Beiträge vom Mai, 2010

Archibald sagt heute: “Ich bin dann mal weg und auf breiten Walzen hinunter zum Fluß!”

Montag, 31. Mai 2010 15:48

weg1Er stand vor seinem Gedankenschrank. Er dachte nach. Er versuchte dies zumindest. Die Nachwirkungen der letzten Feierlichkeiten waren nicht mehr zu spüren. Kaum noch, um präzise zu bleiben. Was war zu tun? Die Expedition „Angstmuzak“ fortsetzen? Oder ein Resümee ziehen? Draußen vor dem Fenster roch es seit gestern nach Euphorie. Ein kleines, lustiges Mädchen hatte sie herbeigesungen. Eigentlich schön, wenn ein zutiefst verängstigtes Land sich freut. Und es roch nach Regen. Archibald kratzte sich am Hintern. Die Reise in den Osten vorletzte Woche, sie ging ihm nicht aus dem Sinn. Die Gespenster, die alten Pfade, auf denen Ernst Albert mit ihm dort drüben gewandelt war. Selten hatte er seinen Herrn und Meister so aus der Zeit gefallen gesehen. Archibald mochte das, den forschenden Blick, das konzentrierte Erinnern, das Danebengreifen und im selben Moment das Weitersuchen. Sollte er sich doch mit seiner Geschichte vor der Geschichte befassen? Abbes Bein? Anoperation? Vielleicht! Sein Kumpan Der Lütten Stan war beschäftigt und kaum mehr ansprechbar. „Große Pöhlerei Festspielwochen!“ Ernst Albert und Eva Pelagia hatten damit zu tun, das zur Zeit etwas bockige Eselchen Alltag wieder zum Laufen zu bringen. Die kleine häßliche Stadt war voller schreiender kleiner Aufrechtgeher, die auf fürchterlich häßlichen Plastiksauropoden herumkletterten. Archibald war heute, als wäre die Welt der Aufrechtgeher eine Dampfwalze, die sich von hinten an einen unschuldigen Bären herangeschlichen hatte. Wissen die Zweibeiner eigentlich, wie man bremst? Einatmen. Ausatmen. Das tat er nun, der Bär. Zweimal und kräftig.

weg2Ganz anders! Alles anders! Archibald reckte seine Nase in die Luft und er roch den nahen kleinen Fluß, der die kleine häßliche Stadt bisweilen entscheidend erträglicher macht. Und er wußte im selben Moment, daß ein einfacher Potzrembel-Tag ihm nicht helfen würde. Er benötigte ein stärkeres Mittelchen. Er benötige dringend zehn bis vierzehn Wassertage, hochdosiert. Bären, wie auch die entfernt verwandten Aufrechtgeher bestehen nun mal in der Blüte ihrer Jahre zu über sechzig Prozent aus Wasser. Und offensichtlich wirkt die Nähe von Wasser auf einen etwas verwirrten, extrem wasserhaltigen Organismus defragmentierend, also beruhigend, ordnend und reinigend. Nach einer intensiven Wasserkur fließt der Strom des Denkens mit neuer Kraft und betrachtet im Flußbett der Gedanken Herumliegendes nicht mehr nur als Hindernis, sondern als herausfordernde Garnitur und vertraut wieder auf die Zeit und die Kraft des steten Tropfens. Ein altehrwürdiger japanischer Dichter hatte einst auf seinen Wanderungen herausgefunden, daß die Wirkung einer Flußschaukur durch das tägliche Verfassen eines Haikus in freier Natur immens gesteigert werden kann. Zwei alte Bücher aus Ernst Alberts Bücherschrank riefen Archibald zu: “So ist es! Höre, Bär: Und ich bewarb mich beim US-Landwirtschaftsministerium um einen Job als Brandwache im Mount-Baker-Nationalforst im Kaskadengebirge im grandiosen Nordwesten. Ja, Bär, ja!” Und: “Laß schwellen Deine Brust, oh Bär! Der heilige Ti Jean hat Dich gesegnet! Heilig, heilig, heilig! Alles heilig! Töte den Moloch, der in Deine Seele eingedrungen.“ Archibald wußte zwar nicht, daß ihm soeben zwei alte Beatnikgespenster zur Erfindung des „Große Bären Zen“ gratuliert hatten und auch schienen ihm die Rufe, welche er aus dem Bücherregal vernommen hatte, etwas arg verstaubt und pathetisch, aber er spürte, daß es  höchste Zeit war das Steuer der Dampfwalze Welt in die eigenen Hände zu nehmen.

weg3Der Aufbruch erfolgte schnell, aber ohne Hektik. Archibald bat Ernst Albert um einen alten Schal. Dieser sollte ihm als Decke, Schlafsack oder Regenmantel dienen. Eigentlich eines richtigen Bären nicht würdig, aber Herr Lenz ist dieses Jahr nun mal eine kalte und nasse Drecksau und als Hausbär ist in Sachen Abhärtung doch noch einiges zu tun. Eva Pelagia steckte ihm zwei Büchsen mit Thunfisch sowie ein angebrochenes Glas mit Heidelbeermarmelade zu und bat den Bären inständig auf seine neuen Anoperationsnarben achtzugeben. Dem Lütten Stan versprach Archibald pünktlich zum Beginn der „Großen Pöhlerei Festspielwochen“ wieder in der gemeinsamen Höhle aufzutauchen. High five und Abmarsch! Und dann gab Archibald Gas. Die Dampfwalze Welt rumpelte langsam Richtung Fluß. Archibald hielt das Steuer fest in seiner Hand, anfangs etwas unsicher, doch jeder Meter brachte ihn ein Stück weiter. Er pfiff ein Lied vor sich hin. Nein, nein: nicht das Lied des lustigen Mädchens vom Samstagabend. Etwas von Dauer. Leider fiel Archibald im entscheidenden Moment nicht ein, wo sich die Bremse befand. Unaufhaltsam rollte die Dampfwalze auf den kleinen Fluß zu.

Thema: Anregende Buchstaben, Archibalds Geschichte | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Hömma, wat ich grad am denken bin (Folge 4)

Sonntag, 30. Mai 2010 11:11

wm_sieg

Ich sach mal so: mit die Unterstützung für die Nationale Elf is dat mal wieder eine Angelegenheit von die „högschte“ Ambivalenz. Jeder der Teile von sein Herzeken anne Pöhlerei verliert, entscheidet sich zwischen die Einschulung und die Pubertät für seine Club. Oft isset eine Art von Schlüsselerlebnis, dat die Waage in eine Richtung drücken tut, zum Bleistift wennze Libuda gegen Liverpool die Bogenlampe versenken sehen tust in Deine jugendliche Offenheit, oder Netzer mit die Selbsteinwechslung oder die Eleganz inne Bewegung von Herrn Allofs Klaus. Aber et is auch eine gewisse Vorprägung inne genetischen Bereiche zu konstatieren. Da gibbet die, die et sich einfach machen, weil sie immer auffe Seite von die Gewinners rumjubeln wollen und dat sind seit Jahrzehnten die Fans von FC Pommes Schranke aus Nordösterreich. Dann gibbet die, wo die masoschistische Prägung inne Gene sehr prominent is und die entscheiden sich dann fürre Klub vom Werbeprinz Podolski oder fürre Eintracht von Frankfurt oder wenn et richtich schmerzen soll für die Blauen von Vfl Bochum. Apropos „Tief im Westen“: In diese Zusammenhang liegt mich eine Empfehlung am Herzen. Wer inne nächsten Wochen kompetent und inne gut vorbereitete Zustand sein will: dat muß Du lesen. Zurück zu die Nationale Mannschaff. Die krieze ja praktisch mit Deine Geburtsland anne Backe geklebt, so wie die Personalausweise und Deine Lohnsteuerkarten. Gut, getz gibbet Ischen oder Sandalenträger oder andere Abstinenzler, die für die Portugiesen oder Brasilianers oder Kameruners am Daumen drücken sind, weil die so „süüüüß“ inne optische Erscheinung aussehen tun. Da sach ich mal: sofort raus ausse Fernsehzimmer und runter von die öffentliche Guckwiese und Pöhlereikommentarverbot bis annet Ende ihrer Tage. Nä: bei die „Großen Pöhlerei Festspielwochen“ musse Stellung beziehen und Schönheit macht keine Kiste. Kurz und knapp: Pöhlerei und Fairneß inne Betrachtung derselben, dat is neben die FDP und die Besiedlung vonne Planet Mars eines von die größten Probleme, dat die Menschheit noch lösen muß. Dat is die Wahrheit, auch wenn et Dich manchmal inne tiefste Herzen die Nerven zertrampeln tut: die Nationale Elf klebt an Deine Backe. Ruhe getz! Anpfiff!

Ich sach mal so: Siech und abgehakt. Aber die Erkenntnisse diee aussem Spiel ziehen können tust, haben in etwa die Tiefe von dem Balaton, der inne ungarische Ebene platt vor sich hintümpeln tut. Zehn Minuten flottes Offensivspiel, der Khedira mit Selbstbewußtsein und Spaß beim Pöhlen, die Zwergencombo Özil, Trochowski und Marin entdeckt in ihre Verspielheit, die gefallen tut, die alte Tugend von die Doppelpasspielerei wieder und Podolski is nach die Verwandlung vonne Elfmeterpräsent komplett erschöpft, so dat der Herr Bundestrainer ihn inne Halbzeit zwei auf die eine Postion von die Doppelsechs stellen tut, wat auch immer dat bewirken soll. Klose? Da sach ich gar nichts mehr, dat is Elend pur und Gomez kann froh sein, dat der Marin die Faxen dicke hatte und nache Pause dat Motto „Man kann sich auch Bewegen beim Pöhlen“ ausgegeben hatte. Den Magayren war jeder Körperkontakt mit ihre Gegenspielers zutiefst zuwider, keine neuen Zerrungen und Abrisse inne Hiobskartei konnten also verzeichnet werden und der Kiraly hat dat Höschen ausse alte Herthazeiten immer noch am Knie  schlabbern, während et den neuen Einser immer mal wieder magisch in Richtung Mittellinie ziehen tut. Dat sollte er in Südafrika mal besser nich tun, nä? Und wat dat soll, dat sechsmal dat Auswechslungstäfelchen hochgehalten wurde, da ist alle Erkenntnis meinerseits weit hinter dem Horizont versunken wie die Abendsonne hinter dem Ferensz Puskas sein Stadion. Jeder darf mal allet versuchen? Kannze machen, musse nicht. Und warum die zwei neue Chefs Lahm und Schweinsteiger in Südtirol die frustrierten Beine am Hochlegen waren? Erzähl dat mal „Tanne“ Fichtel!

Ich sach mal so und dat is kein Fatalismus: eine Erkenntnis is dann doch gezochen worden: wennze schon die Jugendnationalmannschaft auffen Platz schicken tust, dann kannze auch gleich dat alte, von mir hochgeschätzte Kopfballungeheuer Hotte Hrubesch anne Seitenlinie stellen. Der hat gezeigt, dat er et kann. Und wie!

Also: Schicht im Schacht und ich danke Sie für heute. Et grüßt Euren „Lütten Stan“

Thema: Anregende Buchstaben, Hömma, wat ich grad am Denken bin | Kommentare (1) | Autor: Christian Lugerth

Man läuft nicht alleine, wenn man schaut wie der Fluß vorbeifließt (Auerbachs Keller revisited)

Freitag, 28. Mai 2010 15:37

hundert_tage2

„Herr Mahler, kann ich Sie etwas fragen? Auch hier und jetzt?“

„Können Sie? Dann tun Sie es!“

„Kurz und bündig: Haben Sie eine Vorstellung davon, wie wir beide in diese Lage gekommen, gerutscht oder gefallen sind? Haben Sie eine konkrete Erinnerung daran, zu welchem Zeitpunkt die Änderung unserer Lage in dieser Radikalität eintrat? Oder ist ihnen der Ablauf der letzten Stunden noch so detailliert vor dem inneren Auge, daß Sie mir mitteilen können oder zumindest den ein oder anderen Anhaltspunkt zur Verfügung stellen würden, wann und wie und wo und warum – das sei nicht vergessen – die Änderung unserer Lage eintrat und in der jetzigen Manifestation ihr Ende fand? Ist Schieflage ein angemessener Ausdruck dafür? Was meinen Sie, Herr Archibald Mahler und Bär vom Brandplatz?“

„Dies nun nennen Sie nun kurz und bündig?“

„Gewissermaßen ja, war es doch Ihr leuchtendes Vorbild, welches mich davon überzeugte all meine Äußerungen unter dem von Ihnen oftmals propagierten Banner der Präzision zu formulieren, präzise in Form, Inhalt und Ziel der getätigten Aussage, in hörbarer Abgrenzung vom allseitigen Faul- und Dummsprech der Kaste der Aufrechtgeher. Kritisieren Sie mich nun bitte nicht, wenn meine Wenigkeit tätig Ihrem Ansatz huldigt!“

„Sie übertreiben und ich habe Hirnweh!“

„Nun dennoch, die Antwort!“

„Schwerkraft!“

„Sie meinen lediglich das Phänomen der Gravitation war es, das unsere Körper aus der Vertikalen in die Horizontale beförderte?“

„Schwerkraft und Braukunst, wenn ich präzise sein will!“

„Ein mir bis jetzt unbekanntes Phänomen!“

„Das komm davon, wenn ein bis gestern überzeugter Karottennager sich plötzlich über Frankfurter Würstchen hermacht!“

„Köstlich waren Sie, köstlich, vor allem wenn man sie vor dem Genuß eintaucht in diese schäumende gelbe Flüssigkeit. Fatal köstlich.“

„Allerdings: fatal. Kalte Würstchen in warmes Bier getunkt. Mein Magen protestiert!“

„Ach, man gibt plötzlich das Sensibelchen. Ich zitiere in diesem Zusammenhang lediglich und das vollkommen unauthorisiert: in Honig eingelegtes Aas, Lachs an Heidelbeersoße, überbackenes Bisamrattenschnitzel und mit Thunfischstückchen gefüllter Schafsdarm aus einer Zweibeinermülltonne. Alles ganz oben notiert auf den Bärenspeisekarten dieser Welt und jetzt wehleidiges Rumgemopper, wenn unsereins nichtsahnend totes Tier in Bier stippt.“

„Mir ist schlecht!“

„Mir auch!“

(Eine lange Zeit  wird geschwiegen, sich sortiert, leises bis lauteres Stöhnen im Zweiertakt, Gedärme rumpeln, Gase entweichen, die Fenster werden geöffnet. Das Licht scheint den Anwesenden zu hell.)

„Herr Mahler?“

„Herr von Lippstadt-Budnikowski  auf Datteln?“

„Zu, bitte, zu!“

„Ja, das war man gestern!“

„Zu Datteln! Nicht auf Datteln!“

„Makrele auf Datteln! Das wäre es jetzt!“

„Sie sind überzwerch, Herr Bär!“

„Das macht der Kater im Bären!“

„Schön war sie trotzdem, unsere kleine Feierlichkeit zum hunderttägigen tätigem Weltguckjubiläum!“

„Wissen Sie, Freund Lütten Stan, ich sage immer: feiern Dich nicht andere, feiere Dich selber. Alte Solitärbärweisheit aus Kamschatka bei Wyoming.“

„Da sagen Sie was Wahres. Wird gespeichert!“

„Geht doch. Das war jetzt mal bündig und kurz.“

„Könnten Sie noch einmal dieses Lied singen vom gestrigen Abend?“

„Ach, ich weiß nicht!“

„Und wenn ich Sie ganz fest bitte?“

„Sie sagen es nicht weiter?“

„Hömma: großet Ehrenwort und keine Fingers gekreuzt hinner dem Hasenpöter! Kannse woll glauben, Du alten Brummbär!“

(Herr Mahler beginnt zu singen, bald stimmt Herr von Lippstadt – Budnikowski zu Datteln ein. Im Hintergrund beiläufig lebensfroh eine Flasche Licher Pilsner.)

„Uns ist ganz kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen! Uns ist ganz kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen! Uns ist ganz kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen! Uns ist ganz kannibalisch wohl als wie fünfhundert Säuen!“

(Im Hintergrund leicht schwankend der Geheimrat mit erhobenem Zeigefinger. Sein alter Freund Mephistopheles steht neben ihm, grinst wie ein Koch, der gerade die Kelle in den Suppentopf geworfen hat, schwingt sich feixend auf die Bierflasche und reitet auf seinem Glasroß durch das geschlossene Fenster hinaus in die feuchte Frühlingsluft.)

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Hömma, wat ich grad am denken bin (Unterbrechende Nachricht / Högschte Aktualität)

Donnerstag, 27. Mai 2010 21:28

wm_sieg

Ich sach mal so: obwohl der Herr Mahler und ich gerade innet Zentrum von die Feierlichkeiten wegen die hundert Tage am voranpreschen sind und die Pilsken schäumen und die Gehirnwindungen desgleichen, dat wat ich gerade am lesen bin, kann ich in meine Verantwortung wegen die Chronistenpflicht nicht unkommentiert lassen. Hier is dat Zitat vonne Deutsche Presse Agentur, wobei ich mich am fragen bin, ob die dat ernst am meinen sind, wenn die dat in die versammelten Tickers vonne Pressewald rauschicken tun. Also: „In Torlaune hat sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in einem Trainingsspiel präsentiert. Gegen eine U20-Auswahl der vier Vereine der Gemeinde Eppan siegte das Team von Bundestrainer Joachim Löw am Mittwoch mit 24:0 (11:0). Die erfolgreichsten Torschützen waren mit jeweils fünf Treffern Miroslav Klose und Mario Gomez, die jeweils eine der auf 30 Minuten angesetzten Halbzeiten spielten. Die weiteren Treffer erzielten Piotr Trochowski (3), Cacau (2), Stefan Kießling (2), Andreas Beck (2), Toni Kroos (2), Arne Friedrich (1), Sami Khedira (1) und Lukas Podolski (1). Insgesamt wurden 20 Spieler eingesetzt.“

Un dat lädierte Kinn vom Bergradfahrer Müller? Gib mich die Nachricht! Aber Spaß anne Seitenlinie, wo ich gerade dat nächste Feierpilsken am versenken bin, is die Frage die mich bewegen tut: nur eine Kiste von Herrn Werbeprinz Podolski? Sorgenfalten anne Stirn, sach ich mal. Trost is dann die Treffsicherheit von Herrn Arne Friedrich! Trotzdem singt dat Pöhlerherz: Siech! Siech! Siech! Getz geh ich in den Keller, hol dat schwarzrotgelbe Fähnchen aus die Umzugskiste und morgen is et am Fensterbrett am hängen! Und dann kann der Ungar sich mal ordentlich warm anziehen am nächsten Samstach! Fritzwalterwetter is uns allen durch den ehrenwerten Herrn Lenz garantiert. Stößchen!

Also: Schicht im Schacht und ich danke Sie für heute. Et grüßt Euren „Lütten Stan“

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Man läuft nicht alleine, wenn man schaut wie der Fluß vorbeifließt (Vorspiel auf dem Fensterbrett)

Donnerstag, 27. Mai 2010 15:48

hundert_tage1

Die Herren und Damen Aufrechtgeher bewerten ja gerne. Häkchen dran und so. Etikett und Label. Branding. Die Realität formatieren. Punkt. Und dazu gehören auch die ersten hundert Tage einer neu aufgenommenen Tätigkeit, Aufgabe, Arbeit, Beziehung oder was auch immer. Gebt mir hundert Tage Zeit und ihr werdet sehen, was ich nicht sehe. Haben Sie, was wollten Sie, was versprachen Sie und wo laufen wir denn jetzt, Herr Archibald Mahler? Warm. Wärmer. Kalt. Lauwarm. Kalt. Puuh und Winnie! Da saß er wieder der Bär, auf der Fensterbank, wo alles begann, einst am Aschermittwoch dieses Jahres  und schaute. Heute in Cinemascope. Was sah er? Die Zweibeiner rasten weiterhin in die Kaufbuden, ließen ihre vierrädrigen Blechmilben aufheulen und grämten sich oder auch nicht. Die Luft war nur unwesentlich wärmer als im Februar, aber es regnete nicht. Draußen zumindest. In des Bären aufgeregten und hibbeligen Synapsen jedoch regnete Unausgegorenes und Unvollendetes in die Fächer und Regale seines Gedankenschrankes. Sein Kleinhirn rauschte wie der Rheinfall zu Schaffhausen bei Hochwasser. Hundert lange, kurze, schöne und manchmal grausige Tage lagen hinter ihm. Bilder, Düfte, Anekdötchen, Querverweise, Kreuzerinnerungen und schon wieder vergessen. Soll ich jetzt ein Resümee ziehen oder nicht und wenn, dann wie und wo und warum und wo sitzen wir gerade? Das Telefon klingelte unentwegt. Gratulanten. Der Herr Geheimrat ließ anrufen. Aus der Stadt mit den Türmen der Gier übernahm es die Frau Mama und schickte ein Tupperware-Döschen mit „Grie Soß“. Aus der schönen Stadt im Osten tat es Frau Vulpius und schickte  zwei handgeflochtene Thüringer Klöße. Herr Hoeneß Ulrich war immer noch extrem gut gelaunt und verzieh alte Beschimpfungen bezüglich des Ersten FC Pommes Schranke und sprach auf den AB. Herr van Gaal, das Feierbiest, schenkte Archibald via SMS ein Zitat. „Heute morgen glaubte ich, ich sei tot, aber Du bist eine Gladiole.“ Woraufhin Herr S. Beckett anrief, und fragte, wo dieses Zitat käuflich zu erwerben sei zwecks Weiterverwertung. Er beabsichtige das „Endspiel“ zu aktualisieren, posthum und via Himmelsleitung. Er hatte Pech, denn das Zitat wurde heute schon feierlich zu Händen Frau Eva Pelagia weitergereicht. Herr Löw rief an, um zu sagen, daß er nicht anrufe. Herr Hermann Siddharta ließ grüßen als Vorsitzender des Verbandes „Professionelle Wasserbetracher mit Zeit e.V“.  Zwei Bären aus dem Heckerland namens Karamazow und Parkinson hatten eine Postkarte geschickt, Absender  c/o Justizvollzuganstalt Freiburg. Die zwei Genossen hatten wohl eine Horde befreundeter Bären befreit. Die Höhe des dabei verursachten Sachschadens bewege sich im vierstelligen Bereich. Aber es ginge ihnen soweit gut.  Herr Lenz ließ sich zum wiederholten Mal entschuldigen. Er habe Probleme mit der Installation seines Wärmeprogrammes, Herr Wintersen habe ihm da einen veritablen Bug ins Betriebssystem gesetzt. Und Herr Robert Zimmermann? Er dachte an Archibald, solidarisch. Eva Pelagia hatte den Frühstückstisch mit in Heidelbeeren und Honig eingelegten Lachs garniert, Ernst Albert sang „Man gave name to all the animals“ und Herr von Lippstadt – Budnikowski zu Datteln vermachte seinem Kumpan ein Paninisammelalbum aus dem Jahre neunzehnhundertneunundachtzig. „Hömma, dat is von Nobby Dickel höchstpersönlich mit seine Unterschrift signiert. Dann kannse bei Ibäh Dollares ohne Ende für erzielen.“ Im Hinterhof steppte eine Horde Sauropoden den Mittelhessenblues. Volker Bouffier ließ sich entschuldigen. Er müsse heut Abend kochen.  Frau Grobe – Balz auch und sie könne nur kommen, wenn man sie mit Herrn Archibald Mahler pressetauglich ablichtete. Archibald, der Bär,  verzichtete. Hotte “Der Ehrenbürger” Richter seinerseits dachte noch nach. Das dauert. Die Glocken am Kirchplatz gaben alles. Achtzehn Uhr. Volljährig nun ist der heutige Tag. Kein Grund zu klagen.

Draußen vor dem Fenster ein Hauch von Sonne, viel Himmel über Archibalds Kopf und er war sich sicher, daß da erstens noch einiges geht (Vorsicht: keine Nachlässigkeit im Sprachduktus und herzlichen Glückwunsch zu den ersten hundert von tausenden Tagen: Dein Setzer) und er freute sich darauf, weiterhin auf die Welt zu schauen und all diese Geschichten auf sich niederregnen zu lassen. Herr von Lippstadt – Budnikowski hielt sich im Hintergrund, studierte WM – Spielpläne und blies seine Vuvuzela warm. „Hömma, Pilsken is am waamwerden!” Nun denn, ein kleiner Jubiläumsumtrunk wartete wohl. No sleep till Hammersmith! Stößchen!

Thema: Archibalds Geschichte, Draußen vor der Tür | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Man läuft nicht alleine, wenn man schaut wie der Fluß vorbeifließt (Prolog)

Mittwoch, 26. Mai 2010 16:27

never_walk_alone

Es entspann sich folgendes Gespräch am heutigen Frühstückstisch in Mittelhessen:

„Ist eine Frage erlaubt, Herr von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln?“

„Selbstredend, Herr Mahler!“

„Was lesen Sie?“

„Wie lesen Sie!“

„Wie?“

„Wie! Eben! Danke der notwendigen Nachfrage! Antwort ist, ich lese mit den Ohren.“

“Sehr interessant!“

„Sie?“

„Wir können uns auch duzen.“

„Zu früh, zu schnell. Sie lesen wie?“

„Mit der Nase! Buchstabenriechen. Nie gehört?“

„Eher nicht. Schon lange?“

„Seit Aschermittwoch. Gelegentlich. Sonst wird geschaut!“

„Aha! Und was lesen Sie jetzt oder eben Ihre, die Nase, Herr Mahler?“

„Flut. Ölpest. Sturmtief. Sinkende Schneefallgrenze. Bouffier statt Koch. Merkel in Arabien. Westerwelle ohne Halt. Sauropoden werden in Mittelhessen von Kindern unerzogener Mütter geentert.“

„Ermüdend, finden Sie nicht?“

„Gewiß. Sie anderthalben lesen?“

„Sport in Südtirol.“

„Ist Präzision möglich, Herr von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln?“

„Hören Sie zu: ‚Damit sind wir genug gestraft, denn wir fahren nicht zur WM, um nur ein paar Spiele zu machen, aber wir müssen mit Verletzungen umgehen können, das ist ein bißchen dünn, doch mehrere Optionen sind da, weil WIR sind als Trainerteam für Gedanken-Strategien bekannt und WIR haben einen Plan, bei dem die Oberschenkel manchmal heftig brannten und einen freien Nachmittag genossen, weil WIR wissen, jeder Tag ist wichtig und gleich wieder hundert Prozent geht nicht, auch gibt es wenige Spieler, die das Erlebnis haben, eine WM spielen zu dürfen. Christian war dicht davor bei der Chancenverwertung und WIR müssen wir uns erheblich verbessern.’ Soweit wurde zitiert.“

„Reinhold Merkel? Angela Meßmer?“

„Nein, die besuchen lediglich das Trainingslager und halten erheiternde Vorträge. Der Freiburger mit dem Schal hat es verbrochen und sein Hansi, der Flickschuster.“

„Ojemine, wage ich zu bemerken. Möchten Sie einen musikalischen Beitrag zu unserem Gespräch beitragen?“

„Tautologie!“

„Trotzdem!“

“Gerne.“

„Danke!“

“Ihr Beitrag?“

“Der Situation geschuldet: jener!”

“Aha! Schreibt man dieses Lied nicht dem Herrn Zimmermann zu?”

“Oho! Gescheit, der Herr. Ein Art Nachklapp! Vorgestern! Sie wissen!”

“Verziehen!”

“Die zweite Frage, wenn erlaubt: Sie sind vorbereitet auf den morgigen Tag?“

„Gewiß!“

„Ich verschweige meine Nervosität nicht.“

„Das habe ich auch nicht getan.“

„Kritik zu üben, wäre mir fremd.“

„Aber?“

„Wo ihre dialektische Einfärbung geblieben ist, darüber darf ich mich doch wundern?“

„Haben Sie noch nie eine Rolle gespielt?“

„Wer hat das letzte Wort?“

„Mein Name ist…“

„Sagen Sie es bitte nicht!“

(Zwei Mobiltelefone klingeln. Van Gaal ruft an und Beckett auch. Zu früh. Zu früh. Einen Tag zu früh.)

“Ich hatte etwas vergessen!”

“Herr von Lippstadt-Budnikowski zu Datteln, man hört zu!”

“Junior Podolski hat zwei Hütten vorbereitet gegen den FC Südtirol.”

“Sie wiederum wissen, was Herr Littbarski – Prinz von Köllen dunnemal – sprach, als einstens 1990 Herr Kohl gratulierend auf ihn zu schwankte in Rom?”

“Nein!”

“Er sprach: Da kommt ein Berg auf mich zu!”

“Und dann?”

“Versteckte er sich hinter Auge. Der Berg entdeckte ihn nicht!”

(Die Mobiltelefone stellen ihr Klingeln ein.)

Thema: De re publica, Hömma, wat ich grad am Denken bin, Küchenschypsologie | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Warum heute ein guter Tag ist oder R.Z. wird 69

Montag, 24. Mai 2010 0:44

dylan

Archibald erinnert sich. Er lag auf der Strasse. Er war zwei Teile. Ernst Albert hob ihn auf, trug ihn fort, setzte ihn neben sein Bett. Das abbe Bein lag ihn Nähe des Rumpfes. Eine Ahnung von Gesundung am Horizont. Zweifel jedoch auch, denn gerettet zwar, aber nicht gesundet. Das erste, was er vernahm in der neuen Heimstatt war die Stimme. Die Stimme, die man nicht vergißt. Die Stimme, die fröhliche Runden spaltet. Die Stimme, die vereinnahmt wird, zerlegt, belastet, aufgeblasen mit Bedeutung. Das weiß der Bär nicht. Er hört und sonst nichts. Was er hört? Er hört einen aufrechten Aufrechtgeher, der singt, dichtet, Mundharmonika bläst, die Gitarren schlägt. Mehr nicht. Nicht weniger. Vierhundert Lieder. Fast alle hat Archibald schon vernommen. Hat Herr Ernst Albert denn keine anderen Platten? Gewiß. Und? Dann wieder die Stimme. Vierhundert Lieder, die vierhundert Geschichten erzählen und letztlich nur die Eine. Leben. Einatmen. Ausatmen. Gott. Fertig. Der Sänger. Er nennt sich anders, als er heißt. Er ist nicht da. Er ist woanders. Er ist da, wenn man ihn braucht. Er ist verschwunden, wenn man ihn ans Kreuz nageln will. Er ist viele. Er ist keiner. Er ist normal. Er ist kein Genie. Er tröstet. Archibald hat sich an ihn gewöhnt. An die Stimme, die über seinen Pelz rumpelt und knarrt und näselt. Gewöhnt? Mehr. Viel mehr. Die Stimme redet und redet, aber sie quatscht nicht. Die Stimme kann man lesen. Die Stimme muß man lesen. Kaum einer tut das. Andere machen daraus die Bibel. Sollen sie. Archibald riecht gerne die Strassen und die Kaschemmen und die Frauen und die Friedhöfe und die Lügen und die Rügen und die Versprechen und die Versprecher und die leeren Tanks und die vollen Herzen und die zerbrochenen Spiegel und die geflickten Träume, die aus den Gesängen in seine Höhle tröpfeln. Die Welt hörend schauen. Archibald mag es, wenn Ernst Albert seinem Meisterlein huldigt und dessen Lieder auf seinen Gitarren schrammelt und keine Rücksicht nimmt auf Formen, Farben, Vereinbartes und Noten. Der Meister selbst nimmt keine Rücksicht auf sein eigenes Werk. So ehrt er es und hält es am Leben. Man beschwert sich darüber. Es sind seine Lieder. Archibald hat die Vermutung, daß die Stimme begeistert Welt schaut. Die Welt verursacht der Stimme Schmerzen. Davon ist zu berichten. Von der Freude auch. Die Stimme stiehlt. Und verkauft. Was ich sehe und höre, ist mein. Nimm es. Es gehört Dir. Manchmal bin ich der Weihnachtsmann. Die Aufrechtgeher, die Bescheid wissen, sagen: er kann nicht singen. Die Aufrechtgeher, die Bescheid wissen, sagen: er kann nicht Gitarre spielen. Die Aufrechtgeher, die Bescheid wissen, sagen: er kann nicht Mundharmonika spielen. Selbstverständlich haben sie recht. Sie können es ja. Besser! Freeze? Die Aufrechtgeher, die Bescheid wissen, kennen seine Texte nicht, aber zwei seiner Lieder. In den Wind geblasen. Rollende Steine. Aber bitte wenn, dann die eine Fassung. Welche? Müßig diese Diskussionen. Archibald verbindet die Stimme immer mit: das Bein ist wieder dran. Aber ab war es auch. Und das ist gut so! Herzlichen Glückwunsch, lieber Robert Zimmermann. Und vielen Dank! Für alles! Sagt Ernst Albert. Archibald schließt sich an.

Thema: Robert Zimmermann | Kommentare (6) | Autor: Christian Lugerth

Hömma, wat ich grad am Denken bin! (Folge 3)

Sonntag, 23. Mai 2010 10:31

wm_sieg

Ich sach ma so: wenn die ganze Chose vorbei is, is die Weisheit ja immer löffelweise verzehrt worden und alle Welt is genau am wissen, warum dat Ding innen Teich gesetzt wurde. Also bleib ich getz mal strikt anne Chronologie von die Notate von meine Gedankenspiele orientiert. Ersma habet ich et geschafft tatsächlich erst um eine Minute vor Anpfiff kernerfrei anne Fernbedienung zu greifen. Die Strafe is auf den Fuss gefolcht, weil der Kommentator in die ersten Minuten einen Durchfall am labern is, wie dat aufgeregte Hühnchen vor die Einschulung. Die Sehnsucht nach Rudi Michel is im Herz am wachsen. Die Mannschaft von Pommes Schranke stürzt sich auffe Pille und hat nach ein paar Minütkes schon 70 Prozent Pillenbesitz. Ich bin am denken, dat schon lange keine von die deutschen Mannschaften zur Pille so eine Art vonne freundschaftliche Beziehung am aufbauen gewesen is. Dat is Verdienst von dem Herrn van Gaal. Robben is nach 12 Minuten dreimal schon vonne schnelle Beine geholt und et scheint mir, dat ihn dat beeindrucken tut, wie der Chivu mit die Mütze auffe Pläte ihn auffe Pelle rückt. Die erste Changse von Pommes Schranke hat der Altintop. Dat Problem is nur, dat der Butt dat Ding aus die Ecke fischen muß. Pillenbesitz allein isset nich und die Schwattblauen sind nich nur anne eigene Strafraum gekettet, wie et allenthalben zu lesen war. Mourinho is am rumdackeln anne Außenlinie, der Holländer am stoischen Sitzen. Robben is nach dreißig Minuten innet Schauspielerfach übergewechselt, weil er am begreifen is, dat er nich gegen Bremen am pöhlen is. Lucio is der Turm inne Schlacht, Demichelis is dat genaue Gegenteil und der Milito fackelt nich lange und ich war am denken, dat et dat war. Und wenn der Fuss, der am kommentieren is, wie wenn er für jedet ausgeatmete Wort einen Euro zusätzlich auffet Konto kriegen tut, mich fragen täte, dann könnte ich ihm erklären, dat der Catenaccio die Sperrkette gewesen is, mit der die alten Venezianer oder Genovesen ihre Einfahrten von die Häfen gegen die Gegners oder Piraten am sichern waren. Also hat dat eine lange Tradition, dat hinten die italienische Null am stehen is. Inne Minute Vierzig dick unterstrichen auf meine Gedankenzettel: Wo is Olic? Wo is Müller? Und der Butt – Hömma Herr Löw: dat is meine Nummer 1 A! – is dat sichere zweite Ding von den Sneijder am festhalten.

Halbzeit is dann die Nacht der lebenden Leichen. Dat ganze Werbegedöns mit die gegelte Dackel, die wo nich am Teilhaben sind: Ronaldo, Kuranyi und der kaputte Ballack. Ich bin eine Petition anne UEFA und anne FIFA am schreiben, dat Kicker, die unter excessive Mißbrauch von Haarpflegemittel leiden, für alle Zeit vonne Pöhlerei ausgeschlossen werden.

Ausse Kabine kommt Pommes Schranke wie vonne Tarantel gepickst und dat Ding muß der Müller machen. Nach geschätzte hunnertzwanzich Sekunden is dat Feuer gelöscht und ein Deja wüh is mich am Befallen: letzten Samstach, zweite Halbzeit und Bremen hat seine zwei Minütkes. Und so isset. Im Gegenzuch darf sich Butt wieder dem Herrn Löw innet Notizbuch schreiben. Dat is die Minute im Spiel, wo der Herr van Gaal seinen Allerwertesten dat erste mal vonne Sitzbank heben tut. Anne Seitenlinie bin ich ein Gespenst am erblicken. Is dat Klose, der da Werbung für Antidepressiva machen tut? Et is soweit: Altintop hat getz dat ersemal auffet richtige, nämlich et schwattblaue Tor geschossen. Und ich bin mich und den Herrn Löw am fragen: Wo is Schweinsteiger? Robben macht seine Namen als der Gläserne alle Ehre. Dat von rechts inne Mitte Reingekurve is durchsichtich wie Glas nache Besuch von die Fensterputzers. Inne sechzigste Minute wird der fleißige Altintop vonne Wiese genommen und dat Gespenst kommt. Robben is einen Kunstschuß am plazieren, Caesar (Brasilianer, woll!) inne schwattblaue Kiste souverän. Nach Demichelis is getz auch van Buyten inne Form der Hinrunde und dat war et endgültich. Milito die zweite. Wat sind die Verteidiger von Pommes Schranke für Bratbären. Lucio is am Grinsen. Der Kommentator is die Wunder am Herbeisingen. Dat nervt. Ich bin dat zweite Gespenst am erblicken: Gomez. Trotz seines excessiven Haarpflegemittelmißbrauchs wird er gegen den komplett abgetauchten Olic getauscht. Der Labberfuss is am bemerken: “Jetzt muß Lazarus ein Münchner sein. Aber Zanetti ist schlau.“ Mourinho reagiert auffe Einwechslung vonne deutschen Nationalsturm und bringt einen Verteidiger von Ghana. Dat is wahrscheinlich mit dem Herrn Löw abgesprochen wegen die schwierige Vorbereitung auffe WM. Robben is inne Zwischenzeit komplett am Verkrampfen und setzt einen Freistoß inne Mauer. Der alte Passelack Materazzi kriecht seinen Einsatz fünf Minuten vor Ende und van Gaal is Mourinho schon am die Hände schütteln. Getz fällt mir auf, dat ich vergessen habe zu fragen: Wo is Lahm? Dat deutsche Stürmerduo beläßt et bei einem Ballkontakt. Kopfball von Klose. Triple kannse inne Tonne kloppen, dat heißt getz TRIPLETE. Verdient, souverän, sauber, da gibbet kein Vertun. Abpfiff.

Nach drei Stunden Werbung Nachbereitung mit Pannemann Kerner und die Lichtgestalt, die sacht, dat mit dem „Ribberi“ der Siech sicher gewesen wäre. Wat ein Kokolores! Und van Gaal is ein Sprachgenie: „Normalerweise ist Müller ein kalter Frosch.“ Dat hat Klasse. Und der Mourinho antwortet zweimal mit eine kurze „Si“, als der Oberfatzke Kerner ihn fragen tut, ob dat dat letzte Spiel für Mailand und ob dann Madrid. Dat hat Klasse! Und dem Moderatorenclown is die Unterlippe am auffe Tischplatte fallen. Und deshalb oben dat Bildken für den Siech.

Also: Schicht im Schacht und ich danke Sie für heute. Et grüßt Euren „Lütten Stan“

Thema: Hömma, wat ich grad am Denken bin | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Spuren. Suchen. Ilmenau. (Geheimrat edit)

Samstag, 22. Mai 2010 11:09

ilm2_1„Heraus in eure Schatten, rege Wipfel / des alten, heil’gen, dicht belaubten Haines / wie in der Göttin stilles Heiligtum / tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl / als wenn ich sie zum erstenmal beträte / und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.“ Fremde, wohlklingende Worte. Wer sprach? Es war das Gespenst der Iphigenie des Herrn Geheimrat. Die zwei Reisenden standen vor der Grabplatte einer Mimin, der Schröterin. Diese hatte einst zusammen mit dem Geheimrat auf der Bühne gestanden, sie als Iphigenie, er der Orest. Offensichtlich hatte die Dame noch heute Verehrer, denn frische Blumen zierten die liebevoll gestaltete Grabplatte. Archibald dachte kurz darüber nach, ob er sich der Arbeit am Musentempel verschreiben sollte, verwarf den Gedanken aber sofort. Nein, solch Leben war ihm dann doch von zu vielen Unwägbarkeiten bestimmt und rechte Zeit zum Weltschauen ließ es auch nicht. Nee, lieber bin ich mein eigner Bär! Ernst Albert jedoch erinnerte sich mit Freuden daran, wie er im Jahr nach dem Fall der Mauern zwischen den BRÜDERN UND SCHWESTERN unter der Spielleitung eines Musentempelrecken aus dem Osten an einem Theater in Süden den Thoas gegeben hatte. Eine seiner schönsten Arbeiten überhaupt. Hunger meldete sich und der wollene Mantel, den er trug, begann an den Ärmeln zu tropfen, so hatte er sich mit Wasser vollgesaugt. Die Gespenster weinten. Ernst Albert teilte seiner Mutter mit, wo er sich gerade befand. Sie freute sich von ihrer Heimat zu hören. Und der Regen regnete wie jeden Tag in diesem fatalen Mai.

ilm2_2Sie stiegen hinab in den Ort, kleine Sturzbäche rechts und links des Weges begleiteten sie. Und da saß er auf einer Bank, erstarrt in Bronze und Kupfer. „Guck mal! Er schaut Welt! Wie ich!“, rief Archibald erfreut und sprang dem Geheimrat auf den Schoß. Er war sehr stolz einen so bekannten Kumpan gefunden zu haben. Und der Geheimrat flüsterte dem Bären ins Ohr, wie er einst von seinem Fürsten den Auftrag bekommen hatte, hier in diesem kleinen Ort die alten Bergwerke in Schuß zu bringen, wie er sich in den Ort verliebt hatte, wie, da die politischen Arbeiten in der Fürstenstadt – Dichter bleib bei Deinen Leisten! – ihn gar nicht mehr erfreuten, sondern lähmten, er öfters nach Ilmenau geflohen war, um wieder an seinem dramatischen Werke zu arbeiten, im Jagdschloß Gabelbach gleich um die Ecke seine Iphigenie vollendet hatte und gar – wenige Monate bevor er starb – an den Ufern der noch jungen Ilm seinen allerletzten Geburtstag gefeiert hatte. Dieser Ort war ihm lieb gewesen. Ein paar hochoffizielle Geheimratstränen kullerten über Archibalds Rücken. „Komm Archibald, gehen wir in die Kneipe, bevor wir hier absaufen.“ „Was ein Banause, dieser Ernst Albert!“, dachte der Bär und reichte dem Geheimrat zum Abschied seine Pfote. Hessen in der Fremde müssen zusammenhalten. Die Reisenden betraten ein Gasthaus. Hundert Elefanten begrüßten sie. Man bestellte. Zwei Bier. Zwei frisch zubereitete Thüringer Klöße. Sauerkraut. Schweinebraten. (Wieviel? Der Setzer) Zehn Taler. (Glaub ich nicht!) Doch! Und es war köstlich. Beim Verdauen belauschte man das Gespräch zweier Einheimischer, die am Tresen dem mittäglichen Biergenuß der Erwerbslosen huldigten. „Frare! Meenste do Euro überläbt?“ „Awer säbforschdänsch!“ “Sischer?“ „Glor!“ “Meenste wörglisch?“ „Och, sch sare daderrdsu nüschd mähr!“ “Nu! Un do Ballag?”

ilm2_3Die Henne ist das Wappentier von Ilmenau und der Geheimrat der Ortsheilige. Der Kickelhahn ist der Hausberg von Ilmenau und an seinen Hängen stand und steht eine Schutzhütte, das Goethehäuschen. Den Turm, der auf den Gipfel des Kickelhahns errichtet wurde und das Goethehäuschen hat man im Größenverhältnis WZA (Welt zu Archibald) wirklichkeitsgetreu nachgebaut und vor dem Bahnhof aufgestellt. Archibald setzte sich auf die Bank vor der Hütte. Er war durchnäßt wie ein dreifach begossener Pittiplatsch. Sind wir denn Radieschen? Egal! Einfach ignorieren! Er ging in sich, kam wieder heraus und reimte: „Über allen Gipfeln ist Ruh / In allen Wipfeln spürest Du / kaum einen Hauch / Die Vöglein schweigen im Walde/ Warte nur balde ruhest Du auch.“ Ernst Albert lachte und sprach seine übliche Warnung aus. „Hüte Dich vor Plagiaten! Doch stehle ungeniert und lasse es alle wissen! Dem Brecht war es recht!“ Sie erblickten ein Plakat. Eine Wählerinitiative namens „Pro Bockswurst“ lud zu einer Veranstaltung ein. Sie hatten es geschafft bei der letzten Wahl in den Rat der kleinen Stadt einzuziehen. Was es nicht alles gibt! Archibald war erfreut. Das ist Weltschauen auf hohem Niveau. Es erfolgte der Aufbruch! Schade!

“He, Chef! Du hast was vergessen!” “Was denn, Archibald?” “Du wolltest Deiner Schwester noch zum Geburtstag gratulieren!” “Aah! Danke schön, Bär. Liebe Schwester: Bitte schön! Und alles Gute!”

