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Wie auf Pellworm Mahler zu den Kühen sprach

Donnerstag, 18. Mai 2017 20:07

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Und Archibald Mahler blickte den Wiederkäuern fest ins Auge, atmete ein und hob an vom Gepäckträger herab seine Predigt zu halten. Dies seien seine Worte:

Liebe Gemeinde. Die Welt ist in erschreckend schräger Lage, auch wenn Eure und unser aller Euter voll und der Blick satt und von Einfachheit. Laßt mich so heute aus der Offenbarung des Johannes folgende Worte verkünden:

„Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabkommen, mit einer Wolke bekleidet, und der Regenbogen auf seinem Haupt und sein Antlitz wie die Sonne und seine Füße wie Feuersäulen. Und er hatte in seiner Hand ein Büchlein, das war aufgetan. Und er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde, und er schrie mit großer Stimme, wie ein Löwe brüllt. Und als er schrie, erhoben die sieben Donner ihre Stimme. Und als die sieben Donner geredet hatten, wollte ich es aufschreiben. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel zu mir sagen: Versiegle, was die sieben Donner geredet haben, und schreib es nicht auf! Und der Engel, den ich stehen sah auf dem Meer und auf der Erde, hob seine rechte Hand auf zum Himmel und schwor bei dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen hat und was darin ist, und die Erde und was darin ist, und das Meer und was darin ist: Es soll hinfort keine Zeit mehr sein, sondern in den Tagen, wenn der siebente Engel seine Stimme erheben und seine Posaune blasen wird, dann ist vollendet das Geheimnis Gottes, wie er es verkündigt hat seinen Knechten, den Propheten. Und die Stimme, die ich vom Himmel gehört hatte, redete abermals mit mir und sprach: Geh hin, nimm das offene Büchlein aus der Hand des Engels, der auf dem Meer und auf der Erde steht! Und ich ging hin zu dem Engel und sprach zu ihm: Gib mir das Büchlein! Und er sprach zu mir: Nimm und verschling’s! Und es wird dir bitter im Magen sein, aber in deinem Mund wird’s süß sein wie Honig.”

So endete die Rede. Archibald Mahler verharrte und lauschte den eigenen Worte hinterher. Das Buntvieh verharrte ebenso, malmend Zahn gegen Zahn. die eigene Zunge verschluckend. Längere Pause. Unerwartete Wahlergebnisse. Der Nachwuchspope war leicht verunsichert. „Herr Ernst Albert, aber da sind doch überall Katastrophen im Anmarsch und den Kühen ist das alles egal! War ich so schlecht?“ „Ach Bär, an Dir liegt das nicht! Wer ständig wiederkäut, hört selten zu. Und vielleicht haben sich diese ganzen lächerlichen Gestalten, die die Welt an den Rand tanzen wollen, bald selbst erledigt!“ „Aber wieviel Unschuldige sind die Lächerlichen bereit zu opfern?“ „Mahler, ich wollte ich könnte Dich beruhigen!“ „Dann schauen Sie mal in den Himmel!“ „Uff. Die Götter scheinen zu zürnen!“

Wir wissen, daß Archibald Mahler zur Zeit etwas feinfühlig ist. Gestern hat er auf der Hallig Hooge einen Film gesehen und begriffen, wie schnell alles gehen kann. Und daß der Respekt vor der Schöpfung ein wesentliches Gut ist. Gelle Kassandra.

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Vom Undank und der Welten Lohn

Mittwoch, 17. Mai 2017 14:59

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Und da saß nun Herr Archibald Mahler, der qua Herkunft eigentlich nicht mit Glaubensfragen befasst ist, außer mit der noch anstehenden Entscheidung, ob seine Vorfahren nun aus Wyoming oder von der Insel Kamschatka stammen, in dieser wundersam freundlichen Kirche und war geflissentlich froh darüber, daß er nicht als Aufrechtgeher aufwachsen mußte. „Und jetzt schön Danke sagen!“ „Hast Du Dich schon bei der Oma bedankt!“ „Du bist so undankbar!“ „Na ja, Undank ist der Welten Lohn!“ „Ich danke meinen Mitarbeitern für ihre (Setzen Sie ad libidum dazu: Überstunden, Selbstausbeutung, Austauschbarkeit, Flexibilität, Rückgratverkrümmung, Leisetreterei, Kritikfeigheit, Deformationsbereitschaft etcppp)!“ Nun, da ist es verständlicher Weise etwas schwerer den richtigen Zeitpunkt und Ton für einen ehrlich gemeinten Dank zu finden, der weder Dankzwang noch stereotype Lobhudelei ist. Sinnend auf harter Bank, denkt Mahler, daß dies auch so ein Mittel ist um Dankbereitschaft zu evozieren. Wer nach stundenlanger Predigt sich erheben darf, der Pöter platt wie eine Kutterscholle, der wird aufatmend gen Himmel blicken und wie man sagt: die Gemeinde dankt. Heute werden in manchen Kirchen Sitzpolster zu Verfügung gestellt. Archibald Mahler, Agnostiker zwar, jedoch Purist, zweifelt ob dies ein Fortschritt sei. Ernst Albert war die ganze Zeit sehr still gewesen. Der Bär findet sein Herr und Meister sehe recht dankbar aus. Betet der etwa? Wir aber wissen, daß ein ganz altes Lied durch seinen Kopf summt, das Lied einer wunderschönen, vor kurzem verstorbenen Sängerin. Dieses Lied hatte ihn als Jungen schwer beeindruckt, zumal die eh schon tiefe Stimme der Sängerin aus den baßlastigen Lautsprechern der elterlichen Musiktruhe drang. Archibald Mahlers unfehlbare Nase roch, daß es an der Zeit war sein lautes Denken einzustellen. Gemeinsames Schweigen. Gemeinsamer Dank. Wie gut, hier sein zu dürfen. Aufbruch. Vorbeigerollt an bevölkerten Weiden. Ein kurzer Halt läßt am Wegesrand eine neugierige Truppe Buntvieh zusammenströmen. „Herr Albert?“  „Ja, mein lieber Archibald?“ „Jetzt würde ich gerne meine Probepredigt halten!“ „Wohl an denn, Reverend Mahler!“

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Von der letzten Ruh` und davon warum die andere Ruh` nicht zu vernachlässigen wäre!

Montag, 15. Mai 2017 20:11

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Archibald Mahler würde nicht so weit gehen zu sagen, er lieeebe Friedhöfe, aber von toten Aufrechtgehern umgeben fühlt er sich entschieden freier als und so. „Lieber Bär! Vergessen Sie nie, Ihre Auslassungen werden gelegentlich gelesen!“ „Aber wenn ich doch?“ Lassen wir es so steh`n, wer mißversteh`n will, tut`s eh und mit Vergnügen. Archibald Mahler entdeckt auf dem eben betretenen Gottesacker ein kleines eisernes Kreuz. Man hat hier wohl eine zukünftige Grabstätte markiert. Mit einem fröhlichen „Besetzt“ umklammert er das Ding, als sei es des Bären Excalibur. Sein letzter Claim. Hier – sollte er jemals in die Ewige Bärenkneipe Einzug halten – würde er gerne die Blaubeeren von unten anschauen, wobei ihn gelegentlich das Gefühl beschleicht, daß er im Gegensatz zum gemeinen Homo verticalis nicht unberechtigte Aussicht auf Unsterblichkeit sein Eigen nennen darf. Solange er pfleglich behandelt wird und die Welt von den üblichen Idioten nicht in Brand gesetzt wird. Da biegt ein Igel um die Ecke und mit einem verbitterten „Ick wor schon all hier!“ piekst er dem Bären vom Brandplatz heftigst in den Pöter. Aber die letzten Tage auf Pellworm, der Gütigen, haben im Bären alles Bedürfnis nach beidhändiger Rückhand getilgt. So räumt er mit einem grinsenden „Bitte nach Ihnen!“ seinen kleinen Anspruch. Man wandelt über den Friedhof, liest die Inschriften auf den Grabsteinen. Welche Namen! Detlev Dethlevsen. Jacob Jacobsen. Adolph Adolphsen (echt!). Hans Johansen. „Sollte ich mich Archibald Baldurson nennen?“ Man schreitet Richtung Kirchenpforte und philosophiert dahin und daher. Warum so vielen die Auswahl der Stätte der letzten Ruh` so wichtig? Warum so etlichen aber nicht gegenwärtig, daß auch den vielen notwendigen Ruh`n davor angemessene Stätten zu weihen wären? Die alten Kirchen. Die Rituale. Alt, trotzdem sogar gut? „Manchmal scheint mir meine lieben Mitaufrechtgeher scheuen immer mehr davor zurück zur Ruhe zu kommen. Ich weiß, wovon ich rede!“ „Warum?“ „Naja, in den Spiegel schauen ist immer Scheiße, nachdem der erste narzisstische Kick verraucht ist.“ „Gut, daß ich ein stehendes Antlitz habe!“ „Hättste gerne!“ „Eigentlich wollte ich mich bedanken!“ Die Disputanten schweigen. Sie nehmen die Mützen ab, treten ein. „Wie schön!“

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Gegenwind, viel Getier und niemals abschließen!

Sonntag, 14. Mai 2017 17:35

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„Da will ich hin!“ „Ayay, Käpt`n Mahler!“ Dann rollte man los! Die Flaggen vor der Hütte standen waagrecht im Wind. Ernst Alberts Fitness war nach den vergangenen Musentempeleien und Getränkerunden von gewisser Bedenklichkeit. Vermutete man. Jedoch der Bär, welcher auf dem Gepäckträger Platz genommen hatte, wunderte sich mit welcher Verve sich sein Chaffeur in den unermüdlichen Gegenwind warf. „Hier ist der Wind mein Berg!“ Und dann all das Getier. Feldhasen von beachtlicher Statur kreuzen die einsamen Wege. Aha, der Geist des Großen Budnikowski! (An dieser Stelle liebevollste Grüße an die Besatzung der LH7) Fasane! Wann hat man die ein letztes Mal gesehen. Brütende Fasane!!! Hunderte, gewiß mehr als tausend Graugänse, die sich noch nicht entschieden hatten, ob sie hier bleiben oder ins heimatliche Sibirien zurückfliegen. Möwen. Möwen. Möwen. Kreischend. Aber auch schweigend. Fast sinnend. Weihen und andere nicht identifizierte Greifvögel kreisen über den Weiden, wo Buntvieh, Pony, Pferd und Ziege grasen. Und Schafe Schafe Schafe Schafe Schafe Schafe. Drei mal mehr Schafe als Einwohner bevölkern das Eiland. Ein einziges Blöken und Rumjammern. Die Fahrradreifen teilen geduldig  ihren Scheiß`. Im Watt trippelt und trappelt es. Kleine, mittlere und lange Schnäbel picken unermüdlich durch den Schlamm. Dünn, krumm und spitz lassen sie dem Wattwurm keine Chance. Mehlschwalben lassen sich ihre Bausparverträge auszahlen und werden nestbauend aktiv. Enten in bisher ungesehener Musterung in den Prielen und Känalen vor und hinter dem Deich. Es wimmelt in den Pütten. Die Reisetruppe kommt aus dem Hören und Schauen gar nicht mehr heraus. Da schmerzen Oberschenkel nicht und Arsch und alle Befindlichkeiten verlieren an Bedeutung. Schlaglochartig. „Aua! Können Sie nicht aufpassen!“ „Verzeihung, mein Bär!“ Dann singt Herr Albert den Roadhouse Blues und Mahler kratzt sich zufrieden den  Bauch. „Ich brauch ein Flens! Da hinten ist eine Wirtschaft!“ „Genehmigt, Meister Albert, aber erst in die Alte Kirche hier! Äh, wollen Sie das Fahrzeug nicht abschließen?“ „Das tut man hier nicht! Das braucht man hier nicht!“ Tja, wenn das so ist. PS: Die Sonne scheint auf der Insel und über dem Festland toben Unwetter.

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Von der Unerreichbarkeit und der Wiederkehr

Samstag, 13. Mai 2017 17:44

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Bären sind ohne Tränen. Aber als Mahler das betrachtete, was er sah, wünschte er sich anders. Schlick, Schlamm, Schmodder, schwefliger Sand soweit das gereizte Auge reichte. Und Ernst Albert zuckte nur mit den Schultern. Grinste er gar? Elender Pharisäer! Der Blanke Hans, nichts als eine Behauptung, eine These. Unsichtbar, unerreichbar, fort. Archibald Mahler ersetzte seine nicht vorhandenen Tränen durch Wut. Huch! Ernst Albert vermittelte. Das Meer hier vor Ort müsse regelmäßig verschwinden. Das Meer hier hinterm Deich sei keine Postkarte. Sandstrand all inklusive iss nich. Das Meer hier oben sei stets beschäftigt, es erschaffe, zerstöre, erschaffe, gehe, komme, wüte, ernähre. Vögel, Strandläufer, Krabben, Heringe, Robben, Würmer, Fischer, Marsch. Das Meer hier oben weigere sich vierundzwanzig Stunden am Tag erreichbar, bespringbar, verfügbar, zu Füßen zu sein. Quasi eine Dylansee. „Gut, bester Meister Albert, aber reden Sie hier nicht die ganze Zeit von sich. Das langweilt mich. Wann kommt der Blanke Hans zurück? Oder überhaupt.“ Der Aufrechtgeher gab dem Bären recht und man unterhielt sich länger und ausführlich über diese ständigen Verfügbarkeiten, Zumutungen, An- und Einforderungen, Kälteeinbrüche, mangelnden Bewegungen, mentale Verkarstungen, eben all die – Warum? – Selbstverständlichkeiten eines zwanghaft als zeitgemäß und selbstbestimmt definierten Aufrechtgeherlebens unter dem Stern der Heiligen Individualität. Und langsam fand Mahler zurück zur freudvollen Abhängigkeit. Tag Nacht Einatmen Ausatmen Finster Hell Ying Yang Da Weg Restaurant Sanitäre Anlage Regelmäßig. Mitschwingen statt Abhängigkeit. Und wie der Bär sich nach ein paar Stunden des Palavers vom Ehrenwerten Ernst Albert ab und dem vermißten Blanken Hans zuwandte, da rollte dieser freudig, blubbernd und in behender Freiwilligkeit auf den Deich zu. Und Mahler schloß die Augen, zählte bis hundert, öffnete die Augen bei siebenundachtzig, da seine Tatzen sich feucht anfühlten. Weia, mit welchem Tempo die Nordsee den großen Schlickteppich namens Watt wieder flutete. Und den Bären wattwurmte seine Ungeduld. Und ihn überkam das große Bedürfnis sich zu bedanken wegen eines Erkenntnishauchs, als es schellte. Denkste Puppe! Eine Fahrradklingel glockte. Ähem! Eine Fahrradglocke klingelte. Auf Pellworm. Und Ernst Albert pfiff ein Lied, jedoch mit mehr Zähnen als der geliebte Sänger es einst tat. Auf die Lenkstange!

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Martialische Wimpel und ab dafür hintern Deich

Freitag, 12. Mai 2017 18:48

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„Lewer duad als Sklav!“ stand auf einer der zwei Flaggen, die vor Mahlers neuem Fenster im strammem Ostwind knatterten. Ein altes Ritual war es, das den Bären beglückte. Ernst Albert bezog ein Hotelzimmer und setzte – erste Amtshandlung – seinen geliebten Genossen ans Fenster und während er TV – Gerät, Bad, WLAN (Psstt!) und Minibar inspizierte, riecht sich Archibald M. in die neue Umgebung hinein. „Lieber tot als ein Sklave!“ Das Reiseziel ist doch von langer Hand geplant, denkt der Bär. Wir aber wissen, dies ist ein zufälliger Zufall, wir wissen aber auch, wie sehr der Ehrenwerte Ernst Albert der Coincidencia zugeneigt ist, dem – seiner Meinung nach – wesentlichsten Quell seiner Kreativität. Die Einheimischen hier mußten und müssen sich Generation um Generation wehren gegen allerhand Feind`, Eindringlinge, Stürme und vor allem gegen den „Blanken Hans“. Immer und immer wieder raubte die springende brüllende schäumende Nordsee Leben, Land, Deiche, ganze Dörfer, zerstörte Existenz und in aufrechtem Gleichmut schlug man ein Kreuz, griff nach Schaufel und Ruder und baute wieder auf. Da kann es schon mal martialisch klingen, was man auf seinen Wimpel stickt. Ernst Albert stimmt da – ohne sich mit Details aufzuhalten – zu. Aber weil der sympathische Herbergsvater zur Begrüßung eben meinte, daß ein Moin völlig ausreichend sei, ein doppeltes Moin eher dem Schwätzer gut zu Gesicht stehe, schließen wir hier. Außerdem hummelt es in Mahlers Pöter, weil er heute unbedingt noch den „Blanken Hans“ sehen will, knappe zwei Minuten von hier, hinterm Deich. Ab dafür!

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Wer von Winden dichtet, wird den Storm lesen

Dienstag, 9. Mai 2017 21:27

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Noch wippt Archibald Mahlers Schädel im Rhythmus der gestrigen Reime, noch leckt die Zunge an den Buchstaben, die er gestern ausgehirnt, noch winden sich Nachwinde aus dem Bärenpöter, noch widerkäut das interne Lektorat und ist bereit aufzustoßen, als in der Früh um fünf (MORGENS IN DER FRÜHE GEGEN ODER VOR FÜNF!!!!!) ein Aufrechtgeher sich vor dem Bären aufbaut und fordert. Deckenlicht brüllt Mahlers müde Augen an. Die Forderung? Der Bär möge aus seinem Windschatten hervor treten, die Labberwinde Labberwinde sein lassen und seine hochsensible Bärennase halten in den wahren echten richtigen salzhaltigen wüsten unermüdlichen unnachgiebigen nordischen Seewind. Ja hat man denn einen an der selbstgerechten Aufrechtgeherwaffel? Hier denkt ein Bär nach langer Ruhezeit nach in Frieden und nun? Beim Aufrechtgeher handelt es sich um den Ehrenwerten Ernst Albert, der momentan offenbar nicht in der Lage ist dieser Tage  lange Diskussionen zu führen, sei es der Uhrzeit geschuldet oder den enggestrickten Terminplänen oder einer generell latent misanthropischen Grundstimmung. Kurz: die Nordsee rufe. Der Blanke Hans. Und das laut und stürmisch. Vor allem aber: ein Schiff erwarte sie vor den Toren Husums. Und nach der erfolgreichen Querung des Wassers: der Schimmelreiter. Was soll da ein Bär entgegnen? Moin? Moin! Und Tschüühüüs mit siebenundzwanzig gesungenen Ü’s!

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Im Wind / Keine Fragen / Keine Antwort / Wind

Montag, 8. Mai 2017 17:39

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Als mir Beine gewachsen waren griff mir der Wind unters Herz

