules Verne, erschienen im Jahr 1870, lassen sich drei Herren in einer Kapsel zum Mond schießen. Sie werden von der größten Kanone abgefeuert, die jemals gebaut wurde. Es ist nicht ungemütlich an Bord: Es gibt Diwane, Gaslicht verbreitet sich über die gepolsterten Wände, der Branntweinvorrat reicht für Monate. Auch zwei Jagdhunde reisen mit, vielleicht können sie ihnen auf dem Mond noch nützlich sein. Leider hat sich Trabant, einer der Hunde, beim Abschuss schmerzhaft den Kopf gestoßen, er ist seither ein wenig schlapp. Am nächsten Morgen liegt er tot auf dem Boden. Traurig. Aber was sollen sie mit dem Kadaver machen? Man kann nicht einfach so ein Bullauge öffnen, um den Hund von Bord zu schaffen: Aus der Kapsel darf keine Luft entweichen. Und drinnen behalten können sie ihn auch nicht. Sie beschließen, das Risiko doch einzugehen: Zwei der Herren halten ganz kurz eine Luke im Boden auf, und der dritte lässt den Hund in sein unermessliches Seemannsgrab fallen.

Mit dem, was danach geschieht, hat niemand gerechnet. Ein paar Tage später schaut einer der Männer aus dem Fenster und sieht zu seinem Schrecken den Hund. Sie hatten vergessen, daß alles, was man im Weltraum über Bord wirft, einfach immer weiter mit herumkreist. Zu den unpassendsten Momenten schwebt der tote Hund am Bullauge vorbei.

So wie dieser Hund sind auch manche Menschen.

Man wirft sie aus seinem Leben. Man hofft sie nie wieder zu sehen. Man will nichts mehr mit ihnen zu tun haben, und dennoch tauchen sie immer wieder im eigenen Leben auf, sie wollen nie wirklich verschwinden.“

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Das Buch kenne ich doch. Das lag doch immer neben dem Bett. Sind Sie es?

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Thema: Anregende Buchstaben, Klebebilder | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 030

Mittwoch, 21. Oktober 2020 16:18

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“Spannung bekommt jedes Leben durch, Lebensziele.” (Günter de Bruyn)

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Ich hatte aufgehört zu winken. Ich hatte auch aufgehört zu rufen. Der Hochnebel lag zäh über der Lahn und drückte auf mein Hirn. Ich mag die Stille, ich liebe sie. Jedoch diese Stille, die aus dem eigenen Verstummen in den herbstlichen Dunst dringt, erfüllte mich mit Sorge. Und mein Magen knurrte, obwohl ich weder Hunger noch Appetit verspürte. Der Fährmann ignorierte mich noch. Man hatte Charon wahrscheinlich im Frühjahr lediglich applaudiert, herunter von den verängstigten Balkonen, anstatt ihm den angemessenen Obolus, unter die eigene Zunge gelegt, anzubieten. Der Schwan ist auch weg. Ich bin allein. Ich schaue hinauf ins Grau, das über meinen Synapsen einen auf Himmel macht. Mein Nacken schmerzt dabei. Aber: Kraniche! Kraniche!!! Nehmt mich mit! Das rufe ich nicht. Ich versuche es laut zu denken. Deppert. Wäre ich Regisseur wie der blöde Ernst Albert, der immer noch abgetaucht ist, würde ich sagen: „Ein bisserl mehr muß da schon kommen. Verlaß Dich nicht darauf, daß Dein Gegenüber ein staatlich geprüfter Gedankenleser ist!“ Hat er recht, der Blödsack. Trotzdem. Soll ich, Archibald Mahler vom Brandplatz mit ehemals abben Bein und all den alten Geschichten im Bauch, nochmals winken? Hol über, Fährmann! Fährmann, hol über! Nein! Ein „Bitte“ wird mir nicht über die hungrige Lippe rutschen. Dann höre ich etwas, was ich nicht sehen kann. Ich drehe mich um. Übrigens: ich sitze hier auf einem umgekippten Fahrradständer. Hat aber keine Bedeutung, soll nur erwähnt werden. Also: da ich mich umdrehte: ein Wasserfahrzeug. Ein Steg. Eine vergessene Decke. Schlief hier der Kapitän dieses fadenscheinigen Bootes, als ich mir im Selbstzweifel gefiel? Ein Bogen, gespannt, um mich aufzufordern unter ihm hindurch zu schreiten? Welche Hymne wird ertönen, wenn und dann? Ich stehe jetzt auf! Man mag nicht mehr jammern. Dann berührt mich etwas. Sachte, sehr. An der Schulter? An der Nase? Mein einst abbes Bein schreit auf, als wolle es sich von mir trennen. Ich muß los.

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Kleben / Bilder / Gedanken / Schrank / 029

Mittwoch, 14. Oktober 2020 20:34

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I crossed the Rubicon on the fourteenth day
Of the most dangerous month of the year

(Bob Dylan)

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Der Schwan legt an meinem Ufer an. Ignoriert mich weiterhin. Das kann ich ihm nicht vorwerfen. Auch ein Schwan hat zu tun. Selbst wenn er auf der Lahn schwimmt – wo er laut dem Ehrenwerten Herrn Ernst Albert, der – by the way – bleiben soll, wo der Pfeffer wächst – gar nicht hingehört, weil nur auf dem SEE Schwäne sein dürfen und so weiter. Aber rüber, ans andere Ufer, da muß ich hin. Ich schließe die Augen und richte mein Traumzimmer ein. Das heißt, ich tapeziere es, stelle Möbel rein, Erinnerungen hängen an den Wänden, auf dem Sofa sitzen alte Gefährten, die Türen öffnen sich, aus der Küche strömen Wohlgerüche in die Zimmer, die Heizung blubbert und ich werde müde und wenn der Traum mich umarmt und in den Winterschlaf wiegen wird, möchte ich erwachen in diesem, meinem Traumzimmer. Es gibt schlaue Aufrechtgeher, die behaupten, es wäre möglich seine Träume auf eine selbst entworfene Umlaufbahn zu schießen. Das gefällt mir. Warum? Ich möchte nicht, daß meine Träume mit mir Rodeo reiten. Ich möchte dort drüben aufwachen, wenn ich eingeschlafen bin, so wie ich an diesem Ufer Behaglichkeit fand. Ein Bär schätzt Gewißheit. Drüben werde ich alles vergessen, was ich hier noch erleben darf. Und im Frühjahr kehre ich zurück. Aber jetzt? Wie komm ich rüber. Mit dem Schwan ist nicht zu rechnen. Eigensinnig und eitel, der formvollendete Geck. Wie er den Hals reckt. Das Gefieder spreizt. Sein Revier verteidigt, von einer solchen Größe ist das. Kein Neid, sage ich zu mir, dem Archibald Mahler, der an der Lahn sitzt und gar nicht mal weiß, auf was er wartet oder noch soll. Dann erblicke ich etwas. Ja. Damit werde ich übersetzen. So wird das gehen. Dann betrete ich nochmal mein Traumzimmer und dreh die Heizung hoch. Man mag ja nicht frieren drüben. Wenn ich mich erinnern will und werde ans Vergessen, um es mir zu merken. Winkt da wer? Auf der anderen Seite der Lahn. Meint er mich? Ist das der? Oder jener? Ich bin aufgeregt. Fährmann, hol über!

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Thema: Klebebilder | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth