VOR DEM DENKEN IST NACHDENKEN! WART MAL!
Und dann hat sich Archibald auf das nächtliche Fensterbrett gesetzt. Ernst Albert hatte lange und ausdauernd auf seiner Tastatur rumgetrommelt und Wein getrunken. Und dann war er müde geworden, aufgestanden und ins Bett gefallen. Die Schreibtischlampe hatte er vergessen auszuknipsen und die Karaffe mit den Weinresten ließ er einfach stehen. Auf Archibalds Fensterbrett. Neben dem kleinen dicken Mann aus rotem Stein, der so zufrieden vor sich hingrinste. Ein bißchen sah diese Figur aus wie ein komplettrasierter alter Bär. Hängebauch, Hängebrüste, Hängebacken. Fell weg, aber gut gelaunt. Archibald genoß die Ruhe. Wenn er sich konzentrierte, konnte er draußen vor dem Fenster die Blätter durch die kalte Nachtluft trudeln hören. Der Wind hatte die Straßen leer gefegt und die Aufrechtgeher zogen es vor – Oh Bärengötter, hört meine Dankgebete! – zu Hause zu bleiben. Die Nacht hatte heute Nacht Zeit und Muse, einfach nur Nacht zu sein. Kein sinnentleertes, verzweifeltes Fröhlichsein schrie durch die Dunkelheit. Die rollenden und stinkenden Blechmilben hielten ihre Räder still. Selbst der Kneipenwirt auf der anderen Seite der Straße hatte es heute Abend fertig gebracht, seinen Müll in und nicht neben die Tonne zu legen. Archibald kratzte sich Pöter, Abdomen und an der zufrieden herumschnüffelnden Nase. Eine gute Nacht. Zu gut, um zu schlafen. Eine freundliche Denknacht.
Man könnte zum Beispiel mal wieder über das Denken nachdenken. Also denken, bevor man denkt. Um das Nichts herumsinnen. Ohne Bescheid zu wissen. Kein angelesenes Viertel- oder Achtelwissen durch seine Hirnwindungen jagen und den Extrakt sich selbst als Produkt großartiger Selbstreflektion verkaufen und in die Denkvase stellen. In jene Denkvase, die man fett und gut beleuchtet auf sein Fensterbrett gestellt hat, in der Hoffnung jeder zufällig vorbeischlendernde Passant möge nun sein Haupt heben und erstarren in Bewunderung und Verzückung. Quatsch mit Soße, wie die Altvorderen gerne bemerkten. Weil, wenn Du im Zug sitzt, lecke das Messer nicht ab, denn wenn der Zug um die Ecke fährt, schneidest Du Dir Deine Wange auf. Auch daran gilt es zu denken. Und wenn Du denkst, denke nie an diejenigen, die Dein Denken vernehmen könnten. Doch wenn Sie vorbeikommen und sich freuen, daß einer denkt, der ein Bär ist und eigentlich schlafen sollte oder Fische essen und sich auf den Winterschlaf mental und leiblich vorzubereiten, dann freue Dich. Und dann kratze Dich noch mal am Pöter und sonst wo.
Die Heizung unterhalb Archibalds Fensterbrett bollerte lustig vor sich hin. Wenn das die Korrekten unter den Aufrechtgehern wüßten! Nachts! Der vergeßliche Ernst Albert und die heute – Ausnahmweise! – etwas faule Eva Pelagia bescherten dem Bären einen heißen Hintern. Gewiß denkt sich in einer Komfortzone etwas anders als zum Beispiel an der Südspitze Feuerlands. Aber sei es drum! Es war eine ruhige Nacht! Es gab keinen Grund die unsteten und hin und her mäandernden Bärengedanken irgendwelchen Komitees, Schlaumeiern oder Wichtigwissern unter die Nase zu reiben. Gegenüber des Denkbalkons namens Fensterbrett funkelten vereinzelte von Fernsehern beleuchtete Fenster. „Diese Nacht teile ich mit den ruhigen Schlaflosen!“ Das dachte Archibald Mahler, von der Insomnia geplagter Bär vom Brandplatz. Think!