Der Müll, die Angst und der Tod der Vernunft

Was hatte er da gestern auf der Heizung geträumt? Hatte er geträumt? Er im Maule eines..? Quatsch! Archibald schüttelte sich, kratzte sich am Hintern und brach auf, Schweinekälte hin, Schweinekälte her. Vorhaben, die unter dem strengen Auge des Alten von Bergedorf geplant, gilt es in die Tat umzusetzen. Die Expedition namens „Angstmuzak“ nahm ihren Anfang. Weit mußte er nicht gehen. Fenster auf, Regenrinne herunter geklettert und bitte schön: der Geruch des gestrigen Tages attackierte ihn, schärfer und prägnanter denn je zuvor. Er schaute sich um. Keine Aufrechtgeher zu sehen. Er kratzte sich den Bärenschädel. Seine Nase vibrierte. Angstgetränkte Zweibeinerausdünstung der Panikklasse Eins A hüllte ihn ein. Was war denn nun die Quelle dieser konzentrierten Duftattacke? Fragen über Fragen. Er stand vor einer Mülltonne. Sollte? Nein! Doch! „Archibald! Erkenntnis fordert Opfer!“ Es mahnte die Bergedorfer Instanz. Die Nordostwand der Tonne erklettert, den Deckel hochgestemmt, Schädel und Nase ins Innere gestreckt: eine Sache von Sekunden. Der Deckel fällt donnernd herab. Gefangen der Bär.
Archibald dachte nicht im Traum daran, seine Expedition bei der ersten Mißlichkeit abzubrechen oder gar nach Zweibeinerart um Hilfe, Anleihe und Rettungspaket zu betteln. Etwas in ihm ahnte, daß er erster Erkenntnis gar nicht so fern war. Der Müll! Die Angst! Der Tod (der Vernunft?) Also dachte er nach. Vielleicht ist es so: der Aufrechtgeher schmeißt gerne weg. Alles was nicht paßt, im ersten Moment nicht sofort hundertprozentige Erfüllung garantiert, oder sperrig ist, Beschäftigung und Nachdenken, vielleicht gar Andacht fordert – Würste, Schuhe, Waschmaschinen, Herzen, Ideen, Bücher, Ausbildungen, Mitarbeiter, Versprechen, unerwünschte Kinder, Exkremente verbaler oder intestinaler Natur: kurz alles was gerade – Menno! – irgendwie stört: einfach fallengelassen, weg damit, ein anderer wird sich schon bücken und es entsorgen. Dann? Weiter, denn Nachschub ist garantiert! Auf ewig! Sagt man! Für all diese Würste, Schuhe, Waschmaschinen, Herzen, Ideen, Bücher, Ausbildungen, Mitarbeiter, Versprechen, unerwünschten Kinder, Exkremente verbaler oder intestinaler Natur: kurz alles was gerade – Menno! – irgendwie stört. Huch und Hoppla! Auf ewig! Auf ewig? Und in den Mülltonnen gärt es vor sich hin. Die Seifenblasen wachsen und wachsen. Die Deckel drückt es nach oben, langsam, aber gewaltig. Da helfen keine Schlösser. Selbst der einfach gestrickte Zweibeiner ahnt, daß ihm irgendwann seine Mülltonnen um die Ohren fliegen werden. Die Angst kriecht aus dem Müll, aus den Exkrementen und aus den Rosinenherzen. „Schnell! Schnell! Weiter! Weiter! Vielleicht kann ich meinen Mann noch umtauschen! Karstadt verspricht heute Träumerrabatt.” Uppsala! “Auf! Auf! Galeria Horten! Horten! / man gewährt an allen Orten / beim Erwerben neuer Träume / drei bis vier der Gratisschäume!“ Der Schnitter freut sich! Langsam stirbt die Vernunft! Lebt sie noch? Freeze! Die aufsteigenden Gase trübten Archibalds Wahrnehmung. Sein Hirn begann zu eiern und dichtete: „Griechenland und anderswo, wer lebt nicht gerne faul und froh!“ Eine Blase platzte. Der Deckel flog nach oben. Archibald ward befreit.
Also saß er auf dem kalten Maienboden, Zweibeinermüll all around him. Ein Stück alte Zeitung flatterte vor seine Nase. Er riechlaß das, was der Spielleiter aus dem Heckerland gestern ausgeatmet hatte: „Wir erwarten von den Spielern hundertprozentige Konzentration im mentalen Bereich, daß taktische Dinge umgesetzt werden, Aufgaben angenommen werden. Wir erwarten eine hundertprozentige Bereitschaft im körperlichen Bereich, weil bei einem Turnier jeder absolut an die Grenzen gehen muß.“ Auweia! Das Blechsprech der Seelenlosen. Das tat richtig weh! Binsenwahrheiten hatte Archibald noch nie verstanden, aber er ahnte, daß auch diese Blase bald – stinkend und mit Getöse – platzen würde. Sein Blick schweifte nach oben. Gott sei Dank, das Fenster der Höhle war noch offen, die Regenrinne nicht allzu klitschig und die Heizung kochte weiterhin auf Stufe Vier. Archibald beschloß seine Expedition zu unterbrechen. Aaahh und Ooooh! Ein Bärenhintern erwärmte sich. „Herr Reinhard Theophil Kuno „Stan“ von Lippstadt–Budnikowski zu Datteln, übernehmen Sie! Die Balltretkunst ist Ihr Metier! Dig it!“
Offener Brief an Herrn Jens Lehmann
Archibald hatte Gefallen gefunden am Schreiben von Briefen: “Lieber Herr Jens Ilsebill Lehmann! Was wird mir heute beim letzten Mahl vor dem Eingriff vorgelesen und hinterlässt mich kopfschüttelnd? Also doch sauer, weil die kaputten Rippen sie nicht zurück in den Kasten gehievt haben? Menno! Können Sie auch schweigen? Sie, ein überkandidelter Kugelfänger mit schwacher Blase? Oder sind sie ein Widergänger des Herrn Matthäus? ‘Man sollte schon wissen, wenn der Drops gelutscht.’ Entschuldigung, das hat jetzt Ernst Albert gesagt. Freeze. Lesen Sie bitte beiliegendes Märchen und wenn Sie solange den Mund halten könnten, wäre schon etwas gewonnen:
Dor weer eenmol eens een Fischer un sine Fru, de waanden tosamen in’n Pißputt, dicht an de See, un de Fischer güng alle Dage hen un angeld. Un he angeld un angeld. So sit he ok eens bi de Angel und kiekt jümmers in dat blanke Water henin. Un he sit un sit. Dor güng de Angel to Grund, dep ünner, un as he se herup hold, so hold he eenen grooten Butt heruut. Dor sä de Butt to em: “Hör mal, Fischer, ick bed di, laat mi lewen, ick bün keen rechten Butt, ick bün’n verwünschten Prins. Wat helpt di dat, dat du mi doot maakst? Ick würr di doch nich recht smecken. Sett mi weller in dat Water un laat mi swemmen.” “Nu,” sä de Mann, “du bruukst nich so veel Wöörd to maken, eenen Butt, de spreken kann, harr ik doch wol swemmen laaten.” Mitdes sett he em weller in dat blanke Water, dor güng de Butt to Grund und let eenen langen Striepen Bloot achter sik. So stünn de Fischer up un güng na sine Fru in’n Pißputt. “Mann”, sä de Fru, “hest du hüüt niks fungen?” “Ne”, sä de Mann, “ick füng eenen Butt, de seggt, he weer een verwünschten Prins, dor heff ick em weller swemmen laaten.” “Hest du di denn niks wünschd?” sä de Fru. “Ne, „ sä de Mann, “wat schull ick mi wünschen?” “Ach,” sä de Fru, “dat is doch äwel, hier man jümmers in’n Pißputt to waanen, dat stinkt un is so eeklig. Du harrst uns doch een lütte Hütt wünschen kunnt. Gah na em hen un roop em. Segg em, wi wöllt ‘ne lütte Hütt hebben, he deit dat gewiß.” Die grässliche Frau! “Ach”, sä de Mann, “wat schull ick dor noch hengahn?” De Mann wull noch nich recht, wull aver sin Fru ok nicht to weddern sin un güng hen na de See. As he dor kem, weer de See ganz gröon un geel un goor nich mehr so blank. So güng he an‘t Water und sä:
“Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.” Dor kem de Butt answemmen un sä: “Na, wat will se denn?” “Ach”, sä de Mann, “ick harr di doch fungen hatt, nu sä min Fru, ick harr mi doch wat wünschen schullt. Se mak nich mehr in’n Pißputt waanen, se wull geern ‘ne Hütt.” “Gah man hen,” sä de Butt, “se hett se all.” Dor güng de Mann hen, un sine Fru sit nich mehr in’n Pißputt, dor stünn aver eene lütte Hütt, un sine Fru sit vor de Döhr up eene Bank. Dor nöhm sine Fru em bi de Hand un sä to em: “Kumm man rin, süh, nu is dat doch veel beter.” Dor güngen se rin, un in de Hütt weer een lütten Vörplatz un eene lütte herrliche Stuw un Kammer, wo jem eer Beed stünn, un Köök un Spieskammer, allens up dat beste, mit Gerädschoppen, un up dat scheunste upplegt, Tinntüüch un Mischen, wat sik darin höört. Un achter weer ok een lütten Hoff mit Hönern un Aanten, un een lütten Goorn mit Grönigkeiten un Appeln. “Süh“, sä de Fru, “is dat nich nett?” “Jo“, sä de Mann, “so schall‘t bliewen, nu wöllt wi recht vergnöögt lewen.” “Dat wöllt wi uns bedenken“, sä de Fru. Mitdes eeten se wat un güngen to Bedd. So güng dat wol ‘n acht oder veertein Dag, dor sä de Frau: “Hör, Mann, de Hütt is ok goor to eng, un de Hoff un de Goorn is so kleen. De Butt harr uns ok wol en grötter Huus schenken kunnt. Ich möch wol in eenem grooten stenern Schlott waanen. Gah hen tom Butt, he schall uns een Schlott schenken.” “Ach, Fru”, sä de Mann, “de Hütt is god noog, wat wöllt wi in’n Schlott waanen.” “I wat”, sä de Fru, “gah du man hen, de Butt kann dat jümmers doon.” “Ne, Fru,” sä de Mann, “de Butt hett uns eerst de Hütt gewen, ick mak nu nich all weller kamen, dem Butt künnt dat sur upstöten.”"Gah doch,” sä de Fru, “he kann dat recht good un deit dat geern. Gah du man hen.” De Mann weer sin Hart so swoor, un wull nich. He sä bi sik sülben: “Dat is nich recht!” He güng aver doch hen. As he an de See kem, weer dat Water ganz vigelett un dunkelblau un grau un dick, un goor nich mehr so gröön un geel, doch weer‘t noch still. Dor güng he an‘t Water un sä:
“Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.” “Na wat will se denn?” sä de Butt. “Ach,” sä de Mann half bedrööft, “se will in’n groot stenern Schlott waanen.” “Gah man hen, se steit vör de Döhr“, sä de Butt. Dor güng de Mann hen un dachd, he wull na Huus gahn. As he aver dor ankehm, so stünn dor ‘n grooten stenern Pallast, un sin Fru stünn ewen up de Trepp un wull rin gahn. Dor nöhm se em bi de Hand und sä: “Kumm man rin.” Mitdes güng he mit ehr rin, un in de Schlott weer eene grote Dehl mit marmelstenern Fliesen, un dor weeren so veel Bedeenters, de reten de grooten Döhren up, un de Wenn weeren all blank un mit scheune Tapeten, un in de Zimmers luter gollne Stöhl und Dischen, un krystallen Kroonlüchters hüngen an de Dek, un so weer dat in all de Stuwen un Kammers. Un dat Eten un de allerbeste Wien stünn up den Dischen, as wenn se breken wullen. Un achter‘t Huus weer ok’n grooten Hoff mit Peerd- und Kohstall, un Kutschwagens up dat allerbeste, ok weer dor een grooten herrlichen Goorn mit de scheunsten Blomen un fine Appelböm, un een Lustholt wol ‘ne halwe Meil lang, dor weern Hirschen un Reh un Hasen drin un allens, wat man sik jümmers wünschen mag. “Na“, sä de Fru, “is dat nun nich scheun?” “Ach ja,” sä de Mann, “so schallt‘t ok bliwen, nu wöllt wi ok in das scheune Schlott waanen un wöllt tofreden sin.” “Dat wöllt wi uns bedenken, „ sä de Fru, “un wöllt‘t beslapen.” Mitdes güngen se to Bedd. Den annern Morrn waakd de Fru toeerst up, dat wör jüst Dag, un süht uut jem eer Bedd dat herrliche Land vör sik liggen. De Mann reckd sik noch, dor stödd se em mit denn Ellbagen in de Sid und sä: “Mann, sta up un kiek mal uut de Fenster. Süh, kunnen wi nich König warden öwer all düt Land? Gah hen tom Butt, wi wüllt König sin.” “Ach, Fru,” sä de Mann, “wat wöllt wi König sin! Ick mag nich König sin.” “Na“, sä de Fru, “wullt du nich König sin, so will ick König sin. Gah hen tom Butt, ick will König sin.” “Ach, Fru,” sä de Mann, “wat wullst du König sin? Dat mog ick em nich seggen.” “Worüm nich?” sä de Fru, “gah stracks hen, ick mutt König sin.” Dor güng de Mann hen un weer ganz bedrööft, dat sine Fru König warden wull. “Dat is nich recht un is nicht recht”, dachd de Mann. He wull nich hen gahn, güng aver doch hen. Un as he an de See köhm, dor weer de See ganz swartgrau, un dat Water geerd so von ünnen up un stünk ok ganz fuul. Dor güng he an‘t Water un sä:
“Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.” “Na wat will se denn?” sä de Butt. “Ach“, sä de Mann, “se will König warden.” “Gah man hen, se is‘t all,” sä de Butt. Dor güng de Mann hen, un as he na dem Pallast kem, so weer dat Schlott veel grötter worren, mit eenem grooten Toorm un herrliken Zierraat doran, un de Schildwach stünn vor de Döhr, un dor weeren so veele Soldaten un Pauken un Trumpeten. Un as he in dat Huus kem, so weer allens von purem Marmelsteen mit Gold, un sammtne Deken un groote gollne Quasten. Dor güngen de Döhren von dem Saal up, dor de ganze Hofstaat weer, un sine Fru sit up eenem hogen Troon von Gold und Demant, un harr eene groote gollne Kroon up un den Zepter in de Hand von purem Gold un Edelsteen, un up beiden Siden bi ehr stünnen ses Jumpfern in eene Reeg, jümmers eene eenen Kopp lütter as de annere. Dor güng he to sin Fru und sä: “Ach, Fru, büst du nu König?” “Ja,” sä de Fru, “nu bün ick König.” Dor stünn he und kiekt se an, un as he ehr so ankiekt harr, sä he: “Ach, Fru, wat is dat scheun, wenn du König büst! Nu wöllt wi ok niks mehr wünschen.” “Ne, Mann,” sä de Fru un weer ganz unruhig, “mi waart de Tied un Wiel al lang, ik kann dat nich mehr uthollen. Gah hen tom Butt, König bün ick, nu mutt ick ok Kaiser warden.” “Ach, Fru,” sä de Mann, “wat wullst du Kaiser warden?” “Mann, „ sä se, “gah tom Butt, ick will Kaiser sin.” “Ach, Fru,” sä de Mann, “Kaiser kann he nich maken, ick mag dem Butt dat nich seggen. Kaiser is man eenmal im Reich, Kaiser kann de Butt jo nich maken, dat kann un kann he nich.” “Wat“, sä de Fru, “ick bünn König, un du büst man min Mann, wullt du glieks hengahn? Glieks gah hen. Kann he König maken, kann he ok Kaiser maken. Ick will un will Kaiser sin, glieks gah hen.” Dor mussd he hengahn. As de Mann aver hengüng, weer em ganz bang, un as he so güng, dachd he be sik: “Düt geit un geit nich good. Kaiser is to uutvörschaamt, de Butt wart am End möd.” Mitdes kem he an de See, dor weer de See noch ganz swart un dick un füng al so von ünnen up to geeren, dat et so Blasen smeet, un et güng so een Keekwind öwerhen, dat et sik so köhrd. Un de Mann wurr groen. Dor güng he an‘t Water un sä:
“Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der Seemine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.” “Na, wat will se denn?” sä de Butt. “Ach Butt”, sä he, “min Fru will Kaiser warden.“ “Gah man hen“, sä de Butt,” se is‘t all.” Dor güng de Mann hen, un as he dor kem, so weer dat ganze Schlott von poleertem Marmelsteen mit albasternen Figuren un gollnen Zierraaten. Vör de Döhr marscheerden de Soldaten un se blösen Trumpeten und slögen Pauken un Trummeln. Aver in dem Huus, da güngen de Baronen un Grawen un Herzogen man so as Bedeenters herüm. Dor makten se em de Döhren up, de von luter Gold weeren. Un as he rinkem, dor sit sine Fru up eenem Troon de weer von een Stück Gold, un weer wol twe Meil hoog, un harr eene groote gollne Kroon up, de weer dre Elen hoog un mit Briljanten un Karfunkelsteen besett. In de eene Hand harr se den Zepter un in de anner Hand den Reichsappel, un up beiden Siden bi ehr, dor stünnen de Trabanten so in twe Regen, jümmers een lütter as de annere, von dem allergröttesten Riesen, de weer twe Meil hoog, bet to dem allerlüttjesten Dwaark, de weer man so groot as min lüttje Finger. Un vör ehr stünnen so veele Fürsten un Herzogen. Dor güng de Mann to ehr und sä: “Fru, büst du nu Kaiser?” “Jo“, sä se, “ick bün Kaiser.” Dor blivt he staan un bekiekt se sik so recht, un as he se so ankiekt harr, so sä he: “Ach, Fru, wat is dat scheun, wenn du Kaiser büst.” “Mann“, sä se,” wat steist du dor so rüm? Ick bün nu Kaiser, nu will ick aver ok Paabst warden, gah hen tom Butt.” “Ach, Fru,” seggt de Mann, “watt wullst du man nich? Paabst kannst du nich warden, Paabst is man eenmal in der Kristenheit, dat kann he doch nich maken.” “Mann,” sä se, “ick will Paabst warden, gah glieks hen, ick mutt hüüt noch Paabst warden.” “Ne, Fru,” sä de Mann, “dat mag ick em nich seggen, dat geit nich good, dat is to groff, tom Paabst kann de Butt nich moken.” “Mann, wat Snack!” sä de Fru, “kann he Kaiser maken, kann he ok Paabst maken. Gah foorts hen, ick bünn Kaiser, un du büst man min Mann, wullt du wol hengahn?” Dor wurr he bang un güng hen, em weer aver ganz flau, un he zitterd un beewd, un de Knee un de Waden slakkerden em. Un dor streek so’n Wind öwer dat Land, un de Wolken flögen, as dat düster wurr gegen Awend. De Bläder weiden von den Böm, und dat Water güng un bruusd, as kaakd dat, un platschd an dat euver, un von feern süh he de Schepen, de schöten in der Noot, un danzden un sprüngen up den Bülgen. Tosende See!
“Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.” “Na, wat will se denn?” sä de Butt. “Ach“, sä de Mann, “se will Paabst warden.” “Gah man hen, se is‘t all,” sä de Butt. Dor güng he wedder hen, un as he dor kem, so weer dor sowat as en groote Karch mit luter Pallastens ümgewen. Dor drängd he sik dörch dat Volk. Inwendig weer aver allens mit dusend un dusend Lichtern belücht, un sine Fru weer in luter Gold gekledet, un seet noch up eenem veel högeren Troon, un harr dre groote gollne Kronen up, un üm ehr dor weer so veel von geistlikem Staat, un up beiden Siden bi ehr, dor stünnen twe Regen Lichter, dat gröttste so dick un groot as de allergröttste Toorm, bet to dem allerkleensten Kakenlicht; un alle de Kaisers un de Königen, de legen vör ehr up de Knee und küßden ehr den Tüffel. “Fru“, sä de Mann un kiekt se so recht an, “büst du nun Paabst?” “Jo,” sä se, “ick bün Paabst.” Dor güng he to ehr hin un süht in ehr Gesicht, un dat weer, as wenn he in de hell Sunn kieken deit. As he se sik so ankiekt harr, so ä he: “Ach, Fru, wat is dat scheun, wenn du Paabst büst!” Se sit aver ganz stief as en Boom, un rippeld un röhrd sik nich. Dor sä he: “Fru, nu si tofreden, nu du Paabst büst, nu kannst du doch niks mehr warden.” “Dat will ick mi bedenken“, sä de Fru. Mitdes güngen se beid to Bedd, aver se weer nich tofreden, un de Girigheit leet se nich slapen, se dachd jümmers, wat se noch warden wull. De Mann sleep recht good un fast, he harr den Dag veel lopen, de Fru aver kunn goor nich inslapen, un smeet sik von een Sid to der annern de ganze Nacht un dachd man jümmers, wat se noch wol warden kunn, un kunn sik doch up niks mehr besinnen. Mitdes wull de Sünn upgahn, un as se dat Morrnrood seen deit, richtd se sik öwer End im Bedd up un kiekt dor rin. Un as se uut dem Fenster de Sünn so herup kamen süht, dachd se: “Ha, kunn ick nich ok de Sünn un de Maand upgahn laten?” “Mann,” sä se un stöd em mit dem Ellbagen in de Ribben, “waak up, gah hen tom Butt, ick will warden as de lewe Gott.” De Mann weer noch meist in’n Slaap, aver he vörschrock sik so, dat he uut dem Bedd füll. He meend, he harr sik vörhöörd, un reef sik de Ogen ut un sä: “Ach, Fru, wat seggst du?” “Mann,” sä se, “wenn ick nich de Sünn un de Maand kan upgahn laten, un mutt dat so ansehn, dat de Sünn un de Maand upgahn, ick kann dat nich uuthollen, un hebb kene geruhige Stünd mehr, dat ick se nich sülben kann upgahn laten.” Dor süht se em so recht gräsig an, dat em so’n Schruder öwerleep. “Glieks gah hen, ick will warden as de lewe Gott.” “Ach, Fru“, sä de Mann, un füll vör ehr up de Knee, dat kann de Butt nich. Kaiser un Paabst kann he maken, ick bidd di, go in di un blif Paabst.” Dor kem se in de Boosheit, de Hoor flögen ehr so wild üm den Kopp, dor reet se sik dat Lifken up un geef em eens mit dem Foot un schreed: “Ick holl dat nich uut, un holl dat nich länger uut, wullt du wol hengahn!” Dor slööpd he sik de Büxen an un leep wech as unsinnig. Buten aver güng de Storm, un bruusde, dat he kuum up de Föten staan kunn. De Hüüser un de Böm weiden um, un de Baarge beewden, un de Felsenstücken rullden in de See, un de Himmel weer ganz pickswart, un dat dunnerd un blitzd, un de See güng in so hoge swarte Bülgen as Karchtöörm un as Baarge, un de harrn bawen alle eene witte Kroon von Schuum up. So schree he, un kun sin egen Woord nich hören:
“Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.” “Na, wat will se denn?” sä de Butt. “Ach,” sä he, “se will warden as de lewe Gott.” “Gah man hen, se sitt all weller in’n Pißputt.” Dor sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag.
Bis hier hin geschafft? Gelesen und nicht gescrollt? Naja! Mit bestem Gruß verbleiben Archibald “Butt” Mahler und Herr Reinhard Theophil Kuno „Stan“ von Lippstadt–Budnikowski zu Datteln.”
Wie Archibald am Fluß saß und den Türmen der Gier seinen Allerwertesten zeigte
Archibald konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, daß Ernst Albert gerade dabei war, sich zum Bärenversteher zu mausern. Hatte er den Bären noch bei der Hinreise ohne Rücksicht auf die reiseungeübte Bärenseele in einem gewaltigen Rutsch in den Süden exportiert, legte man nun auf der Heimreise einen Zwischenstopp ein. Sicherlich auch der Tatsache geschuldet, daß die gestrigen Abschiedsfeierlichkeiten bei Herrn Albert Spuren hinterlassen hatten. Und frische Luft soll ja bei gewissen Zuständen Wunder wirken. Oder ein im Freien genossenes KB. Man setzte sich an das Ufer des großen Flusses, der wenige Meter vom Bahnhof entfernt, die Ganz Große Stadt durchschnitt. Und Archibald sah: dort wo in der alten Stadt, die sie gerade verlassen hatten, ein wunderschöner Kirchturm die Dächer überragte, waren es hier die Kathedralen eines ganz anderen Betvereins. Es waren die Türme der Gier, die weithin sichtbaren Botschafter der Glaubengemeinschaft ‚Kräfte des Freien Marktes / Unbegrenztes Wachstum und Peanuts im Arsch des Herrn so gern’. Archibald fand diese Türme recht häßlich, Ernst Albert machten sie jedes Mal, wenn er sie sah, wütend. Ursprünglich gegründet, das Ersparte der Aufrechtgeher zu verwalten und zu beschützen oder sinnstiftend zu verleihen, waren die Obermuftis der Glaubenskongregationen inzwischen dazu übergegangen, das was man Ihnen anvertraut hatte, mit großer Freude zu verzocken, indem man sogenanntes schnelles Geld machen wollte, das Ganze aber dann im großen Stile in den Sand setzte. Und dann hob ein lautes Krakeelen an, diejenigen, welche das verzockte Ersparte verloren hatten, mögen nun bitte den Schaden begleichen, sonst ginge alles komplett den Bach herunter und zwei Euro würde man auch gerne beisteuern zum rettenden Paket. Aber jetzt müsse man erst mal vom Acker, Mann, ins Ferienvillachen, sich von dem ganzen Stress erholen. Ernst Albert hätte kotzen können. Man steuerte ein Büdchen an. Ein netter Aufrechtgeher aus dem fernen Pandschab verkaufte ihnen ein KB.
Das KB, obwohl recht früh am Tage, mundete und linderte Gliederschmerz und Herzenswut. In Ansätzen, doch nicht völlig. „Mein lieber Archibald. Das Bier von hier, das den gestrigen Abend kontert, trägt den Namen Henninger. Schmecken tut es nicht wirklich, aber: when you in Rome, do as the Romans do. Und außerdem, ich trinke und gedenke. Denn jedes Jahr im Lenz gibt es hier ein Radrennen rund um die Brauerei, die diese Plörre in Flaschen zapft. Und, das mußt Du Dir mal reintun, was früher ‚Rund um den Henninger Turm’ hieß, heißt nun ‚Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt’. Sponsoring nennt man das. Wie groß müssen deren Köpfe sein, daß da soviel Scheiße hineinpaßt? ‚Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt’ Oweia! Oder wie Du gerne bemerkst: Potzrembel aber auch!“ Wenn Ernst Albert verkatert ist, ist seine Weltwut grenzenlos. Archibald ließ ihn gewähren und lieh sich einen Schluck des KB namens ‚Rund um den Finanzplatz Eschborn Frankfurt’. Macht Geld eigentlich besoffen? Offensichtlich mehr als Alkohol. Ein Ausflugsschiff fuhr vorbei. Er war benannt nach dem größten Sohn der Ganz Großen Stadt, ein manischer Vielschreiber, veritabler Trinker, Geheimrat in Thüringen und Liebhaber der Grünen Soße seiner Mama. Das beruhigte ungemein. „Laß uns die Seite wechseln, Genosse! Hier sind wir falsch!“ “Falsch?” “Falsch, so wahr ich lebe!”
Sie hatten auf einem Eisernen Steg den Fluß gequert und streckten nun den Türmen der Gier ihren Allerwertesten entgegen. Was sie nun sahen, war weitaus erfreulicher. Auf der gegenüberliegenden Seite reihte sich ein Museum an das andere. Man erblickte ein Plakat. In der schönsten und größten der Ausstellungshallen werden seit einigen Tagen Bilder eines Herrn Ernst Kirchner gezeigt, ein erklärter Lieblingsmaler von Ernst Albert, der daraufhin bemerkte, dies wäre doch ein schöner Ausflug, den er der besten Eva Pelagia schenken könnte, als Ausgleich für seine lange Abwesenheit. Ob er wohl mitkommen könne, fragte Archibald. Das werde man dann sehen, war die Antwort. Im Bahnhof scharrten die Züge mit den Hufen. Heimwärts nun! KB Nummer Zwo folgte sogleich!