Schritt für Schritt begann ich mich durch die Kleine Häßliche Stadt zu arbeiten

Weil ich nicht mehr lag zerrissen herum war sie eine Andere

Geworden regennaß Spuren suchend der Bär auf dem Weg nach oben

Begierig einsaugend Buchstaben um diese wieder in nächste Winkel zu kotzen

Mannigfaltig die Schmerzen voller Geister Phantome das Weh und Weia

Wie unter Wasser immer wieder Träume vom Erwachen und Ertrinken

Die Lungenflügel quetschen sich zusammen schwere Brust der Atemstoß lautlos

Der Kopf schießt durch die Oberfläche Atemstoß und ein  leiser Schrei geseufzt

In Taschen Koffern Tüten begann ich zu reisen getragen geschleppt

Man setzte mich auf Steine Bänke Bordsteinkanten Zäune

In Wälder Wiesen Mülltonnen auf Schrottautos Schwäne in Weinstöcke

Auf Goethes Schoß an Schillers Denkmal thronend auf Hölderlins Grab

In Ilmenau Weimar Innsbruck Konstanz Freiburg Tübingen

Schaute ich auf Tümpel Bächle Teiche Seen Flüße Wasser

Dort wo am Hörnle Land endet oder beginnt

Blickte ich auf vier Länder hörte unzählige Sprachen und

Sah Berge glitzern im Föhn

Blickte hinter Kaltbrunn in die wässrigen Augen eines Bären

Lernte auf der Insel Reichenau erfolgslos das Geschäft der Fischerei

Badisches Babylon und Tage später rasend der Inn zu meinen Füßen

Klammerte ich mich ans Geländer des schwankenden Stegs

Und betete daß Ernst Albert heute mit Vernunft

Das Fell geschüttelt von Wind und verschlammt der Pöter kalt

Im Hotelzimmer tanzten Nagelbürsten und schlechtes Gewissen

In Dornbirn kalter Junimond feucht draußen ich und drinnen sang Bob Dylan

Tage später geschüttelt von Fieber und Frost in vertrauter Höhle

Neben mir der geheimnisvolle Fieberthermometerhalter hielt besorgte Wache

In der Küche schimpft die Pelagia und Albert trunken kichert

Im Wahn phantasiert herbei die Weinberge des Tunibergs in wilden Farben

Und ich singe vom Mädchen am Firmament das glitzert wie ein Diamant oh John

Spargel spießte meine wirren Gedanken auf und ich Kratzete mich am Pöter

Gesundet mit dem neuen Gefährten in den Wäldern

Walden revisited am Fuße des Schiffenbergs

Und feierte meine Einsamkeit welche angenehmer zu zweit

Und schrieb Bemerkungen in den Wind dergestalt

Daß im Freund immer auch der Feind zu respektieren sei

Man nähere sich dem Freund doch niemals laufe man zu ihm über

Und ich begann langsam die eigenen Worte zu finden

In Brombeerbüschen getöteten Lachsen nächtlichen Himmeln und Honigtöpfen

In der Kleinen Häßlichen Stadt in Mittelhessen

Auf beiden Beinen aufrecht

Stehend

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Lebenserhaltenden Moment an das Leben zurück

Freitag, 5. Mai 2017 16:26

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Mahler versucht sich zu erinnern.

Die Frau? Sie hielt sich nicht die Ohren zu. Aber lange Geschichten, die ihr Kerle erzählen wollten, das kannte sie zur Genüge. Sie hatte einen Vater und einen Bruder und Schwestern auf der Suche. Das reicht erstmal. Die Frau stellte eine Frage. Wie denn bitte der einbeinige Bär da hinaus wolle in die von ihm zu besingende Welt? Auf Krücken, Bärenkrücken? Hüpfend Mitleid erheischend? Verspottet in Pfützen liegend? Verlacht vom Bordstein gekippt? Außerhalb des eigenen Gleichgewichts? Archibald Mahler pustete sich zustimmend etwas Staub vom Silberrücken. Wäre er ein Jungbär, wohl wissend, daß er gar nicht weiß, wie alt er tatsächlich, also wäre dann, dann hätte er gemurmelt: „Da geht noch was!“ Möglicherweise hat er sogar tatsächlich etwas derartiges gemurmelt. Dann mußte die Frau gehen. Sie sagte, sie habe auf einem Familiengeburtstag noch geheimdienstliche Verpflichtungen  zu erfüllen. Archibald Mahler bekniete den eben doch noch und wieder einsamen Mann diese Frau baldigst wieder zu kontaktieren, auch auf die Gefahr hin, jetzt die Mafia im Nest sitzen zu haben. Die Frau war erstmal weg und der Ehrenwerte Ernst Albert und Archibald Mahler legten sich schlafen. Wenn die Nacht nicht existierte, schenkt man sich den folgenden Tag. Und lüften könnte man auch mal wieder. Später! Eine Woche verstrich. Hysterische Hitze, Fahnengesichter, Zettel im Socken des Torhüters, Argentinien heult, hitzige Hysterie, Italien spielt nicht mit, Ballack weint. Euphorie in Stuttgart. Die Frau steht vor Mahler. Nadel und Faden in der Hand…..

Mahler legt das Buch zur Seite. Er erinnert sich. Jedoch der Eingriff und die Tage danach bleiben beharrlich im Schatten. Das Abbe Bein war dran. Ist dran. Bleibt dran. Vor dem Fenster bläst ein Wind. Hoffentlich von Süden. Ein neues Gedicht.

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In diesem gestohlenen Moment mein Leben

Mittwoch, 3. Mai 2017 9:26

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Der Brandplatz liegt zu Füßen eines alten Schlosses

Am südlichen Ende wachsen hinter rostigen Gittern Gingko und Rhododendren

Ich wurde da gefunden, mein Abbes Bein lag neben mir

Zusammengenäht wurde ich an den Rändern des Thüringer Waldes

Liegengelassen dort in Sonneberg als Mauern fielen

Aufgenommen von einem verlassenen Mann tief im Osten

Gepflegt und gehegt und aufgebaut zwischen alten Büchern

Später eingepackt und gereist ohne Fahrkarte nach Mittelhessen

Über mich tobte ein versöhnungsloser Streit hinweg und ich lag zerrissen eine ganze Nacht, falls ich mich erinnere

In der Frühe umrundete meine Reste kreischend die Müllabfuhr

Gießen ist ein Drecksloch schon immer gewesen

Gießen wurde erbaut in einer sumpfigen Mulde, faulig stinkende Abwasserkanäle sind seine Adern

Gießen ist die hohle Mittelmäßigkeit in allem, wie ein Dichter die Stadt preist und kein Friede in den Hütten

Gießen besitzt einen Musentempel, das Dönerdreieck, Suppenwürfel und  Minderwertigkeitskomplexe

Es ist ungeheuer schwer das die Siedlung durchfließende Gewässer zu finden, jedoch es existiert

An den Ufern der Lahn stehen Menschen von Freundlichkeit wie auch in etlichen Häusern und Straßen spricht man miteinander

Ich lag auf dem Brandplatz, entzwei, wurde aufgehoben, geschleppt in eine Kneipe, später in eine Wohnung getragen

Unter einem kleinen Tisch saß ich neben dem Bett eines einsamen Mannes

Mein Abbes Bein lehnte an meinem Torso und die Wartezeit staubte mich ein, der Silberrücken unfreiwillig

Über traurige Tage hinüber und viele laute Nächte lang hörte ich Lieder, immer wieder, immer wieder und neu

Ich hörte den Sänger näseln, krächzen, raunen, zwirbeln tausend Reime über und von der Welt

Von Geistern, und der Liebe, und der Einsamkeit, und dem Tod, den Vergeblichkeiten

Düster, laut, krakelig, fremd und so nah, Gesänge von den ewigen alten Zeiten im Jetzt, welches eben

Zigarettenrauch rötete meine Augen

Gelegentlich saß ich auf dem Tisch, neben mir ein kleiner Band, dicht beschrieben mit Haikus

Ich lernte an den Buchstaben zu riechen und die Buchstaben begannen zu sprechen

Ich hieß sie willkommen

In meinen Träumen ritt ich hungrig und einbeinig auf einem mit Preiselbeeren gefüllten Lachs den Honigfluß hinauf bis zur Quelle

Ich plante dort den Staub von meinem Fell zu waschen, mein verlassenes Herz niederzulegen und Lieder voller Haikus zu krächzen

In jenem heißen Sommer, als sich die Menschen Fahnen ins Gesicht malten, führte der einsame Mann, der neben meinem Tisch schlief, eine Frau nach Hause

Als die Frau mich erblickte, fragte sie den bald nicht mehr einsamen Mann nach meiner Geschichte …

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