Ein trüber Tag gegen Ende des Sommers und ein Bär regt sich fürchterlich auf! (Warum eigentlich?)
Donnerstag, 26. August 2010 20:22
(Über die rechte Schulter des Beelzebub sich lehnend Archibald Mahler in seiner Rolle als Suchender Bär. Wütend, man kann sagen, fast schon außer sich. Er gestattet dem Publikum einen leichten Aufatmer ob seines unversehrten Erscheinens, dann legt er los. Zweites Semester Schauspielschule: Der sogenannte Ausbruch! Was ein Fachbegriff ist fürs Zürnen und Toben, gerne unkontrolliert mit der Gefahr einer Zerrung (man selbst!) oder eines blauen Auges (bei Kollegen!). Auch Requisit möchte man da nicht sein. Los geht’s.)
„Im Elend! Am Rande, ach darüber hinaus, der blanken Verzweiflung! Schwitzend und sich das Haar raufend über den Planeten geirrt und nun erbärmlich gefangen! Mit unbekannten Ingredienzien vollgepumpt und entsetzliche Qualen leidend im Kerker des Leibhaftigen! Die Suche ist abgebrochen. Zerschmettert die Hoffnung! Bis hierhin, ach, nur bis hierhin! Teuflischer, nichtsnutziger Geist! Was bietest Du mir als nächstes? Fässer vergifteten Weines? Abgeschmackte alte Bärenweiber, mir mein letztes Restchen Verstand aus den Hirnwindungen saugend! Hund! Abscheuliches Untier! Öffne die Tore, befreie mich von den Ketten! Befreie meine empfindliche Nase, die tausendmal empfindlicher ist als die Nase der Aufrechtgeher, von Deinen unsäglichen Ausdünstungen! Was wünschest Du? Soll ich hier im feuchten Grund vor Deinen verkrümmten Füßen auf meinem Fell entlang rutschen und um Gnade winseln? Meiner unschuldigen Bärenseele zum unwiderruflichen Pakt mit Deiner Teuflischkeit raten? Mir wühlt es Mark und Bein durch! Ach, ich Elender! Ja! Poor Poor Pityful Me! Ich will hier raus!“
(Der Bär atmet schwer. Emotion ist ein hartes Brot. Zumindest auf der Bühne. Stille, durchschossen von pfeifenden Bärenlungen. Die Raben meckern rum. Der Lütte Stan fährt den Soundtrack rein. Leise. Hintergründig. Der Beelzebub lacht. Der Bär schaut ihn böse an. Der Beelzebub schmunzelt und spricht.)
„Mutig bist Du ja, Freundchen. Schöner Monolog, bißchen viel vom Geheimrat geklaut, paar Wiederholungen und viel schweres Gepumpe, aber – kurz und knapp – leider an der Grenze des gemeinen Aufrechtgeherwitzes namens “Das Große Leiden” entlang geschrammt. Was regt Dich auf? Du willst durch die Welt fliegen und dann hältst Du den Schwindel nicht aus! Bist Du von Deiner Fensterbank aufgestanden, um hinaus zu ziehen und den inneren Zusammenhalt der blauen Kugel zu suchen oder ich?“
„Grins mich nicht an und zeige mir Deine gelben Zähne! Mein Magen rumpelt wie die Trommel einer überfüllten Waschmaschine bei Deinem Anblick! Der Ekel schüttelt mich!“
„Sag Deiner Wut, ich bin das falsche Ziel. Ich bin nichts als ein kleiner unschuldiger Spiegel. Man macht es sich einfach, wenn man stolpert und die Wurzel beschimpft und nicht den unachtsamen Fuß. Und – by the way – haben wir eine Abmachung? Ich glaube nicht! Du kannst gehen!“
(Nach einer verdatterten Pause) „Wie? Ich kann gehen? Du verfluchst mich nicht? Läßt mich nicht Steine klopfen oder meine gesamte Verwandtschaft in Wyoming oder Kamschatka verleugnen? Ich muß nicht für immer dem Lachs und dem Honig abschwören? Mir einen kläffenden Vierbeiner zulegen? Kein Preis? Keine Strafe?“
„Nichts wird so heiß und so weiter. Du weißt schon. Ich tu doch nur meine Pflicht. Ab und zu den allzu Guten die Ohren lang ziehen und ihre Nase auf die dunkle Seite des Mondes hinweisen. Das ist im übrigen Dein Seelenpöter, den Du Dir so gerne kratzt. Wohlgemerkt Dein Pöter, nicht meiner! Sei’s drum! Um Dich mach ich mir keine Sorgen! Du frißt Aas und willst die Welt so lassen, wie sie ist! Hau ab! Du findest Deinen Weg! Auch ohne Abmachung mit mir! Es war mir eine Ehre, Dich ein wenig aufzuhalten und zu ärgern! Abflug!“
„Dich soll einer verstehen, Herr Beelzebub! Du bist ganz schön unergründlich!“
„Stell Dir vor, ich bin ein dunkler Teich und Du sitzt an meinem Ufer. Du sammelst eine ungerade Anzahl von Steinen, legst sie in einen kleinen Beutel und hängst sie dann in mein Wasser. Nach einer gewissen Zeit holst Du den Beutel raus und Du wirst eine gerade Anzahl von Steinen in Deinem Beutel finden. Wenn Du dann noch Zeit und Lust hast, machst Du die Gegenprobe. So geht das. Flüssiges wird starr, Lebendiges tot und Ideen bekommen Beine. Und vergiß Deine Rose nicht!“
„Potzrembel! Die hatte ich ja ganz vergessen!“
„Eben! Festhalten!“
(Der Beelzebub überreicht Archibald die unversehrte Rose und verschwindet im selben Moment. An seine Stelle tritt der Lütte Stan in seiner Rolle als ff. Dann beginnt es säuisch zu regnen. Natürlich nur auf der Bühne. Theaterkünstler lieben ihr Publikum.)
Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth