WENN WER UM DIE ECKE MACHT, DANN WIRD AUFGEREIMT ODER ES VERSUCHT

Bär möchte ja gerne ab und an seine Ruhe haben. Und dann hat er sie. Gegenüber hat sich um die Ecke gemacht. Oder vom Acker. Gestern. Ein letzter Reim ward hinterher gesandt. Mit Scham. Reimscham. Manchmal reimt sich was im Kopf. Man spricht es aus. Im geschlossenen Raum. Möge keiner mitgehört haben. Wanzensuche? Nicht nötig. Die wahre Wanze ist im eigenen Kopf. Zurück zum Anlaß. Archibald Mahler schaut unter seinen Schirm hervor. Er schaut einen Weg entlang. Auf diesem Wege hat sich gerade Herr von Lippstadt-Budnikowski von hinnen gehoppelt. Soll er doch. Ein Bär will ja ab und zu seine Ruhe haben. Jetzt hat er sie. Und sonst. Da wo die Ruhe ist, ist es ruhig. Na ja. Wer plappert jetzt rum? Wen plappert man an? Belehrung ins Leere? Beleerung? Reimen, wenn keiner zuhört? Das hehre Indiwiesodumm? Was hatte man sich gestern vorgenommen? Heute werde aufgereimt. Plan und Plan und schon Sylvester? Und was soll nun aufgereimt? Weichen, Leichen, Fragezeichen? Archibald Mahler, heute nur eine Hälfte, schaukelt vor sich hin. Die Nacht schleicht heran. Es ist schwül. Die Luft verdichtet sich und schwitzt. Und nichts gereimt. Geschweige denn aufgereimt. Der Bär hätte eigentlich die Ruh. Wozu die Ruh? Iss hin, die Ruh! Könnte der Bär seine Faust ballen, ballte er seinen Faust. Hihi! Aufgereimt!
Habe nun, ach, Schypsologie,
Pöhlerei und Musentempel
Und leider auch Grübelei
Durchaus studiert mit Pöterglühn!
Da sitz ich nun, ich armer Bär,
Bin weiterhin gedankenschwer!
Überall auf den Tannenspitzen
Sah ich weiße Hasen sitzen.
Heiße Mahlerius, heiße Bär vom Brandplatz gar
Und ziehe weit über ein und ein halbes Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Mich selber an der Nase rum –
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Doch ein Gefühl will ich mir gönnen,
heute eine lange Nacht,
bis es endlich sei vollbracht,
daß mich kein Zweifel oder Skrupel plagt,
kein Aufrechtgeher meinen Schlaf benagt
Und falls die Welt ausnander fällt,
dann, weil sie nichts zusammenhält
Und dies sei Wurst mir ohne Brot
Ruf nicht den Geist, denn er ist tot
Schon lang
Sei nicht bang
Ein Gedanke keimt:
Bärenherz aufgereimt!
Der Mond verbirgt sein Licht –
Die Lampe schwindet.
Wenn einer um die Ecke macht,
wird halt nur halb soviel gelacht.
Ab ins Bett.
Allein iss nett.
Gelegentlich.
Inzwischen ist Archibald eingeschlafen. Etwas tippt noch vor sich hin. Sinn und Verstand. Halt den Rand! Gute Nacht.
HÖMMA, VON LIPPSTADT – BUDNIKOWSKI TUT SICH AUSSEM FENSTER LEHNEN TUN

„War Ihre Nacht fruchtbar, Herr von Lippstadt – Budnikowski?“
„Von Spasmen geplagt, lieber Herr Mahler!“
„So schlimm!“
„Über erste Reihe reden und dann selbst! Sie hatten es schon erwähnt!“
„Ich weiß, jeder ist ein Künstler. Lassen wir es dabei und beginnen Sie einfach!“
„Prayer!“
„Hä?“
„Gestern, der letzte Reim auf Aufrechtgeher!“
„Aufschieben macht nur schlechte Haut! Losgelegt!
„Sauhund!“
„Saubär, bitte!“
„Saubär also und Hoppla und so:
Vom sich aussem Fenster lehnen ohne dat ein Sprungtuch inne Umgebung
Hömma wieder rollt (ganz ohne Ischen)
Gepflecht auffem Rasen, geflecht wie ein Pilsken
Die Kiersche nach Regeln der pöhlenden Kunst
In Bayern gibt Uli et Rumpelstilzken
Auch der Rest vonne Betrachter hat keinen Dunst.
Hömma wieder rollt und dat fast tagtäglich
Getreten von Latschen, genickt mit den Kopp
Die Pille, ihr einziges Ziel iss die Hütte
Et fuchteln der Jupp un der Stani, der Klopp
Et wird hyperventiliert, man verliert seine Mitte.
Doch dat iss der Spaß an diesem Gewerbe
Da jeder der Heiopeis et schon imma gewußt
Die Farben von Deim Leibchen durch Zufall Du erbe
Und wenn et ins Höschen geht, wat herrlicher Frust
Und der Zapfhahn sei Zeug’ und Prophet.
Auffem Forum Kickorum schlachten sie Tauben
Und kleben Tabellien mit Herz, ohn Verstand
Tun Meistatipps (Bayern!) ausse Eingeweide klauben
Dabei iss der Meista schon lange bekannt
Et wird sein der alte, der neue. Watt? Woll!
Et bleibt bei schwatz – gelb, doch die Regierung muß wech
Gezeichnet mit Kenntnis von Lippstadt – Budnikowski
Ich sach et Dich gleich: Widerwort hat kein Zwech.
Hömma!“
„Halt! Sie stehen auf und wollen entfliehen? So schlecht ist das gar nicht. In der Themenwahl etwas speziell, das war uns jedoch bewußt!“
„Nicht was Sie vermuten. Kein hasenhaftes Fliehen in Verantwortungsfurcht und Reimscham, sondern Pflicht. Frau Eva Pelagia braucht mich. Sie fährt in die Hauptstadt. Ich muß!“
„Rollentausch!“
„Sie können ja solange ein wenig aufräumen!“
„Ja lüg ich denn! Man mache sich vom Acker!“
„Tschöckes, Mahlerius!“
„Sauhas! Hab er Spaß! Weia! Reimscham! Gehe ich lieber aufreimen!“
RÜCKKEHR DES NIEDERSCHLAGS UND ZEHN REIME AUF RECHTGEHER

„Bitte, mein Herr: der Schirm!“
„Ja, paßt scho, Herr Mahler!“
„Ich habe keine Einwände gegen die neuerliche Feuchtigkeit. Sie hält den Aufrechtgeher etwas flacher. Brennt der gelbe Planet hasten sie lemminggleich hinaus, drängen sich, schwitzen und hopsen zu lyrischem Liedgut!“
„Textbeispiel!“
„Eben vernahm ich: ‚Hey, was geht ab! Wir feiern die ganze Nacht.’ Da neige ich das Bärenhaupt in Schmerz und Pein! Und dann baden sie ihre kaum nachweisbaren Denkorgane in Alkohol und verschmutzen den öffentlichen Raum!“
„Es wird aber auch behauptet, der Eine oder Andere habe solch groß und viele Gedanken, daß er sein Hirnding schlechterdings in Alkohol baden muß!“
„Ja, wenn er denn meint!“
„Aber, bester Mahlerius, man drückt sich!“
„Ich? Iwoh! Niemals! Kann dieses treue braune Aug’ sich der Lüge hingeben!“
„Sehr wohl! Zehnmal auf Aufrechtgeher! Hoppsa und!“
„Wohlan!
Wer die Morgenstund zu spät
Das Alter macht zum Frühaufsteher
So manchen.
Tag dräut frisch
Und dadurch jäher
Und unvermittelt rast die Zeit
Dahin.
Die frühe Scholle ruft den Säer
Und breitet nackt zu seinen Füßen sich.
Den Sinn
Sucht in der Tat selbst der Versteher
Morgendlicher Hast.
In Eingeweide blickt der Seher.
Wo führt ein neuer Tag mich hin?
Gedankenmus und Zeigerdreher
Nur nach vorn und nie zurück.
In ferner Jugend teure Zeit
Stück für Stück verschwendet
Und zerronnen. Unaufmerksamkeit.
Durchs Feld senst sich der Alte Mäher
Hier und da ein Aufrechtgeher
Fällt. Und keiner findet Gnadenzeit.
Dem langen Tag folgt lange Nacht
Und nah und nah
Und nochmals näher
Bleibt man nun liegen oder nicht
Rollt sie heran mit aller Macht.
Ein Reim noch fehlt ein Letzter.
Gebet (auf englisch.)“
„Hä?“
„Hidden track, verborgenes Lied, letzter Reim!“
„Aber er steht da gar nicht!“
„Doch! In ihrem Denkapparat steht er bereit, dort kann er sich vervollständigen. Nehmen Sie – Vielleicht! – dies!“
„Herr Mahler, Herr Mahler!“
„Morgen Sie!“
„Pöhlerei?“
„Pöhlerreime, yep!“
„Hey, was geht ab? Wir reimen die ganze Nacht!“
„Weia!“
TIP VOM HASE UND DORNEN IN DER NASE

„Sediert, Herr Mahler?“
„Sie sehen mich drogenfrei, Lippstadt-Budnikowski!“
„Ich meine die Wut, unlängst!“
„Ach sehen Sie, manchmal läßt ein Aufrechtgeher ein Nachrichtenblättchen auf einer der Bänke hier liegen und ich kann nicht umhin hineinzuschnuppern und – Peching! – so steigen die Buchstaben auf und hinein in die Nüstern und schwirbeln und tanzen im Hirn herum und führen zu kurzfristigen Turbulenzen und Verwirrtheiten. Dann muß man sich entwüten, sonst gibt es Bauchpoltern und chronisches Pöterjucken.“
„Können Bären unter Misanthropie leiden?“
„Es ist die Frage, ob man dies als ein Krankheitsbild bezeichnen mag.“
„Hören Sie, Bär. Hoppla und:
Mist! Antropia!
Wenn ein Bär den Mensch nicht mag
Ist dies sein Naturell
Liebt der Mensch den Mensch nicht
Ist er allein gar schnell.
Wenn der Bär den Mensch verehrt
Wird er sehr schnell zum Knut
Liebt ein Mensch den Mensch zu sehr
Tut ihm das auch nicht gut.
Steht die Rose in der Vase
Hat der Bär Bedenken
Blüht sie frei in der Natur
Dann frißt er sie.
Mit Dornen in der Nase.“
„Hübsch. Nur die häufige Verwendung des M-Wortes stört mich. Verbleiben wir beim Aufrechtgeher.“
„Was soll sich da schon drauf reimen? Und sonst?“
„So mag es regnen oder schnei’n!“
„Morgen sind Sie wieder ran!“
„Vorschlag?“
„Zehn Reime auf Aufrechtgeher!“
„Sie spinnen!“
„Habe ich nie bestritten!“
„Ich habe Hunger!“
„Ich habe Durst!“
„Ich habe Hunger!“
„Ich habe Durst!“
„Ich habe Hunger!“
„Ich habe Durst!“
„Ähem!“
„Irgendwas ist falsch, Mahler.“
„Genau! Bleiben wir Viech und tun es einfach! Mahlzeit!“
SCHIRME, HERRSCHAFTEN, ZEITEN, JAHRE

„Der Schirm, Herr Mahler!“
„Was ist mit dem Schirm, Herr von Lippstadt-Budnikowski?“
„Es ist nicht wirklich korrekt! Also heute!“
„Ja denken Sie, dies wäre mir nicht bewußt?“
„Nun, aber der Leser vielleicht!“
„Der..! Verzeihung! Ja denken Sie, nur weil der Herr Sommer meint, seine dürftige Bilanz mit ein oder zwei halbwegs erfreulich hellen und trockenen Tagen wieder ins Lot rücken zu können, klappe ich hier optisch den Schirm zu! Potzrembel und Waldfee!“
„Oho, der alte Wüterich bärt wieder! Reimt sich da was!“
„Kaum!“
„Bitte!“
„Wohlan!
Ein gereizter Magen ist dieses Land
Ein gereizter Magen ist dieses Land
Ein geiziges Zagen ist dieses Land
Und baut an seinem Tellerrand
Die alten Herrschaftszeiten
Auf und auf den Schirm
Klappt es und klappert sich
Gereizt und zagend
Wonnig klagend fett
Durch und durch
Und zu die Augen
Weitersaugen weitersaugen
Platzen Krägen und vielleicht
Die Ränzen auch
Denn nur der dicke Bauch
Nicht der Verstand
Hängt über den Tellerrand
Wohin kein Auge reicht
So mag es regnen
Oder schnei’n
Und nirgends Jahreszeiten.“
„Lieber Herr Mahler, da fällt mir was ein. Replikant quasi. Wenn ich mich zurückziehen darf? Morgen mehr!“
„Gerne! Ich wüte noch ein bißchen.“
„Die Aufrechtgeher sind ja auch wieder weltweit in großer Form!“
„Weia! Das kann man singen!“
„Schlafen Sie etwas! Ist besser!“
„Nun denn! Recht haben Sie wohl!“
„Gute Nacht!“
NACHDENKEN ÜBER HERRN GODOT, EIN BRIEFKASTEN UND EINE REPLIKANTATE

„Ich habe da einen Verdacht, lieber Lippstadt und Budni!“
„Oho!“
„Gestern, Tsching Tschang Tschong! Sie erinnern?“
„Vage!“
„Sie werden doch nicht absichtlich den Kürzeren gezogen haben?“
„Ich? Meine Ehre! Sie sehen mich…!“
„Ja gut, blind ist der Bär noch lange nicht! Aber ich bin vorbereitet!“
„Fein! Lasset hören, Mahlerius!“
„Wohlan!
Ich zurück vom Briefkasten
Einst schrieb ich einen langen Brief
Sand ihn an Herrn Godot
Ich schrieb ihm, käm er mal vorbei
Wär ich aufrichtig froh.
Das Schreiben war mir keine Müh’
Galant floß Tint’ und Feder
Der Zweifel hinter meiner Stirn
Schreibt an Godot nicht jeder?
Als ich den Brief zum Kasten trug
Ihn ordentlich frankiert
Da lähmte Angst mir Hand und Bein
Wenn die Post mir dies Schreiben verliert?
Im Kastenschlitz, den ich geöffnet
Ein Umschlag zitternd harrt
Ich trug das Schreiben wieder heim
Der Himmel rosazart.“
„Sie neigen dem Drama zu, Herr Mahler!“
„Wer tut das nicht?“
„Da fällt mir aber auch was ein! Ein Replikation!“
„Ran an den Speck!“
„Man ist Vegetarier. Genetisch, ohne rechte Überzeugung!“
„Her mit der Republik, Hase!“
„Hoppla und:
Replikantate
Godot das ist ein feiner Kerl
Er kommt nur nie vorbei
Und falls er mal gekommen wär’
Bin ich ihm einerlei.“
„Wahrlich unübel. Ich rieche Duette!“
„Und ich bin erschöpft!“
„Gute Nacht denn!“
„Bis morgen, Bär!“
„Ähem? Heißt das Ding nicht Replik?“
WENN DER REGEN MÜDE WIRD

„Los jetzt!“
„Also!“
„War Ihre Idee!“
„Na ja! Man ist zuweilen vorschnell!“
„Zu spät, Sie retten den Freund nicht mehr, Mahler!“
„Schiller!“
„Eine Ballade muß es heute noch nicht sein!“
„Welch weites Herz, Herr von Lippstadt-Budnikowski!“
„Voran! Ab hier keine Gnade!“
„Wohlan!
Wenn der Regen müde wird
Wenn’s naß wird unterm Regenschirm,
Dann fluchen sie und klingeln Sturm,
Doch Gott sitzt nicht in seinem Turm.
Er tritt grad aus,
hat keine Zeit nach Schuldigen zu suchen.
Sie müssen weiterfluchen.
Der Regen drauf von vorne schrägt,
näßt Aug’ und Stirn und pflegt
ein wenig doch den Teint.
Haltlosigkeit nun, Flüche.
Gott betritt die Küche,
den Tee sich zu bereiten.
Beizeiten? Ja, bezeiten!
Nun wird der Regen müde
Und manchem Schuldensucher fährt es in den Sinn:
Am schlimmsten regnet’s in ei’m drin.“
„Aha! Alle Wetter!“
„Eigentlich nur Regen!“
„Wie man’s nimmt!“
„Wer macht weiter?“
„Wir knobeln es aus!“
„In Ordnung!“
„Tsching! Tschang! Tschong!“
„Ha!“
„Bis morgen!“
PLÄNE PLANEN REGENSCHIRM POESIE

„Wo sind Sie?“
„Hier!“
„Unten?“
„Nee, nur tiefer, lieber Herr Mahler.“
„Da wären wir also wieder!“
„Pluralis majestatis?“
„Keine Angst, Herr von Lippstadt-Budnikowski, ich nehme Sie wahr!“
„Scherz gekontert, Bär. Ein Wort zum Regen?“
„Er fällt. Nehmen wir ihn nicht persönlich!“
„Doch einer etwas tieferen Entspannung steht er tropfenweise im Weg!“
„Gewißlich. Planen wir!“
„Reicht nicht der Regenschirm? Was machen Ihre Pläne?“
„Man vergißt!“
„Sogar Sie, Herr Mahler?“
„Was haben Sie gefragt, werter Lippstadt und von?“
„Was werden wir tun unter dem Schirm und über dem Buch?“
„Das Buch in Ehren halten, Feuchtigkeit von ihm abwenden und gelegentlich reimen!“
„Gedichte? Gejambe? Alexandriner? Allitterei?“
„Frei vor sich hin, reim mich oder Fresse!“
„Gegenstände? Ziele? Aufgaben?“
„Ooch!“
„Watt getz?“
„Nö!“
„Sie hatten aber von Projekten gesprochen, Herr Mahler! Hehres! Musentempel! Alas! Es gibt Erwartungen!“
„Das ist die generelle Crux! Außerdem: zu feucht!“
„Morgen soll die Sonne aber!“
„Zu spät, die alte Schlampe Helia!“
„So was liest man nicht gerne im Poesiealbum!“
„Genie, Herr Hase! Strike!“
„Hä?“
„Der Titel! Die Neue Idee! Der Name! Die Verpackung!“
„Auch wenn nichts reinkommt?“
„Verpackung rules the mob!“
„Nun gut! Und heißt wie getz dat Tütken!“
„PoesieSlambum!“
„Darf auch wat über den Meista innet Reimtütken!“
„Wenn gewünscht!“
„Das ergötzt mich!“
„Na dann!“
„Sie fangen aber damit an, Herr Mahler!“
„Da reut einen das große Maul! Bis morgen!“
HÖMMA REVISITED / STURMFREI ISS’

„Ich darf eine Frage stellen, bester Herr von Lippstadt-Budnikowski?“
„Kaum zurück und schon dies, Mahler und Freund?“
„Die investigative Ader, verzeihen Sie!“
„So läßt es sich nicht vermeiden. Wohlan denn!“
„Sie haben Damengepöhle geschaut?“
„Urpss!“
„Der weiße Hase errötet?“
„Die Sonne nur! Hautirritationen!“
„Heraus zum 1. Mai! Quatsch! Mit der Wahrheit: Heraus! Hase!“
„Höre, Gnadenloser! Ich ließ den Bilderapparat im Nebenzimmer laufen und ging ansonsten Tätigkeiten nach. Torjubel oder dramatische Hebungen oder Senkungen in der Stimme der Kommentatoren ließen mich aufstehen und hinüber eilen!“
„Fazit!“
„Am Sonntag blieb ich sitzen. Als wären es behaarte Pöhlerbeine, die über den Bildschirm eilten. Und sie eilten tatsächlich!“
„Ergebnis!“
„Jede Niederlage des FC Bayern München der Weltpolitik freut den parteiischen Betrachter. Und wie schön sich die Damen aus Nippon freuten. Verdient, sehr verdient! Und verglichen mit dem Übungsleiter der Nadeshiko, dem ehrenwerten Norio Sasaki-san ist jeder Stoiker ein Zappelphilipp!“
„Die Nation?“
„Dasselbe wie bei den Buben. Theo, der Verbandsclown, fordert Entschuldigungen, den selbstverliebten Übungsleiter darf man nicht kritisieren und der alte, verdiente Recke des Rasens wird coram publico unsensibel demontiert. Nur jetzt mit „IN“ hintendran! Und das regierende dicke rosa Jackett sitzt wieder auf der Tribüne und macht Fachfrau mit Schmollmund! Gräßlich! Ich freu mich auf den BVB!“
„Sturmfrei!“
„Wie bitte? Barrios! Lewandowski! Kagawa zurück!“
„Mißverständnis! Die Höhle! Sturmfrei! Die Herrschaften urlauben!“
„Verstehe! Welche Ausnutzung schlagen Sie vor! Feten? Feiern? Orgien?“
„Was halten Sie von Konzeptionsproben?“
„Wiederaufnahme der Lausebacher Sommerseespiele?“
„Eher nicht! Ein kleineres Format!“
„Schwebt Ihnen etwas vor?“
„Noch nicht! Aber bald!“
„Na dann, Herr Mahler!“
„Nach Ihnen, Herr von Lippstadt-Budnikowski!“
„Ein Wort noch zu diesem Stuhl!“
„Bio-Art!“
„Sie meinen?“
„Veränderungen geschehen lassen, Veränderungen beobachten!“
„Gefällt mir! Bierchen?“
„Sage ich nicht nein!“
„Wohlsein!“
„Cheerio!“
(Es entspinnt sich ein angeregtes Gespräch über zu realisierende Musentempelprojekte. Gelegentlich prostet man sich zu. Bis denne!)
LES VACANCES DE MONSIEUR MAHLER 8

„Was ich bin, muß ich ganz sein. Für diese Pflicht gibt es keine Ferien. Keine Grenzen. Diese Pflicht reicht von Pol zu Pol.“ Das ist lustig, denn der Aufrechtgeher, der sich so zitieren läßt, heißt Sonnenschein. Hihi! Sonnenschein: Gral und Daseinszweck und Ursache tiefster Verzweiflung (bei Absenz) für den Gemeinen Ferienuser. Beruflich war er eine Art theoretischer Vermittler zwischen den Göttern und den anderen Zweibeinern. Archibald Mahler, inzwischen vollständig genesen von den Verirrungen der vorletzten Nacht, zuckt zusammen. Die Pflicht! Die ferienfreie Pflicht! Die selbst in den Ferien ferienfreie und grenzenlose Pflicht! Der letzte Ferientag ist angebrochen! Weia und noch mal Weia! Und noch keine einzige Postkarte geschrieben. Her mit den Textbausteinen! „Total toll hier! Superwetter und nette Leute. Wir sind jeden Tag schwimmen!“ Na ja! „Geile Location hier! Geile Parties! Voll krasse Leute! Hau rein!“ Ojemineh! „Es immer noch schön hier und die Sonne scheint ohne Unterlaß! Aber früher war es billiger hier! Denkt Du an die Katzen?“ Geht so. „Heute habe ich das erste Mal in der Sprache der Eingeborenen ein Eis bestellt. Fühle mich wie eine Einheimische!“ Besser nicht! „Sind wieder bei Costas untergekommen! Leider zu viele Touris hier unten! Echt ätzend!“ Muß nicht. „Gutes Hotel (totaler Geheimtip!), nur 10 Minuten bis zum Flughafen. Das Essen ist preiswert und sehr reichhaltig. Getränke muß man leider selber zahlen. Ich bin schon ganz braun!“ Lassen wir auch. „Ich liege gerade auf der Terrasse. Total vollgefressen. Anna ist mit den Kindern am Strand. Bis bald. Kuß!“ Aber, aber! „Die sind total schräg hier unten. Können kein richtiges Brot backen und fahren links. Gott sei Dank ist Satelliten-TV auf dem Zimmer!“ Archibald Mahler kommt gerade so richtig in Schwung bei der virtuellen Postkartengestaltung, als man ihm auf die Schulter tippt. Der ehrenwerte Herr Ernst Albert, offensichtlich genesen, ist es.
„Schon fertig?“
„Und, war schön, Herr Mahler?“
„Eigentlich wie immer, Herr Albert! Gucken und denken und atmen und froh sein. Meistens!“
„Fein! Jetzt sind die liebe Frau Eva Pelagia und meine Wenigkeit dran mit der Urlauberei! Und Du hütest unsere Hütte!“
„Sturmfrei?“
„Von mir aus!“
„Fein! Tschüß, lieber Eigensee! Und danke fürs gucken und denken und atmen und froh sein dürfen. Meistens zumindest. So! Ich wäre soweit!“
„Abflug!“
Man geht. Und sonst? Was macht bärman sonst? Er dreht sich noch mal um. Und dann schaut er winkend aufs Wasser. Guck an!