Archibald schaut Welt


WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / DREI
7. September 2011, 15:56
Filed under: Wastelands

moral03

Zugegeben, das mit dem gestrigen Bagger war ein alter Hut. „Baggerbuhs, Baggerbuhs, Baggerbuhs.“ Und dieses Zitat ist ein noch älterer Hut und eine interne Botschaft an die ehrenwerte Frau Eva Pelagia. Dieser alte Hut stammt aus Litauen. Braucht niemand zu verstehen. Wird er auch nicht. „Und wie kriege ich jetzt die Kurve Richtung Auditorium?“ Archibald Mahler, en face einer mittelhessischen Schlammwüste en miniature, beschließt weiterhin mit dem Rücken nach vorne zu denken. Der Zweifel bleibt heute sein Gast. Der Zweifel stellt dem Bären Fragen. Zum Beispiel: „Und wer soll das verstehen?“ Oder: „Was steckt dahinter?“ Und: „Was ist unter der Oberfläche?“ Da freut sich der Bär. Jetzt kriegt er die Kurve. Mit quietschenden Denkreifen, aber doch. Oberfläche! Die reine Oberfläche! Die reine Weltoberfläche! Der Teich ist ja bekanntermaßen weg. Also die Oberfläche des Teiches und so auch er selbst, der Herr Teich. Schlamm aka Eingeweide aka Innereien aka Bedeutung liegen offen vor dem Bärenauge. Ist dem so? Fragen. Das will man eigentlich doch, daß Dinge unter die Haut gehen, man will dahinterkommen, hinter die Fassade schauen, Wahrheiten, Tieferliegendes, Tiefergründendes. Die Geschichte, die Herkunft. Warum, warum, warum? Archibald Mahler hat heute den Eindruck so ein Teich mit Oberfläche ist schon in Ordnung. Und was da unter der Oberfläche rumschwellt, das will man eigentlich gar nicht wissen. Wenn ein Fisch über die Oberfläche hüpft, ist Sommer und die Baumwolle ist erntereif. Das kennt man aus Liedern. Und sonst? Nachdenken. Tja, wenn der Teich nun aber kurz vor dem Umkippen ist und sich trotzdem selbstgefällig und wohl in seinem Bette wälzt, muß man da nicht die mahnende Pfote erheben? Oder reicht es zuzusehen und sich ohne zu kommentieren am Pöter zu kratzen? Tja! Es gibt Aufrechtseher, deren Verlangen unter die Oberfläche zu blicken ist dermaßen gewaltig, daß sie sich ihre eigene Oberfläche – die Haut – aufkratzen oder aufschneiden. Wenn es dann blutet, dann schreien sie: Hurra, wir leben noch! Archibald Mahler konzentriert sich auf sein Fell. Oberflächlich. Wo hört Archibald Mahler auf? Jenseits des Felles? Oder doch erst dort, wo er hinsehen, hindenken, hinreden, hinwüten kann? Schwer zu sagen! Ihm, dem Bären, ist jedenfalls wohl, wenn Fremdoberflächen sich nicht allzu oft an seinem Pelz reiben möchten. Man stelle sich vor, die Oberfläche des Teiches möchte sich an der Oberfläche des Bären reiben. Da wird der Bär ganz schön naß. Und jetzt, wo Freiherr Gottfried von Herbst im Begriff ist anzureisen, ist der Schnupfen dann auch nicht mehr weit. Kruzigriechen noch einmal! Archibald Mahler hält inne. Der Fluch war falsch! Warum? Zwei Aufrechtgeher nähern sich dem Bären von hinten. Sie halten Schaufeln in den Händen. Sie haben die kleine Straße, welche das Ufer des leeren Teiches vom angrenzenden Wohngebiet trennt, bei roter Ampel überquert. Da muß der Bär ran!

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WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / ZWEI
6. September 2011, 13:04
Filed under: Wastelands

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Fräulein Else Sommer zieht sich eine Strickjacke über, hegt Abreisegedanken und Archibald Mahler ist heute nach einem Geständnis. Ihm ist mal wieder barbarisch wohl wie tausend geilen Keilern oder so ähnlich, da die Freude ihn packte. Als er so denkt und guckt, da packt ihn wieder die Freude, jene Freude über die Eier, welche sich die Aufrechtgeher so gerne ins eigne Nest legen. (Mach es kurz, Bär. Gruß vom Säzzer) In Ordnung. Archibald Mahler, z.Z. und vorübergehend Resident am Teich ohne Wasser und Schwäne in der Kleinen Häßliche Stadt, spürt einen großen Batzen Schadenfreude durch seine Glieder fahren. Natürlich fragt sich der Bär, kaum daß der Gedanke der Synapse entfleucht: „Darf ich das? Schadenfreude? Deshalb ein wonniges Spätsommergefühl im Bauch und ein windschiefes Grinsen?“ Er kann nicht anders. Als politisch korrekter Bär kann er nur eines tun: seinem ehrenwerten Publikum den Rücken zuwenden und das grinsende Antlitz dem Schlamm. Von vorne: Im frühen Lenze des Jahres war dieser Teich schon mal vom Wasser befreit gewesen, die Aufrechtgeher sammelten die Fährräder, Waschmaschinen und Einkaufswagen, die sie unter der Wasseroberfläche vergessen hatten, pflichtbewußt wieder ein und warteten. Der Schlamm wartete auch. Auf die Bagger wartete man. Und die Kipplaster, die den faulig riechenden Unrat abtransportieren sollten. In einen Nachbarort. Aber wie liebe Nachbarn halt so sind, wollten die Bares für die Endlagerung der Stinkerei. Hat die Kleine Häßliche Stadt natürlich nicht. Bares. Nur Baustellen. Wasser marsch. Da war er wieder, der Teich. Über Nacht. Die zwischenzeitlich abgereisten Schwäne kehrten zurück und feierten die Rückkehr der Wasser mit Samenaustausch. Passanten wunderten sich. Warum? Warum wieder der Teich über dem giftigen Schlamm? Wollte man nicht schon längst? Die Bagger? Hatte man vielleicht schlichtweg nicht daran gedacht, sich rechtzeitig um eine Endlagerstätte für den ganzen Dress zu kümmern? Die städtischen Aufrechtgeher verlautbarten sich. „Huch! Hach! Herrjemine! Die lokalen Fledermäuse. Ihre Brut. Sie könnten verhungern. Der nächste Teich zu weit.“ Verlogenes Pack. Den gar nicht so lokalen Fledermäusen war es wurscht. Sie waren längst weitergezogen. Zum nächsten Gewässer. Der lokale Schlamm gärte fröhlich vor sich, der lokale Teich kam in Schräglage, kippte und kippte und kippt um. Die Schwäne brüteten, zogen auf und starben einer nach dem anderen. Kein Grund zur Schadenfreude eigentlich. Böser Bär! Was soll er machen? Wenn sie rudern und eiern und sich aus ihren selbstgebastelten Sackgassen nicht mehr befreien können, ohne ihre schicken Lügenautos vorne und hinten kräftig einzudittschen, die lieben Aufrechtgeher, was bitte soll man da machen? Freiherr Gottfried von Herbst reist an und jetzt beten sie alle, er möge keinen Regen im Gepäck haben, auf das der Stinkschlamm rechtzeitig austrockne. Denkste, Puppe! Und weil Schadenfreude manchmal einfach gut tut und in der Lage ist auch größere Wutkonvulsionen zu mildern, freut sich Archibald einfach weiter und tauft die Teichwüste heute auf den Namen „Lago di Rösler“. Ein Bagger rollt heran. Mein Gott! Halt! Zu spät!

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WASTELANDS ODER VON TÄGLICHEN BAUSTELLEN DES MORALISCHEN / EINS
5. September 2011, 14:44
Filed under: Anregende Buchstaben, Wastelands

moral01

Wenn man irgendwohin hin geht, kommt man irgendwo raus. Archibald Mahler sitzt am Ufer eines Teichs. Kann man einen Teich noch Teich nennen, der mal ein Teich war oder in nicht wirklich absehbarer Zeit wieder ein Teich sein soll und vielleicht wird? Auf der Straßenkarte der Seele gilt es zu vermerken: Teich in Bau, weil nach Wasserabpumpen verreist. Ist der Teich das Loch, welches den Bären anstarrt oder ist der Teich das abgeflossene Wasser, welches wahrscheinlich heute schon am Kölner Dom vorbeifließt und inzwischen vergessen hat, woher es kommt. Gestern regnete es gegen Abend. War da der alte Teich dabei, der den Schlamm vor Archibalds Augen wieder einfeuchtete? Kehren Wassertropfen in ihre alten Schlammlöcher zurück? Wie Lachse? Der Schlamm stinkt und tötet Schwäne. Dann regen sich Aufrechtgeher auf. Ein Teil regt sich auf, der andere will den Schlamm wegbaggern lassen. Den meisten ist die Wasseroberfläche lieber. Es stinkt nicht und will wirklich wer wissen, was auf dem Grund liegt? Die Zeit nagt und wer hat soviel an Zeit, um immer hinzuschauen? Archibald Mahler, klar! Ist sein Beruf. Andere haben sich entschieden, nur noch auf Katastrophen zu reagieren! Das langsame Wachsen, das Unbemerkte, die Anhäufung, die Überdehnung, das Überstrapazierte, Gras wächst? Mähen vergessen! Huch und Hach und Wehgeschrei! Es kommt ja auch immer etwas dazwischen. Aufrechtgeher sind lustig. Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, sieht die Rinnsale, den Restteich, die Spuren. Sieht nicht schön aus. Doch was ist schon schön? Wenn der Schlamm Dich angrinst, grins zurück. Er hatte viel Zeit sich unter der Oberfläche zu einem ordentlichen Stinktier auszuwachsen. Jetzt brennt ihm die Herbstsonne restsommerlich auf die aufbrechende Kruste. Er liegt. Aufrechtgeher scharen ungeduldig mit der Baggerschaufel. Ob es diesmal gelingt? Und wohin mit dem verstorbenen Stinker? Archibald Mahler sucht seinen Zeigefinger. Hat er nicht. Ist er doch ein Bär. Aber Moral? Nichts dagegen. Wenn man schaut. Man sieht. Vielleicht. Manchmal. Viel ödes Land. „T.S. Eliot said that. I let you be in my dream, if I can be in yours. I said that.” Das wiederum hat der Herr Robert Zimmermann mal gesungen und so gesagt. Der Sommer geht und läßt die Muskeln zucken. Man wird etwas trauriger. Ein gute Zeit, um nachzudenken. Das tut der Bär. Eine Fledermaus zerschneidet die Abendluft. Zieht weiter. Der Teich ist leer.

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BEI PÖHLERS UNTERM SOFA (TEIL 3)
31. August 2011, 08:29
Filed under: Draußen vor der Tür, Öffentliche Leibesübungen

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„Merken die eigentlich nichts, die Pöhlers?“

„Wie sollen Sie auch, Herr von Lippstadt-Budnikowski? Das Pinocchio-Gen stirbt aus.“

„Keine Lügen mehr? Das wüßte ich aber!“

„Mehr Lügen. Aber weil die Lüge unter Durchsetzungsvermögen abgeheftet wird, wachsen die Nasen nicht mehr. Besser so wahrscheinlich. Man käme überhaupt nicht mehr voran auf den überfüllten Strassen. Ständig bliebe man hängen.“

„Passiert uns doch auch, bester Herr Mahler!“

„Das Schicksal prähistorischer Moraltiere!“

„Aber warum schlingern dann die kleinen flachen Leitwölfe so in der Gegend rum?“

„Wer die eine Hand ständig auf dem eigenen Glied ruhen hat, dem fehlt es an Aufmerksamkeit für die Straße, die vor ihm liegt! Herzlich willkommen zurück in Mittelhessen, by the way, wie man heute sagen würde!“

„Sie bemerken den Nebel?“

„Konsequenz!“

„Hä!“

„Wer bei Pöhlers unter dem Sofa rumstochert, braucht sich über aufsteigenden Nebel nicht zu wundern!“

„Aber alle sind doch so laut!“

„Konsequenz ebenso. Brüllen im Nebel. Pfeiffen stehen im Wald. Pinocchio auf dritten Plätzen. Sie seufzen, bester Stan?“

„Hömma, die ganze Pöhlereichose tut mich ziemlich nervieren tun. Wennse dann noch siehst, wie der Herr Bundesschalträger oben seine eregierte Zeigefinger ausfahren tut, um untenherum dem Leitdackel anne mutige Knie rumzuschrauben, dann kann et schon mal passieren, datte Deinen Mageninhalt auffe Morgenzeitung platzieren tust. Also nee!“

„Konsequenz?“

„Päusken. Ich fahr nach Litauen. Zu die langen Kerle. Tschökes.“

„Nehmen Sie dies mit. Reiselektüre. Mag es Sie aufbauen. Sie sind nicht allein!“

„Und Sie, Mahler?“

„Ich gehe auch!“

„Irgendwohin?“

„Irgendwohin!“

Ein Möbelwagen bremst im Nebel. Möbelpacker in kurzen Hosen. Sie laden das Sofa der Familie Pöhler auf. Familie Pöhler bleibt im Nebel liegen. Und wenn sie nicht die Fresse halten, dann liegen sie noch morgen. Und übermorgen auch.