Thema: Eastward ho!, Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth

Spuren. Suchen. Ilmenau. (Ernst Albert edit)

Samstag, 22. Mai 2010 8:17

ilm1_1„In Ilmenau / da ist der Himmel blau / da tanzt der Ziegenbock / mit seiner Frau.“ Wer auch immer der Urheber dieses Reimes gewesen sein mag, heute fehlte er in Gänze. Regenmassen schütteten ohne Unterlaß auf die zwei Reisenden nieder und die Böcke blieben lieber in ihren Ställen. Also suchte Archibald suchte erst einmal einen trockenen Unterschlupf und verschaffte sich einen Überblick. Sie waren mit einem modernen Bummelzug angereist, dessen Frische und Modernität um so mehr auffiel, als der Bahnhof, an dem die Fahrt endete, wie aus aller Zeit gefallen schien. Man hatte unlängst einige neue Hinweisschilder angebracht, ansonsten hatte man das Gebäude in den letzten fünfzig Jahren sich selbst und dem Verfall überlassen. Archibald gefiel dies. Sie liefen los, Richtung Zentrum des kleinen Städtchens und die Zeit spielte verrückt. Uhren blieben stehen, dann bewegten sich die Zeiger wieder, unendlich langsam, im nächsten Moment rauschten sie rückwärts. Die Häuser der Stadt kündeten von untergegangener Zeit, sie kündeten sogar von der Zeit vor der Zeit, die vor zwanzig Jahren plötzlich und ohne großes Aufheben verschwunden war. Und es schien, als bewegten sich die Aufrechtgeher hier entschieden langsamer, sprachen langsamer, sie sahen aus, als stünde vergangene Zeit vor ihren Augen wie getönte Brillen. Auch Ernst Alberts Blick trübte sich und er spürte wie die Gespenster der Erinnerung ihn an die Hand nahmen. Das erste Mal war er hier entlang gegangen vor weit über vierzig Jahren an der Hand seines Vaters. Von den Wänden der Häuser grüßten riesige Plakate, Gemälde. Ein allgegenwärtiger Rauschebart forderte die Zweibeiner auf sich VORWÄRTS zu bewegen, hin zu Parteitagen, zu verstärktem Kampf und Einsatz im AUFBAU, im unverbrüchlichen Versprechen sich selbst, Parteien und KLASSENBEWUSSTEN gegenüber, eifrig sich zu mühen, BAUT AUF! Und der Vater, der wie die Mutter aus dieser Gegend stammte, bleute dem Jungen ein, in den Tagen des bevorstehenden Aufenthalts auf keinen Fall etwas Schlechtes zu sagen über diese Plakate, den Rauschebart und schon gar nicht über den, den man damals “Den Iwan“ nannte.

ilm1_2Sie erreichten einen kleinen Platz im Herzen der Stadt. Ein Brunnen plätscherte mit dem gnadenlosen Regen um die Wette. Sie standen vor einem mit Schieferplatten verkleideten Haus. Drei weiße Heroinnen oder Engel oder Wesen zierten die der Straße zugewandte Ecke des stolzen Gebäudes. Im unteren Geschoß verkaufte man Bücher und dies seit bald hundert Jahren. In diesem Haus wurde einst Ernst Albert gezeugt, so geht zumindest die Mär. Archibald gefiel dieses ehrwürdige Gebäude sofort, ein Brunnen vor der Haustür ist ein zusätzliches Argument. Und Ernst Albert wies auf die Fenster im obersten Stock und erzählte dem aufmerksam lauschenden, doch zunehmend durchnäßten Bär eine kleine Geschichte. Als er das erste Mal hier war, vor genau vierundvierzig Jahren, spielten jenseits des Kanales die Balltretkünstler um den Weltpokal. Die Vertreter des Teil des Landes, der sich von der kleinen Stadt aus gesehen, hinter Mauern und Stacheldraht im Westen befand, spielte im Endspiel gegen die Gastgeber. Helle Aufregung aber auch im östlichen Teil des Landes. Dieses Spiel durfte niemand verpassen, KLASSENFEIND hin oder her. Alle erwachsenen Zweibeiner zogen sich zurück unters Dach, um dort das Spiel im Bilderapparat zu schauen. Da die Bilder aber aus dem Westen gesendet wurden, war dies ein höchst konspirativer Akt, von dem aber jeder wußte. Ernst Albert und sein jüngerer Bruder mussten unten bleiben, in der Wohnung der Großmutter, Radio hören. Es war nervenzerfetzend. Die normale Spielzeit war fast zu Ende, als der göttliche Weber ausglich. Verlängerung. Der Vater holte die zwei Jungs, hinauf zum geheimen Bilderapparat. Es roch nach Schweiß, Bier, Schnaps, Wurst und tausend verbrannten Zigaretten. Plötzlich ein Schuß auf das Gehäuse der „Unseren“. Der Torwächter mit der Kappe, den Ernst Albert verehrte, streckt sich, erreicht die Kugel aber nicht. Hinter seinem Rücken fällt der Ball zu Boden: vor der Linie. Gott und der Rauschebart sei bei uns und nichts war passiert. Weiter! Dann geschieht das Unfaßbare. Der Schiedsrichter eilt zur Seitenlinie. Dort steht einer seiner Helfer, ein Vertreter des sogenannten „Der Iwan“. Man diskutiert aufgeregt. “Der Iwan” weist theatralisch zur Mittellinie und ein Sturm bricht los. „Dieser Drecksack! Typisch Iwan! Das war klar vor der Linie! Das kann doch kein Tor sein! Alles nimmt er uns, der Iwan!“ Flüche und Verwünschungen zerschnitten die rauchgeschwängerte Luft. Viel Schnaps mußte die geprellten Seelen der vereinten BRÜDER UND SCHWESTERN trösten. Ernst Albert aber erschrak zu Tode. Er dachte an die Ermahnungen des Vaters. „Nichts Schlechtes über den Iwan!“ Von diesem Moment an konnte er dem Geschehen im Bilderapparat nicht mehr folgen. Er bestand nur noch aus Ohren. Hörte er Schritte im Treppenhaus? „Gleich kommen sie uns alle holen!“

ilm1_3Sie zogen weiter, durch enge kopfsteingepflasterte Gassen und Sträßlein, die auf angenehme Weise den Schritt entschleunigten. Glitschig war es außerdem. Sie erreichten den Friedhof. John Updike hatte einst geschrieben, Erinnerung sei wie ein nicht vollständig entwickeltes Foto, wie ein Abzug auf den nur an manchen Stellen und recht wahllos etwas Entwicklerflüssigkeit gesprenkelt wurde. Ernst Albert wußte, daß seine Großeltern hier begraben waren. Gab es die Gräber noch? Er ließ sich von Gespenstern durch die Gräberreihen führen. Manchmal raunte es: „Vielleicht hier?“ Er sprach mit zwei Aufrechtgehern, die alte Kränze und Kerzen einsammelten. Sie schickten ihn in die Verwaltung. Nein, schon lange hätte man die Gräber abgeräumt. Nicht weiter schlimm, denn der „Geruch und Geschmack noch lang irrender Seelen“ allerorten. Marcel Proust hatte recht. Archibald saß auf einem Grabstein, freute sich an den tropfnassen Gespenstern, die ihn umtanzten und bekam große Lust, doch noch mal über seine Geschichte vor der Geschichte genauer nachzusinnen. Und dann mischte sich der Geheimrat ein.

Thema: Eastward ho!, Öffentliche Leibesübungen | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth