Beiträge vom 29. August 2010

Wenn nichts mehr geht, geht meistens einer voran oder alle bleiben stehen (Sagt Laotse! Oder Löw?)

Sonntag, 29. August 2010 18:01

auf dem weg-eiseskaelte

(Es ist kalt, eiskalt auf der Bühne. Bodennah entlang wabernder Trockeneisnebel und blaues Licht verstärken den Eindruck. Das Publikum beginnt zu schlottern. Aus Solidarität mit den Mimen? Weil es beeindruckt ist? Oder weil diese unchristlichen Temperaturen am Ende eines Augustes eigentlich Freilichttheater nicht mehr zulassen? Lassen wir dies die Nachgeborenen entscheiden. Der Bär – es fällt ihm schwer – hebt an zu sprechen.)

„Wir können…..doch wir müssen.…aber….dennoch…Fremder….spürst Du…Freund….?“

„Es geht nicht mehr!“

„Die Kälte…..verflucht…..oh die Sterne….mein Hüfthalter….quatsch….der Kreislauf….das Blut….stockend wie meine…!!“

„Rede?“

„Ja!“

„Das war’s!“

„Adieu!“

„Halt durch! Die Sonne….verdammt nun auch ich.…das  Schweigen!!!!“

„Krrgh!“

(Die zwei Wanderer kehren dem Publikum den Rücken zu. Eingefroren, unbeweglich, schweigend. Schweigend? Für die Zuschauer nicht zu vernehmen: zwei Mimen tuscheln Privattext. Hören wir mal rein.)

„Wer hatte diese Scheißidee?“

„Was meinen Sie, lieber Herr Mahler?“

„Na, daß wir hier jetzt fünf Minuten regungslos rumstehen müssen und so tun, als seien wir eingefroren!“

„Die Regie, soweit ich weiß!“

„Herr von Lippstadt-Budnikowski, wie soll ich diese Anspielung verstehen?“

„Ich wollte lediglich Ihre Frage beantworten und in diesem Zusammenhang noch mal auf die Konzeptionsbesprechung verweisen!“

„Ja und? Sprechen Sie!“

„Na ja!“

„Raus mit der Sprache, Theater ist ja schließlich keine Diktatur!“

„Das sagen Sie!“

„Wenn Sie nicht innert der nächsten Sekunden! Ich gehe ab!“

„Als Regisseur?“

„Ich zähle bis drei. Eins…zwei…“

„Sie sagten, nach der Pause wäre, also während die zwei Gefährten unterwegs sind zum Orakel, nun da wäre ein konsequentes und für das Publikum fast schon unerträgliches Freeze eine schöne Idee.“

„Was für ein Freeze?“

„Einfrieren halt. Nicht bewegen und der tiefere Sinn wäre, man könne so bildhaft  und nonverbal den Stillstand von Zeit darstellen, damit mahnen an die Vergänglichkeit, also quasi ein Freeze der Unmöglichkeiten, ein Freeze der Chancenlosigkeit im Kampf mit den Mächten des Schicksals oder so bauen! Ein Freeze, welches um sich selber kreist und so sinnbefreiendes Warten gebiert! Ham Sie gesagt!“

„Hab ich gesagt? Sinnbefreiendes Warten?“

„Ham Sie gesagt!“

„War ich betrunken?“

„Nicht das ich wüßte!“

„Oh Gott! Sollte man nicht öfter mal schweigen?“

„Na ja!“

„Potzrembel die Waldfee, da schämt man sich ja als darstellender Bär. Und jetzt?“

„Da müssen wir durch! Noch zwei Minuten!“

„Und das Publikum? Ist es noch da?“

„Ich habe nichts Gegenteiliges vernommen!“

(Das Publikum beginnt zu kichern. Leise erst, dann immer lauter. Die Mimen wundern sich. War was mit den Kostümen? Ist ein Zuseher hinter ihrem Rücken auf die Bühne gehüpft und trieb dort Schabernack? Was sie nicht bemerkten, sie standen vor dem Mikrophon, in welches der Beelzebub sein “Lied von der Anstrengung schlecht zu sein” gesungen hatte und der Lütte Stan, unter anderem verantwortlich für Licht und Ton, hatte vergessen das Mikro rauszuziehen, denn er mußte zu seinen Auftritt als ff eilen. Das Auditorium hatte also alles mitgehört. Gott sei Dank möchte man sagen. Wer lacht, friert nicht!)

Thema: Musentempel | Kommentare deaktiviert | Autor: Christian Lugerth