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BEI PÖHLERS UNTERM SOFA (TEIL 2)

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Herr „Lütten Stan“ von Lippstadt-Budniskowski hat Herrn Archibald Mahler eine E-Mail geschrieben. Hä? Wie soll das bitte angehen? Ganz einfach, Archibald Mahler hat ein Mobiltelefon mit Netzflachratte! Mahler hat ein Mobiltelefon mit Netzflachratte? Wenn Mahler ein Mobiltelefon mit Netzflachratte braucht oder sich vorstellt, er könne eins benötigen, dann hat er eben eins. Mahlers Mobiltelefon mit Netzflachratte piepst. Ei schau! Archibald Mahler liest eine E-Mail.

„Hömma Kumpel, ich tu hier aussem Fenster schauen auffe Hauptstadt und denken tu ich woll auch über dat Gestrige und Ihre wohlfeilen Rügen von wegen die BILD – Zeitung un dergleichen. Dat mit die Verkürzung vonne literarische Texte iss ein Unding. Da haben sie Recht inne Gänze von Ihre Behauptungen des Denkens. Und Lesen iss ja wie Synapsen wässern, quasi. Also bin ich inne Bahnhofsbuchhandlung am Zoo inne Hauptstadt und bin getz stolzer Besitzer von zwei literarisch hochwertige Büchkes. Da iss einmal dat Werk „Schoßgebelle“ von einem Herrn Philipp Roche und dat andere tut „Das feine Kleine (unten)“ heißen tun und iss von einer Dame Charlotte zu Lahm verfaßt worden oder gelassen worden. Weißt Du dat? Egal! Innem ersten Buch spricht ein junger Pöhler anne nachwachsende Pöhlerjugend, wie er auffe Schöße von seine Onkels und Lehrers und wat weiß ich wat alles gesessen iss und immer gebellt hat, dat man ihn erhören möge und für immer und ewig zum besten Pöhler unter die Ligasonne machen möge. Und dat er aber immer schon vonne Vorsehung geküßt war, dat er sonne Art von Inkarnation vonne Pöhlerzukunft darstellen tut und deshalb die Onkels und so eh Heiopeis und Dösbattel sind und dat dat ganze Gebelle nur Zeitverschwendung iss für dat originäre Pöhlergenie wie er und nur einer Capitano anne Stelle vonnem Capitano und so weiter im Schoßgebell. Und dat er heute nur noch innem Schoß vom Bundesjogi bellen tut. Für wat und warum, dat tut er allerdings nich hinschreiben lassen tun. Ich sach mal, iss sone Art von Kochbuch, wo die Pöhlerjugend sich ein Ei drüber braten kann. Dat Werk von Frau Charlotte von Lahm wiederum iss eine Art Roadtrip annen eigene Körper hin. Und die tut schreiben, dat, weil ihre böse Tante Käthe früher nie mit ihr Sigmund Freud gelesen hat, sondern nur immer anne Playstation rumgedaddelt hat und vonne Keksfresserei voll und völler wurde, sie, Charlotte die Hellsichtige, einfach die Werke vonnem Herrn ausse Wiener Berggasse selber aussem Regal gefischt und ratzfatz gelesen hat und dabei feststellen mußte, dat sie gar keinen Schniepel inne Buchse, sondern eben wat auch immer und dat dat dann dat feine Kleine iss oder so. Jedenfalls geht et in beiden Werken umme Freiheit. Die Freiheit von wat? Dat konnte ich noch nich feststellen tun. Irgendwat da draußen iss gerade am Untergehen. So getz hau ich mich innen Schnellzuch nach Mittelhessen. Und morgen können wir konferenzieren tun. Generell glaub ich, ich muß mich vonne Pöhlerei lossagen. Bin ich zu alt für woll für diesen Kokolores. Bis die Tage Ihren Stan.“

Archibald Mahler grinst und pfeift ein Lied vor sich hin. Ein sehr altes Lied. Ein Lied ganz ohne Worte. Wie schön. Aber eigentlich wollte er doch irgendwohin gehen.

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BEI PÖHLERS UNTERM SOFA (TEIL 1)
29. August 2011, 17:27
Filed under: Draußen vor der Tür, Öffentliche Leibesübungen

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Archibald Mahler war aufgestanden. Nun geht er irgendwohin. Da klingelt sein Mobiltelefon. Mahler hat ein Mobiltelefon? Wenn Mahler ein Mobiltelefon braucht oder sich vorstellt, er könne eins benötigen, dann hat er eben eins. Mahlers Mobiltelefon klingelt demnach. Von Lippstadt – Budnikowski ist dran.

„Bitte?“

„Hallo, Mahlerken, hömma, hier inne Hauptstadt dat iss voll der Hammer!“

„Wie meinen? Wird regiert!“

„Kannse getz nich so sagen!“

„Ja nun, was treiben Sie so?“

„Ich sitze hier beie Füße vom ehrenwerten Herrn Geheimrat von und zu Goethe!“

„Wo das denn?“

„Na, inne Anlage namens Tiergarten!“

„Ach, stellt man Aufrechtgeher, die ihrer Heimatsprache mächtig sind, nun im Zoo aus?“

„Quatschkopp! Dat iss eine Denkmalsstatuette vonnem Reimeschmied! Und davor tut einer auffe Bank sitzen und lesen tun!“

„Wahlverwandschaften? Faust? Über die Farbenlehre? Werther? Iphigenie?“

„Nee! BILD!“

„Deshalb stören Sie mich in meiner Verwirrung?“

„Dat kann unsere Wenichkeit gerne steigern tun mit die Verwirrung. Ich les mal vor, was ich erspähen kann auffe Printmedie vis a vis: Herr Lahm ist nicht schwul!“

„Und wenn interessiert dies, außer vielleicht seine Frau?“

„Ja, aber darunter kannse stehen sehn– ich hau mich wech – dat dem Herrn Ballack seine Frau von zu Hause ausgezogen iss mit die ganze Kinderschar un die komplette Möbelage.“

„Was darunter? Niveaulimbo?“

„Nein allet auf eine Seite. Oben iss die eine Verlautbarung mit die sexuelle Orientierung, direkt darunter steht dat andere vonne Auflösung von eine ehemals sexuelle Gemeinschaftlichkeit. Und noch mehr! Dat glaub ich woll nich! Nee! Unfaßbar!“

„Jetzt haben wir damit angefangen! Raus damit!“

„Da steht inne Vertiefung vonne Thema, dat anne Wohnungsklingel bei Lahmens öfters ein Mann am klingeln war, mit schwarzem Haupthaar unnem Liebesgeständnis auffem Zettel für den Hausherrn und dat der Lahm immer nach Köln am fliegen sei wegen einem Kerl, wat aber nich stimmen tut. Dat wird angeprangert vom Linkverteidiger. Wegen die Schlechtigkeit vonne Menschheit un die üble Nachrede! Aber hömma, Mahler: Köln, Leverkusen, Klingeln, schwatte Haare, Frau wech! Dat isset doch. Also nee! Dat hätt ich getz von dem Michael nich gedacht. Also da isset ja am stauben bei Großfamilie Pöhlers unterm Sofa. Aber wissen Sie wat mich noch am umtreiben iss nach diese Neuigkeitentsunami von weltbewegender Intensiosität?“

„Trägt man beim DFB Echthaar oder Toupet?“

„Ja, hömma Mahler, pöhlitical korrekt iss dat nich, hömma. Dat iss ein Thema vonne höchste Delikatosität und Intimerei. Dat iss anne Diskriminationslinie angesiedelt. Da musse vollste Vorsicht walten lassen tun in alle Äußerlichkeiten!“

„Wer sich auf diese Titelseite begibt, kommt darin um!“

„Also Sie meinen, dat wenn wer ungefragt sein Dingens inne Öffentlichkeit hängen tut, dem kannse auch an seine Hosennaht strullen!“

„Sie haben mich angerufen, bester Fremdleser!“

„Nee, also nee. Schwattet Toupet? Getz? Ja lüch ich denn? Eine Menage a trois. Getz verstehe ich dat mit dem ganze Capitanogedönse. Dat iss eine stinknormale Eifersuchtsgeschichte. Ja glaub ich dat? Da fällste vonne Pöhlerei ab. Heiliger Bimbam!“

„Legen Sie auf, bevor der Wahn Sie packt und meiden Sie Bänke mit solchen Lesern! Hallo? Haaaalloooo? Na so was!“

Archibald Mahler hält ein Mobiltelefon in seinen Händen. Man kann den Hasen in der Hauptstadt singen hören. Ein ganz altes Lied. Gott sei Dank ist Herr Archibald Mahler im wesentlichen Autoerotiker. Ähem: war. Mehr sei aber hier noch nicht verraten. Da machen wir dann eine Fortsetzungsgeschichte draus. Hihihi!

