HERR MAHLER VARIIERT ÜBER ENTEN 2
„Die Ruh’ ist hin, die Mimen da!“ Alte weißrussische Theaterweisheit. Sagt Ernst Albert. Man rufe sie sich zu in den Fluren und Werkstätten der Musentempel, nur nicht in den Garderoben der Mimen.
Der Bär hat Platz genommen auf der Lehne des alten Kunstledersofas, welches man mitten ins Plastikschilf gestellt hatte und wollte sich daselbst von der anstrengenden Arbeit als Teilzeitlichtdouble etwas erholen, als von rechts sich ein Spazierstock nähert. „He! Hallo? Was soll das denn?“ Ein unschuldiger Bär kann natürlich nicht wissen, daß im Musentempel so einiges möglich ist, nur daß das Einnehmen eines Platzes, den ein Mime für sich reserviert hat oder es zumindest glaubt, auf der Liste der zu sanktionierenden Fehlleistungen ganz oben steht. Archibald Mahler wird kurz, knapp und recht humorlos der Sofalehne verwiesen. Fragen füllen und fluten den Raum. Die Mimen wollen wissen, die Mimen vermissen, die Mimen fordern, die Mimen finden nicht. Hut, Banane, Termine, altes Hemd, neue Hose. Seltsamerweise suchen sie nicht. Sie haben so viel zu tun. Was? Der unermüdliche Helfer hebt das Haupt, sieht und findet Vermißtes. Fragen werden beantwortet oder auch nicht. Murren im Raum. Manchmal. Die zwei Mimen, welche zwei ältere Herren sind, setzen sich Hüte auf, einer einen Strohhut, der andere einen Hut aus Stoff und kariert. Dann fangen sie an miteinander zu reden. Witzeln, nehmen sich gegenseitig hoch, zanken und Archibald Mahler hat Spaß dabei zuzuhören. „Das ist ja ein lustiges Stück!“ Das denkt der Bär. Dann spricht der ehrenwerte Herr Ernst Albert. Er fragt, ob man denn jetzt mit der Probe beginnen könne und ob alles bereit sei. Was soll das denn bedeuten? Archibald Mahler wundert sich. Das war noch gar nicht das Stück? Na dann! Jetzt gehen die bunten Lampen an. Und die Männer reden wieder. Na ja! Man kratzt sich am Pöter, das heißt der Bär kratzt sich am Pöter. Macht er ja gerne, wenn er denkt oder sich langweilt. Ernst Albert kratzt sich auch. Am Kopf. Dann steht er auf und die beiden Männer hören auf zu sprechen und hören Ernst Albert zu. Der sagt dann, daß es das nicht sei, was er sich wünsche und die Mimen mögen doch bitte so sprechen, wenn sie miteinander reden, als seien sie eben keine Mimen und ihre Worte nicht zu Kalendersprüchen oder Bibeltexten verbedeutsamen, denn der Mime ist auch als Mime nur ein Aufrechtgeher und Mimen haben nur dann eine eigene Geschichte, die zu erzählen es wert ist, wenn sie diese als normal atmende und denkende Aufrechtgeher erzählen und nicht als ein Mimenkonstrukt von einer Geschichte, welches den Windungen eines Hirnes, das seinem Mitmimen nicht zuhört also auch nicht antworten kann, entspringt. Kein Wesen könne alleine leben, wenn es mit anderen redet, nicht der Kaktus und auch nicht der Mime. Ganz schön kompliziert! Oder vielleicht doch ganz einfach? Das komplizierte Einfache. Dann wird ein bißchen debattiert, hin und her und die zwei Männer müssen noch mal von vorne reden. Hören wir mal zu! Es geht wieder los. Archibald Mahler muß schmunzeln. Soweit Bären schmunzeln können. Schon lustig, die zwei da auf dem Sofa im Schilf. Jetzt steht der eine auf und hält den Spazierstock in die Luft. Archibald Mahler zuckt zusammen. Keine Angst! Der will nur spielen!