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AUFFEM PLATZ BLEIBEN! SONST FRESSE!
28. August 2011, 10:54
Filed under: Hömma (revisited BVB), PoesieSlambum

kuno_berlin

Herr von Lippstadt-Budnikowski, Großer Pöhlerator und Fachhase, hat aus der Hauptstadt eine Grußkarte gesandt. Er hat sich kurz gefaßt und hat dabei das Gefühl – dies vermerkt er in einem Postscriptum – daß schon diese Kurzfassung ein entschieden zu langer Kommentar ist. Aber jetzt isse halt schon unterwegs, die Karte. Und Kleingötze hat ja jetzt auch eine Karte an der Backe. Also bitte und Hoppsasa:

Der mutige Herr L. läßt ein Buch schreiben

In der ersten Schulbankreihe

Klein Philipp hört man eifrig schnipsen

Rotohrig, kieksend, besserwissend.

Braucht ein Löwe solche Tippsen?

Lustig! Der Bär freut sich über das Lebenszeichen. Heute ist Sonntag. Ruhen wir. Denkt der Bär sich. Auch im Kopp. Kalt ist es geworden über Nacht. Zeit sich zu bewegen. Archibald Mahler steht auf. Dann klappt er den Schirm zu. Vorerst. Bis der ehrenwerte Herr von Lippstadt-Budnikowski zurückkehrt. Denn alleine dichten ist doof. Dann geht er los. Irgendwohin. Oder vielleicht etwas Met trinken. Das wärmt.

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WOCHE ENDET, HERBST UND POSTKARTE
27. August 2011, 22:55
Filed under: PoesieSlambum

poesie92

Samstage sind was Schönes. Für Bären. Für Bären unter Schirmen. Für Bären, die schauen. Für Archibald Mahler sowieso. Wie es dem gemeinen Aufrechtgeher an Samstagen geht? Man weiß es nicht so recht. Offiziell freut er sich auf das Ende der Woche, diesen ersten freien Tag, auf den er seit dem vergangenen Montag konzentriert hingelebt – gut sagen wir hingeüberlebt – hat. Das Heilige Wochenende. Heilig, heilig, frei nun und am Puls des wahren Lebens, dem lang erträumten. Endlich ein Ich, ein Ich welches ich sein darf. Außer Busfahrer, Gurkenverkäufer, Bierbringer und Streifenpolizisten natürlich. Die dürfen auch mal am Montag oder Donnerstag ein Ich sein. Was wiederum sieht der Bär? Eher eine nicht ganz so gelungene Amateurdarstellung von Freude aka Freiheit aka Lebensziel aka Ich. Heiliges Wochenende halt. Huschen von Kaufbude zu Kaufbude, ständig vergißt wer was oder muß noch was müssen. Junge Aufrechtgehermägdelein verteilen in den Straßen ein kostenloses Getränk in Blechbüchsen. Es heißt „Zero“. Null. Nichts. Wahrscheinlich ist das auch drin. Und dann regnet es auch noch. Und ist kälter. Kälter als gestern. Als noch die Arbeit quälte! Menno! Unverschämheit! Wo ist Gott! Gibt es ja nicht mehr! Grummeln und leises Klagen. Kaum Flüche. Trostkäufe, Mußkäufe, Keinkäufe, Rundläufe und wieder hin und her. Reifenrollen. Ein Parkplatz sei mir auf der Stelle: das noch nicht notierte Grundrecht. Wimmelbilder. Samstage sind was Schönes. Für Bären. Verregnete Samstage sind noch schöner. Der Schirm hängt und pendelt im Botanischen Garten, der leer, weil der gemeine Aufrechtgeher vor Regalen meditiert. „Zweite Kasse, bitte!“ Quatsch! „Zehnte Kasse, kein bitte!“ Besser kein Geld auszugeben, als kein Geld zu haben. Und dieses Wetter wieder! Scheißregierung! Archibald Mahler möchte helfen. Nur wie? Er kann nur reimen.

Protestsong günstig abzugeben

Da weht er, der Wind, da bin ich dagegen

Von vorne schlägt er mir ins Gesicht

Wolke graublau bricht auf, sendet Regen

Für diese Jahreszeit entschieden zu dicht

Frau auf dem Rücksitz, Einkaufsliste vergessen

Telefon klingelt, Mutter ist dran

Hast Du denn heut schon richtig gegessen?

Keiner, nur ich, hier einparken kann.

Da drüben der Chef, Straßenseite gewechselt

Klein ist die Stadt, Halli und Hallo

Die blöde Trulle an der Kasse immer noch sächselt

Drei Nutellas für zwei, das macht mich froh.

Die Henkel der Tüten war’n früher stabiler

Joghurt und Wein und ein wenig Shampoo

Ordnungsamtcowboys belästigen Dealer

Gleich Bundesliga. Vielleicht Sowieso?

Aufschwung, oh Aufschwung verlasse uns nicht

Sehe mein strahlendes Kundengesicht

Oh halte immer den Parkplatz mir leer

Und wenn Du nicht kommst

Kauf ich einfach noch mehr.

Mag es regnen, mag’s schnei’n

Doch eins werd ich nie tun,  richtig laut schrei’n.

Das machen andre und da bin ich dagegen.

Denn Feinde sind nur: der Wind und der Regen.

Und wieder ist es dunkel geworden und die Kaufbuden haben geschlossen. Gott sei Dank mag man sagen. Als Bär. Die armen Aufrechtgeher. Aber morgen ist bestimmt wieder irgendwo ein Event. Weia! Wäre ja schade, wenn man mal einfach so lebt. Denkt der Bär. Was ist das? Sieh an! Der Bär hat eine Postkarte bekommen. Aus der Hauptstadt. Das wird die ganze Nacht kosten, die zu lesen. Sehr schön.

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VOM PREUSSEN IM BÄREN UND DER PFLICHTFLUCHT
26. August 2011, 23:14
Filed under: PoesieSlambum

poesie91

Wieder ein Gewitter. Der Schirm über dem Kopf sorgt nicht für trockene Füße. Aber der Tag ist ein neuerlicher. Der Blick nach unten, auf der Suche nach Abgründen, bleibt wiederum derselbe. Schließlich haben wir mal wieder ein Kleistjahr. Es regnet. Heftig. Man könnte zurück in die Höhle. Man bleibt aber draußen. Weil man nicht aus Zucker ist. Ist man aus Zucker, möchte man nicht aus Zucker sein. Archibald Mahler spricht sein Mantra: „Ich bin doch nicht aus Zpunkt Upunkt Cpunkt Kpunkt Epunkt Rpunkt.“ Dem Gewitter ist das Wurscht mit oder ohne Brot. Kleist legte die Hände an seine soldatische Hosennaht. Das schmerzte. Man tat es trotzdem. Denn vom Leid gilt es zu singen. Der Pflicht. Dem Fluch der Pflicht. Der Pflichtflucht. Der Rückkehr. Zur einer anderen Pflicht. Wenn schon nicht die von außen auferlegte Pflicht, dann die von innen. Die Zensoldaten. Die PreuZen! Der Preuße lebt im Warten vor einer roten Ampel, einem Warten, welches ein Ego nicht beschädigt, sondern stärkt und erweitert. Sonst? Das Wüten gegen die Väter führt gerne mal ins Kloster. Der Blick nach oben bleibt ein ewig wütender. Das Gewitter kommt von draußen her und der Regen auch. Ausharren oder aus mit harren? Der Bär hätte. Ja, was hätte er denn? Schlafen, Bauch und Pöter kratzen können, Honig saugen und so tun als sei dieses Gewitter nicht vorhanden. Wäre aber blöd. Sagt sich Archibald Mahler, Bär vom Brandplatz, welcher nicht in PreuZen liegt. Ist ein Hauch von Restpreußen auf der DNS sehr verwerflich? Was man sich so unter vorüberziehenden Gewitterfronten fragt. Das Wasser steigt Richtung Bärenknöchel. Und der Preuße in Archibald Mahler entscheidet sich gegen die Pflichtflucht und flucht einen letzten Reim vor der Matratze.

An die Tiefs Luise und Klotilde

Ein Donner grollt und bebt von prominenter Stelle

Erschreckt das Volk durch Gassen heimwärts irrt

Ein Blitz in Ferne zündet Lampenhelle

Ein lichter Streif den platinblauen Himmel ziert.

Es hebt das Haupt der trunken stille Zecher

Den finstre Reue und viel zu hohe Rechnung quält

In seiner Hand vibriert ein leerer Becher

Als er vom Donner an nun die Sekunden zählt.

Den alten Baum, der drunten steht am Ufer

Zerteilt ein Blitz bevor der Trinker „zwei“ gedacht

Das Feuer lodert und „Zu Hülf“, es flieht der Rufer

Und leise schleicht hinab zum Fluß die Nacht.

Kalt streicht die Luft heran, es heben sich die Lungen

Ein schwankend Mann an einer klammen Mauer lehnt

Ein leises Lied zum Fenster hoch gesungen

Wo er die Liebste einst gewähnt.

Es trennt vom Donner sich ein Blitz.

Man löscht das Licht.

Der Trinker aus der Hand legt seine Leier.

„Scheibenkleister!“ Vor lauter Reimerei hat der Bär nicht mitbekommen, daß seine Füße jetzt richtig naß geworden sind. Ob man vielleicht einen neuen Schirm? Heute nacht noch hier! Entschluß! Entscheidung! Man ist ja nicht aus…! Schnauze und Gute Nacht!

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LICHER, LAHMENTO UND NICHT NEUES VOR DER NASE ALS DER NÄCHSTE TAG
25. August 2011, 23:14
Filed under: PoesieSlambum

poesie9

Archibald Mahler sitzt unter seinem Schirm. Weiterhin. Der Schirm hängt da rum. Im Botanischen Garten. An einen Baum. Über dem Buch. In der schwülen Luft, die Fräulein Else Sommer in einer Art letztem und reumütigem Gefecht angesichts ihrer doch recht dürftigen Tätigkeit in den letzten Monaten über Mittelhessen rauschen läßt. Im Norden jedoch sammelt der Freiherr Gottfried von Herbst schon seine Truppen, Luftmassen prallen aufeinander, es knallt und scheppert und Bäume lassen Äste fallen und der Schirm tut gute Dienste. Archibald Mahler – und darauf möchte er hinweisen – hatte diesen Schirm nicht eingefordert. Kein Rettungsschirm. Das ist ihm gänzlich fremd: sich in selbstverschuldete Unmündigkeit begeben, das Vergessen feiern und nach Hilfe rufen, wenn der geplante große Wurf müde ins Seitenaus hoppelt. Ist ein Schirm aber aufgespannt, warum nicht runter und drunter kriechen? Heute sowieso. Das Gewitter rasselt aufs gespannte Textil und überhaupt, wie will man da neue Reime basteln? Außer vielleicht: ein gelassenes Dadada? Doch das hatte man schon. Wie man überhaupt immer und immer und wieder alles schon hatte und sich wieder und wieder und nochmals aufregt und aufplustert und lahmentiert und es ist alles unwahrscheinlich lahm und lahmer und dumm und wadenbeißig und beleidigt beleidigend, aber da macht der Herr von Lippstadt-Budnikowski sich gewiß einen Reim drauf, auf dessen Rückkehr der Bär sich freut heut’ und es ruckelt das erhitzte Hirn und hirnt weiter und wieder zurück und verharrt, verharrt beim letzten Wochenende, als die Kleine Häßliche Stadt ihr alljährliches “Fest” feierte, freudig erregt ihre Strassen und Plätze vermüllte und – und das hat der Bär immer noch nicht begriffen – auf den Turm einer Kirche Werbung für ein lokales Biergetränk projizierte. Das mußte Archibald Mahler sich noch mal durchs Hirn strömen lassen. Man hat drei Tage lang Werbung für das gar nicht mal schlecht schmeckende Licher – Bier auf den übriggebliebenen Turm einer im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gebombten Kirche projiziert. Glaubst Du das, Bär? Nochmal: Man hat drei Tage lang Werbung für das gar nicht mal schlecht schmeckende Licher – Bier auf den übriggebliebenen Turm einer im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gebombten Kirche projiziert. Archibald Mahler hätte gerne die Augen geschlossen angesichts dieser unendlichen Geschmacklosigkeit, aber wer den Bären kennt weiß, daß dies leider nicht möglich ist. Was war da noch mal? Man hat drei Tage lang Werbung für das gar nicht mal schlecht schmeckende Licher – Bier auf den übriggebliebenen Turm einer im Zweiten Weltkrieg in Schutt und Asche gebombten Kirche projiziert. In einer zivilisierten Aufrechtgehergesellschaft müßte das eigentlich als Rücktrittsgrund für das Stadtoberhaupt ausreichen! Würg! Und dann auch noch der Lahm! Aber das erledigt dann Lippstadt – Budnikowski. Und was ist mit dem Reim? Weia! Nun, vielleicht ist die Welt heute einfach nur eine Wespe.

Sommer der Wespen Oder Denken bei Tiefdruck

O Ausgeburt des berstenden Schlamms ausgetrockneter Lenztümpel

Plage unablässige forderst Du Gelassenheit

Auf der letzten Seite der Zeitungen die Wetterkarten

Isobaren schlingernd vor dem brennenden Auge

Nichts als das Echo einer verglühten Erwartung

Fuchtiges Wedeln und im Limonadenglas summt sich

Eine Wespe ins Jenseits

Das Glas verschüttet auf dem glühenden Asphalt

Wie schnell es plötzlich dunkel wird

Rechts und links der Stirn

Übers Denken des Herrn Mahler ist es dunkel geworden und der Bär faßt sich an den Pöter und zusammen: Der eine Elfmeter wird gepfiffen und der andere Elfmeter nicht. Dann ist er auch keiner. Aber der morgige Tag, der ist neu.

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